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1954 - Geister auf dem Bildschirm lassen sich vertreiben.
Bildqualität nicht ohne eine gute Antenne

Abgerissene Köpfe, doppelte Nasen und dämonische Schattenmenschen sind ein schauerlich-schöner Anblick. Wenn sie jedoch Tag für Tag auf dem Bildschirm des Fernsehgerätes erscheinen und die amüsanteste Operette in einen kannibalischen Mord verwandeln, muß auch dem gemütvollsten Zuschauer der Appetit vergehen. Weder Sender noch Empfänger sind aber in der Regel Urheber solch verstümmelnden Tuns. Der bewußte „Faktor 3", die Antenne, pflegt vielmehr der sündigende Kobold zu sein, dessen Streiche allein durch mangelhafte Beachtung seiner sehr individuellen Eigenheiten zustande kommen.

Mit dem Stück Draht, der Zentralheizung oder der Sprungfedermatratze des Bettgestells ist es beim Fernsehen nicht getan. Die Ultrakurzwellen erfordern vielmehr eine Spezialantenne, den Dipol.

Wellenlänge ? Was ist das ?

Seine einfachste Form ist der offene oder gestreckte Dipol, dessen Leistung aber gegenüber der eines Faltdipols weit in den Schatten tritt. Seine Länge ist genau errechnet: sie muß der halben Wellenlänge entsprechen, die empfangen werden soll.

Hieraus erklärt sich, daß der für das 1,5m Band (174-216 MHz) des Fernsehens benötigte Dipol nicht mit dem des UKW-Rundfunks im 3m Band (87,5 bis 100 MHz) identisch ist.

Wo aufstellen ?

Gleich bedeutungsvoll ist seine Aufstellung. Wer einmal mit einem an das eingeschaltete Gerät angeschlossene Dipol durch das Zimmer wandert, wird erstaunt eine bezeichnende Feststellung machen.

Jede Veränderung nach der Höhe, nach der Seite oder in der Ausrichtung bewirkt nämlich, selbst bei Abweichungen nur von einem einzigen Zentimeter, Beeinflussungen des Bildes in mannigfacher Hinsicht. Zimmerantennen und logischerweise auch die in den Geräten eingebauten Antennen genügen daher lediglich in besonders günstigen Fällen.

Am besten auf dem Dach

Im allgemeinen aber ist eine Außenantenne, möglichst hoch, außerhalb des Störpegels und in direkter Sicht zum Strahler des Senders nicht zu umgehen. Denn das Auge, weitaus empfindlicher als das Ohr, nimmt auch die geringsten „Unebenheiten" des Empfangsweges wahr.

Die Aufgaben der Fernsehantenne sind also zweifacher Art. Zunächst einmal muß sie eine Eingangsnutzspannung an den Empfänger heranführen, die den Störpegel wesentlich überragt. Während beim üblichen Rundfunkempfang ein Verhältnis der Nutz- zur Störspannung von etwa 1 :20 meist genügt, wird beim Fernsehen ein Minimum von 1 : 100 verlangt. Dann aber obliegt dem Dipol auch die Ausschaltung jener den Bildempfang beeinträchtigenden Eigenschaften, die für die ultrakurzen Wellen charakteristisch sind.

Was sind Rerflektionen ?

Sie „stoßen sich" nämlich auf ihrem Wege vom Sender zum Empfänger an markanten, exponierten Flächen, wie Häusern, Türmen, Brücken oder Masten und werden von diesen reflektiert. Die Antenne empfängt nun zwei Signale, das direkte und das reflektierte. Der Laufzeitunterschied zwischen dem unmittelbaren und dem mit Verzögerung eintreffenden Reflektionsstrahl bewirkt Mehrfachbilder, bei denen die Konturen in abnehmender Stärke seitlich versetzt sind; der Fachmann taufte sie „Geister".

Nun, man kann diese Geister durch „Zauberstäbe", Reflektor und Direktor genannt, vertreiben. Sie machen (der Reflektor in Richtung Sender hinter und der Direktor vor dem Faltdipol) aus der Rundstrahl- eine Richtantenne, die seitliche und rückwärtige Strahlungen auszublenden und das gerichtete Bildsignal verstärkt aufzunehmen vermag. Vielfach wird zur Erzielung des gleichen Effekts ein Reflektor ausreichend sein. Bisweilen aber muß eine Bündelung des Strahlers auch in vertikaler Richtung erfolgen: dann müssen Dipole oder ganze Antennensysteme im Abstand ebenfalls einer halben Wellenlänge übereinander angebracht werden.

Verzerrungen sind auch Fehler

Ein anderer Bildfehler ist die „Plastik". Bei ihr sind die Flanken des Bildpunktsignals geringfügig verzerrt - auch eine Folge des Laufzeitunterschieds zwischen dem direkten und dem reflektierten Strahl. Hier aber tritt die Reflektion nicht auf dem Wege vom Sender zur Antenne, sondern zwischen Antenne und Empfänger auf dem Zuleitungskabel auf: ein neues Problem, die Anpassung, tut sich auf.

Das vom Dipol aufgefangene Signal kann nur dann ohne Beeinträchtigung in den Empfänger gelangen, wenn die Anpas-simgswiderstände der Antenne, der Zuleitung und des Empfängers, die man durch Ohm-Werte ausdrückt, übereinstimmen. Betragen also der Strahlungswiderstand des Dipols, der Wellenwiderstand der Zuführung und der Eingangswiderstand des Empfängers z. B. einheitlich 300 Ohm, so ist der Idealfall erreicht. Weichen sie voneinander ab, bilden sich „stehende Wellen", die eben jene Plastik hervorrufen.

Durch besondere Anpassungsglieder oder technische Kunstgriffe läßt sich die notwendige Symmetrie in jedem Fall erzielen. Bisweilen wird man allerdings Geister, Plastik oder andere den Bildempfang behindernde Störungen nur durch Verwendung einer abgeschirmten Zuführung anstelle einer einfachen Stegleitung beseitigen können.

Es gibt genügend Fachfirmen

Seit langem gibt es in Deutschland eine Spezialindustrie für Antennen, die einschließlich zweier Großunternehmen der Gerätefabrikation fast 15 Firmen umfaßt. Die Erzeugnisse einiger dieser Firmen stellen Marken dar, die in der Öffentlichkeit bereits ein Begriff geworden sind.

Das hat seinen Vorteil: die Fabrikate entstammen eingehenden Versuchsreihen, sind genormt und bieten für eine optimale Berücksichtigung der vielfältigen Anforderungen Gewähr. Der technisch Geschickte kann diese Antennen auf dem Dach, dem Dachboden, dem Balkon oder auch bei ausreichender Lage vor dem Fenster selbst installieren.

Daß der Dipol und etwaige Zusatzelemente entsprechend der in Deutschland üblichen horizontalen Polarisation der Sendeantenne waagerecht montiert werden müssen, darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Im allgemeinen aber wird doch der Fernsehhändler oder sein Techniker mit der Anlage betraut werden müssen. Die Schwierigkeiten beginnen ja schon bei der Wahl des Aufstellungsortes, für die ein Feldstärkemeßgerät immer noch die beste Hilfe darstellt. Sie setzen sich sofort bei der richtigen Dimensionierung der Antenne, unter der die Abstimmung auf den zu empfangenden Bereich, die Hinzunahme von Reflektor und Direktor und schließlich deren bester Abstand vom Dipol verstanden wird.

Billig und sparen sind getrennte Dinge

Und nicht minder beachtenswert treten sie bei der Bestimmung der Art der Zuführung, ihrer Anpassung und Verlegung in Erscheinung. Wenn auch ein Faltdipol mit Reflektor ohne Zubehör zwischen 20 und 30 DM kostet - hier zu sparen, macht sich angesichts der völligen Abhängigkeit der Bildqualität von der Antenne nie bezahlt.

Was darf man und was nicht ?

Mit Schrecken denkt mancher Hausbesitzer und manch schönheitsbeflissener Bürger an den Anblick ganzer Antennenwälder auf den Dächern und Balkonen. Schon jetzt werden Fälle bekannt, in denen Fernsehern die Anbringung von Dipolen untersagt, bedingt gestattet oder nur mit gewissen Auflagen genehmigt wird.

Ein besonderes Fernsehantennen-Recht gibt es nicht; wie bei der Rundfunkantenne ist also die Einwilligung des Vermieters für Dachdipole notwendig. In der Praxis wurde sie für die Rundfunkantenne kaum verweigert. Da die Mehrzahl der Hörer sich überdies - leider - mit Behelfsantennen begnügte, wurde der ganzen Angelegenheit zunehmends weniger Bedeutung beigemessen.

Das Fernsehen, das solche Behelfsantennen nicht kennt und in der Regel immerhin größere Antennengebilde auf dem Dach erfordert, hat jedoch Widerstände hervorgerufen. Eine Regelung durch Gesetz oder auf dem Verordnungswege wäre denkbar. Die hierfür zuständige Bundespost hat jedoch zu Recht Bedenken, weil einmal der Fortfall des Blitzschutz-Faktors ein Eingreifen nicht mehr rechtfertigt und weil zum andern nicht stets gleich Gesetz und Verordnung herangezogen werden sollen.

Das Recht muß und wird angepaßt werden

Sendeanstalten, Post, Industrie und Handel als unmittelbar interessierte Kreise schenken der Entwicklung erhöhte und ständige Aufmerksamkeit. Sollte es sich zeigen, daß Vermieter und Mieter gegenseitiges Verständnis nicht aufzubringen gewillt sind, wird man die notwendigen Mittel einsetzen, um das Recht auf einwandfreien Bildempfang zu gewährleisten.

Eine Möglichkeit steht dabei im Vordergrund: die Installation von Gemeinschaftsantennen, die bei Neubauten zur Pflicht gemacht werden sollte. Derartige Einrichtungen werden heute schon sogar als Universalanlagen für Kurz-, Mittel-, Lang-, Ultrakurzwellen und Fernsehen von einigen Firmen für maximal etwa 25 Anschlüsse hergestellt. Während das Dach nur eine einzige Antenne trägt, haben alle Wohnparteien den gleichen Vorteil eines hochwertigen Rundfunk- und Fernsehempfangs, ohne dafür anteilmäßig mehr Kosten
als für eine Einzelantenne aufwenden zu. müssen.

Dies scheint, auch im Hinblick auf die ansprechende Verlegung in der Art der mit Steckdosen versehenen Lichtleitung, der zukunftsreichste Weg zu sein.

BHK in 1954
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