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10 Jahre nach dem Krieg - Vom Funk zum Fernsehen aus der Sicht vom September 1955

Der 2. Weltkrieg ist vordergründig mühsam verdaut, und es geht wieder aufwärts. In den Redaktionstsuben der Zeitschriften und Magazine sitzen immer noch oder wieder "die Alten", denn es gibt gar nicht so viele "Junge". Und die ganz Jungen wußten nicht so viel von den Zeiten vor dem Krieg, denn es gab da auch massenweise Tabus. Also haben die Alten (aus ihrer Sicht) erzählt, wie es früher war.

Eine Funk-Geschichte aus September 1955.

Groß-Antennenalange 1929
250m Antennenmast 1955

Die Überschriften der kleinen Kapitel wurden neu getextet, es wäre sonst zu eintönig zum Lesen.

Vom Funk zum Fernsehen

"Es wird einmal eine Zeit kommen, in der jemand den Namen seines besten Freundes in den Äther ruft, und wenn dieser Freund nicht antwortet, so muß er tot sein!"

Diese seherischen Worte sprach um die Jahr­hundertwende der in Wiesbaden lebende, jetzt 75jährige Hans Bredow, seines Zeichens ehema­liger Staatssekretär im Reichspostministerium, Rundfunk-Kommissar und "Vater des deut­schen Rundfunks", wie ihn der Große Brock­haus bezeichnet. Man darf über diesen schon zum Begriff gewordenen Ehrentitel getrost hinausgehen, denn Hans Bredow ist schlecht­hin jener Mann, der nicht nur das Wort "Rundfunk" prägte, sondern auch die große Konzeption eines den Erdball umspannen­den Unterhaltungs-, Nachrichten- und Be­lehrungsrundfunks hatte und diese Idee sogar als erster nach Amerika brachte.

Er war es auch, der zu einer Zeit, als die Funktelegrafie als rein militärisches Nachrichtenmittel betrach­tet wurde, ihre große Bedeutung für den Schiffs­verkehr und den Welt­handel erkannte und planmäßig darauf hin­arbeitete, Deutschland auf diesem Gebiete eine inter­nationale Geltung zu ver­schaffen.

Dr. Hans Bredow, am Ende sogar ein Wiesbadener

Eine seiner epoche­machenden Schöpfungen ist die Station Nauen, mit der er bereits 1913 den Verkehr mit den USA und den deutschen Kolonien Togo, Kamerun, Ostafrika und Südwestafrika und den deutschen Südseebe­sitzungen aufnahm. Das war von ganz außerordent­licher Bedeutung für das Aufblühen der Kolonien. Denn das Deutsche Reich konnte seine Kolonien nur schwer telegrafisch errei­chen, und wenn, dann nur über fremde Kabel. 1919, nach dem verlorenen Kriege, baute er Nauen zur stärksten Telegrafie-Station der Welt und zum Mittelpunkt des deutschen Überseefunks aus.

Es ist wohl einmalig in der Geschichte der Technik, wie dieser tatkräftige In­genieur als Wissenschaft­ler von Format doch im­mer wieder den Blick auf die praktische Verwend­barkeit der Entdeckungen und Erfindungen richtete. In humorvoller Weise hat dies einmal sein kongenia­ler Kollege Dr. Graf von Arco ausgesprochen, als im Berliner Herrenhaus ihm und Dr. Bredow am 23. November 1926 nach einem Vortrag Albert Einsteins die Heinrich-Hertz-Me­daille verliehen wurde.

Graf Arco sagte u.a.: „Eine ganz besondere Freude empfinde ich wegen der Doppelver­leihung dieser Aus­zeichnung gleichzeitig an Herrn Dr. Bredow und an mich, weil gerade ich auf Grund unseres langen Zusammenarbeitens imstande bin, den großen Anteil zu würdigen, den Dr. Bredow durch seine auf die Verbesserung des drahtlosen Verkehrs eingestellte Lebens­arbeit an der Gesamtentwicklung hat. Die einseitige Versenkung in die Technik birgt ja die Gefahr in sich, den Apparat als Selbstzweck zu betrachten und seine An­wendung, nämlich den Verkehr, fast ganz zu vergessen.

Aus dem Munde meines Kollegen Dr. Schapira stammt das die Situation recht kennzeichnende Wort: "Dr. Bredows größte Tat ist die gewesen, entdeckt zu haben, daß die drahtlosen Apparate zum Telegrafieren bestimmt sind!" Man kann sich jetzt wohl leicht die Hei­terkeit vorstellen, mit der die erlauchte Heinrich-Hertz-Gesellschaft die Rede Arcos quittierte, aber wir vergessen dabei immer wieder, welche unendlichen Schwie­rigkeiten sich den Pionieren selbst dann in den Weg stellen, wenn sie aus einer so hohen und verantwortungsvollen Position heraus wirken können, wie Bredow es durfte.

Keine Musik und keine Unterhaltung bitte

Großfunkstation Nauen
Großsender KWH Vorkrieg
Koenigswusterhausen Funkerberg 2007

Als 1877 das Telefon eingeführt wurde, hatte der General- postmeister von Stephan versichern müssen, das Instrument diene "nicht zur Unterhaltung einiger Sensa­tionsbedürftiger, sondern zum praktischen Gebrauch". Ganz so erging es auch dem Staatssekretär Bredow, als er sich bei der Einführung des Rundfunks fast entschul­digen mußte: "Der Rundfunk ist keine müßige Spielerei!"

"Ein gewisser Bredow aus Pommern" hatte nach dem Bericht der amerikani­schen Zeitung "Baltimore Sun" vom 23. Februar 1913 eine musikalische Ver­anstaltung drahtlos übertragen, was in den Vereinigten Staaten Aufsehen erregte. Sechs Jahre später beabsichtigte er, den von ihm errichteten Presse- und Wirtschaftsfunk zu einem Unterhaltungsrundfunk zu erweitern, und bei seiner Rede vor der Weimarer Nationalversammlung kam er sich "wie ein Betrüger oder Hochstapler vor". Als er nirgendwo auf Verständnis stieß, entschloß er sich zu einer Pressekonferenz im November 1919 in der Berliner "Urania", in der er in einem Experimentalvortrag das Wesen des Rundfunks darzulegen versuchte.

Der anwesende Chef Bredows, Reichspostminister Giesbert, äußerte nach der Veranstaltung dem Vortragenden gegenüber: "Die Versuche hätten Sie weglassen sollen. Das glaubt Ihnen ja doch keiner!" Und als Bredow dem Minister erklärte: "Herr Minister, in  zwei Jahren können Sie von Ihrem Schreibtisch aus zu allen Ihren Postbeamten gleichzeitig spre­chen!", da klopfte er seinem Ministerial­direktor halb wohlwollend, halb mitleidig auf die Schulter, mit einem vielsagenden: "So? Na, na?", etwa in der väterlichen Manier eines Psychiaters gegenüber seinem unheilbaren Patienten.

Es ist notwendig, diese Dinge, die mir Dr. Bredow selbst erzählte, einmal offen auszusprechen, denn wir nehmen die technischen Großtaten leider immer als selbstverständliches Ge­schenk hin.

Sie hatten es fast alle nicht verstanden

Bedauerlicherweise hatten auch die technischen Fachjournalisten von dieser historischen Pressekonferenz nicht viel verstanden. Selbst der bekannte Schrift­steller Hans Dominik, der durch seine Zu­kunftsromane berühmt war, also doch sowohl als Ingenieur wie auch als phanta­sievoller Poet eigentlich alle Voraussetzun­gen für ein gutes Verständnis hätte mit­bringen sollen, machte eine ironische Ein­schränkung im "Berliner Lokalanzeiger", indem er sagte:

"Wenn auch der Vortragende auf dem Boden der Sachlichkeit blieb, entwickelte er doch zuweilen Gedanken von geradezu Jules Vernescher Kühnheit. So, wenn er beispielsweise den zukünftigen Redner schildert, der seine Rede in einen draht­losen Apparat spricht und sie für Millionen von Menschen hörbar macht!"

Für Bredow war das überhaupt keine Jules Vernesche Kühnheit, sondern ein einfacher Gedanke, die Möglichkeiten der modulierten elektrischen Wellen so aus­zunutzen, daß sie, von einem Punkt aus­gesandt, von jedermann gehört werden konnten.

2.350.000.000 = Zweitausenddreihundertfünfzig Mil­liarden Mark für einen Lichtblick

Der 29. Oktober 1923 gilt als der offi­zielle Geburtstag des deutschen Rund­funks. An diesem Tage wartete in Berlin eine kaum fünfhundert Personen zählende, mit Kopfhörern bewaffnete, andachtsvolle Gemeinde auf die erste öffentliche Sen­dung. Dieses Premierenpublikum, nicht im festlichen Saale vereint, sondern daheim am Detektor sitzend, war im wahr­sten Sinne des Wortes "ganz Ohr", als es die Ansage vernahm:

"Hier Sendestelle Berlin Voxhaus, Welle 400!"

Dann folgte das Wunder der ersten Programmübertragung des ersten deut­schen Senders in einer traurigen Zeit: die Wirtschaft war am Rande des Bank­rotts und die Inflation auf dem Höhepunkt. Die erste Rundfunkteilnehmerkarte kostete "nur" zweitausenddreihundertfünfzig Mil­liarden Mark!

Der Erfolg gab Bredow recht: ein Jahr später konnte er stolz verkünden, daß die Zahl der Hörer von 500 auf 350 000 ange­wachsen war.

Den meisten schien es unfaßbar, daß es tatsächlich möglich sein sollte, ohne Drahtverbindung miteinander zu tele­grafieren oder gar zu telefonieren. Dabei hatte man längst vergessen, daß die Menschen im Altertum sich auf weite Entfer­nungen Nachrichten übermittelten, wenn sie durch Trommelklang, wie heute noch die Schwarzen in Afrika, oder durch Feuer­zeichen, wichtige Meldungen unverzüglich über große Strecken bekanntgeben wollten. Ich denke an den Fall Trojas, der durch diese Übermittlungsmethode sofort be­kannt wurde.

Selbst die "Majestäten" waren verwirrt

Amüsant ist in diesem Zusammenhang eine Geschichte des Funkpioniers Prof. Adolf Slaby von der Technischen Hoch­schule Berlin-Charlottenburg. Zusammen mit seinem Assistenten Graf Arco führte er im Jahre 1907 dem deutschen Kaiser­paar in der TU drahtlos übertragene Musik vor. Graf Arco ließ vor dem Mikrofon am Tempelhofer Ufer eine Carusoplatte ab­spielen, und diese Musik empfingen die Majestäten drahtlos im Laboratorium Slabys. Nachdem der Professor den Vor­gang eingehend erläutert hatte, zeigte sich die Kaiserin von den Versuchen sehr stark beeindruckt und rief verwundert aus: "Ich wußte ja gar nicht, daß Graf Arco so schön singen kann!" Von ähnlich überwälti­gender Komik war der Ausspruch des großen Schauspielers Heinrich George, der, aufgefordert, die Hauptrolle in einem klassischen "Sendespiel" im Berliner Rund­funk zu übernehmen, in echtem Berliner Dialekt fragte: "Kann man denn Schillern ooch telefonieren?"

Noch ein langer Weg bis zum richtigen Rundfunk

Aber diese Äußerung der technischen Laien dürfen uns weder verwundern noch hochmütig machen, denn in den wenig­sten Fällen haben unsere großen Erfinder die Tragweite ihrer Entdeckung selbst erkannt. So z. B. Heinrich Hertz, der den Nachweis der elektromagnetischen Wellen führte und bewies, daß sich diese mit der Geschwindigkeit der Lichtwellen ausbreiten, der aber nicht daran glaubte, daß sich diese elektromagnetischen Wel­len auch für "leitungslose Telegrafie" aus­nutzen ließen.

Als Heinrich Hertz 1887/89 durch seine wissenschaftlichen Arbeiten den Grund­stein für das gewaltige Gebäude der drahtlosen Telegrafie legte, besaß er noch kein Mittel, die Fernwirkung seiner Wel­len nachzuweisen. Er benutzte als Sender einen Funkeninduktor. Die an der Funken­strecke - dem Oszillator - überspringen­den Funken erzeugten elektromagnetische Wellen. Mit einem einfachen isolierten Drahtbügel, dessen Enden sich auf weniger als einen Millimeter näherten, konnte er durch kleine überspringende Funken be­weisen, daß eine Energieübertragung über eine Luftstrecke stattfand. Etwa auf eine Entfernung von 20 cm gelang es mit dem Drahtbügel - dem Resonator -, den Be­weis über das Vorhandensein der elektrischen Wellen zu erbringen.

Ob nun diese Wellen einmal zur Nach­richtenübermittlung dienstbar gemacht werden könnten, hing davon ab, ob man ein Instrument fand, mit dem es möglich wäre, das Vorhandensein der elektrischen Wellen auf eine größere Entfernung nach­zuweisen. Der Franzose Branly erfand das erste Indikationsinstrument - den Kohärer oder "Fritter", wie er genannt wurde. Dieser bestand aus einem Glas­röhrchen, in dem zwischen zwei Elektro­den Metallfeilspäne lagen.

Die Wirkungsweise dieses Fritters be­stand darin, daß sich unter Einfluß der Hochfrequenz sein Widerstand änderte. Diese Änderung wiederum führte zu einer Änderung der Stromstärke des Stromes, der den Fritter durchfloß. Dadurch wurde ein Relais betätigt, und das Relais löste in der Regel eine Klingel aus. Dieser Kohärer - der erste Wellendetektor - hat lange Zeit als das einzige Anzeigeinstrument für elektrische Wellen auf größere Ent­fernungen gedient. Er hat im Laufe der Zeit manche Verbesserung erfahren. Heute besitzt er nur noch historischen Wert.

Im Anfang war der Detektor

Mit der Zeit hat man entdeckt, daß manche Mineralien in kristalliner Form die Eigenschaft haben, dem elektrischen Strom in einer Richtung einen hohen Wi­derstand entgegenzusetzen, ihn aber in der anderen Richtung ungehindert fließen zu lassen. Eine solche Anordnung, z. B. ein Bleikristall, auf dem ganz lose eine Silber­drahtspitze ruht, ist der allgemein be­kannte Detektor. Seine Wirkungsweise besteht darin, daß der hochfrequente Wechselstrom nur in einer Richtung durchgelassen wird. Es findet also eine Gleichrichtung statt. Der entstehende pulsierende Gleichstrom bewegt im Rhyth­mus der Tonschwankungen die Kopf­hörermembranen. Auch Kristalle auf Kri­stallen ergeben brauchbare Detektorkom­binationen wie Kupferkies mit Rotzinkerz. Bei allen Kombinationen ist der Wirkungs­grad abhängig von der Art und Beschaffen­heit der beiden Materialien, der Form der Elektroden und dem Druck, mit dem die beiden Elektroden sich berühren.

Daß der Druck der Metallspitze auf den Kristall in weitestem Maße die Emp­findlichkeit des Detektors beeinflußt, da­ran können sich noch alle die Rundfunk­hörer erinnern, die mit einem Detektor gehört haben. Wie schwer war es doch damals manchmal, die empfindlichste Stelle auf dem Kristall zu finden, und wie unangenehm war es dann, wenn durch eine kleine ungewollte Erschütterung diese Einstellung verloren ging und der Emp­fang aussetzte. - Der Detektor, wie ihn noch mancher Rundfunkhörer in Erinne­rung hat, war auch für den kommerziellen Funkverkehr das einzige Empfangsmittel, bis die Elektronenröhre ihren Einzug in die drahtlose Technik hielt.

Heute hat man den Transistor

Für den heutigen Rundfunkhörer hat der Detektor als Empfangsmittel keine nennenswerte praktische Bedeutung mehr. Die Forschungsstätten der Industrie aber haben ihn erneut aufgegriffen, und zwar in Form der neugeschaffenen Kristalldioden. Im Aufbau und der Wirkungsweise ähnelt die Kristalldiode dem Detektor. In dem Halbleiter Germanium hat man ein sehr brauchbares Material dafür gefunden. Mit dem Tran­sistor wird sich der Traum vom röhren­losen Verstärker erfüllen. In vielen Rund­funk- und Fernsehempfänger-Schaltungen werden schon heute Kristalldioden ver­wendet.

Der Strom kommt aus der Steckdose

In der Anfangszeit des Rundfunks do­minierte der Selbstbau der Rundfunkge­räte durch den Bastler. Es gehörte gerade­zu zum guten Ton, etwas von der Sache zu verstehen. Um aber ein Röhrengerät bauen zu können, mußte man Mitglied eines Funk-Vereins sein, für den die Post Prüfungsbedingungen stellte. Netzgeräte gab es überhaupt noch nicht, und wenn man eine bestimmte Sendung hören wollte, waren die Batterien oft leer. Mit der ungeheuren Zunahme der Hörer wuchsen aber auch die Anstrengungen der Rundfunkindustrie, die ihren Niederschlag in den großen Funkausstellungen zu Berlin fanden.

Allmählich erschienen bessere Ge­räte auf dem Markt. Der Betrieb aus Bat­terien war dem Netzgerät gewichen, der Lautsprecher, bisher immer vom Emp­fänger getrennt, wurde mit dem Empfän­ger zusammengebaut. Aber trotzdem blieb er immer noch das schlechteste Glied in der Übertragungskette. Versöhnlich war, daß die Empfänger nicht mehr ein so "arg technisches Aussehen" hatten. Die Zahlenskalen wichen den Stationsangaben, aus dem Geradeausempfänger vom Ein­kreiser bis zum Vierkreiser, wurde der Superhet, und damit erhielten die Hörer, äußerlich gesehen, ein "passendes Möbel­stück für die Wohnung".

1 Million Rundfunkhörer

Die Rundfunkhörerzahl war trotzten primitiven technischen Voraussetzungen bereits 1925 auf eine Million angewach­sen. Aber erst 13 Jahre später, also 1938, war die Plattform für eine Massenbewe­gung der Hörer gegeben, als auf der Großen Deutschen Funkausstellung zu Berlin ein Klein-Empfänger zum Preise von 35 Mark auf den Markt gebracht wurde. (Anmerkung: der Volksempfänger wurde von der NS Regierung befohlen.)

Wir haben bisher fast nur von den An­gelegenheiten des Hörers gesprochen. Wie sah es aber damals im Funkhaus aus? - Vom Reismikrofon bis zum Kondensator­mikrofon war es ein beschwerlicher Weg, der aber doch in wenigen Jahren zurückge­legt wurde. Die dauernd zischenden Telegraphone und Kathodophone sind längst in Vergessenheit geraten. Beim Kondensator­mikrofon fiel auch das bei den Kohle­mikrofonen so unangenehme Rauschen weg. Das Kondensatormikrofon war bei seiner Einführung im Jahre 1934 bereits so vollkommen, daß es bei uns auch noch heute mit nur unwesentlichen Verbesse­rungen im Gebrauch ist.

Die Tonträger

Zu Beginn des Rundfunks gab es natürlich auch noch keine "Tonträger", wenn man von den Schallplatten absehen will. Alles, das ins Mikrofon gesprochen wurde, war "direkt" oder "live", wie man nach angelsächsischer Manier heute zu sagen pflegt. Wir haben auch jetzt noch ständig "live"-Sendungen, aber sie sind leider in der Minderzahl. Das Gros der Sendungen kommt vom Band. Bei solchen direkten oder Original­sendungen kommt es natürlich häufig zu aufregenden oder mit unfreiwilliger Ko­mik geladenen Situationen.

Ich erinnere mich noch, daß in der Anfangszeit mein Freund Julius Jacobi ein Konzert in der Aufregung mit den Worten absagte: "Sie hörten die Unvollendete Sinfonie in h-moll von Wolfgang - Verzeihung! - Amadeus - Verzeihung! - Schubert!"

Versprecher konnten tödlich sein.

Viel eklatanter aber war die Reportage meines inzwischen verstorbenen Kollegen Wilhelm Ehlers von einem Ballon-Rennen in der Zeit des Dritten Reiches. Bekannt­lich hat jeder Freiballon einen Namen, und so hieß einer "Hermann Göring". Als Wil­helm Ehlers nun über den Start der Ballons auf dem Tempelhofer Feld in einer Direkt­sendung zu berichten hatte, verstieg er sich zu dem klassischen, in der damaligen Zeit nicht ungefährlichen Satz: "Und vor mir steht: dick, prall und aufgeblasen - Hermann Göring!" Dann machte er entsetzt eine Pause und tat das, was den Vor­fall nur noch verschlimmern konnte. Er setzte nämlich hinzu: "Ich meine den Ballon natürlich!"

Von der Wachsplatte zum Tonband

Schallplattenschneidemaschine 1930
Der Welt erstes Tonbandgerät 1935 K1

Als Tonträger verwendete man nach einigen Jahren ausschließlicher Direkt­sendung sogenannte Decilith-Folien, die aber nur eine begrenzte Qualitäts- und Lebensdauer hatten und den Nachteil be­saßen, daß man "Versprecher" nicht heraus­nehmen konnte. Das gleiche gilt zwar auch für die später verwendeten Wachs­platten, aber sie hatten doch immerhin eine bessere Qualität und den Vorteil, daß man sie zu Schwarzplatten (normalen Schallplatten) umpressen konnte. Eine Sendung von einer Stunde Dauer ver­teilte sich auf etwa 20 Wachsplatten mit Überlappungen, so daß ein pausenloses Abspielen gewährleistet war. Natürlich war dieses Verfahren äußerst umständlich, zeit-, raumraubend und diffizil, wenn man bedenkt, daß man die Wachsplatten in Kühlschränken aufbewahren mußte.

Erst das im Jahre 1937 versuchsweise und 1941 endgültig im deutschen Rundfunk einge­führte Magnetofonband brachte den klas­sisch-eleganten, dauerhaften und qualitativ hochstehenden Tonträger. Zwar befriedig­ten die ersten Tonbandgeräte bei Musik­sendungen noch nicht. Erst das Hoch­frequenz- Lösch- und Vormagnetisie­rungsverfahren, eine Zufallserfindung, brachte in den kommenden Jahren Ver­besserungen, wodurch man nun auch Musiksendungen einwandfrei wiedergeben konnte.

Da gab es auch noch den Raumklang

1881 - Stereoübertragung aus der Pariser Oper

Mit dem Bestreben, die Qualität der Tonträger zu verbessern, ging immer das Bemühen Hand in Hand, den Empfang der Sendung so vorzüglich zu gestalten, daß der Hörer den Eindruck gewinnt, er be­finde sich im Konzertsaal oder sei bei dem Geschehen anwesend, das ihm gerade übermittelt wird. Bisher war es so, daß der Ton aus dem Lautsprecher nur immer aus einer Richtung das Ohr des Hörers erreichte. Nun geht das Streben nach echtem plastischem Hören. Die technische Anordnung hat folgenden Plan: Im Studio werden zwei Mikrofone im Abstand der beiden Ohrmuscheln am Kopf aufge­stellt.

Über zwei vollkommen getrennte Verstärkeranlagen und auf zwei absolut getrennten Leitungswegen werden zwei Sender moduliert, die über zwei Antennen abstrahlen. Der Rundfunkhörer empfängt die Sendung über zwei Geräte. Das Resultat ist eine echt akustische 3-D-Wir­kung. - In jedem Fall aber ist der Auf­wand, wie man leicht erkennt, unver­hältnismäßig hoch. - Im allgemeinen stehen wir Rundfunkfachleute aber auf dem Standpunkt, daß der Hörrundfunk künftig keine großen technischen Über­raschungen mehr bringen wird.

UKW - aus der Not geboren

Die Wellen, die Heinrich Hertz er­zeugte und bei denen er eine Reichweite von 10-20cm nachweisen konnte, waren Dezimeterwellen. Um zu größeren Reich­weiten zu gelangen, wurden immer längere Wellen (20.000-30.000 m) verwendet. Die Antennen waren kilometerlang. Die kürzeren Wellen, die wir heute als Mittel­wellen bezeichnen (160-700 m) und mit denen der Rundfunk begann, hielt man zunächst für die Überbrückung größerer Entfernungen für ungeeignet. Die Wellen aber, die unter 100m lagen, waren für den "Fachmann" völlig wertlos. So überließ man sie den Amateuren für Versuche. Da geschah das Unerwartete, die Amateure überbrückten große Entfernungen, und zwar mit kleinsten Energien! Entfernun­gen, zu deren Bewältigung die kommer­ziellen Stationen auf den Langwellen Hun­derte von Kilowatt benötigten, erreichten Amateure mit Energien, die unter 100 Watt, ja selbst unter 10 Watt lagen. 1920 etwa, als sich die wenigen Sender noch nicht gegenseitig störten, wurde mit solchen kleinen Energien selbst die große Ent­fernung Europa-Amerika überwunden.

Deutschland hatte vor dem zweiten Weltkrieg im Mittelwellenbereich 22 Wel­lenlängen zur Verfügung. Durch den Kopenhagener Wellenplan, der 1950 in Kraft trat, sind Deutschland praktisch nur noch vier gute Wellen, für jede "Besatzungs­zone" eine, verblieben, weil die anderen wellenhungrigen Länder auf Kosten Deutschlands ihren Bedarf deckten. Einen Ausweg aus diesem Dilemma fand man durch die Einführung des Ultrakurzwel­len-Rundfunks (UKW), ein Weg, bei dem aus der Not eine Tugend gemacht wurde.

Große Entfernungen mit minimaler Leistung

Sender auf dem Feldberg im Taunus
KW Empfänger 20er Jahre

Die Ultrakurzwellen nähern sich in ihren Ausbreitungseigen- schaften schon dem Licht. Theoretisch ist ihre Reichweite mit dem Horizont zu Ende. Damit nun die UKW-Sender eine größere Reichweite erhalten, also ihr Horizont weiter hinaus­geschoben wird, errichtet man sie auf hohen Türmen oder Bergen (Stuttgarter Fernsehturm, Sender Feldberg im Taunus etc.). Durch den UKW-Rundfunk kann ein wirklich störungsfreier Empfang gewährleistet wer­den.

Für die Überbrückung großer Entfer­nungen bedient man sich in Deutschland seit 1929 des Kurzwellenrundfunks, dessen Sender mit 5 kW Leistung ihre Wellen anfangs über eine Rundstrahler-Antenne ins ferne Ausland schickten. Das Ergebnis war nicht befriedigend. Eine an sich schon geringe Sendeenergie, die sich infolge der Rundstrahlung mit der wachsenden Entfernung immer mehr verdünnte, kam schließlich dort, wo sie eigentlich wirken sollte - in Übersee -, mit so schwacher Lautstärke an, daß nur noch ganz hoch­wertige Geräte ihren Empfang ermöglich­ten. 1932/33 wurden die Rundstrahler durch Richtstrahler ersetzt. Das sind An­tennen, die wie Scheinwerfer auf bestimmte Teile der Erde gerichtet sind, die Energie des Senders nicht in alle Himmelsrichtun­gen verströmen lassen, sondern sie zu­sammenraffen, gewissermaßen bündeln, und nun mit ungleich größerer Stärke am Bestimmungsort landen lassen.

24 Stunden rund um die Welt senden

Damit wurden Nordamerika. Südamerika, Mittelamerika, Afrika, Asien und Austra­lien vom Deutschen Kurzwellensender, später Deutscher Überseesender genannt, in der in jeder Zone vorherrschenden Verkehrssprache und, was sehr wichtig ist, in den für ihre Bewohner günstigsten Hör­zeiten angesprochen. Denn die besten Empfangszeiten und die größte Hörer­dichte in den verschiedenen Kontinenten sind, entsprechend dem Lauf der Sonne, verschieden. Wenn wir hier aufstehen, gehen die Australier schlafen; wenn wir zu Mittag essen, finden sich die Chinesen zu ihrem abendlichen Tee zusammen; in Afrika entsprechen die Tageszeiten etwa den europäischen, zu den Amerikanern aber kommt die Sonne ungefähr sechs Stunden später.

All das mußte der Pro­grammgestalter der Deutschen Übersee­sender wissen. Er mußte wissen, wann der Chilene frühstückt, wann der Kanadier das Kino besucht, wann der Araber im Kaffeehaus sitzt und wann der Arbeiter in Melbourne in die Fabrik geht. Die Richt­strahler erlaubten nun, gleichzeitig ein Abendprogramm nach Asien, ein Mittags­programm nach Afrika, ein Morgen­programm nach Südamerika und ein Morgenprogramm nach Nordamerika zu senden. Aus der Ausnutzung dieser Mög­lichkeiten ergab sich die fast unvorstell­bare Tatsache, daß die deutschen Über­seesender im Tagesablauf von 24 Stunden ein Programm von 194 Stunden in 47 verschiedenen Sprachen in alle Welt hin­ausschickten !

Pflichten während des Krieges

Während des zweiten Weltkrieges hat­ten die deutschen Überseesender eine be­sonders schöne und menschliche Aufgabe, nämlich den in Afrika kämpfenden Trup­pen und den Seeleuten der Kriegs- und Handelsmarine eine Brücke zur Heimat zu sein. Ungezählte Menschen auf den U-Booten, Hilfskreuzern und Blockade­brechern waren monatelang ohne Post­verbindung, so daß das über kurze Welle gerichtete "Seemannswunschkonzert An-kerspill" und "Blinkfeuer Heimat" ihnen die ersehnte Kunde aus der Heimat gab.

Als Programmgestalter des Seemanns­wunschkonzertes erlebte ich übrigens eine reizende Geschichte, die so recht die außergewöhnliche Wirkung der Kurz-Wellensendungen beleuchtet. Da an meinem Mikrofon die Angehörigen jener Seeleute, die auf fremden Meeren ihren Dienst taten, sprechen und Grüße senden durften, meldete sich bei mir wiederholt die Gattin eines Kapitänleutnants, der in Japan mit seinem Blockadebrecher lag. Weil dieser nun mehrfach durch meine Vermittlung die frohe Botschaft erhalten hatte, daß es seinen Angehörigen gut gehe und sie die Bombennächte ohne Schaden überstanden hätten, glaubte ich mich berechtigt, den jungen Seeoffizier zu einer Revanche auffordern zu dürfen.

So erzählte ich ihm am Mikrofon über Tausende von Meilen hinweg, daß in derselben Stadt, in der er mit seinem Schiff festgehalten sei, nämlich in Tokio, meine Schwiegermutter wohne. Er möge sie doch einmal aufsuchen und ihr bestellen, daß es ihren Angehörigen in Berlin gut gehe. Der Kapitänleutnant tat dieses und klingelte, mit einem Blumen­strauß bewaffnet, an der Tür meiner Ver­wandten. Wie überrascht war er aber, als meine Schwiegermutter öffnete und ihm strahlend sagte: "Ich danke Ihnen für Ihren Besuch. Ich habe Sie bereits erwar­tet, denn ich habe die Sendung auch ge­hört!"

Der Stolz der Vergangenheit kommt durch

Ein Höhepunkt in der Geschichte des Weltrundfunks war, wenn wir noch einmal zwei Jahrzehnte zurückblenden dürfen, die Übertragung der Olympischen Spiele im Jahre 1936.

Hier "marschierten ?" die deutschen Kurzwellensender an der Spitze. Sie wurden gemäß "internationaler ?" Vereinbarung "Olympia-Weltsender"!

Wir haben 1955 und "einer" denkt sogar an Farbe

Prototyp Einheitsfernseher 1939

Inzwischen sind weitere Olympische Spiele durch den Weltrundfunk über­tragen worden, und das Fernsehen schickt sich an, ein farbiges Kleid anzulegen. Wer würde es sich anmassen, Weiteres zu prophezeien, da doch unsere größten Genies selbst oft nicht wußten, wie es weitergeht!


So weit also Auszüge eines Artikels über den Rundfunk und das aufkommende Fernsehen aus September 1955. Bezüglich der farbe hatten es die Amerikaner sogar mal versucht, den Deutschen bereits 1952 die (amerikansche) Farbe schmackhaft zu machen, zu einer zeit also, da die meisten Deutschen nicht mal etwas mit dem Fernsehen an sich anfangen konnten.



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