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1945 - 1995 "Der unendliche Traum von der Traumfabrik"

In 26 Kapiteln blickt Horst Goscke auf 50 Jahre Wiesbadener Film-Euphorie zurück und skizziert Höhepunkte und Tiefpunkte der Wiesbadener Ambitionen, mal ein deutsches Hollywood zu werden. Viele bundesweit bekannte Filme und Personen werden aufgeführt und auch das zeitweise wirre politische Drumherum der Nachkriegszeit wird nicht vergessen.

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(16) - 1955 - Willy Birgel wird Regisseur
Thema : "Wiederaufbau in Wiesbaden"

Dieser 50 Jahre alte Neubau in 2016

In Wiesbaden verschwinden die letzten Trümmergrundstücke des Krieges.

Das Modell für den Neubau der „Vier Jahreszeiten" liegt vor. (Anmerkung: Gemeint ist ein "modernes" Appartement Wohnhaus gegenüber dem Kurhaus.)

Auch eine Kongreßhalle (die spätere Rhein-Main Halle) soll die Stadt erhalten, an der Rheinstraße, gegenüber dem (großen alten Landes-) Museum.
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Die ersten (amerikanischen) Musikboxen kommen

Kneipen verzichten auf Stimmungskapellen. Musikboxen treten an ihre Stelle. Bill Haley und sein „Rock around the clock" haben beispiellose Folgen. Plötzlich gibt es die Halbstarken. Und alles was vorher war, ist gestrig. In der Walhalla- Gaststätte bricht die Big-Band-Ära zusammen - jetzt zerfetzen dort Gitarrensaiten. Was jung ist, wird wild, und was älter ist, anspruchsvoll.

Nachwirkungen einer Fehlentscheidung der FBW

Letzteres fühlt die Filmbewertungsstelle. Seit der „Fehleinschätzung" von „Die Faust im Nacken" hat man in Biebrich keine glückliche Stunde mehr. Auch die nachträgliche Prätikatisierung des Elia-Kazan-Films ändert daran nichts. Als das Sozial-Epos dann noch acht Oscars erhält, ist es um den Ruf der Bewerter gänzlich geschehen. Eine Neubesetzung mit fachkundigen Persönlichkeiten wird verlangt. Oberregierungsrat Dr. Laack, der Vorsitzende der Bewertungsstelle, hat eine schwere Zeit.

Links nebenan im Schloß wird wieder restauriert

Fröhlicher geht es im Deutschen Institut für Filmkunde zu. Aus der Notunterkunft zieht es in seine neuen Räume im restaurierten linken Flügel des Biebricher Schloßes. Und die FSK, ebenfalls im Schloß angesiedelt, feiert unterdessen ein kleines Jubiläum. 10.000 Filme hat sie inzwischen geprüft.

30jährige Berufszeit für den Ufa-Mann Rudolf Steppacher

Ein Jubiläum feiert man auch „Unter den Eichen". Rudolf Steppacher, seit Anbeginn Direktor des hiesigen Filmgeländes, blickt 1955 auf eine 30jährige Berufszeit zurück. Bevor der Ufa-Mann 1948 nach Wiesbaden kam, hatte er im Berlin der Nachkriegszeit die ausgeraubten Tempelhofer Ateliers wieder drehfertig gemacht. Über 500 Filme wurden von ihm technisch und kaufmännisch betreut. „Für uns ist Wiesbaden nicht ein ,Buen Retiro', das man verläßt, wenn ein befreites Berlin ruft", sagt Hanns J. Wille, Vorstandsmitglied der Ufa, in seinen Geburtstagsworten.

Bange Ungewißheit : Was wird aus der UFA

Und damit ist er dann auch bei dem Thema angelangt, das hier augenblicklich am meisten interessiert: Was wird geschehen, wenn als Folge der Ufa-Entflechtung Studios und Kopieranstalt getrennt zum Kauf ausgeschrieben werden? Im Mai ist es soweit. „Der Verkauf rückt näher", liest man in den Tageszeitungen. Schon Monate zuvor hatten zahlreiche Produzenten mit ihren Plänen bekundet, daß eine ganzjährige Auslastung der Hallen auch weiterhin gewährleistet ist.
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Ruth Niehaus und Dietmar Schönherr in Willy Birgels „Rosenmontag".

Die Trans-Rhein-Gesellschaft sprach von Co-Produktionen, um die Export-Chancen zu erhöhen. Die Wega-Film will 1955 drei Projekte „Unter den Eichen" verwirklichen. Die „Bühne und Film"-Gesellschaft hat vier Spielfilm-Vorhaben in der Schublade. Und auch die „Meteor" will in Wiesbaden wieder ins Atelier gehen, wenn, so Dr. Jonen „es die von den Bundesländern mitzuentscheidenden Finanzierungen zulassen."

Stimmt das wirklich ?
"Film ist Wirtschaftsgut !"

Währenddessen kämpft Paul Bausch, Vorsitzender im Bundestagsausschuß für Presse, Rundfunk und Film, in einem Brief an Bundeskanzler Adenauer dafür, die Federführung für Filmanliegen vom Bundeswirtschaftsministerium auf das Bundesinnenministerium übergehen zu lassen. Zugleich sollen künstlerische Filme stärker gefördert werden."Film ist Wirtschaftsgut!" hält in Wiesbaden die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft dagegen und erklärt, die Bevölkerung erwarte in erster Linie Filme, die der Unterhaltung und Entspannung dienen.

Höhere Steuern und kein Fördergeld mehr

Überrascht werden die Produzenten und Verleiher schließlich von der Nachricht, daß das Programm der Bundesbürgschaften für Filme mit Ende des Jahres auslaufen soll. Dafür wird eine Reform der Vergnügungssteuer angekündigt.

Von den Versprechungen ist im Mai 1955 nichts mehr übrig

Karin Dor (rechts) beim Drehbuch- studium unter spanischer Sonne. Die Innenaufnahmen zu dem Film „Solange du lebst" entstanden in Wiesbaden.

Viel Gesprächsstoff für die 70 festangestellten Mitarbeiter „Unter den Eichen". Von den Versprechungen, die die Produzenten Anfang des Jahres gemacht hatten, ist bis Mai nichts gehalten worden.

Aber die Eva-Film will kommen, sobald sie in Spanien die Außenaufnahmen für den Legion-Condor-Film „Solange du lebst" beendet hat. Harald Reinl inszeniert den Stoff, dem man faschistische Tendenzen nachsagen wird. Adrian Hoven und Marianne Koch spielen Hauptrollen.

Karin Dor, Reinls junge Ehefrau, spielt das Mädchen Pepita, das im spanischen Bürgerkrieg von seiner Mutter Abschied nehmen muß.
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Zu einem echten Filmgelände gehören nicht nur Ateliers. Auch eine Filmstraße mit auswechselbaren Häuserfassaden ist notwendig. Wiesbaden konnte damit dienen.

Karin Dor dreht in Granada

Während sich Karin Dor in Granada in den Drehpausen über die vielen Schuhputzer an allen Straßenecken wundert, bauen Handwerker in Wiesbaden die ersten Dekorationen. Ein Operationsraum in einer Bauernküche entsteht in Halle II, der Amtsraum eines kommunistischen Kommissars, ein komfortabler Wohnraum in einer spanischen Villa und das Treppenhaus einer alten Schule.

Filmarchitekt Maurischat setzt sich inzwischen mit der Schaffung einer festen Filmstraße auseinander, die dem Ateliergelände auf Dauer erhalten bleiben soll.
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Die technische Ausrüstung auf den neuesten Stand gebracht

Willy Birgel (rechts, mit Trenchcoat und Schirmmütze) bei Aufnahmen zu dem Film „Rosenmontag". Es war der erste Film, in dem der Ufa-Star Regie führte. In Breitwand und Farbe wurde er „Unter den Eichen", gedreht.

Der putzige Marktplatz einer kleinen Residenzstadt entsteht auf dem Papier - mit auswechselbaren Häuserfassaden. Er soll ungestörte Außenaufnahmen für einen Film ermöglichen, in dem ein gefeierter deutscher Schauspieler sich erstmals auch als Regisseur beweisen will: Willy Birgel. „Rosenmontag" will er in Wiesbaden drehen, frei nach dem Theaterstück von 0. E. Hartleben.

Es ist die Geschichte einer Liebe, die nicht standesgemäß ist und im Selbstmord endet. Für „Rosenmontag" hat man „Unter den Eichen" die technische Ausrüstung auf den neuesten Stand gebracht. Der Film wird in Farbe gedreht - und im Breitwandformat auf 35mm und 1:1,66 Format. (Also immer noch kein Cinemascope ???)
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