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1945 - 1995 "Der unendliche Traum von der Traumfabrik"

In 26 Kapiteln blickt Horst Goscke auf 50 Jahre Wiesbadener Film-Euphorie zurück und skizziert Höhepunkte und Tiefpunkte der Wiesbadener Ambitionen, mal ein deutsches Hollywood zu werden. Viele bundesweit bekannte Filme und Personen werden aufgeführt und auch das zeitweise wirre politische Drumherum der Nachkriegszeit wird nicht vergessen.

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(13) - 1954 - Und dann kam Zsa Zsa Gabor

Es regnet, als Zsa Zsa Gabor auf dem Frankfurter Flughafen eintrifft, um in Wiesbaden die Hauptrolle in „Ball der Nationen" zu spielen. Porfirio Rubirosa hält ihr den Schirm. Rechts: Regisseur Karl Ritter.

Was viele nicht mehr zu hoffen gewagt hatten, ist plötzlich Alltag: In Wiesbaden geht es zu, wie in Hollywood. Wohin man auch blickt, überall wird gedreht.

Nichtsahnend biegt man um eine Straßenecke und steht vor Kameraschienen, Kameras, Mikrofongalgen, Scheinwerfern, Aufhellern und einer Menge Leute, die entweder in dem Film zu tun haben, oder aber zuschauen, was all die Leute, denen sie gerade zuschauen, in dem Film nun eigentlich zu tun haben.

Mittendrin, kaum erkennbar in dem Aufwand, erblickt man schließlich noch die Stars. Das ganze Drumherum ignorierend, spielen sie das, was die Klappe geschlagen hat.
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„Die sieben Kleider der Kathrin"

In und um Wiesbaden herum entstehen die Außenaufnahmen zu dem Sonja-Ziemann-Film „Die sieben Kleider der Kathrin", ein Lustspiel, das in der Nachkriegszeit angesiedelt ist. Etwa zur gleichen Zeit brechen zwei junge Männer in ihr hiesiges Haus ein und entwenden ein Tonband-Gerät, ein Herrenoberhemd und ein Pingpongspiel. Sie werden gefaßt und Monate später zu Gefängnis verurteilt. Christine Kaufmann klingelt in der Waldstraße 49 an der Tür von Elisabeth Euler und überreicht der 93jährigen Wiesbadenerin anläßlich der Uraufführung von „Rosen-Resli" ein Geburtstagsgeschenk. Auch in der Wirklichkeit, sagt sie artig, möchte sie für „Sorgenmütter" da sein.

Die neue Webergasse wird fertiggestellt

Das ist die Zeit, in der man gerade die Fertigstellung der neuen Webergasse feiert. Eindruck machen die breite Fahrbahn und die Ladenstraße, die, wie man im Wiesbadener Kurier nachlesen kann, „den Charakter als Kurpromenade betont". „Unter den Eichen" trifft unterdessen Jean-Pierre Giraudoux ein.
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  • Anmerkung : Damals 1954 fing es an, als man aus der verschlafenen ex-Kaiserstadt Wiesbaden eine neue moderne Groß- und Kurstadt machen wollte. Mit unendlichem politischem Geprozze und medialem Getöse wurde später das hypermoderne Raiffeisen- hochhaus - Wiesbadens erstes Hochhaus - eingeweiht - natürlich optisch hypermodern aber fast ohne Parkplätze. Später wurde auch die "zukunftsweisende" (und einzige) Wiesbadener Hochbrücke über die Schwalbacher Straße gebaut. Inzwischen (2015/16 und davor) wird der ganze Quatsch wieder abgerissen. Es paßte und paßt überhaupt nicht zu Wiesbaden. Auch diese damals "neue" Webergasse ist eigentlich (immer noch) ein künstlicher Fremdkörper zwischenden ganzen alten Prachtbauten drum herum.

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„Das zweite Leben" wird gedreht

Er will dabei sein, wenn - unter der Regie von Victor Vicas - die Komödie „Das zweite Leben" ins Atelier geht, entstanden nach dem Theaterstück „Siegfried", verfaßt von seinem verstorbenen Vater Jean Giraudoux. Simone Simon, Barbara Rütting, Michael Auclair, Ivan Desny und Bernhard Wicki werden Hauptrollen spielen. Deutscher Partner der deutsch-französischen Koproduktion ist die Transrhein-Film, die „Unter den Eichen" bereits „Weg ohne Umkehr" realisierte.

„Der schweigende Engel" wird im Kino gedreht

Im Apollo drehte Christine Kaufmann Teile für den „Schweigenden Engel".
Curt Oertel

Gedreht wird auch in der Moritzstraße. Die Kasse des Apollo-Kinos ist 1954 Schauplatz einer Szene für den Film „Der schweigende Engel". Christine Kaufmann tritt an die Kasse und läßt einen Geldschein wechseln.

Falschgeld ist es. Von einem Fälscher wird die Kleine für dunkle Geschäfte mißbraucht. So will es das Drehbuch, das sich Maria von Osten-Sacken für den frischgebackenen Kinderstar ausgedacht hat.
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1954 - Der erste Cinemascope-Film in Wiesbaden

Nicht im Blickwinkel der Kamera ist ein Filmplakat mit dem Titel „Die siebente Nacht". Der Western über einen Siedlertreck ist der erste Cinemascope-Film, der in Wiesbaden gezeigt wird.

Unter den Zuschauern sitzt auch ein 15jähriger Gymnasiast, der mit faszinierenden Augen die Breitwandaufnahmen in sich hineinschlingt. Volker Schlöndorff heißt er, 25 Jahre später wird er selbst Starregisseur sein und in Kalifornien einen Oscar für „Die Blechtrommel" entgegennehmen.
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1954 - der entlassene Curt Oertel hat sein "Comeback"

1954 ist man am Kochbrunnen aber noch auf andere Namen stolz. Auf den Wiesbadener Curt Oertel, beispielsweise, dessen Dokumentarfilm „Neue Welt" gerade auf der Berlinale läuft, oder auf den Wiesbadener Hans Domnick, dessen Dokumentarfilm „Der goldene Garten" eine Auszeichnung in Venedig erhält.

1954 - 5 Jahre Freiwillige Filmselbstkontrolle

Die Freiwillige Filmselbstkontrolle feiert im Biebricher Schloß ihr fünfjähriges Bestehen und - man höre und staune - sogar Vertreter der Kirchen bringen ihre Glückwünsche dar. Der Streit, der bei der „Sünderin" ausgebrochen war, scheint vergessen.

Bundesfamilienminister Franz-Josef Wuermeling fordert eine „Volkszensur“

Auch Bernhard Wicki drehte 1954 im Hollywood am Kochbrunnen.
Simone Simon war „Unter den Eichen" Star einer Giraudoux-Komödie.

Im Januar 1954 forderte Bundesfamilienminister Franz-Josef Wuermeling auf einer Veranstaltung des Deutschen Familienbundes eine „Volkszensur“ und löste empörte Reaktionen aus

Auf einer Tagung der Filmwirtschaft, die ebenfalls in Wiesbaden stattfindet, plagen Rechtsanwalt Dr. Horst von Hartlieb bereits neue Sorgen. Er spricht von höchster Wachsamkeit gegenüber jedweder Beeinflussung - im Hinblick auf jüngste innenpolitische Reden. Meinen kann er damit nur Familienminister Wuermeling und die (neue) „Volkszensur", die im Zusammenhang mit Wuermelings Namen in die öffentliche Diskussion gekommen ist. Gar mancher in Bonn macht das Medium Film neuerdings zum Ärgernis.

  • Anmerkung : Es wurde über 3 oder mehr Jahrzehnte bei uns in der Bundes-"Republik" totgeschwiegen, wie viele alte Nazis es schon bald wieder in hohe Positionen geschafft hatten - sogar mit Wissen und Duldung von unserem geschätzten Bundeskanzler Konrad Adenauer.

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Der Produzent Karl Schulz

„Unter den Eichen" ist der Vicas-Film „Das zweite Leben" inzwischen abgedreht. Aber schon wird wieder gezimmert, riecht es überall in den Hallen nach Lack und Farben. Büros entstehen, Konferenzräume, ein Gang hinter einem Beratungssaal mit vielen Telefonzellen. „Ball der Nationen" wird der nächste Film heißen. Produzent ist Karl Schulz, der zu Beginn des Jahres hier bereits „Staatsanwältin Corda" verwirklicht hat. Schon seit 1920 ist er im Filmgeschäft dabei, 1938 organisierte er die Bavaria neu, ehe er 1939 nach Prag ging und dort Chef des deutschen Filmwesens wurde und es bis 1942 blieb. Seine „Bühne und Film"-Produktion entstand 1947 in Herne.

Und wieder kommt Karl Ritter ins Rampenlicht

Regisseur ist, wie schon bei „Staatsanwältin Corda", der aus Argentinien zurückgekehrte Karl Ritter. Erzählt wird von Superwaffen, einer Abrüstungskonferenz und einem großen Friedensfest. Kay Lorentz, der Leiter des Düsseldorfer Kabaretts „Kom(m)ödchens", soll für Pointen sorgen. „Was könnte aktueller sein als Völkerverständigung und Weltfrieden", kommentiert Ritter sein Filmlustspiel.

Star der Produktion ist Zsa Zsa Gabor. Am 11. September 1954 trifft sie, begleitet von Porfirio Rubirosa, dem Exgatten der Woolworth-Erbin Barbara Hutton, auf dem Rhein-Main Flughafen ein. Sie spricht perfekt Deutsch, trägt ein bezauberndes Lächeln auf den Lippen und hat vor, - wie sie der Presse erzählt - nie wieder zu heiraten.

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