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1945 - 1995 "Der unendliche Traum von der Traumfabrik"

In 26 Kapiteln blickt Horst Goscke auf 50 Jahre Wiesbadener Film-Euphorie zurück und skizziert Höhepunkte und Tiefpunkte der Wiesbadener Ambitionen, mal ein deutsches Hollywood zu werden. Viele bundesweit bekannte Filme und Personen werden aufgeführt und auch das zeitweise wirre politische Drumherum der Nachkriegszeit wird nicht vergessen.

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(21) - 1960 - Der lange Abschied von einem Traum
Thema : „Jenseits des Rheins"

Mai 1960. An der Auffahrt der Notbrücke in Kastei fährt die Wiesbadener Feuerwehr mit ihrem größten Leiterwagen vor, um an einem zwanzig Meter hohen Mast die Hakenkreuzfahne zu hissen. Andre Cayatte, der große französische Regisseur will es so, denn er benötigt die Brücke und die Fahne für seinen Film „Jenseits des Rheins". Im Jahre 1940 spielt der Film. Und er erzählt von zwei französischen Kriegsgefangenen, die in einem hessischen Dorf Bauern bei der Landarbeit helfen. Charles Aznavour ist einer von ihnen. Auf der Platte und in Espenschied wird er Tage später vor der Kamera stehen.

Für den französischen Regisseur Andre Cayatte und seinen Spielfilm „Jenseits des Rheins" marschiert die Wehrmacht 1960 noch einmal in Kastei den Fluß entlang.

Der Stress ist ja schlimmer als beim alten Barras

Augenblicklich gilt Cayattes Aufmerksamkeit aber mehr den 100 Bereitschaftspolizisten aus der Mudra-Kaserne, die ihre Uniformen gegen das Feldgrau der Wehrmacht eingetauscht haben und nun als Kradmelder und in Kübelwagen bereits zum fünften Mal die Brücke überqueren. Auch Aufnahmeleiter Hans Fries hat eine Menge zu tun. „Das Ganze nochmal!" tönt es aus einem Megaphon. „Und bitte mehr aufschließen!" Die Polizisten murren. „Das ist ja schlimmer als ein richtiger Ausbildungstag beim alten Barras", meint einer von ihnen. Aber dann erfüllen sie doch ein weiteres Mal die Anordnung der Regie, und die anderen Komparsen, meist Studenten, die in französischen Uniformen als Kriegsgefangene mitgeführt werden, tun dies auch.

Die „Affaire Nina B." in der Bierstadter Straße

Robert Siodmak, bis 1933 bei der Ufa zu Hause, ehe er 1940 eine Hollywood- Karriere startete, verfilmt ein Jahr später mit Walter Giller in der Bierstadter Straße und in Schloß Hohenbuchau den Simmel-Roman „Affaire Nina B.". Gillers Ehefrau, Nadja Tiller, spielt die Titelrolle. Und Pierre Brasseur reist als Gaststar aus Frankreich an. Gefilmt wird auch vor dem Biebricher Schloß, in dem die FSK zu Hause ist.

Ein paar weitere Filme entstehen in Wiesbaden

Peter Schütte in Pfleghars „Die Tote von Beverly Hills".

Zum „Schloß des Grauens" wird der Sitz der Prüfstelle in William Castles Grusical „Sardonicus". Die „TaunusFilm" stellt das Aufnahmegerät hierzu. Im September 1963 schließlich surrt die Kamera am Bühneneingang des Staatstheaters für Hans Pfleghars Groteske „Die Tote von Beverly Hills", die Monate später international als eine gelungene Parodie auf den amerikanischen Kriminalroman verstanden werden wird.

Glanz und Mythos sind inzwischen "geschwunden"

Aber kaum einer in Wiesbaden spricht derweil noch von der Filmstadt, in der er wohnt. Hollywood hat neue Kino-Maßstäbe für das Publikum gesetzt mit Super-Produktionen wie „Cleopatra" und „Dr. Schiwago", denen die Bundesrepublik nur noch „Winnetou" entgegenstellen kann. Und Sean Connery leitet mit „James Bond jagt Dr. No" ein neues Zeitalter des Thrillers ein.

Ob es hilft ? Der Slogan „Opas Kino ist tot"

Angeregt durch die französische „Neue Welle" proben deutsche Nachwuchsregisseure unterdessen den Aufstand. Mit dem „Oberhausener Manifest" und dem Slogan „Opas Kino ist tot" hoffen sie der Überalterung in deutschen Ateliers und der Übermacht der Amerikaner entgegensteuern zu können. Und tatsächlich - „Zur Sache, Schätzchen", ein in München mit der Handkamera gedrehtes Unikum, weckt große Erwartungen in einer neuen Zuschauer-Generation. Die Hauptdarstellerin, Uschi Glas, ist über Nacht in aller Munde.

Verdrängt - keiner weiß es mehr

Keiner weiß auf den Tag genau, wann es in der Wiesbadener Bevölkerung zu Ende war mit dem über viele Jahre geträumten Traum von der eigenen Traumfabrik. War es vielleicht im Jahre 1958, als die alten großen deutschen Leinwandstars - Camilla Hörn, Carola Höhn, Paul Richter und Hans Albers - für eine Stunde lang noch einmal in der Kurstadt Station machten?

Das gab es auch : eine „Verbeugungstournee"

Innerhalb einer „Verbeugungstournee" taten sie es für die Ufa-Erinnerungsrevue „Das gab's zu einmal". Jedenfalls reift der innere Abschied des Wiesbadeners vom „Hollywood am Kochbrunnen" zu einer Zeit, in der die Ateliers der „TaunusFilm" bis zu 90 Prozent ausgelastet sind, und Direktor Karl Schulz wieder einmal daran denkt sein Hallenangebot zu erweitern.

Stars der alten Ufa besuchen Wiesbaden. Von links: Hans Oertel, Hilde von Stolz, Paul Heidemann, Helga Martin, Oberbürgermeister Dr. Mix, Paul Richter, Carola Höhn, Hans Albers und Camilla Horn.

Die „Internationale Fernseh-Agentur" (Ifage) zieht nach Wiesbaden

Hochbetrieb herrscht auch in einem anderen Unternehmen, das ebenfalls auf dem Gelände „Unter den Eichen" Platz gefunden hat. 1956 war es von dem aus Mühlheim an der Ruhr stammenden Kaufmann Helmut Wisser in Frankfurt gegründet worden.
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Heinz-Schenk-1949

Ein Jahr später 1957 zog die „Internationale Fernseh-Agentur" (Ifage) nach Wiesbaden und spezialisierte sich außer auf den An- und Verkauf von Filmen auf die Produktion von Kurz-Dokumentationen, die dann - in viele Sprachen übersetzt - rund um die Welt vertrieben wurden. Wer Tai oder Hindi hören wollte, war „Unter den Eichen" am rechten Ort. „Der Fall Wittlau" ist die erste TV-Spielfilm-Produktion, die bei der Ifage entsteht.
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Es kehrt doch wieder leben ein . . .

Auch die „Neue Filmproduktion Franz Thies" füllt das Wiesbadener Gelände mit Leben. Sie dreht Serien für die ARD. Mit der mehrteiligen Folge „Mädchen in der großen Stadt" hofft sie 1962 das Unterhaltungsangebot auf den Bildschirmen erweitern zu können. Und der Hessische Rundfunk, der die Heinz-Schenk-Sendung „Auf der grünen Wiese" in den Hallen aufzeichnet, benötigt die Studios für Serien-Herstellung, beispielsweise für die „Schule der Erwachsenen". Deshalb hat er sich auch bereits 1959 anteilsmäßig an der „TaunusFilm" beteiligt. .

Jetzt taucht sie auf : „Gesellschaft für freies Fernsehen"

Dies wiederum nimmt die „Gesellschaft für freies Fernsehen", eine Vereinigung privater Unternehmer, die mit Adenauer auf ein Zweites Fernsehprogramm hofft, Schulz übel. Plötzlich zeigt die Gesellschaft keine Neigung mehr, ebenfalls in Wiesbaden tätig zu werden.

Doch wer weiß schon, was die Zukunft bringt...
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