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1945 - 1995 "Der unendliche Traum von der Traumfabrik"

In 26 Kapiteln blickt Horst Goscke auf 50 Jahre Wiesbadener Film-Euphorie zurück und skizziert Höhepunkte und Tiefpunkte der Wiesbadener Ambitionen, mal ein deutsches Hollywood zu werden. Viele bundesweit bekannte Filme und Personen werden aufgeführt und auch das zeitweise wirre politische Drumherum der Nachkriegszeit wird nicht vergessen.

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(23) - 1968 - Alfred Hitchcock drehte in Wiesbaden Erbenheim

Auf dem Flughafen in Erbenheim drehte Kultregisseur Alfred Hitchcock Szenen für seinen Film „Topas".

Er kam und ging - fast unbemerkt. Kein Empfang der Stadt, keine Eintragung ins „Goldene Buch". Aber er war hier, drehte auch hier, einer der allergrößten Hollywoods, seit „Das Fenster zum Hof" und „Die Vögel" ein Kultregisseur: Alfred Hitchcock. In Erbenheim, auf dem Flughafen hatte er im Oktober 1968 die Kamera aufgebaut und nicht weit entfernt, davon standen seine Regiestühle, denn er wollte ja immer zwei - einen mit normaler Sitzhöhe und einen, der ihm das Stehen angenehm machte. In Erbenheim entstanden Szenen für „Topas", den Polit-Thriller, in dem es um die Sprengung eines Spionagerings in Frankreich geht und um die Entdeckung russischer Raketenbasen in Kuba. (Breitwandformat 1,85:1)

Die nächsten Drehbuchseiten entstehen während der Aufnahme

Keiner der Schaulustigen, die dem Meister der Kinospannung damals bei der Arbeit zusehen durften, ahnte etwas von der komplexen Farbdramaturgie, die Hitchcock in diesen, seinen drittletzten Film einzubringen gedachte. Gelb beispielsweise, die Farbe des „Topas", war überall dort, wo auch die Franzosen waren. Erstmals hatte der Regisseur auch von seiner Methode Abstand genommen, den Ablauf eines Films bis ins letzte Detail hinein vorzuplanen. Samuel Tayler schrieb während der Aufnahmen an den nächsten Drehbuchseiten, während es noch keineswegs sicher war, wer diese oder jene Rolle nun eigentlich spielen sollte. Aber von all dem sah man Hitchcock nichts an. Die Hände gefaltet, lehnte er am Regiestuhl, und gab seine Anweisungen.

Karin Dor war eine der 10 Stars

Karin Dor, die deutsche „Miss Krimi", spielte eine kubanische Agentin.

Doch nicht nur die Aufnahmen in Erbenheim sollten Wiesbaden filmgeschichtlich in den Zusammenhang mit einem Hitchcock-Film bringen, sondern auch der Name einer seiner Hauptdarstellerinnen. Karin Dor, inzwischen international als deutsche „Miss Krimi" gehandelt, hatte die Aufgabe erhalten, die schöne kubanische Agentin Juanita zu verkörpern. Was war das doch für ein Karrieresprung seit 1954, seit der ersten Klappe, die für sie „Unter den Eichen" gefallen war!

Unter den Eichen zieht der "tatort" ein

Dort haben 1968 nun „Tatort"-Kommissare ihre Kulissenbüros bezogen. Die Wochenschau „Blick in die Welt" ist nach Erbenheim umgezogen. Und Enttäuschung hat sich unter hiesigen Politikern breitgemacht, die die neugegründete Filmförderungsanstalt (FFA) gerne in Wiesbaden gesehen hätten. Den Bonner Kollegen war aus vielen Gründen aber Berlin lieber.

Ein letztes Mal - Hollywood am Kochbrunnen

Letzte Regieanweisungen gibt der persische Regisseur Sohrab Shadid Saless (Mitte) Dorothea Moritz und Heinz Lieven in der Schlichterstraße für seinen Film „Ein Stück Leben".

Am Kochbrunnen treffen sich zu Beginn der 70er Jahre mehr und mehr einheimische Kurzfilm-Regisseure. Die Nerostraße entwickelt sich allmählich zu einer Wiesbadener Filmemacher-Straße. Sven Severin macht von sich reden mit seiner „Wucht am Rhein" und mit ihm auch Märten Taege, der 1979 schließlich mit dem persischen Regisseur Sohrab Shadid Saless den Spielfilm „Ein Stück Leben" produzieren wird, die Geschichte eines deutschen Ingenieurs, der mit 45 Jahren arbeitslos wird. Gesprochen wird auch von Wolfgang Mackroth, der als Kameramann bei der Ifage begann, ehe er eine eigene Firma gründete und mit Experimental-Kurzfilmen auf verschiedenen Festivals Preise zu sammeln beginnt.

Die Mainzelmännchen kommen aus Wiesbaden

Gerhard Fieber, Gründer und Produzent der EOS-Film, schafft in seinem Wiesbadener Trickfilmstudio eine Figurengruppe, die auf deutschen Bildschirmen bald zu den populärsten zählt: die Mainzelmännchen.
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Günter Bartoschs Kinder, die Mainzelmännchen von Gerhard Fieber

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Die Reihe „Film im Schloß" und Joachim Kreck

Auf stille, eigentlich schon eher entschuldigende Art, die ihm schon als Schüler zu eigen war, macht sich Joachim Kreck zum Einsammeln von Auszeichnungen auf. Der Filmjournalist dreht, was ihn von Kindesbeinen an begeisterte: Kurzfilme zum Thema „Fußball". „No 1" heißt der erste, der dann prompt das Prädikat „Wertvoll" erhält. „Immer Großkampftag in Glasgow" wird 1974 für den Adolf-Grimme-Preis nominiert. So geht es fort und fort, wenn auch das Thema hin und wieder wechselt, Spuren in Hollywood nachgegangen wird oder in der Filmgeschichte überhaupt. Nebenbei, wenn man so sagen darf, setzt sich Kreck mit akribisch aufgearbeiteten Filmreihen für ein tieferes Verständnis des internationalen Filmschaffens ein. Die Reihe „Film im Schloß" zeigt dies bis heute.

Gastwirt Mike Groß wird Fernsehstar

Ein Original, Kleindarsteller aus Leidenschaft und Gastwirt dazu, Mike Groß vom „T14" (Anmerkung : Eine alte Wiesbadener Pinte, Kneipe und Diskothek) in der Walramstraße, kommt im Juli 1981 mit Edgar Reitz ins „große Geschäft", als er ihm für den TV-Vielteiler „Heimat" Drehorte in Wiesbaden aussucht, die Matthias-Claudius-Straße für Außen-, eine Wohnung in der Sonnenberger Straße für Innenaufnahmen. Der Münchner Filmemacher revanchiert sich und macht Groß zu einem würdigen Doktor, der eine Alkoholleiche zu untersuchen hat, ehe er in einem uralten Krankenauto davonfahren darf.

Ein Fall für zwei

Ganze fünf Monate gibt es „Unter den Eichen" inzwischen schon die ZDF-Serie „Ein Fall für zwei", produziert von der Odeon-Film, die sich ebenfalls auf dem Wiesbadener Filmgelände eingerichtet hat. „Matula" Claus Theo Gärtner wird zu einem neuen VIP der Kochbrunnenstadt werden, die außer ihm eigentlich nur noch Bill Ramsey, Heinz Schenk, Eddie Constantin und Helmut Schön vorweisen kann. Sonja Ziemann hat - wie Roberto Blanco - lange, lange schon Wiesbaden wieder verlassen. (Hier wurde leider der sehr bekannte Gert Fröbe vergessen, denn der wohnte bis zu seinem Tod in Wiesbaden.)

1982 - nennt man soetwas nicht Ausverkauf ?

1982 - Verlassen hat die Stadt auch das Deutsche Institut für Filmkunde. Es ist nach Frankfurt ans Mainufer gezogen. Im Rothschild-Palais, in dem heute das Deutsche Filmmuseum zu Hause ist, hat es sich einrichten können - bei einem Jahreszuschuß der Stadt Frankfurt in Höhe von 200.000 Mark. „Ich werde mein Bestes tun, damit Hilmar Hoffmann nicht zum Zug kommt", hatte Prof. Dr. Bertram, Wiesbadens Kulturdezernent, noch Monate vor dem Umzug gesagt. Und angefügt: „Aber nicht ich, sondern das Parlament entscheidet." Das Parlament gab sich Mühe, aber die Filminstitutler konnten der Verlockung nicht widerstehen. Im Dezember 1978 war der Ortswechsel beschlossene Sache. 1982 fand er statt. Es blieb die Murnau-Stiftung und - wegen der engen Zusammenarbeit mit ihr - das Filmarchiv.

1984 Das ZDF zieht aus

1983 stirbt Karl Schulz, der Chef der „TaunusFilm". Und 1984 verläßt das ZDF das Gelände „Unter den Eichen". Die Stadt wird um jährlich knapp sechs Millionen Mark Steuereinnahmen ärmer. In das Gebäude, in dem bisher die ZDF-Chefredaktion tätig war, zieht die Hessische Landesanstalt für Umwelt ein.

Es wird stiller rund um die Ateliers. Im Rathaus hofft man auf den Hessischen Rundfunk, der bereits mit 50% an der „TaunusFilm" beteiligt ist. In Verhandlungen mit dem HR erblickt Oberbürgermeister Dr. Hans-Joachim Jentsch eine Chance, das Wiesbadener Filmgebiet zu retten.
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