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1945 - 1995 "Der unendliche Traum von der Traumfabrik"

In 26 Kapiteln blickt Horst Goscke auf 50 Jahre Wiesbadener Film-Euphorie zurück und skizziert Höhepunkte und Tiefpunkte der Wiesbadener Ambitionen, mal ein deutsches Hollywood zu werden. Viele bundesweit bekannte Filme und Personen werden aufgeführt und auch das zeitweise wirre politische Drumherum der Nachkriegszeit wird nicht vergessen.

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(19) - 1956 - Ein Prominenter Gast : Fritz Lang und ein weiteres Thema : "Tumulte in der Ostzone, der sogenannten DDR"

Ein Film aus Wiesbaden ist es, der in der DDR zu Tumulten fuhrt. In Halle stürmt eine tausendköpfige Menge, die seit 4 Uhr morgens die Kinokasse belagerte, den Haupteingang des Theaters, drückt beide Türflügeln ein, zerbricht fünf Scheiben und reißt die eiserne Kassenumrandung um. Etwa zwanzig Menschen werden verletzt.
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„Wir wollen endlich einmal etwas anderes sehen als politische Tendenzfilme", vernimmt man aus der Menge. Und nach der Premiere des Films wird die Ostberliner Defa beschuldigt, unfähig zu sein, ebenbürtiges herzustellen.

Es ist der Film „Bonjour Kathrin", der den Massenansturm auslöst. Ein Filmabkommen zwischen den beiden deutschen Ländern, das vor Monaten unterzeichnet worden war, hat die Aufführung möglich gemacht.

In Wiesbaden kommt mancher über die Nachricht ins Nachdenken. Damals 1948, als mit der Berliner Blockade die endgültige Teilung Deutschlands begann, wurde aus der zerbombten Kurstadt ein Filmzentrum der jungen Bundesrepublik.
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  • Anmerkung: Das ist natürlich wieder solch ein übertriebener Schmarren mit der "zerbombten Kurstadt". Von dieser Vorstellung konnte sich manch ein Alt-Wiesbadener nicht mehr lösen und so verschloß er den realen Blick nach Mainz und Darmstadt und Frankfurt und Offenbach und Aschaffenburg. Dort stand wirklich kein Stein mehr auf dem anderen. In Wiesbaden waren verhältnismäßig wenige Bomben gefallen.

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Die ideologische Ausrichtung kontra wirtschaftlichem Aufschwung

Jetzt, da Bonn und Pankow zu ersten kulturellen Beschlüssen zusammenfinden, ist es wiederum Wiesbaden, das nun die Unterschiedlichkeit der Wege, die die beiden Staaten inzwischen genommen haben, filmgeschichtlich deutlich macht. Drüben die ideologische Ausrichtung, die selbst noch die Kino-Freizeit beherrscht, hier der wirtschaftliche Aufschwung, der nach Feierabend vor der Breitwand meist nur noch das „Abschalten" sucht. Welten klaffen zwischen Stuttgart und Dresden, wenn dort linientreue Blätter den Valente-Film als „absoluten Kitsch und seichten Quatsch" verdammen. Weshalb aber stürmen die Massen? „Bonjour Kathrin", hier wie dort ein Kassenhit, wird für das Hollywood am Kochbrunnen aber auch zum sonnigen Einleitungs-Akkord für ein verregnetes Finale.

Im Juli 1956 wird in Berlin die UFA neugegründet.

An Wiesbaden ist sie nicht mehr interessiert. Man spricht es an der Spree nicht aus, aber man hört zwischen den festlichen Worten heraus, daß man die Studios „Unter den Eichen" als eventuelle künftige Konkurrenten am liebsten sterben sehen würde. In Bonn, das weiß man, herrscht an vielen Stellen eine ähnliche Meinung.

Auch „Blick in die Welt", die Wochenschau, die ebenfalls „Unter den Eichen" entsteht, muß von der UFA, die ab August 1956 ihre Wochenschau „Welt im Bild" in Ufa-Wochenschau umbenennen will (oder muß), als Konkurrenz empfunden werden. Karl Schulz, der die Afifa-Stätte erwerben möchte, wartet unterdessen auf eine Entscheidung der UFA-Liquidatoren. Diese bleibt aus.

Luis Trenker im Oktober 1956 in Wiesbaden

„Von der Liebe besiegt" hieß ein Luis-Trenker-Film, der am Matterhorn und in den Wiesbadener Ateliers gedreht wurde. Marianne Hold, hier in einer Filmszene mit Trenker, spielte die weibliche Hauptrolle.

„Wie sind die Leut' hier doch nett!" sagt Luis Trenker, als er im Oktober 1956 durch Wiesbaden bummelt. Überall wird er erkannt. Viele grüßen ihn. Viele wollen im ein Autogramm. Dr. Jonen, der Meteor-Chef, hat ihn als Regisseur verpflichtet. Für den Film „Von der Liebe besiegt". Die Außenaufnahmen am Matterhorn sind bereits abgeschlossen, nun sollen in den Hallen „Unter den Eichen" die Innenaufnahmen gedreht werden. Eine luxuriöse Hotelhalle, zu einem Hotel im Schweizer Kurort Zermatt gehörend, hat man im Studio aufgebaut, Trenker, ein verspieltes Halsschleifchen unter dem energischen Kinn, gibt, die eine Hand in der Hosentasche, mit der anderen seine Hornbrille schwenken, den Darstellern die Anweisungen. Wolfgang Preiss tritt an die Rezeption, möchte ein Zimmer, erfährt, daß alle ausgebucht sind. Nach Zermatt ist er gekommen, weil er im Gebirge seinem Leben ein Ende bereiten will.

1956 - immer noch kein Cinemascope

Trenker, der sein Tiroler Temperament keinen Augenblick verleugnen kann, nennt die Geschichte eine hochdramatische. Um einen Ingenieur geht es, dem, nach dem Einsturz einer Brücke, die er konstruiert hat, der Tod von 43 Menschen angelastet wird. Preiss spielt diesen Ingenieur. Marianne Hold ist die Arzttochter, die seinem Leben wieder einen Sinn und dem Zuschauer ein glückliches Ende des Films verschaffen wird. In Farbe entsteht er, was 1956 noch etwas Besonderes ist, und auch im Breitwandformat (aber noch kein Cinemascope).

Die Bürgschaften der Landesregierung helfen

Stadtrat Hammersen (r.) kämpfte für den Fortbestand der Wiesbadener Ateliers. Hier im Bild mit (v. I.) Schauspieler Fritz Tillmann, Karl Schulz, Direktor der TaunusFilm, und Regisseur Eduard von Borsody.

Er ist der dritte Film der „Hessen"-Staffel, für den sich die Landesregierung im Wiesbadener Schloß zu Beginn des Jahres verbürgt hat. Der vierte Film steht noch aus. Karl Schulz will ihn produzieren. „Zwei Herzen voller Seligkeit" soll er heißen.

Die Hallen stehen zum Glück diesmal nicht leer

Bereits im Mai 1956 hatte Schulz von dem Vorhaben gesprochen. Nun nennt er den Januar 1957 als endgültigen Zeitpunkt für den Drehbeginn. Glücklicherweise stehen die Hallen nicht leer. Statt Spielfilme werden nun in ihnen Industrie- und Werbefilme hergestellt. Wenn man damit auch niemanden in die Kinos locken kann, so ernähren sie doch das Unternehmen. Auch im Kopierwerk hört man wenig Klagen - es sei denn, man seufzt darüber, daß man nicht weiß, wie sich die Aufträge termingerecht bewältigen lassen. Ebenso geschäftig geht es bei der Wochenschau „Blick in die Welt" zu.

Der Herrn mit Monokel im Auge - Fritz Lang

Gast in den Studios „Unter den Eichen": „Metropolis"-Regisseur Fritz Lang.

Unter den Eichen" erblickt man in den letzten Wochen des Jahres 1956 auch ein älteren Herrn mit Monokel im Auge. Sein Weaner Charme begeistert jeden, der mit ihm zusammentrifft.

Dreiundzwanzig Jahre war der Sechsundsechzigjährige nicht in Deutschland gewesen. Nun reist er zum erstenmal wieder durch Städte der einstigen Wahlheimat. In München war er, dort hatte man gerade die Bavaria neu gegründet, und auch in Berlin, wo Gleiches mit der Ufa geschah. Nun geht Fritz Lang durch die Wiesbadener Ateliers.

Und es scheint so, als ob dort aller Mißmut über die Zukunft plötzlich verflogen ist, wenn auch nur für Augenblicke, für Stunden ...
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Hollywood versucht es mit Gigantomanie - unter anderen mit dem „Todd-AO"-Verfahren

Während in Bonn mehr und mehr von anspruchsvoller Filmkunst gesprochen wurde, und gängige Kino-Unterhaltung, von der auch Wiesbaden lebte, ins Abseits geriet, setzte Hollywood in den 50er Jahren auf Aufwand, Spannung, Gefühl und vor allem auf zukunftsweisende Wiedergabe-Techniken, um dem Publikums-Trend hin zum „Pantoffelkino" etwas Außergewöhnliches entgegenzusetzen.
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Mit 3 D-Filmen begann es.
Speziallinsen machten 1954 auf normalem 35mm-Film das neue Breitwandbild mit Namen Cinamescope möglich. Produzent Michael Todd ging noch einen Schritt weiter und schuf 1956 das „Todd-AO"-Verfahren.

„In 80 Tagen um die Welt" hieß sein erster 70mm-Film, der Kino zu einem neuen Erlebnis werden ließ.
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  • Anmerkung : Etwa zur gleichen Zeit - um 1955 bis 1958 - wurden in Amerika weitere 35mm, 65mm und 70mm Verfahren entwickelt, jedesmal nur, um das Patent der Konkurrenz zu umgehen.

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