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"Das gibt's nur einmal" - die Film-Fortsetzung 1945 bis 1958

Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite dieses 2. Buches finden Sie hier.

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1956 - KRISEN

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Resumé 1955 - Jeder fünfte deutsche Film ist ein Remake

Es kann nicht verschwiegen werden, daß etwa zehn Jahre nach Kriegsende der deutsche Film eine Krise durchmacht, eine Kette von Krisen, die verschiedene Ursachen haben:

Die Weltkrise des Films überhaupt, die sich schon seit einiger Zeit in Hollywood abzeichnet, die spezifisch deutsche Krise, deren Ursachen darin zu suchen sind, daß nicht nur zu viele Filme produziert werden für den ja relativ kleinen westdeutschen Markt, sondern daß der Import außerdem völlig unkontrolliert ist; denn die Amerikaner, Franzosen und Engländer können so viele Filme einführen, wie sie wollen.

Hierzu kommt, daß in Deutschland viele Filme produziert werden, die eigentlich nie über das Stadium des Vorhabens hätten hinausgelangen dürfen. Sie sind einfach zu schlecht.

Dies gilt besonders für die meisten der bereits mehrfach erwähnten Remakes. Im Januar 1955 stellen zum Beispiel die Fachblätter fest, daß jeder fünfte deutsche Film ein Remake ist.

Und keiner (der Beteiligten) ist vor Mißerfolgen sicher ......

Auch die bewährtesten Kräfte, sowohl Produzenten wie auch Regisseure, sind vor Mißerfolgen nicht sicher - wenn ihre Filme eine gewisse untere Grenze überschreiten. Das gilt zum Beispiel von einem Film der unermüdlichen Maria Schell: „Herr über Leben und Tod", nach der gleichnamigen Novelle von Carl Zuckmayer.
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„Herr über Leben und Tod" - Die Story :

In der Novelle war der Arzt, eben der Herr über Leben und Tod, die Hauptfigur. Im Film ist es natürlich die Schell. Ein junges Mädchen heiratet einen Arzt, läuft ihm aber weg, weil das Kind, das sie ihm geboren hat, unheilbar krank ist.

Sie geht mit dem Kind in ein fernes Dorf, in welchem es einen Arzt gibt, der es gesund machen könnte. Sie verliebt sich prompt in diesen Arzt, also den zweiten Arzt. Das Kind stirbt. Der Arzt geht ins Wasser. Warum - das ist keineswegs ersichtlich, es sei denn, daß er ihr Leben damit etwas unkomplizierter machen will. Jedenfalls kehrt sie zu ihrem Gatten zurück.
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Auf den ersten Blick eine völlig idiotische Geschichte .....

 - und sie bleibt es leider auch auf den zweiten Blick. Später wird sich herausstellen, daß die Geschichte von dem komplizierten Leben der komplizierten Frau noch etwas komplizierter war, nämlich gewissermaßen von hinten nach vorn erzählt wurde, und daß die Verleiher, darüber entsetzt, was hier dem Publikum zugemutet werden sollte, den Film um- und umschrieben. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Sache so zu lassen, wie sie zu Anfang war?
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Ein anderer weiterer Mißerfolg ist der Film um den deutschen Staatsmann Gustav Stresemann.

Er sollte schon vor geraumer Zeit gedreht werden. Es fand ein ungeheures Tauziehen hinter den Kulissen statt, an dem sich auch die Familienmitglieder des verstorbenen Außenministers beteiligten.

Mindestens ein halb Dutzend Drehbücher wurden geschrieben. Ein löbliches Beginnen, einen Film über jenen Mann zu machen, der bewies, daß Deutschland auch in Frieden leben und groß werden kann, den Gegenspieler Hitlers, dessen Machtergreifung er freilich nicht mehr erlebte; wobei offenbleibt, ob Stresemann sie hätte verhindern können, oder ob er Hitlers erstes und prominentestes Opfer geworden wäre.
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Auch hier ist natürlich Hitler schuld ......

Daran, daß dieser Film völlig erfolglos bleibt, ist nun wirklich in gewissem Sinne Hitler schuld. Er hat nicht nur durch die Rasanz seiner Persönlichkeit die Erinnerung an alle diejenigen ausgelöscht, die in den Jahren vor ihm deutsche Außenpolitik trieben, er hat vor allem auch ein allgemeines Mißtrauen gegen Politiker als solche erweckt.

Es wird lange dauern, bis die Deutschen nicht jeden Politiker für eine suspekte Erscheinung halten. Und dann ist dieser Stresemann ja nun wirklich keine photogene Erscheinung und sein Schicksal nicht grade dramatisch.

Es gibt in seinem Leben kaum große Szenen, geschweige denn Ausbrüche oder Siege, die als solche zu feiern wären. Seine Arbeit fand hinter den Kulissen statt, in langwierigen Konferenzen. Das war ja grade das Große an ihm, daß er das Große tat ohne viel Aufhebens, mit der Selbstverständlichkeit des geborenen Pflichtmenschen. Dergleichen kann man im Film nicht zeigen, und auch wenn man es könnte, würden die Leute nicht ins Kino gehen um es zu sehen.
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1956 - So langsam kriselt es im deutschen Film.

Um diese Zeit ist es schon ein offenes Geheimnis: es kriselt im deutschen Film. Man hört - ohne Überraschung übrigens - daß diese oder jene Filmgesellschaft im Begriff ist, ihre Pforten zu schließen.

Volkswirtschaftlich vorgebildete Fachleute haben schon seit Jahren prophezeit, daß es dahin kommen müsse. Denn es sind einfach zu viel deutsche Filme produziert worden. Zu viele für den verhältnismäßig kleinen Raum der westdeutschen Republik.

Ja, wenn man noch ganz Deutschland zur Verfügung hätte! Ja, wenn man noch, wie in früheren Jahren, Holland, Belgien, die Schweiz, Österreich, Italien und den halben Balkan beliefern würde! Und wenn es nicht so viele amerikanische und englische und französische Filme in Deutschland gäbe!
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Was viele "Fachleute" dabei übersehen, ist die Kausalität der Dinge ..... - der Krisen-Ursachen ...

Gewiß, es werden zahllose ausländische Filme in Deutschland aufgeführt, und mit Erfolg aufgeführt. Aber wenn der Durchschnitt der deutschen Produktion besser wäre, dann würden viele ausländische Produkte abgelehnt werden.

Ja, wenn der Durchschnitt der deutschen Produktion besser wäre, dann müßte es ein Leichtes sein, den Schweizer Markt, den österreichischen Markt - also den deutschsprachigen Markt - wieder zu erobern.

Es ist denn wohl auch kein Zufall, daß Filmfirmen zusammenbrechen, die nicht gerade Meisterwerke produziert haben. Da ist zum Beispiel die Berliner ALGEFA, (Allgemeine Filmaufnahme- und Vertriebs-GmbH aus 1935), geleitet von einem Mann (Friedrich Wilhelm Gaik bis 1955), der seit Jahren jedem, der es hören wollte, und vielen, die es nicht hören wollten, verkündete, es käme ihm vor allen Dingen darauf an, Geld zu "machen".

Infolgedessen hat er die Filme, die ihm gute Regisseure herstellten - etwa den „Urlaub auf Ehrenwort" von Wolfgang Liebeneiner - solange um- und umgeschnitten (im Prinzip verhunzt) , bis aus einem anständigen Film ein miserabler Film wurde, und infolgedessen hat er damit natürlich kein Geld "gemacht".

Bedauerlich auch, daß gewisse Pleiten sich manchmal unter höchst suspekten Umständen abspielen. Ja, man fragt sich fast: handelt es sich hier um gewöhnliche Bankrotte oder schon um betrügerische Bankrotte oder sind möglicherweise die Voraussetzungen betrügerischer Bankrotte gegeben?

Bedauerlicher, daß ein Filmverleih wie die Allianz Film daran glauben muß, nicht nur deswegen, weil sie viele andere Firmen mitzieht, sondern weil der Mann, der sie leitete, eigentlich ein besseres Schicksal verdiente - Kurt Zobel, einer der wenigen Gentlemen im Filmgeschäft. Nun, man wird wieder von ihm hören.
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Hollywood spukt in allen Köpfen.

Es kriselt im deutschen Film. Wir hören immer wieder mal von Henny Porten, die nun wirklich hungert, für die niemand etwas tun will, obwohl sie immer noch ein großes Publikum hat.

Selbst um die große Maria Schell kriselt es. Sie macht einen Film, der nach vielen anderen Titeln schließlich den Titel „Liebe" bekommt und der ein furchtbarer Durchfall wird, weil man eine gute Story von Vicki Baum solange um- und umschreibt, bis nichts mehr von ihr übriggeblieben ist.

Die Schell kann solche Niederlagen verschmerzen. In Paris dreht sie den Film „Gervaise" nach einem Roman von Zola, der ein internationaler Erfolg wird. Und dann geht sie nach Hollywood.

Hollywood spukt in allen Köpfen. Viele, die fürchten, daß die Krise des deutschen Films noch gewaltigere Ausmaße annehmen würde, flirten mit Hollywood. Und dies ausgerechnet zu einer Zeit, da in Hollywood die Krise geradezu katastrophale Ausmaße annimmt, in einer Zeit, da viele, die seit zwanzig und mehr Jahren in Hollywood lebten und arbeiteten, nach Europa kommen, um Filme zu machen: in Rom, in Paris, in Geiselgasteig, Tempelhof und Spandau.
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Hollywood ist aber nur am deutschen Filmgeschäft interessiert

In Hollywood ist man sehr interessiert an deutschen Künstlern - wohl nicht zuletzt, weil man interessiert ist am deutschen Filmgeschäft. Helmut Käutner hat bereits einen Antrag erhalten, desgleichen Cornel Borchers, Marianne Koch, O. W. Fischer, Curd Jürgens, Liselotte Pulver, Heidemarie Hatheyer. Das ist grade nicht erfreulich für den deutschen Film.

Aber es war ja wohl immer so, daß Hollywood sich die großen Talente holte. Und das hatte ja auch seine guten Seiten. So wurde wieder Raum geschaffen für den Nachwuchs.

Noch vor der Schell eilt O. W. Fischer nach Hollywood - mit einem Riesenvertrag, beginnt unter den glücklichsten Auspizien einen Film, ein Lustspiel unter der Regie des Regisseurs Henry Koster, in großer Besetzung.
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O. W. Fischer wird wieder nach Hause geschickt

Nach ein paar Tagen schon wird gemunkelt: im Atelier geht es drunter und drüber. O. W. Fischer ist die Schwierigkeit in Person. Es gibt dauernd Krache. Wieder ein paar Tage später kommt es zu einer sehr kurzen Auseinandersetzung zwischen dem Regisseur und dem Star.

Der Regisseur erklärt, er werde unter den obwaltenden Umständen den Film nicht weiterdrehen. Der Star begreift - aber, wie sich herausstellen wird, zu spät - daß er zu weit gegangen ist. Er schreibt dem Regisseur einen Brief, in dem er verspricht, nunmehr alles zu tun, was dieser von ihm verlangt.

Aber es ist, wie gesagt, zu spät. Der Regisseur hat die Firma - es handelt sich um die UNIVERSAL - vor die Alternative gestellt: entweder O. W. Fischer geht, oder er wird gehen. Und die amerikanische Filmgesellschaft schickt O. W. Fischer nach Hause.
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Liegt die Wahrheit wirklich in der Mitte ?

Ungeheurer Tumult in der internationalen Filmindustrie, vor allem in Deutschland. Die Parteien spalten sich. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die erklären, man habe O. W. Fischer schweres Unrecht zugefügt, die das Ganze geradezu für eine nationale Schmach halten, für eine Beleidigung Deutschlands.

Auf der anderen Seite stehen diejenigen - und die sind bei weitem in der Mehrzahl - die nicht ohne Schadenfreude ausrufen: „Recht geschieht ihm!" Sie finden es sehr gut, daß dieser große Star, der seit Jahren gezeigt hat, wie gleichgültig ihm die öffentliche Meinung ist, nun einmal eine Ohrfeige einstecken muß. Ja, es wird schon davon gesprochen, daß die Karriere O. W. Fischers zu Ende sei.

Hierzu ist zu sagen: O. W. Fischer hat wohl Fehler gemacht, sowohl in seinen Filmen als auch in der Behandlung des Publikums und nicht zuletzt der Presse, die in diesem Fall ja die Vertretung des Publikums ist.

Auf seine großen Erfolge gestützt, hat er wohl doch etwas das Gefühl dafür verloren, in welchem Maße diese Erfolge mit seiner unstreitig grandiosen Begabung zu tun haben - er ist wohl immer noch die größte schauspielerische Potenz des deutschsprachigen Films - und wieviel da Glücksumstände, Regie und Partner, die Schell, die Leuwerik, mitsprachen.

Er hat der Presse immer wieder zu verstehen gegeben, daß sie ihm völlig gleichgültig sei, daß er sie nicht mehr brauche, jetzt nicht mehr brauche. Nun braucht er sie wieder, und er muß feststellen, daß er sich in den letzten Jahren eine Reihe ernsthafter und durchaus nicht leicht zu besänftigender Gegner geschaffen hat.

Auch das ist eine Krise - aber auch sie geht vorüber. Denn O. W. Fischer ist ein großer Schauspieler, und schon seine ersten deutschen Filme stellen das wieder unter Beweis. Und Hollywood wird ihn zurückholen.
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Krise ... ja, und dann gibt es wieder Erfolge ....

...... und oft stellen die Erfolge sich gerade an den Stellen ein, an denen man sie am wenigsten erwartet. Die Zeit ist so ernst, daß der Wunsch des Publikums, sich im Kino zu amüsieren, nicht ohne Berechtigung scheint.

Aber da es so viele ungelöste Probleme gibt, kann es nicht ausbleiben, daß der Film sich auch mit diesen Problemen beschäftigen muß. Problemfilme sind im allgemeinen keine Erfolge. Aber es gibt auch Ausnahmen, die diese Regel bestätigen. Zum Beispiel der Film „Die Ehe des Dr. Danwitz".
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„Die Ehe des Dr. Danwitz" - die Story :

Dr. Danwitz ist ein junger Arzt. Und wie alle jungen Ärzte in Deutschland, kann er von dem, das er verdient, nicht leben und nicht sterben. Hinzu kommt, daß er verheiratet ist und daß seine Frau ein Kind erwartet. Die Frage stellt sich, ob es nicht besser wäre, wenn sie das Kind nicht bekäme. Und da er schließlich Arzt ist  ... .

Aber er erliegt der Versuchung nicht. Die Danwitzens werden ihr Kind bekommen, irgendwie wird es weitergehen ... Da ist noch eine zweite Versuchung in Person einer eleganten Dame, Besitzerin eines Modesalons, die sich innerlich längst von ihrem Mann getrennt hat, welcher wiederum mit den Mannequins flirtet.

Unglückseligerweise soll auch sie ein Kind haben. Aber sie ist entschlossen, es nicht zu bekommen. Sie will Dr. Danwitz gut bezahlen, wenn er ihr das Kind fortbringt. Wenn er es täte, wäre er aller Sorgen ledig, das heißt, wenn er das fremde Kind im Mutterleib tötet, wird sein eigenes leben können. Er ist schon fast bereit dazu, aber in letzter Minute lehnt er das Anerbieten ab.

Ein Freund, ein junger Arzt, dem es noch schlechter geht, springt ein. Die Frau stirbt während des Eingriffs.
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Ein Film - sehr realistisch, ungemein hart und einfach

Arthur Maria Rabenalt inszeniert diesen Film sehr realistisch, ungemein hart und einfach. Schon des Themas wegen interessiert er allgemein. Die beiden Danwitz freilich sind wenig mehr als das konventionelle Liebespaar. Marianne Koch ist sehr lieblich. Karlheinz Böhm, hier durchaus nicht in seinem Bereich, wirkt niemals wie ein von Zweifeln gequälter junger Arzt, eher wie ein Student im ersten oder zweiten Semester.

Die große Wirkung des Films geht von den beiden tragischen Figuren aus. Heidemarie Hatheyer als die Frau, die ihre Entschlossenheit, das Kind des ungeliebten Mannes nicht zu bekommen, mit dem Tod büßen muß, wirkt beängstigend lebensnah.

Der jüngere Bruder Maria Schells, Maximilian, als der unfreiwillige Mörder dieser Frau, läßt die Tiefe der Verzweiflung manch junger Ärzte spüren. Dies ist sein zweiter Film, aber man kann das Gesicht des jungen Mannes nicht mehr vergessen, der in die Nacht hinausgeht, die Hände in den Taschen vergraben, trostlos, hoffnungslos.

Im Osten wird mit diesem Film Politik "gemacht" ...

Dieser Film hat einen starken Widerhall in ganz Ostdeutschland. Dort läuft er mit geradezu sensationellem Erfolg. Man hat ihn drüben angekauft, um den Massen zu demonstrieren: Seht, im goldenen Westen ist auch nicht alles so herrlich, wie die westliche Propaganda es immer behauptet! Seht, dort hungern die jungen Ärzte! Unter diesem Motto läuft der Film mit gewaltigem Erfolg auch in der Tschechoslowakei, in Polen, in Rumänien.
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„Frauen ohne Männer" oder „Glücksritter"

Und das gleiche Schicksal hat ein zweiter Zeitproblemfilm, den Arthur Maria Rabenalt einige Monate später drehen wird, wiederum mit Heidemarie Hatheyer. Es handelt sich um einen Film, der ursprünglich „Frauen ohne Männer" heißen soll, später „Glücksritter" genannt wird.

Ein hochinteressantes Thema: das Schicksal einer Zeitschrift - eines „Spiegel"-ähnlichen Gebildes - die bald nach 1945 von einem wackeren jungen Mann (Paul Hubschmid) zusammen mit seiner Freundin gegründet wurde, die beide Gegner des Nationalsozialismus waren.

Die Zeitschrift blüht und gedeiht. Es gibt erst Schwierigkeiten, als gewisse Enthüllungen gemacht werden sollen. Die betreffen nämlich den Freund eines ehemals mächtigen Parteimanns, der wieder zu Geld und Macht gekommen ist und kurzerhand Anteile der Zeitschrift aufkauft.

Eine weitere Komplikation: der junge Mann, nun nicht mehr gar so jung, verliebt sich in die Tochter des Parteimanns und heiratet sie. Dritte Komplikation: die junge Frau ist auf die ehemalige Freundin eifersüchtig. Und so wird aus einem Film, der die Entlarvung gewisser unerfreulicher Zustände in der Presse bringen könnte, eine etwas konfuse Geschichte mit Eifersucht und tragischem Ausgang. Je länger der Film dauert, um so weniger beschäftigt er sich mit den Problemen der Zeit, um so mehr mit Privataffären.
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Es kriselt im deutschen Film immer mehr ........

Aber es geht immer weiter. Es fallen Filme durch, und Filme haben Erfolg. Ein Riesenerfolg ist „Die Trapp-Familie" mit Ruth Leuwerik, Regie Wolfgang Liebeneiner, die Geschichte der Baronin Trapp, die mit ihren kleinen Kindern nach Amerika fuhr, sie dort singen ließ und Weltruhm erntete.

Der Film geht um die ganze Welt. Ein Erfolg, wenn auch kein künstlerischer, ist die Verfilmung des Schauspiels „Rose Bernd" von Gerhart Hauptmann durch Wolfgang Staudte - es ist sein erster westlicher Film. Aber wie ist die klassische Vorlage verstümmelt!

Kenner des herrlichen Dramas verstehen den Film gar nicht mehr, so ist das Buch verstümmelt worden. Hier kann man wohl nur noch von Kulturschande, von einem literarischen Skandal sprechen - und das Skandalöseste an der Geschichte ist wohl, daß der Erbe des großen Dichters, Benvenuto Hauptmann, dessen einziger Beruf die Verwaltung des Nachlasses seines Vaters ist, da nicht eingreift, da nicht protestiert, sondern vergnügt das Geld einsteckt.
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Und jetzt kommen Beispiele für Durchfälle aller Art

Auch keine Ruhmesblätter des deutschen Films waren diese hier :

  • „Spion für Deutschland" - trotz der grandiosen Leistung Martin Helds,
  • „Königin Luise", eine überaus larmoyante Geschichte, die selbst Ruth Leuwerik nicht schmackhaft machen kann,
  • „Die Sünderin vom Fernerhof", in der Hleidemarie Hatheyer und Carl Wery sich vergebens bemühen, ein fast klassisches Drama von Anzengruber vor heilloser Verkitschung zu bewahren,
  • „Liebe, wie die Frau sie wünscht", in der Barbara Rütting sich - fast - ganz auszieht und Paul Dahlke unter Beweis stellt, daß er für pornographische Filme nicht vom Schicksal ausersehen war,
  • „Der tolle Bomberg", in dem selbst Hans Albers versagt,
  • „Fuhrmann Henscliel", in dem Nadja Tiller dartut, daß sie eine reizende Schauspielerin ist, aber nicht das Format für moderne Klassiker hat, der
  • „Stern von Afrika", in dem Alfred Weidenmann unter Beweis stellt, daß gewisse Themen eben heute nicht zu verfilmen sind - vielleicht überhaupt nie und daß zu diesen Themen das Leben Hans Joachim Marseilles, des Fliegers aus dem letzten Weltkrieg, gehört.

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Dazwischen einige wenige Filme, die aufhorchen lassen.

Oberragend sind Leistungen von O. E. Hasse, von Hannerl Matz, von Grethe Weiser, die freilich weiterhin Filme unter ihrem Niveau macht, von Paul Dahlke, der Besseres tun sollte, von Martin Held, der schon internationales Format besitzt, von der Hatheyer, die sich allerdings mehr und mehr aufs Theater konzentrieren will, von O. W. Fischer, der immer noch der beste Liebhaber der Nachkriegszeit ist.

Die Filmateliers sind besetzt. Überall werden Filme gedreht, keine Woche vergeht, ohne daß neue herauskommen. Es geht weiter, es geht immer weiter. Der junge deutsche Nachkriegsfilm hat bereits seine ersten Jubiläen gefeiert.

Die ostdeutsche DEFA ist zehn Jahre alt geworden und verkündet in einem Kommunique, sie werde sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, was mangels frischer Lorbeeren in den letzten fünf, sechs Jahren wohl auch gar nicht möglich wäre.

Die REAL-Film in Hamburg hat ihr zehnjähriges Jubiläum gefeiert, auch Arthur Brauner mit seiner CCC in Berlin.
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Die UFA ist wieder da und auch die BAVARIA.

Und das Wichtigste: Die UFA ist wieder da und die BAVARIA. Es gab harte Kämpfe, bis es so weit war, bis die Alliierten sich davon überzeugten, daß es mit der „Entflechtung" nun endlich ein Ende haben müsse ... Und dann gab es nicht weniger harte Kämpfe zwischen den Deutschen hinter den Kulissen. Dann kam die Produktion der BAVARIA und, ein wenig später, die neue UFA-Pro-duktion.

Und hier wollen wir den Vorhang fallen lassen. Denn hier endet eine Aera - und eine neue beginnt.
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Beim Film geht es nach wie vor um viel viel Geld

Ja, es hat sich vieles geändert in diesen letzten Jahren. Es ist vorwärtsgegangen, der deutsche Film wird langsam wieder ein Faktor, eine Macht in Europa.

Zum Filmemachen gehört, wie zum Kriegführen, Geld, sehr viel Geld. Nur große Konzerne wie die UFA und BAVARIA, natürlich auch die CCC, die REAL und die Produktionen, die von den großen Verleihern gestützt werden - können es riskieren, Geld in Experimente zu stecken und gelegentlich einmal zu verlieren.

Der Mut zum Experiment aber ist es, der den deutschen Film groß machte. Dieser Mut konnte in den Jahren nach dem Krieg gar nicht vorhanden sein: die Mittel fehlten. Jetzt ist es also wieder anders. Jetzt könnte es also wieder werden - wie damals ... in den großen Zeiten des deutschen Films.
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1957 - Eine Aera ist zu Ende.

Sie begann am ersten Tag nach dem Krieg, als wirklich alles zu Ende schien, als Kinopaläste und Filmateliers zerbombt oder von fremden Truppen besetzt waren, als Schauspieler, Regisseure und Kameramänner in alle Winde zerstreut waren, niemand mehr daran denken konnte, wieder Filme zu produzieren.

Wir durchlebten die schrecklichen Jahre der filmlosen Zeit, in denen sich die Kinos - die wenigen, die übriggeblieben und von der Beschlagnahme verschont waren - mit sogenannten „Überläufern" behelfen mußten, mit Filmen aus längst vergangenen Tagen, sowie Importen aus dem Ausland.

Es kamen die ersten großen deutschen Filme über Nacht, die sich irgendwie mit der jüngsten Vergangenheit auseinandersetzten: die Trümmerfilme, die Probefilme, die eine Welt aufhorchen machten.

Das deutsche Publikum wurde dieser Filme bald müde, die es an die tägliche Misere, an den grauen Alltag erinnerten, anstatt drückende Sorgen vergessen zu machen.

Es kam die Zeit der gewichtslosen und verantwortungslosen Lustspiele, die Zeit des Klamauks, in der alles erlaubt war, was die Menschen wieder lachen machte.
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Es kam die Zeit der neuen Stars ......

....., die sich unaufhaltsam in den Vordergrund schoben. Er erfolgte eine Art Umwertung aller Werte. Viele Berühmtheiten von gestern, unter ihnen Zarah Leander, Sybille Schmitz, die dann tragisch ums Leben kam, Gustav Fröhlich, mußten für immer abtreten. Keiner blieb, der sich nicht erneut durchsetzen konnte.

Aber Luise Ullrich schaffte es, Grethe Weiser, Heidemarie Hatbeyer, Paul Dahlke, um nur einige wenige zu nennen. Es kam die Zeit der „idealen deutschen Liebespaare" und die Zeit der wirklich großen deutschen Filme, in der man Helmut Käutner wieder arbeiten ließ, in der ein paar junge Regisseure nach vorn kamen, vor allem Alfred Weidenmann und Kurt Hoffmann.

Es kamen Krisen, Zusammenbrüche und über Nacht - Karrieren.

Und jetzt (1957), zwölf Jahre, nachdem der erste deutsche Nachkriegsfilm produziert wurde, ist der Anschluß an die großen alten Zeiten wieder geschaffen. Die UFA ist wieder da.

In den ersten Tagen des Jahres 1954 war Ludwig Klitzsch hochbetagt in Bad Wiessee gestorben. Erinnern wir uns noch? Es war Klitzsch, der die enormen propagandistischen Möglichkeiten des Films schon vor dem ersten Weltkrieg erkannte, als es noch kaum einen Film gab, sie im Krieg durch Gründung der DEULIG für die deutschen Interessen im Balkan einzusetzen suchte; Alfred Hugenberg, der schon damals auf Klitzsch aufmerksam wurde, als er Mitte der zwanziger Jahre die UFA übernahm, setzte ihn als Chef der UFA ein. Von Klitzsch gingen später die entscheidenden Initiativen aus. Er war es, der als erster in Deutschland erkannte, daß der Tonfilm sich durchsetzen würde, der den Produzenten Erich Pommer aus Amerika zurückholte, der später einen zähen Kampf gegen Hitler und Goebbels führte ...
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Und hier fällt ein Name - Arno Hauke wird Chef der UFA

Wie viele wußten es noch jetzt, im Januar 1954, da er starb? Einer von ihnen war Arno Hauke, der Mann, der in den letzten Jahren den Theaterpark der UFA treuhänderisch verwaltete.

Er hatte, ein noch junger, lebenstüchtiger Mann, den Entschluß gefaßt, die UFA wieder zum Leben zu erwecken. Kurz vor Klitzschs Tod besuchte er den alten Mann und erzählte ihm von seinen Plänen.

Klitzsch war betroffen. Natürlich freute ihn der Gedanke, daß es vielleicht wieder eine UFA geben würde wie damals. Aber es erschreckte ihn, daß ein Außenseiter wie Hauke sie leiten sollte. Er gab das auch offen zu. „Der Gedanke ist mir schrecklich, daß keiner von denen, die mit mir zusammen gearbeitet haben, dabei sein wird ....."

Und dann stellte er eine sehr direkte Frage an Hauke: „Wie kommt es, daß gerade Sie die UFA zu neuem Leben erwecken wollen? Sie sind doch kein Fachmann?" Hauke erwiderte:

„Ich gehe gern ins Kino!"

Eine sehr vernünftige Antwort, wie uns scheint. Warum sollte nicht einer, der gern ins Kino geht, Filme machen, damit wir anderen gern ins Kino gehen?

Und wenn wir auch gern und oft zurückdenken an die schönsten Filme unseres Lebens und an die gute alte Zeit, die gar nicht so gut war und so lange her ist - warum sollten nicht heute und morgen Filme gedreht werden, an die wir einmal in zehn oder zwanzig Jahren mit ebenso großer Freude zurückdenken werden, die ein Teil unseres Lebens werden, Erinnerungen, die wir nicht missen wollen?

Und so mag es wohl sein, daß wir in fünf oder zehn oder zwanzig Jahren von den Filmen von heute und morgen wieder sagen werden: „Das gab's nur einmal..."

Nachtrag von Gert Redlich nach dem Lesen beider Wälzer :

Die Aera Arno Hauke dauerte nur ein paar Jahre bis 1961, denn er war sicher ein guter Verwalter des Nachlasses, aber als oberster Chef des UFA Konzerns hatte er nicht das Händchen von Hugenberg und Klitzsch. Unter seiner Regie - er verändeete sich als Mensch zu einem Despoten mit Selbstdarstellungszwängen - ging die UFA fast pleite.

Mehr darüber steh hier.
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In 1985 hat ein Autor das Filmgeschehen weiter verfolgt.

Mit einem Abstand von fast 30 Jahren sieht der Autor Gehard Bliersbach in 1985 diese Entwicklung der deutschen Filme nach 1945 aus einer ganz anderen Sicht, die den beiden Autoren Curt Riess und Heinrich Fraenkel nicht gelegen war. Ries und Fraenkel betrachteten die künstlerischen und kulturellen Hintergründe samt des Produktions-Umfelds.

 

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