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"Das gibt's nur einmal" - die Film-Fortsetzung 1945 bis 1958

Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite dieses 2. Buches finden Sie hier.

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ZWANZIGSTER TEIL - ZWISCHENBILANZ

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GROSSES FORMAT

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Ulla Jacobson und Karlheinz Böhm

Im August 1954 ist ein Film gedreht worden „Und ewig bleibt die Liebe", um der schwedischen Schauspielerin Ulla Jacobson eine Chance zu geben, sich dem deutschen Publikum zu zeigen. Der bringt dem deutschen Publikum auch einen neuen jugendlichen, allerdings noch sehr jugendlichen Liebhaber.

Die Jacobson hat mit ihrem heimischem Film „Sie tanzte nur einen Sommer" einen Sensationserfolg gehabt, weil sie sich dem deutschen Publikum - fast nackt zeigte. Dieser Erfolg soll nun wiederholt werden. Die Jacobson ist eine wirkliche Schauspielerin, sie hat nicht nur einen zarten, unbeschreiblich reizvollen Körper, wie man in ihrem schwedischen Film feststellen konnte, sondern auch ein hilfloses, sozusagen bis in die Tiefen aufgerissenes Gesicht.

Der Film, den sie jetzt spielt, ein Aufguß des rührseligen, schon vor fünfzig Jahren überholten Dramas „Johannisfeuer" von Hermann Sudermann, gibt ihr keine Gelegenheit, ihren schönen Körper und ihre Schauspielkunst zu zeigen. Das gilt auch für die Filme, die sie in den nächsten Jahren in Deutschland machen wird. Der erste mit dem unsäglichen Titel wird also weniger ein Triumph für sie als für ihren Partner Karlheinz Böhm.

Diesen Böhm hat man bisher arg unterschätzt .....

..... - und wird ihn noch eine Weile unterschätzen, vielleicht gerade weil er ein so reizender junger Mann ist, der fast ein bißchen zu gut aussieht und ganz unproblematisch wirkt; fast ein Leichtgewicht.

Vielleicht, weil man vermutet, daß seine Karriere vor allem durch Protektion zustande gekommen ist. Denn er besitzt einen recht berühmten Namen. Der Vater, seit Jahren einer der ersten Dirigenten Österreichs, ja, man darf wohl sagen Europas, der gesuchteste Mozart-Spezialist, dessen Aufführungen Weltruhm erlangt haben, hat freilich nichts für seinen jungen Sohn getan oder tun wollen.

Der wurde Regieassistent bei Karl Hartl, spielte im Theater in der Josefstadt in Wien und kam erst auf dem Umweg über die Bühne - und nicht durch seinen Lehrmeister Karl Hartl - zum Film. Wer ihn einmal gesehen hat, fragt sich verwundert: Wie konnte es überhaupt so lange dauern, bis der Film ihn entdeckte? Er sieht geradezu ideal aus: jung, hübsch, schlank, blond, blauäugig. Er hat ein gewinnendes Wesen, er versteht sein Handwerk.

Seine Nachteile: er ist noch sehr jungenhaft. Er wirkt nicht als Mann. Man kann ihn - namentlich neben ausgereiften Schauspielerinnen - nicht als Partner einsetzen. Infolgedessen wird er erst mit den Partnerinnen nach oben kommen, die wie er ganz jung, ganz frisch, ganz unbekümmert wirken: vor allem mit Romy Schneider.
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Karlheinz Böhm und Romy Schneider

Sie steht schon in ihrem zweiten Film, der freilich nicht so sehr ihr Triumph als der Triumph einer bereits weltbekannten Schauspielerin wird, die vor vielen Jahren Deutschland verlassen mußte und jetzt zurückkehrt. Der Film heißt „Feuerwerk". Die Grundlage: ein kleines, ganz unprätentiöses Schweizer-deutsches Lustspiel, das vor vielen Jahren das Zürcher Schauspielhaus an einem Silvesterabend uraufführte.

„Der schwarze Hecht"

Es hieß damals „Der schwarze Hecht" und hatte die mißglückte Feier eines sechzigsten Geburtstages zum Inhalt. Zahllose Familienmitglieder erscheinen zu dieser Feier eines Spießbürgers, darunter auch sein längst verschollener Bruder, der zum Zirkus gegangen ist, dort Karriere gemacht und eine reizende Frau namens Iduna geheiratet hat, die er mitbringt.

Die Familie ist ziemlich entsetzt über die Eindringlinge, es kommt zu mancherlei Auseinandersetzungen - umsomehr, als die älteren Herren sich alle in die junge Dame vom Zirkus verlieben, was ihren Frauen gar nicht recht ist. Das Ende ist, daß sich alle entzweien, unter großem Krach die Gesellschaft verlassen und daß der Hecht, der zur Feier des Abends serviert werden sollte, inzwischen verschmort - also schwarz geworden ist.

Ein Nichts von einer Handlung, wie gesagt, aber mit reizenden Melodien des enorm begabten Schweizer Komponisten Paul Burckhardt ausgestattet.

Ein paar Lieder werden auch recht populär, vor allem das Auftrittslied der Iduna: „O, mein Papa!" Es wird auf Platten aufgenommen, es verkauft sich nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland, England, Amerika.

Erste Aufführungen im Münchner Gärtnerplatz-Theater

Eric Charell, der große Berliner Ausstattungsregisseur, der Schöpfer des Films „Der Kongreß tanzt", lernt diese Melodie kennen, lernt das ganze Stück kennen, erwirbt es, bringt es im Münchner Gärtnerplatz-Theater zur Aufführung.

Und nun ist plötzlich aus dem kleinen, nichtssagenden Lustspiel eine riesige, revuehafte Operette geworden mit zahlreichen Darstellern, mit Chor, mit Ballett, mit Verwandlungen; es geht drunter und drüber auf der Bühne.

Aber dieses Nichts an Handlung, die winzige Idee, auf der der „Schwarze Hecht" aufgebaut war, hält das große Feuerwerk einfach nicht aus - die Operette ist inzwischen umgetauft worden und heißt jetzt 'Teuerwerk' - und die kostspielige Inszenierung Charells hat überhaupt keinen Erfolg. Trotzdem wird das Stück in vielen anderen Städten aufgeführt, denn die Melodien bezaubern alle Welt. Und jetzt soll die Sache also verfilmt werden.
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Zwei Rollen sind für den Film entscheidend:

Da ist das junge Mädchen, die Tochter des Geburtstagskindes. Dafür wird Romy Schneider gewonnen. Es ist ihre zweite Rolle, und sie zieht sich recht anmutig aus der Affäre. Aber noch ahnt man kaum, was sie bald zu zeigen imstande sein wird.

Und da ist Iduna, die Dame vom Zirkus. Die müßte von einer großen Operettendarstellerin gespielt und gesungen werden, von einer vom Schlage der Fritzi Massary. Gibt es so etwas noch in Deutschland? Es gibt so etwas nicht mehr in Deutschland, hat es übrigens selten genug gegeben.

Infolgedessen kommt Charell, der auch die Filmrechte des „Schwarzen Hecht" besitzt, auf eine grandiose Idee. Er wird eine Schauspielerin nach Deutschland zurückholen, die zwar deutsch ist, aber noch niemals in Deutschland gespielt hat: Lilli Palmer.
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Wer ist Lilli Palmer? Besser: wer war sie?

Nun, sie hieß nicht immer Palmer, und sie war die Tochter eines angesehenen Berliner Arztes. Als Hitler kam, verließ sie mit ihrer Familie Deutschland - sie war damals noch nicht einmal zwanzig, atemberaubend schön und anmutig und unerhört begabt. Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris ging sie nach London, lernte Englisch, bekam ein Engagement, machte die Bekanntschaft des bekannten Schauspielers Rex Flarrison, heiratete ihn, trat zusammen mit ihm auf, wurde ein Star zuerst in London, dann in New York, schließlich auch in Hollywood.

Sie hat gerade einen Film in Hollywood beendet, als Charell sie von New York aus anruft. Er will sie für die Rolle der Zirkusdame verpflichten. Die Palmer weiß von nichts, weder vom „Schwarzen Hecht", noch von „Feuerwerk", noch von der Art der Rolle, die sie spielen soll.

Eric Charell meint, sie müsse doch die bekannte Melodie kennen und beginnt, ihr am Telephon New York-Hollywood „O mein Papa!" vorzupfeifen.
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Die Melodie von „O mein Papa!" war überzeugend ......

Nein, sie kennt die Melodie nicht, aber sie gefällt ihr, und infolgedessen nimmt sie die Rolle an, kommt nach München, spielt die Zirkusdame Iduna - und hat einen Sensationserfolg.

Das hat sicher auch mit Kurt Hoffmann zu tun, der hier seinen ersten, ganz großen Regieerfolg einheimsen darf. Aber es hat vor allen Dingen mit Lilli Palmer zu tun. Nicht so sehr mit ihrem schauspielerischen Können, das außerordentlich ist, sondern mehr mit ihrer Persönlichkeit, mit ihrem Auftreten, mit der Art, in der sie sich gibt, mit der Souveränität ihres Vortrags.

Unnachahmlich, wie sie ihre Chansons hinlegt, wie sie ihre Dialoge führt, wie sie immer über der Situation steht, immer ein wenig ironisch, voll Vitalität, mit Elektrizität geladen, ganz Dame vom Zirkus, die zu allem imstande ist - und doch Dame bleibt.
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Das Publikum ist von Lilli Palmer begeistert.

Der Erfolg der Palmer kommt aus den gleichen Quellen wie fast zwanzig Jahre vorher der Erfolg der Zarah Leander. Damals - das Tausendjährige Reich war gerade drei Jahre alt - brachte die Leander einen Hauch der großen Welt jenseits der bereits sich senkenden Grenzbarrieren.

Jetzt, 1954, bietet Lilli Palmer einen Blick in die große Welt jenseits der deutschen Grenzen, die zwar schon wieder geöffnet sind - aber es gibt ja nur einige wenige, die bereits Geld oder Zeit oder beides haben, um diese Welt kennenzulernen.

Gemessen an Lilli Palmers Eleganz und Charme wirken die deutschen Stars irgendwie provinziell und hausbacken; daß Lilli Palmer auch eine große Schauspielerin ist, wird sie in den nächsten Jahren unter Beweis stellen ...
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Lilli Palmers zweiter Film, „Teufel in Seide"

Zum Beispiel im Januar 1956, als ihr zweiter Film, „Teufel in Seide", zur Aufführung gelangt. Im „Feuerwerk" zeigte sie, daß sie hübsch aussehen, sich charmant bewegen konnte, liebenswürdig Konversation zu machen und nett zu singen verstand.

Ihr großer Erfolg hatte mit ihrem Aussehen, ihrem ganzen Auftreten, mit jenem Parfüm der großen Welt zu tun, das ihr in so starkem Maße anhaftete. Jetzt kommt sie als Schauspielerin.

Jetzt muß sie eine Rolle spielen, die neun von zehn Filmstars vermutlich zurückgeschickt hätten, weil es sich um eine so entsetzlich unsympathische Rolle handelt.

Die Story ....

Sie ist eine Frau, eine schöne, reife, durchaus nicht mehr junge Frau, die sich in einen ziemlich mittellosen, hübschen Mann verliebt - Curd Jürgens - und ihn protegiert.

Er ist ein guter Komponist. Aber die Frau erlaubt ihm nicht zu komponieren. Sie erlaubt ihm überhaupt nichts, was irgendwie ein eigenes Leben bedeuten würde. Sie will ihn ganz für sich haben. Sie will ihn mit Haut und Haaren „auffressen".

Als er schließlich dagegen revoltiert, kommt es zu entsetzlichen Szenen zwischen ihnen. Und als er sie für immer verläßt, faßt sie einen teuflischen Plan. Sie bringt sich um, aber so, daß alle Indizien gegen ihn sprechen.

Es kommt auch zu einem Prozeß gegen ihn. Er ist schon fast verurteilt - da, in letzter Minute, klärt sich alles auf. Man sieht: kein erfreuliches Thema. Kein Film, bei dem das Publikum sich amüsieren könnte. Dazu wird es dem Publikum vom Drehbuchschreiber Jochen Huth und vom Regisseur Rolf Hansen viel zu schwer gemacht.
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Denn die Story wird in Rückblenden erzählt .....

...., wir fangen fast am Ende an und werden immer wieder zurückgeworfen, wir lernen die schöne und so unglückliche Dame, die Lilli Palmer darzustellen hat, eigentlich erst nach ihrem Tod richtig kennen.

Es gibt Augenblicke, in denen selbst der versierte Filmbesucher konfus wird. Aber was alles bedeutet das, wenn Lilli Palmer vor uns steht, diese interessante und faszinierende Frau!

Und dann plötzlich fällt alles von ihr ab, plötzlich ist sie nur noch ein armes Etwas, eine Frau voller Angst, sie könnte von dem Mann verlassen werden, den sie liebt - voller Angst vor der Einsamkeit, vor dem Altern. Das ist grandios.

Da gibt es Momente, die man seit der Garbo nicht mehr erlebt hat.
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Die Hauptrolle in dem Film, „Anastasia" ....

Und wieder ein paar Monate später - sie filmt unentwegt, als wolle sie die versäumten Jahre nachholen - spielt sie die Hauptrolle in einem Film, „Anastasia", der das Schicksal der angeblichen oder wirklichen Zarentochter zum Inhalt hat.

Gleich drei deutsche Produzenten hatten sich zusammengefunden, um den Film herzustellen, weil keiner keinem das Geschäft gönnte. Der Film wird in rasender Eile gedreht, denn in Amerika entsteht um die gleiche Zeit ein Konkurrenz- Anastasia-Film mit Ingrid Bergman.

Wieder beweist die Palmer, daß sie eine sehr ernst zu nehmende Schauspielerin ist, ja, sie wird mit diesem Film fast die beliebteste deutsche Filmschauspielerin - und sicher zu Recht.
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Liselotte Pulvers wachsende Popularität

Die in diesen Jahren ebenfalls täglich, man möchte fast sagen stündlich wachsende Popularität Liselotte Pulvers stammt aus anderen Bezirken. Die Leute lachen eben lieber im Kino, als daß sie sich mit den Problemen des eigenen Lebens beschäftigen.

Immer wieder hat die Kritik gefragt: Wo bleibt ein gutes deutsches Filmlustspiel? Es kommen manchmal welche heraus. Da ist zum Beispiel die Komödie „Drei Männer im Schnee" nach dem gleichnamigen Buch von Erich Kästner. Die Geschichte eines reichen Industriellen, der sich incognito erholen will, aber doch von seinem ängstlichen Kammerdiener betreut wird.

Eine kleine Liebesgeschichte ist auch dabei. Das Ganze ist harmlos, aber voll reizender Einfälle und, was wichtiger ist, voll Herz. Kurt Hoffmann inszenierte es mit einer umwerfenden Liebenswürdigkeit, Paul Dahlke und Günter Lüders spielen die Hauptrollen so, daß man vor Lachen fast vom Stuhl fällt.
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„Ich war ein häßliches Mädchen"

Um die gleiche Zeit bringt Wolfgang Liebeneiner einen Film heraus: „Ich war ein häßliches Mädchen". Und wer spielt das häßliche Mädchen? Sonja Ziemann. Wie macht sie so etwas? Großartig!

Sie ist besonders lustig, besonders charmant als das junge Ding, das so gar nicht weiß, wie man sich zurechtmache, sich anzieht und nur Mißerfolge hat, bis bei ihr plötzlich, weil sie sich in einen Filmstar verliebt, der Groschen fällt, bis sie sich innerhalb weniger Tage in ein reizendes junges Geschöpf verwandelt, dem alle Männer nachlaufen.

Und je mehr sie ihr nachlaufen, um so hübscher wird sie. Aber ach! sie liebt den Filmstar gar nicht, sie liebt einen jungen Mann, einen viel jüngeren Mann als den Star, mit dem sie durchgegangen ist. Und natürlich bekommen sich die jungen Leute.

Als etwas verrückter, betrunkener, aber bezaubernder Filmstar - und das Wort gilt in jedem Sinn: Dieter Borsche, voll von Selbstironie. So was macht er großartig! Es zeigt sich, daß er ein herrlicher Schauspieler ist. Es zeigt sich, daß er viel Phantasie besitzt und nicht nur ernste Männer mit richtiger Weltanschauung spielen kann.

Der Liebhaber: Karlheinz Böhm, immer charmant und reizend. Schon bald wird er mehr sein, viel mehr.
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Liselotte Pulvers Weg zu "Ich denk an Piroschka"

Was nun Liselotte Pulver angeht, die ohne Zweifel im Jahre 1956 zur ersten deutschen Lustspieldarstellerin avanciert, so hätte sie eigentlich schon längst vorn sein müssen.

Rückblick .... Erinnern wir uns noch? Produzent F. A. Mainz holte sie für den Albers-Film „Föhn". Dann sollte sie eine Hauptrolle im Film „Dr. Holl" spielen. Aber es gab Schwierigkeiten wegen der Gage. Ein Schweizer Anwalt, der sich sehr gescheit vorkam, erklärte dem Produzenten, der Vertrag mit der Pulver sei keiner, die nicht volljährige Dame aus Bern hätte gar nicht unterschreiben dürfen. Mainz gab nicht nach.

Mainz holte sich für die Rolle im „Dr. Holl" eine noch ganz unbekannte junge Schauspielerin namens Maria Schell. Die Pulver spielte dann in den nächsten Jahren in diesem oder jenem Film - sie hatte auch hübsche kleine Erfolge in kleinen Lustspielen - aber der ganz große Erfolg blieb aus.
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Die Story :

Nun spielt sie also wieder in einem kleinen Lustspiel nach einem heiteren Roman von Hugo Flartung. Es handelt sich um Piroschka, die Tochter des Stationsvorstehers in einem winzigen ungarischen Nest. Ein junger Deutscher ist für ein paar Wochen in dieses Nest verschlagen worden. Er lernt Piroschka kennen. Es kommt zu einer kleinen Liebelei. Für ihn ist es ein Abenteuer. Für Piroschka mehr. Dann fährt der junge Mann wieder weg. Sie bleibt zurück. Er wird sie nie wiedersehen. Freilich - manchmal wird er an sie denken ...

Das inszeniert Kurt Hoffmann mit sehr viel Charme, sehr viel Witz und Laune - und einem ganz kleinen bißchen Traurigkeit. Und Liselotte Pulver spielt die Piroschka, das hübsche, rassige, kleine ungarische Mädchen, voller Schabernack - bis es sie erwischt!

Dann ist dieses Kind plötzlich kein Kind mehr. Dann ist sie plötzlich eine junge Frau voll von Leben, ganz stark, viel stärker als der junge Mann, der nicht so recht weiß, was ihm geschieht. Sie ist gescheiter als er, denn sie macht sich keine Illusionen.

Sie weiß, er wird fortgehen, nicht mehr zurückkommen. Und diese paar Tage - nicht einmal Tage, sondern nur Stunden - werden die einzigen in ihrem Leben bleiben, die zählen. Ja, das ist nun also Liselotte Pulver.

Man sitzt beglückt in ihrem Film, schmunzelt und bekommt tränenfeuchte Augen; der Film brauchte eigentlich nie zu Ende zu gehen ... Man möchte niemals Abschied nehmen von dieser süßen Piroschka, man denkt noch an sie lange, lange, nachdem man das Kino verlassen hat.
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Und beinahe wird es ein Mißerfolg .....

Die Kritik ist begeistert. Aber der Verleih muß feststellen, daß das Publikum sich nicht für den Film erwärmt. Es sieht ganz so aus, als werde er ein Mißerfolg. Eigentlich ist er schon einer. Aus den großen Filmtheatern verschwindet er nach unverhältnismäßig kurzer Zeit. Und da geschieht das Wunder, das eigentlich kein Wunder ist.

Mundreklame macht sich bemerkbar. Überall erzählen die relativ wenigen Besucher des Films, wie reizend er gewesen ist, überall gibt es Leute, die sich wundern, daß sie diesen Film, von dem sie so viel Gutes gehört haben, nicht mehr zu sehen bekommen. Und der Film wird wieder angesetzt.

Er läuft wieder, zuerst in kleinen Kinos, dann wieder in den großen. Er wird schließlich ein ganz großer und verdienter Erfolg. Kurt Hoffmann macht bald darauf wieder einen Film mit Liselotte Pulver, nach dem Roman „Heute heiratet mein Mann!" von Annemarie Selinko.
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„Heute heiratet mein Mann!" - die Story:

Eine reizende Geschichte, die in Skandinavien spielt, die lustige Geschichte einer Frau, die ihren geschiedenen Mann in allerletzter Minute dem Mädchen wegschnappt, das er heiraten will.

Diesmal ist die Pulver kein Mädchen vom Lande, sondern eine sehr mondäne junge Frau, die genau weiß, was sie will, die allen Männern den Kopf verdreht. Man bemüht sich festzustellen, wo die Führung Hoffmanns aufhört, wo ihre eigentliche Phantasie einsetzt.

Das alles ist so gelungen, daß man aus dem Lächeln - bei der Pulver lächelt man immer nur, man bekommt keine Lachkrämpfe - gar nicht herauskommt. Alles ist so, daß man beglückt feststellen muß: besser könnte es gar nicht sein!
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Besser könnte es gar nicht sein!

Ein Satz, den man immer wieder zurücknehmen muß, wenn man einen neuen Film der Pulver sieht. Etwa „Die Zürcher Verlobung", in der Käutner Regie führt, oder - wieder unter Führung von Hoffmann - „Das Wirtshaus im Spessart", eine lustige, parodistische, selbstironische Geschichte,
sehr frei nach Wilhelm Hauff - Günter Neumann arbeitete mit - ein Lustspiel von internationalem Format, eben weil es so deutsch ist; eben weil es nur in Deutschland so gemacht werden konnte.

Das ist ja - immer wieder muß man es feststellen - das Geheimnis internationaler Erfolge: daß sie in keinem anderen Lande als im Ursprungsland entstehen können; daß keiner sie nachmachen kann.
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„Kitty und die große Welt"

Ein übrigens reizendes Lustspiel, das allerdings gar nicht international ist, weil es so international sein will: es handelt sich um das Remake von „Kitty und die Weltkonferenz" - jetzt genannt „Kitty und die große Welt".

Damals eine, wenn auch vorsichtige, anmutige Persiflage auf das internationale Tun und Treiben - 'damals', das war kurz vor Kriegsausbruch 1939 - konnte sie, das begriffen Regisseur Alfred Weidenmann und sein Drehbuchautor Herbert Reinecker sofort, nicht einfach auf heute übertragen werden.

In der Zwischenzeit haben nämlich die internationalen Konferenzen einen leichten Geruch bekommen. Man verspricht sich nichts von ihnen, man hält sie geradezu für die Ursache dafür, daß es auf der Welt so schlecht bestellt ist.

Es fällt schwer, eine internationale Konferenz zu persiflieren in einer Zeit, in der zum Beispiel der deutsche Osten von internationaler Konferenz zu internationaler Konferenz darauf wartet, daß die Herrschaften am grünen Tisch endlich etwas zu seiner Befreiung und zur Wiedervereinigung Deutschlands unternehmen.
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Ein hübsches Drehbuch im luftleeren Raum

Immerhin, es entsteht ein hübsches Drehbuch. Aber eben notwendigerweise ein Drehbuch, das sich sozusagen im luftleeren Raum befindet. O. E. Hasse als englischer Außenminister gibt eine vorzügliche Leistung, er ist liebenswürdig, elegant, souverän - und gleichzeitig ratlos. Wer spielt ihm das nach? Immerhin: wir haben die unvergleichliche Romy Schneider und - natürlich! - Karlheinz Böhm als Liebespaar; sie sind reizend.

Und Peer Schmidt, ein junger Schauspieler aus der Schule von Gustaf Gründgens, gibt in der Charge eines russischen Journalisten eine geradezu überragende schauspielerische Leistung.

Aber war das Ganze notwendig? Das fragt man sich, wenn man aus dem Kino kommt. Konnte so viel Können - Regie, Drehbuch, Schauspieler einbegriffen - nicht auf einen Stoff verwandt werden, der uns näher liegt, mag es nun ein Lustspiel sein oder ein Drama?
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Ein einziges Remake hat einen durchschlagenden Erfolg

Nur bei einem einzigen Remake fragt man das nicht, es hat einen durchschlagenden Erfolg, einen Welterfolg sozusagen, der den Erfolg seines Vorgängers weit in den Schatten stellt. Es handelt sich um den „Hauptmann von Köpenick", vermutlich Deutschlands erfolgreichsten Nachkriegsfilm.

Wie der erste Film, geht er zurück auf das berühmte Theaterstück Carl Zuckmayers, das mit Werner Krauß in der Hauptrolle in Max Reinhardts Deutschem Theater Ende der zwanziger Jahre einen Sensationserfolg hatte.

Der erste Film, von Richard Oswald unvergeßlich inszeniert, hatte allerdings einen anderen Hauptdarsteller, nämlich den hinreißenden Berliner Komiker Max Adalbert, der in zweiter Besetzung bei Max Reinhardt die Rolle gespielt hatte.

Auf den ersten Blick scheint Käutners neuer Film der gleiche zu sein, der damals gemacht wurde, und diejenigen, die den alten kennen, haben das im stillen auch erhofft. Denn besser kann man es gar nicht machen!

Und daß er diesmal bunt ist, während Oswald ja noch schwarz-weiß drehte, fällt wohl kaum ins Gewicht. Aber Käutners Film ist doch etwas anderes geworden. Er ist herber, einfacher und dabei stiller.

Das Groteske tritt zurück. Käutner steht auf dem Standpunkt, daß die unheimliche Geschichte des Schusters Voigt, der keinen Paß bekommen kann - dieser circulus vitiosus: ohne Papiere keine Arbeit, ohne Arbeit keine Papiere - schon grotesk, schon lächerlich genug ist, zum Totlachen in des Wortes wahrster Bedeutung.
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Ja, und da ist Rühmann.

Jahrelang hat die Filmbranche gewußt: dieser Mann ist fertig, den gibt es gar nicht mehr, den will niemand mehr sehen. Mit ungeheurer Mühe hat er sich wieder nach vorn gearbeitet.

Unverständlich, wenn man bedenkt, daß er nicht immer ganz vorn war. Denn er ist ja gar kein Filmstar. Er gehört zu den drei, vier ganz großen Schauspielern Deutschlands. Da steht er also nun als Schuster Voigt, gar keine komische Figur, keiner, der uns zum Lachen bringen will, ein einfacher Mensch, schon ein bißchen grau, schon ein bißchen verwittert.

Schon beginnt es ihm zu dämmern: das Leben geht schnell vorbei, ohne daß irgend etwas besonderes passiert, man schleppt sich so hin, man vertrödelt seine Zeit, und eines Tages ist man tot, und alles ist aus, man hat nichts, aber auch gar nichts aus seinem Leben machen können.

Um diesen herrlichen Rühmann herum eine Schar erlesenster Schauspieler. Martin Held als Bürgermeister von Köpenick - er spielte die Rolle bereits auf einer Berliner Bühne. Hannelore Schroth als seine Frau.

Leonard Steckel als Inhaber eines Uniformgeschäfts. Erich Schellow als Offizier, der seinen Abschied nehmen muß, weil er in eine Prügelei verwickelt wurde. Am herrlichsten von allen Walter Giller in einer stummen Rolle - als Sohn des Besitzers eines Uniformgeschäfts: Er interessiert sich so gar nicht für Schneiderei, sondern nur für Literatur und Theater. Kein Wort - und doch steht ein ganzer Mensch vor uns.

Kaum ein paar Worte - und es stehen viele Menschen vor uns. Sie haben Tiefgang, sie sind plastisch, sie scheinen aus der Leinwand herauszutreten. Das Berlin der Jahrhundertwende, das Deutschland dieser guten alten Zeit taucht auf. Herrlich! Herrlich! Und dreifach herrlich, daß dieser Film, der so gar keine Rücksicht nimmt, der auf so viele Hühneraugen tritt, der allergrößte Erfolg wird, den ein deutscher Film seit dem Krieg gehabt hat.
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ZUKUNFT

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Und nun muß von „Sissi" gesprochen werden.

Man hatte schon, bevor der Film herauskam, einiges über ihn gehört und man glaubte, sich ungefähr vorstellen zu können, wie er werden würde. Es war ja nicht der erste Film, den Romy Schneider mit Ernst Marischka drehte.

Marischka galt als versierter Filmhase, der schon in den dreißiger Jahren einige ausgezeichnete Filme geschrieben hatte, aber eigentlich immer als der zweite Marischka ganz im Schatten seines Bruders Hubert, des berühmten Operettentenors und Direktors des Theaters an der Wien, stand.

Filmregisseur und Produzent wurde er erst nach dem Kriege. Er machte dann Lustspiele, immer wieder mit starkem Wiener Einschlag - er lebte ja in Wien, er produzierte in Wien - und es waren, milde gesagt, keine Meisterwerke. Sie liefen eben so mit, brachten wohl ihr Geld, vielleicht auch ein wenig mehr.

Marischka gehörte dann zu den Entdeckern von Hannerl Matz, und es besteht wohl kaum ein Zweifel, daß er sich auf sie und ihre Filme konzentrieren wollte und recht enttäuscht war, als die Matz ihm entwischte, weil sie sich ihre künstlerische Entwicklung anders als er vorstellte, weil sie nicht diese etwas zu lieblichen, aber vor allen Dingen auch zu seichten Wiener „Schnulzen" - der Begriff war damals schon branchenüblich - spielen wollte.

Er hat in Romy Schneider einen Ersatz gefunden. Auch sie ist ja jung, auch sie ist hübsch, obwohl vielleicht nicht auf eine so zerbrechliche Art wie die Matz. Er hatte nette Erfolge mit Romy Schneider erzielt.

Die Filme, die er mit ihr machte, waren wie alle Filme, die er schrieb, produzierte und inszenierte, nicht ohne einen gewissen Charme. Sie hatten immer die spezifisch wienerische Leichtigkeit, sie gingen einem nicht ganz so auf die Nerven wie die Filme gleichen Kalibers aus Deutschland. Aber mehr waren sie wohl nicht.
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Und jetzt kommt Romi im Film „Sissi"........

Es handelt sich um die wirklich rührende historische Liebesgeschichte des blutjungen Franz Joseph, der eine bayrische Prinzessin heiraten soll - die Höfe haben schon alles abgemacht, die Braut wird vorgeführt, die Verlobung soll verkündet werden.

Da verliebt er sich in ihre fünfzehn- oder sechzehnjährige jüngere Schwester Elisabeth - Sissi genannt - ein bildhübsches Mädchen, die aber eigentlich kaum mehr ist als ein Kind, die gar nicht ans Heiraten denkt, die viel lieber angelt oder auf die Jagd geht, Berge besteigt oder irgendwelche dummen Streiche ausheckt.

Jawohl, das ist alles historisch, das ist in hundert Romanen erzählt worden. Der Musiker Fritz Kreisler hat eine hübsche Operette daraus gemacht. Es gibt mindestens zwei Dutzend Lustspiele, die über Sissi und Kaiser Franz Joseph geschrieben worden sind, und auch eine ganze Anzahl von Filmen. Sissi ist sozusagen ein ewiges Thema, wie das düstere Mayerling, Alt-Heidelberg oder Charleys Tante.

Also, nun macht Marischka wieder einmal „Sissi", und es kann kein Zweifel daran bestehen, daß der Grund darin liegt, daß er eine Sissi hat - nämlich Romy Schneider. Er schreibt ein hübsches Drehbuch, er engagiert gute Schauspieler. Der Vater Sissis soll von Gustav Knuth dargestellt werden, die Mutter von ihrer leiblichen Mutter Magda Schneider. Dann gibt es noch eine Reihe von komischen und nicht so sehr komischen Typen am Wiener Hof und Typen der österreichischen Bevölkerung. Und da ist der blutjunge Franz Joseph.

Wir haben also die Ingredienzien eines durchschnittlich hübschen, vermutlich etwas rührseligen Films, wie er offenbar schon ein Dutzend Mal in den letzten Jahren in jedem Land gedreht worden ist und, falls die Welt nicht plötzlich untergehen sollte, überall immer wieder gedreht werden wird - eines sogenannten Geschäftsfilms, eines, über den es sich nicht lohnte, viele Worte zu machen.
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„Sissi" - nur ein Geschäftsfilm fürs blöde Publikum ??

Und dann kommt ein geradezu toller Geschäftsfilm heraus. Der Film läuft nicht nur in Deutschland und Österreich Wochen und Monate in überfüllten Häusern, er schlägt auch Kassenrekorde in Frankreich, Italien, Spanien.

Und es gehört zum guten Ton aller derer, die etwas von Filmen verstehen oder zu verstehen glauben, oder nichts verstehen, bei der Erwähnung des Films „Sissi" die Achseln zu zucken, als bedauerten sie das blöde Publikum, das in einen solchen Film läuft, als bedauerten sie sich selbst, daß es überhaupt einen solchen Film gibt.
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Curt Riess spricht von einem kleinen Meisterwerk

Und doch ist ein Riesenerfolg selten berechtigter gewesen! Es handelt sich hier - nehmt alles nur in allem! - um ein kleines Meisterwerk.

Vermutlich ist der entscheidende Faktor dieses Films der Regisseur, diesmal in Personalunion mit dem Drehbuchautor. Der geschickte Macher, der Mann, der nach der Herstellung von zahllosen Operetten- und Filmbüchern genau weiß, wie man so etwas herzustellen hat - hier eine Prise Gefühl, dort eine Prise Humor, hier etwas fürs Auge und dort etwas fürs Gemüt - beweist, daß er viel mehr kann, etwas, das vom Können nicht so ohne weiteres abhängig ist.

Was er hier geschrieben und inszeniert hat, ist ein echtes Volksstück. Dies ist die Geschichte der jungen bayrischen Prinzessin, die österreichische Kaiserin wird, ganz fürs Volk geschrieben.

Das Volk - hier wird fürs Volk gesprochen, das sich als Gemeinschaft fühlte und als solche Theater besuchte - Kinos gab es ja damals noch gar nicht - nicht um den Alltag zu unterbrechen durch klassische und bedeutende Meisterwerke, sondern durch Stücke, die eigentlich den Alltag fortsetzen; ein echtes Volksstück, wie die Werke der Österreicher Nestroy, Raimund und Anzengruber, die Stücke des Bayern Ludwig Thoma, die alt-berliner Possen.
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Volksstücke zu spielen war niemals eine einfache Sache.

Das konnten nur große Schauspieler oder Komiker, die irgendwie mit dem Volk verbunden waren. Ja, ein solches Volksstück ist also VSissi" geworden.

Die Geschichte einer Kaiserin, die uns eigentlich im Grunde nichts angeht, denn nicht nur sie ist längst vermodert, sondern auch die Welt, in der sie lebte. Und was geht uns der junge Franz Joseph an, der später, als er älter wurde, einer der unangenehmsten und schwierigsten, wohl auch bösartigsten europäischen Herrscher wurde und dessen Mitschuld am Ausbruch des ersten Weltkrieges doch wohl ziemlich erwiesen ist!

Und doch! Das alles geht uns plötzlich sehr viel an, weil Marischka es so gestaltet, daß wir in jedem Augenblick mit dabei sind. Wir freuen uns mit den Menschen, wir sind traurig mit ihnen, zittern sogar ein wenig für sie, aber nicht viel, denn in einem Volksstück geht doch immer am Ende alles gut aus, sonst wäre es eben kein Volksstück.
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Bei Romy Schneider ist alles anders

Sicher hat es schon ein Dutzend junge Schauspielerinnen gegeben, die auf der Bühne oder im Film diese Rolle verkörpert haben, sicher schon viele Dutzend, die ganz ähnliche Rollen verkörperten. Vermutlich waren auch einige darunter, die das sehr hübsch machten. Romy Schneider macht einfach gar nichts. Sie ist ...

"Nichts" vermöge einer großen Schauspielkunst - wie sollte ein Mädchen ihres Alters schon eine große Schauspielerin sein? Sie ist die typische Volksschauspielerin geworden. Das Mädchen, das zu uns gehört - zu den Millionen, die sie bestaunen dürfen - ist ganz Natürlichkeit, ganz Selbstverständlichkeit, ungeschminkt, ohne Mache. Sie ist so grade, so herzlich, so herzerfrischend! Die alten, längst ausgewalzten Worte bekommen wieder einen Sinn, wenn man sie auf sie anwendet. Herrlich! Herrlich!
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Wir kommen zu Horst Buchholz

Es ist nicht immer leicht, in Sachen Film zu prophezeien. Es geschieht so oft das Unerwartete, Unlogische. Im Falle Romy Schneider kann nur das Logische geschehen, denn sie hat alles. Sie wird ganz groß werden.

Ein anderer, von dem das gesagt werden kann, ja muß, ist ein junger Schauspieler, der nicht so schnell nach oben kam wie Romy Schneider, der schon einige Male filmte, bevor er in den Vordergrund trat: Horst Buchholz.

Er kommt durch reinen Zufall zum Theater. Reva Holsey, eine der interessantesten Schauspielerinnen Berlins, hat es sich in den Kopf gesetzt, ein nachgelassenes Stück des Dramatikers Georg Kaiser, „Das Floß der Medusa", zu inszenieren. Das spielt auf einem Floß, auf dem sich dreizehn Kinder befinden, die von einem torpedierten Passagierdampfer ausgesetzt wurden.

Auf diesem Floß beginnt ein großes Drama mit Mord und Totschlag. Ein Junge wird umgebracht. Am siebenten Tag werden die Kinder endlich durch ein Flugzeug gerettet.

Alle Welt versucht, Reva Holsey die Idee auszureden. Wie kann man ein Stück nur mit Kindern inszenieren? Das wird nie klappen, kann in den Jahren nach dem Krieg schon gar nicht klappen, denn Kriegskinder haben ein schlechtes Gedächtnis, sie werden ihre Rollen nicht behalten können, sie ermüden leicht, sie werden die Proben nicht durchstehen!

Aber die Holsey hat sich nun einmal in den Kopf gesetzt, das Stück zu inszenieren. Sie eilt von Schule zu Schule, sieht sich Kinder an, wählt ihre Schauspieler aus. Es handelt sich um Kinder von zwölf, dreizehn, vierzehn Jahren.
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Horst Buchholz, ein frischer Junge von vierzehn Jahren

Unter den Schülern, die ihr auffallen, befindet sich auch ein gewisser Horst Buchholz, ein frischer Junge von vierzehn Jahren, nicht besonders hübsch, aber von einem unübersehbaren Charme. Horst erklärt, er denke gar nicht daran, Theater zu spielen - um diese Zeit will er Ingenieur werden, vorher hatte er beschlossen, sich dem Beruf eines Eintänzers zu widmen - aber er ist neugierig und bereit, sich die Sache einmal anzusehen.

Er wohnt also den Proben bei, sitzt meist neben der Regisseurin Holsey, blickt mit wachsender Spannung auf die Bühne. Manchmal hält er es nicht aus, springt auf, läuft hin, zeigt den anderen, wie sie es machen sollen.

Langsam begreifen alle im Theater, daß er eigentlich viel besser ist als die oben auf der Bühne. Langsam wird es ein offenes Geheimnis, daß er spielen müßte - nur Horst Buchholz weiß es noch nicht, will es nicht wissen, und es dauert lange Zeit, es kostet die ganze Überredungskunst der Holsey, bis er schließlich mitspielt.

Die Inszenierung wird ein Sensationserfolg. Und Horst Buchholz ist so einfach und dabei so stark, daß kein Zweifel besteht: er muß Schauspieler werden. Nicht einmal er selbst zweifelt mehr daran.

Er erhält Schauspielunterricht. Boleslav Barlog holt ihn schließlich ans Schillertheater, wo er kleine und kleinste Rollen spielt und trotzdem immer wieder auffällt. Die Entwicklung geht gar nicht so schnell.

Und das hat wohl vor allem mit dem Aussehen von Horst Buchholz zu tun. Er sieht nicht so aus, wie man sich einen jungen Schauspieler vorstellt, er wirkt immer noch wie ein Schuljunge, bestenfalls wie ein Student im ersten Semester, man könnte ihn sich kaum als Liebhaber vorstellen, sicher nicht als Ferdinand oder Don Carlos, geschweige denn als Karl Moor.
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Für den Film kommt er eigentlich gar nicht in Frage

Und selbstverständlich kommt er aus diesem Grunde auch gar nicht für den Film in Frage. Dabei ist Horst Buchholz schon um diese Zeit ein echter Schauspieler. Nicht nur vom Handwerklichen her, sondern auch von der Grundhaltung. Oder vielleicht wäre es besser zu sagen: Er ist ein wirklicher Künstler, ein Ästhet.

Er betet das Schöne an, haßt das Häßliche. Er liebt Tiere, Blumen, schöne Gegenden. Die Farbe seines Hemdes, seiner Krawatte, seiner Socken ist ihm wichtig. Er möchte in einer Welt der Schönheit wohnen und leben - und so ist es nur logisch, daß er sie mit zu schaffen versucht.

Ohne daß er es vielleicht weiß, wird der schlaksige, eckige Körper graziös. Horst Buchholz bewegt sich fast wie ein Tänzer, seine Stimme, ursprünglich spröde, ja fast blechern, wandelt sich zum Wohllaut hin.

Der innere Wunsch nach Schönheit setzt sich optisch um. Der gar nicht hübsche, kaum attraktive Jüngling wird ein ungewöhnlich reizvoller junger Mann. Und es schadet durchaus nichts, daß er nicht eine Film- oder Postkartenschönheit im althergebrachten Sinne wird, sondern daß das Gesicht eine gewisse Härte behält, der Mund trotzig bleibt, die Augen mit einem Wissen weit über seine Jahre hinaus in die Welt blicken.

Romy Schneider ist - ein Naturereignis ...........

.......... Horst Buchholz wird das Produkt des unbezähmbaren Willens nach Schönheit. Und, um die Schönheit zu gestalten, nach Kunst.

Nachdem Käutner ihn in seinem Ost-West-Film „Himmel ohne Sterne" herausgebracht, nachdem er „Die Halbstarken" gespielt hat, beginnt ein wahrer Wettlauf nach Horst Buchholz. Alle Produzenten wollen ihn haben.

Ist er nicht der Harry Liedtke, der Willy Fritsch von morgen? Die Antwort gibt schon sein nächster Film „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" nach dem letzten Roman von Thomas Mann unter der Regie von Kurt Hloffmann.
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„Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull"

Dieser Film heißt eigentlich Horst Buchholz, die anderen Schauspieler haben bestenfalls nur Episoden zu spielen, sie erscheinen und verschwinden schnell wieder, kaum daß sie Gelegenheit hatten, etwas zu zeigen.

Aber Horst Buchholz hat Gelegenheit, viel zu zeigen - und er zeigt es. Er ist liebenswürdig und charmant, er ist komödiantisch bis zur Farce, er kann ernst bis zum Tragischen sein - er beherrscht alle Register.

Nein, er wird niemals ein Harry Liedtke werden oder ein Willy Fritsch. Er ist in seinen Mitteln viel weniger beschränkt als diese Stars von früher. Er ist ein exquisites Instrument. Ein großer Regisseur wird Herrliches aus ihm machen. Gebt ihm einen Text - gebt ihm eine Situation - und er wird sie verwirklichen, indem er mehr als die Wirklichkeit spielt. Er ist der Hamlet von morgen: auf der Bühne und im Film.
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