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"Das gibt's nur einmal" - die Film-Fortsetzung 1945 bis 1958

Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite dieses 2. Buches finden Sie hier.

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FÄLSCHUNGEN

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1948 - ein Riesenskandal um Luis Trenker

Ende 1948 bricht ein Riesenskandal mit allen Drum und Dran um die Person des Filmschauspielers und Filmregisseurs Luis Trenker aus.

Es handelt sich um das angebliche Tagebuch von Eva Braun, durch ihn der Öffentlichkeit übergeben. Jeder, der dieses Tagebuch liest, begreift sofort, daß es sich um eine Fälschung handeln muß.

Die Frage ist nur: Wer hat gefälscht? Luis Trenker wird - allerdings fünf Jahre später - in seinen Memoiren „Mein Herz schlug immer für Tirol!" erklären, er habe zwar das Tagebuch besessen, aber eine Kopie sei von italienischen Partisanen gleich nach Kriegsende in Südtirol in einer Kiste mit Dokumenten des Reichssicherheits- Hauptamts gefunden worden.

Kein geringerer als der Präfekt von Bozen habe diese Tatsache unter dem Datum des 29. August 1945 amtlich bestätigt. „Dieses zweite Exemplar des Tagebuches war es, das, lange bevor das in meiner Verwahrung befindliche Paket überhaupt geöffnet wurde, den Weg zu einer amerikanischen Nachrichtenagentur und damit in die Weltöffentlichkeit fand ..."

So schreibt Trenker 1953, möglicherweise darauf spekulierend, wie schnellebig wir sind, wie kurz unser Gedächtnis ist.
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Skandal : Überschriften wie: „Warum lügt Trenker?"

1948, als der Skandal um ihn ausbricht, als die Zeitungen Artikel bringen mit Überschriften wie: „Warum lügt Trenker?" Oder „Trenker, Sie lügen!" rührt er sich nicht.

Er schweigt zu den Beschuldigungen, daß er ein falsches Tagebuch angefertigt habe oder habe anfertigen lassen. Er droht nicht einmal - wie die Baarova - mit einem Prozeß.

Der Herausgeber einer großen Münchner Wochenzeitung schreibt Artikel „mit der Absicht, Luis Trenker zu einer Klage zu provozieren". Vergebens.

Aber kann man denn nicht gegen ihn vorgehen, wenn er direkt oder indirekt gefälscht hat? Kann zum Beispiel die Familie Eva Brauns nichts gegen ihn unternehmen?

Nein, denn noch haben Deutsche kein Recht, gegen Ausländer zu prozessieren, besonders wenn es sich um Angehörige der Siegermächte handelt.
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Italien ist eine Siegermacht ?? Was für ein Unsinn in 1948 !

Und Luis Trenker besitzt einen italienischen Paß, ist also Angehöriger einer „Siegermacht". Denn die Italiener haben ja, nachdem sie den Krieg bereits verloren hatten, durch ihr Umschwenken fünf Minuten nach zwölf erreicht, daß sie „befreit", anstatt besetzt wurden ...

Ilse Braun, die Schwester Evas, wird später schreiben: „Selbst bei lückenlosem Nachweis der Fälschung wäre es mir also nicht gelungen, das entsprechende Urteil zu erlangen und damit die Veröffentlichung zu unterbinden. Der Fälscher, vermutlich die Fälschergruppe, hatte mit der dadurch verursachten Aussichtslosigkeit der Aufdeckung des Schwindels gerechnet ..."

Weiterhin stellt Ilse Braun fest:

  • „Dieses Tagebuch ist eine Fälschung schon deshalb, weil es kein Tagebuch der Eva Braun geben kann, weil Eva wohl einmal zu früheren Zeiten ein Tagebüchlein führte, kleiner als ein normales Schulheft, das meiner vagen Erinnerung nach einen roten oder grünen Einband trug. Aber ab 1937, wie das 'Tagebuch' angibt, bestimmt nicht mehr. Wir hätten es bemerken müssen, vor allem meine Schwester Gretl, die in den fraglichen Jahren mit Eva in Wohngemeinschaft lebte und über die Schlüssel zu Evas Tresor, dem einzig möglichen Aufbewahrungsort für Geheimnisse, verfügte. Selbst Evas intimste Freundin schon von der Schule her versichert, es sei unmöglich, daß Eva von 1937 bis 1944 Tagebuch geführt habe, sie wüßte sonst darum. Das ist anzunehmen, denn im aligemeinen pflegen Frauen Freundschaften, um Geheimnisse auszutauschen!"

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Sollte Trenker an Halluzinationen leiden?

Wie ist Evas Tagebuch ausgerechnet in die Hände Luis Trenkers gekommen? Das sieht - nach seiner Beschreibung - wie folgt aus :

Zum ersten Mal hat Luis Trenker Eva Braun im Hause des Bildhauers Thorak getroffen. Er hatte keine Ahnung, wem er da vorgestellt wurde. Er benahm sich auch recht reserviert. Eva Braun war es weniger. Sie wollte dieses und jenes über Leni Riefenstahl wissen. „Pikante Episoden!"

Aber Trenker war - wer zweifelt daran - ein Gentleman. Pikante Episoden? Das käme gar nicht in Frage. Eva Braun wurde ihrerseits einigermaßen pikant. Sie zog sich die Schuhe aus und - tanzte mit ihm. Ja, sie hauchte sogar einen Kuß auf seine Schläfe. Oder hauchte er einen Kuß auf die ihre? Pikanter wurde es an jenem Abend nicht. So Trenker.

Eva Braun kann das alles, als dieses Gewäsch 1953 erscheint, natürlich nicht mehr dementieren. Thorak hat schon 1948 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, daß Eva Braun niemals bei ihm war. Sollte Trenker an Halluzinationen leiden?
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Eine Story jagt die nächste ....

Drei Jahre nach der ersten Begegnung trifft Trenker Eva Braun in Kitzbühel wieder, in einem Schlitten neben Frau Dr. Morell sitzend. Dann stieg sie aus, während die Frau von Hitlers Lieblings-Kurpfuscher im Schlitten blieb.

Trenker fragte Eva Braun, ob sie sich noch des Abends bei Thorak erinnere - er konnte ja noch nicht wissen, daß Thorak diesen Abend acht Jahre später eidesstattlich dementieren würde.

Was nun kommt, muß man wörtlich lesen: „Starr und eisig werdend sah sie mich kurz an und sagte: „Ach, Herr Trenker, reden wir nicht mehr davon, so etwas darf nie wieder vorkommen, nie wieder, hören Sie?"
„Aber das war doch ganz harmlos!" sagte ich.
„Oh", antwortete sie, und ich bemerkte in ihrem nun abgehärmt erscheinenden Gesicht zwei tiefe, scharfe Falten, die sich von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln herabzogen.

„Sie wissen ja nicht, was für ein schrecklicher Tyrann er sein kann. Er hat alles erfahren. Es darf nie mehr vorkommen, verstehen Sie, nie mehr!" Na ja, es ist auch nie mehr vorgekommen.

Das alles ist Vorspiel zu dem, was vier Jahre später geschieht. Das wiederum ist geradezu Weltgeschichte.

Nämlich vier Jahre später, im Winter 1944 auf 1945, kommt Eva Braun noch einmal nach Kitzbühel. Dieses Mal begreiflicherweise schon sehr nervös. Später werden übrigens Zeugen eidesstattlich aussagen, daß Eva Braun niemals in Kitzbühel war, weder damals mit Frau Dr. Morell, noch einige Wochen vor ihrem Ende.

Trenker schildert seine "Erinnerungen"

Aber Trenker sieht sie (nach seiner Aussage) in Kitzbühel. Denn sie bestellt ihn telephonisch zum Bahnhof. Warum sie das tut, wird niemals herausgefunden werden, denn sie „erwartete mich vor einer großen schwarzen Limousine, begrüßte mich flüchtig, händigte mir sogleich ein kleines versiegeltes Päckchen aus und bat mich, es für sie aufzubewahren."

Es handelte sich natürlich um ihre Memoiren. Was aber soll Trenker damit, wenn Eva Braun nicht zurückkehrt? Eva Braun erklärt: „Wenn wir den Krieg verlieren, werde ich das Ende bestimmt nicht überstehen. In diesem Falle machen Sie mit dem Päckchen, 'was Sie wollen'."

Es gibt nur einen lebenden Zeugen dafür, daß die Sache sich so abspielte. Und dieser Zeuge heißt Luis Trenker. Also muß die Geschichte wohl stimmen, so unwahrscheinlich, so grotesk, so unmöglich sie auch scheinen mag. Freilich gibt es auch Zeugen, die behaupten, daß alles ganz anders gewesen ist.

Der Schriftsteller Fritz Weber, ein ehemaliger Freund von Trenker, behauptet zum Beispiel, daß Trenker das Tagebuch - er bezeichnet es mit Machwerk - „wahrscheinlich durch Mittelsmänner von seinen Urhebern im Juli 1946 erhalten haben muß".

Alles das sind vage Geschichten ...

Aber es gibt noch andere Gründe für die Annahme, daß die Obergabe des Tagebuches sich nicht so abgespielt hat, wie Trenker es behauptet.

Bekanntlich ist das ganze Manuskript mit der Schreibmaschine geschrieben - und enthält nicht eine einzige handschriftliche Verbesserung! Nebenbei gesagt besaß Eva Braun 1937 noch gar keine Schreibmaschine.

Sie bekam diese erst Weihnachten 1938. Ihre Schreibmaschine stand auch zwei Jahre in ihrem Büro bei dem Photographen Hoffmann in München. Und keiner vom Personal hat je beobachtet, daß sie heimlich irgend etwas schrieb.

Und dann: das ganze Tagebuch ist mit der gleichen Maschine geschrieben. Die muß sie also überallhin mitgenommen haben: nach Berlin, nach München, auf den Berghof ...

Schon die Schwester Eva Brauns hat darauf hingewiesen, wie unwahrscheinlich es ist, daß eine junge Frau ihre geheimsten Gedanken mittels einer Schreibmaschine niederschreibt, besonders unwahrscheinlich im Falle ihrer Schwester, die weder besonders gern noch besonders oft Maschine schrieb.
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Dafür "spräche", sie hatte eine Schreibmaschine, doch ......

Aber Eva Braun besaß eine Schreibmaschine, und es gibt eine Reihe von Briefen, die sie mit dieser Maschine geschrieben hat. Und bekanntlich hat ja jede Maschine ihre Mucken. Bei einer ist irgendein Buchstabe höher als bei einer anderen, ein "e" oder ein "a" undeutlich.

Ohne Zweifel kann man Schriftstücke, die mit der gleichen Schreibmaschine verfaßt sind, als solche identifizieren. Und da es nun echte Briefe der Eva Braun gibt, wäre nichts leichter, als die Maschinenschrift auf diesen Briefen mit der Maschinenschrift des angeblichen Tagebuchs zu vergleichen.

Luis Trenker hat sich niemals dazu entschließen können, die Maschinenschrift des ihm angeblich übergebenen Tagebuchs mit der der echten Briefe Eva Brauns zu vergleichen.

Er hat eine diesbezügliche Aufforderung einer bekannten Zeitschrift ignoriert. Er hat auch diesmal geschwiegen.
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Luis Trenker muß es gewußt haben ......

Wer die Fälschung begangen hat, ist nicht so wichtig wie die Tatsache, daß Luis Trenker gewußt haben muß, daß es sich um eine Fälschung handelt, weil er eben eine Fälschung gar nicht durch Eva Braun bekommen haben kann.

Er hat also nachweislich gelogen, als er erzählte, wie er das Tagebuch bekam. Und wer einmal lügt ...

Dies alles wird ihm, wie gesagt, 1948 von zahllosen Zeitungen des In- und Auslandes auf den Kopf zugesagt. Er schweigt.

Ihm wird vorgeschlagen, wenigstens die Summen, die er mit der Fälschung verdient hat, an Kriegsopfer zu überweisen. Er schweigt.
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Die Folge: Trenker wird boykottiert.

Die Folge: er wird boykottiert. Die Filmleute wollen nichts mehr von ihm wissen. Filme, die er plant, müssen abgeblasen werden. Dies scheint das Ende einer großen, interessanten Karriere zu sein.

Bleibt die Erinnerung an seine Filme von ehemals. Gespielt hat er sie selbst. Am Anfang hat er auch die gefährlichen Passagen selbst durchgeführt, die Sprünge, die rasenden Abfahrten ...

Später hat er dann Doubles benutzt, Bergsteiger, Skifahrer, verkrachte Existenzen, die er in seiner Filmgesellschaft beschäftigte. Sie mußten ja froh sein, bei ihm ihr tägliches Brot zu verdienen!

Und da war einer, etwas jünger als Trenker, aber ihm sehr ähnlich, ganz sein Typ, ganz schwarzhaarig. Wenn es gefährlich wurde, sprang er für Trenker ein ...

Festzustellen bleibt, daß man von keinem Schauspieler verlangen kann, lebensgefährliche Passagen in einem Film selbst zu spielen. Dafür sind Doubles da.
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Trenker ist kein Schauspieler, war niemals ein Schauspieler.

In Trenker-Filme ging das Publikum, weil es glaubte, daß Trenker sich selbst dauernd in Gefahr begab - so wie etwa Harry Piel oder Hans Albers. Aber die Doubles taten es - Trenker tat es nicht ...

Und so wurde das Publikum getäuscht. So waren auch diese Filme von Trenker letzten Endes eine Fälschung wie jenes Tagebuch der Eva Braun.
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DIE KUBA

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Ilse Kubaschewski aus Berlin

Um diese Zeit kann man in der Nähe des Filmgeländes von Geiselgasteig eine hübsche Frau sehen, blond, mit blauen Augen, die stundenlang auf eine Gelegenheit wartet, ins Filmgelände einzudringen. Und das ist gar nicht so einfach.

Das wird immer noch bewacht. Nur wer einen Ausweis hat, darf herein. Aber wie schwierig ist es nach Kriegsende, einen Ausweis zu bekommen! Ein „Fräulein"? Eine, die nur mit amerikanischen Filmoffizieren anbändeln will? Nein, diese hübsche blonde Frau ist alles andere als ein „Fräulein".

Sie ist eine Geschäftsfrau mit viel Initiative, mit Phantasie, mit Wagemut. Im Augenblick hat sie nichts als ein paar Ideen. Aber ein paar Jahre später wird sie eine der reichsten Frauen Deutschlands sein. Der Name: Ilse Kubaschewski.
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Die Mutter spielte in einem Kintopp Klavier

Sie stammt aus Berlin - und wenn sie den Mund aufmacht, weiß man das. Sie kam schon frühzeitig mit dem Film in Berührung, oder besser: mit dem Kintopp.

Der Vater war ein kleiner Beamter, die Mutter mußte dazuverdienen und spielte in so einem Kintopp Klavier. So konnte die kleine Ilse alle Filme sehen, die dort liefen.
Sie war begeistert - wer in ihrem Alter wäre es nicht gewesen? Sie entschloß sich, zum Film zu gehen. Nicht als Schauspielerin, obwohl sie hübsch genug dazu gewesen wäre.

Sie hatte wohl damals schon den sicheren Instinkt dafür, was Beständigkeit hat - daß es nicht die hübschen Gesichter von Filmstars sind, wohl aber die Banknoten und die Hauptbücher einer Filmgesellschaft.

Sie wurde Lehrmädchen im Siegel-Verleih, arbeitete sich zur Stenotypistin und schließlich zur Disponentin herauf.
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Eine Disponentin ist die Seele des Geschäfts.

Sie stellt die Programme zusammen. Wenn ein Verleih gute Programme bringt, verdient er Geld. Wenn das Programm nicht gefällt, geht er bankrott. Ilse erlernte früh die Zusammenhänge zwischen Publikumsgeschmack und Geschäft.

Inzwischen hat sie Hans Kubaschewski geheiratet, der bei der UFA arbeitete, hatte ein kleines Kino im Berliner Vorort Rudow erworben, und als sie ihre Stellung verlor, weil gegen Kriegsende der Siegel-Verleih zu existieren aufhörte, brachte sie schnell einen Vorführ-Lehrgang hinter sich und wurde ihre eigene Vorführerin. Nach dem Krieg finden sich die Kubaschewskis in München wieder.

Der Mann kommt bald im amerikanischen „Allgemeinen Filmverleih" unter. Die Amerikaner kennen ihn schon als verläßlichen, anständigen und auch politisch stubenreinen Mann. Und da auch an Ilses Fragebogen nichts auszusetzen ist, gelingt es ihr, das Kur-Filmtheater in Oberstdorf zu pachten - der Besitzer, ehemaliger stellvertretender Kreisjägermeister, verfügt über keinen so untadeligen Fragebogen.
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Die Kubaschewski will nicht in Oberstdorf versauern.

Auch übernimmt der Besitzer später, nachdem er „entlastet" ist, sein Kino wieder. In den Jahren, die dazwischenliegen, hat die Kubaschewski neue wertvolle Erfahrungen gesammelt. Sie weiß, was die Leute am liebsten sehen möchten: nicht die synchronisierten oder untertitelten amerikanischen, französischen und englischen Filme, nicht alle Filme der neuen deutschen Produktion, besonders nicht die Trümmer- und Heimkehrer- oder Problem-Filme - mit ganz wenigen Ausnahmen.

Ja, wenn man in der Lage wäre, den Leuten Filme zu zeigen, die früher einmal - nicht in den grauen Vorzeiten des Stummfilms, sondern vor zehn Jahren etwa Erfolg hatten, noch vor Kriegsbeginn, als der deutsche Film seine letzte Blüte erlebte!

Aber wie kommt man an diese Filme heran? Dazu braucht man eine Verleiherlizenz. Und die Verleiherlizenz für Bayern - die Kuba pendelt zwischen Oberstdorf und München hin und her - bekommt man nur durch die Amerikaner.
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Der eigene Verleih soll der GLORIA-Filmverleih werden

Schon gibt es ein paar Film-Verleiher. Da ist der HERZOG-Verleih. Da ist der SCHORCHT- Verleih. Warum soll Ilse Kubaschewski nicht ihren eigenen Verleih gründen, den sie GLORIA-Filmverleih nennen will ?

Daher also ihre Versuche, ins Filmgelände in Geiselgasteig einzudringen. Nach so vielen Versuchen muß das ja einmal gelingen, das sagt schon die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Es gelingt auch schließlich. Sie spricht mit irgendeinem Amerikaner. Der sagt
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nein. Sie läßt nicht locker. Sie erscheint immer wieder vor dem Filmgeiände in Geiselgasteig. Sie kommt immer wieder hinein - manchmal, indem sie sich höchst unzeremoniell zwischen zwei Stacheldrähten durchzwängt.

Manchmal kommt sie auch nicht hinein, wartet hinter einem Baum versteckt, bis einer der Filmoffiziere herauskommt, um seinen Wagen zu besteigen, schießt dann vor und redet wasserfallartig auf ihn ein.

Manche Filmoffiziere schneiden sie, manche sind böse, manche liebenswürdig und hilfsbereit. Sie spricht nicht nur mit den Amerikanern. Sie spricht auch mit Engländern und Franzosen. Langsam werden die Filmoffiziere weich.

Schließlich, nachdem Ilse Kubaschewski unendlich oft herausgeflogen ist, nachdem sie bei zahllosen alliierten Militärsteilen und Filmoffizieren antichambriert, nachdem sie mit dem UFA-Treuhänder gesprochen, nachdem sie sich Genehmigungen aus Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt besorgt hat - bekommt sie ihre Lizenz.
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Der erste entscheidende Sieg ist errungen.

Noch hat sie keinen Pfennig Geld. Und sie kennt keinen in München. Aber mit den Banken macht sie es genau so wie in Geiselgasteig. Sie läßt nicht locker. Sie überzeugt schließlich selbst die hartherzigsten Bankiers.

Und als sie einen Vertrag vorweisen kann, daß sie alle deutschen Filme verleihen darf, bekommt sie dreißigtausend Mark.

Das ist nicht viel Geld. Aber da sie jede Mark zehnmal umdreht, langt das Anfangskapital doch. Die Filme bekommt sie ja geliefert, muß erst abrechnen, nachdem sie gespielt worden sind, das Geld hereingekommen ist. Fünfzig Prozent der Einnahmen gehören ihr.
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Die Kubaschewski hat Reprisen!

Wie ein Lauffeuer spricht es sich in der Branche herum: Die Kubaschewski hat Reprisen! Vorläufig hat sie sie freilich noch nicht, sie muß sie erst auftreiben.

Auch das ist nicht einfach, denn jede Stadt hält an den Kopien fest, die seit Kriegsende dort lagern. Immerhin, die Kubaschewski schafft es. Sie spielt unter anderem folgende alte Filme: „Rosen in Tirol", „La Habanera", „Cora Terry", „Hallo Janine!", „Die Kellnerin Anna", „Liebesschule", „Gabriele Darnbrono", „Anna Favetti", „Zirkus Renz", „Unter den Brücken", „Zu neuen Ufern".
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Erfolg. Riesenerfolg.

Denn die Kuba weiß, was das Publikum will. Und dann kommt das ganz große Geschäft. Im Februar 1950 - wir eilen hier mit unserer Geschichte ein wenig voraus - kommt die Kubaschewski mit Dr. Rudolf Goldschmidt zusammen, dem Chef der deutschen Filiale der REPUBLIC-Filmgesellschaft in Hollywood.

Die REPUBLIC gehört nicht zu den großen Filmgesellschaften und schon gar nicht zu den feinsten, zumindest nicht, was ihre Filme angeht. Es sind durchweg Wildwestfilme, Gruselfilme, Sensationsfilme.

Niemand in Deutschland will sie haben. Die Kubaschewski will sie haben. Sie stellt einige der Serienfilme, die in Amerika jede Woche als Einakter, also in zwanzig, dreißig, vierzig Fortsetzungen laufen, zu Monster-Filmen zusammen. Einige haben sogar zwei Teile. In der Branche schüttelt man den Kopf: „Jetzt ist die Kuba völlig verrückt geworden!"
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Und dann wird die Filmbranche verrückt.

Denn die REPUBLIC-Filme wie: „Im Zeichen des Zorro" oder „Fu Man Chu" spielen Millionen ein. Und die kommen in die Kasse der GLORIA in einer Zeit, in der in Deutschland Geld sehr knapp und Geld für Filme überhaupt nicht vorhanden ist. Diese Millionen werden die deutsche Produktion befruchten und entscheidend beeinflussen.

Ilse Kubaschewski wird eine Karriere machen, mit der verglichen die Karrieren der großen Filmstars, die sie macht, alles andere als sensationell sind.
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