Das Buch der "Filmspiegel" aus Wien "aus dem Jahr 1941 !!"
Österreich war 1941 bereits an das grossdeutsche Reich von Hitlers Gnaden angeschlossen, aber als kleines Anhängsel. Und der Wiener Autor Rudolf Oertel faßt die bis dato bekannte Historie des Kino-Films aus Wiener Sicht zusammen. Bis etwa Seite 120 (von 310) kommen zwangsläufig NAZI-Kultur-Gedanken moderat zum Vorschein, dann aber wird es überraschenderweise sehr befremdlich nationalsozialistsch judenfeindlich, genau wie überall im 3.Reich auch. Die einführende Seite finden Sie hier.
.
DAS WERDEN UND DIE GEFAHREN DES TONFILMS (1941)
Wie funktioniert das mit dem Ton ? Durch Erschütterung der Luft entstehen Töne. Besonders starke Töne vermögen nahegelegene Gegenstände in Schwingungen zu versetzen. Auf diesen physikalischen Tatsachen beruht das akustische Prinzip des Tonfilms. Schon die Griechen haben davon gewußt, aber, genau so wie beim stroboskopischen Effekt, mußten von der Erkenntnis der Natur eines Tones bis zu seiner Aufzeichnung fast zwei Jahrtausende vergehen.
Erst im Jahre 1857 n. Chr. gelang es dem in Paris lebenden Engländer L. Scott, ein Instrument zu konstruieren, das es ermöglichte, den Ton der menschlichen Stimme oder eines Musikinstruments aufzuzeichnen.
Das Scottsche Instrument, das er als „Phonautograph" sich damals patentieren ließ, bestand in der Hauptsache aus einer Trommel, die mit berußtem Papier bespannt war und sich mit der Hand drehen ließ. Dieses Papier wurde von der Spitze einer Nadel berührt, die wieder an einer Membran mit Hilfe eines Hebelsystems so befestigt war, daß sie sich bei deren Schwingungen seitlich hin und her bewegte. Um diese seitlichen Bewegungen nicht als einfachen Strich erscheinen zu lassen, wurde die Trommel gedreht, während man die Membran durch einen Trichter besprach, wobei sie sich zugleich mit dem Papier durch eine Spiralspindel seitlich bewegte. Die Aufzeichnung des Tones zeigte also nach der Fertigstellung eine Wellenlinie in Spiralform. Diese Tonaufzeichnung war die erste bekannte, gab aber noch nicht die Möglichkeit, den einmal aufgezeichneten Ton wieder abzuhören.
.
Th. A. Edison realisierte diese Idee
Erst zwanzig Jahre später hat dann Th. A. Edison mit der Erfindung des Phonographen die Wiedergabe des Tones ermöglicht. An die Stelle des berußten Papiers ist eine Zinnfolie (Blatt Stanniol) getreten, die Nadel schwingt nicht mehr seitlich, sondern ist fest auf dem Mittelpunkt der Membran angebracht, folgt deren Schwingungen, die durch den hineingesprochenen Ton hervorgerufen werden, und graviert sie in die Zinnfolie ein.
War die Aufnahme erfolgt, so drehte man die Trommel wieder zurück an den Ausgangspunkt und setzte die Nadel wieder auf. Bei nochmaligem Drehen gab der Apparat mit etwas quakiger Stimme die erst hineingesprochenen Worte oder die hineingespielte Musik wieder, da die Nadel nun die erst aufgezeichneten Schwingungen mitmachte und die mit ihr starr verbundene Membran diese Schwingungen wieder in Töne zurückverwandelte. Das war die erste Wiedergabe eines aufgezeichneten Tones. (H. Umbehr.) Der Edison-Phonograph machte eine Reihe von Verbesserungen durch.
.
Die Konstruktion des Grammophons (1887)
Es folgte dann in Deutschland die Konstruktion des Grammophons (1887), bei dem die Walze durch eine kreisförmige Scheibe, „die Platte", ersetzt wurde.
.
- Anmerkung : Etwas weit hergeholt ist der obige nationalpatriotische Satz, denn :
- Das Grammophon wurde 1887 vom deutsch-amerikanischen Erfinder Emil Berliner in den USA erfunden, der ursprünglich aus Hannover stammte; er meldete die Erfindung in Washington zum Patent an.
.
Nach der Konstruktion des Phonographen hatte Edison seinem Assistenten William K. L. Dickson den Auftrag gegeben, einen Apparat zu konstruieren, der „dasselbe für das Auge sei, was der Phonograph für das Ohr, so daß man Bild und Ton gleichzeitig aufbewahren und wiedergeben könne". Damit hatte Edison den Weg betreten, der zur Erfindung seines Kinetoskops und zur Kinematographie führte.
.
Die Weltgeschichte besitzt manchmal Humor.
So wie Kolumbus auszog, Indien zu finden und dabei Amerika entdeckte, könnte man mit einiger Übertreibung von Edison behaupten, er habe sich bemüht, den Phonographen zu verbessern und dabei den Film erfunden. Jedenfalls war für ihn die Tonwiedergabe das Wichtigste, der optische Teil, also der Film, sollte nur die Illustration hierzu sein, während dann umgekehrt die optische Erfindung die entscheidende wurde, der der Ton sich dienend anschloß.
Ich habe anfangs der Übersichtlichkeit halber die Erfindung der Kinematographie ohne Rücksicht auf den Ton besprochen, weil sie in ihrer praktischen Auswertung das zuerst Entscheidende war.
Es gab aber nicht, wie man meinen sollte, zuerst die Kinematographie, zu der dann der Ton hinzukam, sondern umgekehrt. Edison fand zur Tonwiedergabe seine Wiedergabe des belebten Bildes.
Schon der erste Eastman-Filmstreifen, den er - wie berichtet wird - um 2 1/2 Dollar erworben hatte, wurde nach einer Phonographenwalze mit einer synchronisierten Bilderreihe versehen und am 6. Oktober 1889 im Betrachtungsapparat vorgeführt.
Der Film zeigte einen der Mitarbeiter Edisons, der den Hut abnahm und die Worte sprach: „Guten Morgen, Herr Edison, wie gefällt Ihnen der Kinematograph?" Man kann also den paradoxen Satz aufstellen: Der Tonfilm ist älter als der Stummfilm.
.
Der Kinematograph und der Nadelton
Mit Edisons Kinematographen war die erste Möglichkeit eines Tonfilms mit Schallplatten gegeben. Tatsächlich hat dann dieser Nadeltonfilm die ganze Entwicklung der Kinematographie hindurch begleitet, ohne allerdings je dem Stummfilm ernstlich Konkurrenz machen zu können. Erst die Erfindung des Lichttonfilms brachte die Umwälzung.
Die allererste Phase bestand in der Vorführung von Stummfilmen mit Musikbegleitung durch einen Phonographen. 1896 konnte Pathe nach dem Verfahren von Joly Filme mit Phonographenmusik in der Projektion vorführen.
In England war es Paul, in Deutschland Meßter, dem es als erstem gelang, über die bloße Musikbegleitung hinaus eine Gleichzeitigkeit von Bildern und Tönen zu erreichen, die in der Praxis verwertbar war.
.
Die Tonbilder
Damit begann die zweite Phase. Man nannte die zahlreichen Filme, die auf der synchronen (gleichzeitigen) Wiedergabe von Bild und Ton durch Film und Schallplatte beruhten, Tonbilder. Sie waren etwa von 1903 bis 1912 in Mode, verschwanden aber, als die langen künstlerischen Stummfilme erschienen.
Die ersten dieser Tonbilder hatte 0. Meßter am 29. August 1903 im Rahmen eines Varieteprogrammes öffentlich vorgeführt. Der Berliner Lokalanzeiger schrieb darüber am 1. September 1903:
- „Man glaubte bisher, das Mögliche dadurch erreicht zu haben, daß man mit Hilfe des Kinematographen in Bewegung befindliche Personen und Dinge naturgetreu wiederzugeben wußte, heute ist das bereits ein überwundener Standpunkt, weil es gelungen ist, in durchaus künstlerischer Weise die lebende Photographie auch akustisch auszustatten, man hat sozusagen die Musik auf die Platte gebannt.
- Fast zehn Jahre haben Gelehrte und Künstler an dem Problem gearbeitet; die Vorstellung, die gestern vor einem geladenen Publikum im Apollotheater gegeben wurde, bewies, daß das Kunststück in jeder Weise als gelungen zu betrachten ist. Oskar Meßter hat die Verbindung des Kosmographen mit dem Grammophon befriedigend gelöst und sprechende Photographien hergestellt, die durchaus darüber hinwegtäuschen, daß man es nicht mit lebenden Originalen, sondern nur mit photographischen und akustischen Nachbildungen zu tun hat ... sie ist jedenfalls mehr als bloße Spielerei, sie kann dazu führen, daß schließlich historisch wichtige Ereignisse wirklich in Wort und Bild der Nachwelt naturgetreu überliefert werden."
.
Die Staatsbürger-Zeitung schreibt
Die Staatsbürger-Zeitung versteigt sich sogar zu der Äußerung:
- „Es gibt dafür nur eine Stimme der Bewunderung. Nostradamus und Cagliostro sind Waisenkinder im Vergleich zu Meßter, und der Erfinder des Biophons mag sich glücklich schätzen, daß er der modernen Welt angehört. Im 17. Jahrhundert hätte man ihn in einen Hexenprozeß verwickelt oder in ein Narrenhaus gebracht wie Mondecaus, den Erfinder einer Dampfmaschine."
Die Tonbilder brachten Meßter für erste Varietes des In-und Auslandes gute „Engagements" ein. In Deutschland, Österreich, Ungarn, Rußland, Dänemark, Italien und Holland wurden sie durch seine Techniker vorgeführt. Sie blieben monatelang auf dem „Repertoire" und wurden in den folgenden Jahren „reengagiert".
Bis 1913 hatten sich fünfhundert Lichtspieltheater mit Meßters Biophonen eingerichtet.
.
Die Synchronität zwischen Ton und Bild war einwandfrei ???
Die Übereinstimmung zwischen Ton und Bild war einwandfrei, solange seine Techniker vorführten. Unter Benutzung zweier abwechselnd wirkender Plattenteller wurde eine Anzahl längerer Tonbilder vorgeführt, u. a. der gekürzte zweite Akt aus der Operette „Die Fledermaus" in einer Spieldauer von 15 bis 20 Minuten. Zur Erzielung einer höheren Lautstärke benutzte Meßter mehrere Tonträger zu gleicher Zeit.
Im Berliner Apollotheater ließ er fünf Platten gleichzeitig laufen. Jede der fünf Membranen wirkte auf einen 2 Meter langen Trichter. Die Lautstärke erhöhte sich zwar nicht um das Fünffache, dafür trat das durch die Nadeln hervorgerufene Nebengeräusch stärker hervor.
Die Deutsche Grammophon A. G. brachte zur Erzielung einer verstärkten Lautwirkung um 1910 das „Auxetophon" heraus. Dieses Gerät arbeitete mit Preßluft, wodurch der Ton etwas größere Säle füllte. Mit der Vorführung seines Biophons im Jahre 1904 auf der Weltausstellung in St. Louis hat Meßter Tonbilder als erster auch in Amerika öffentlich gezeigt. Er hatte zu diesem Zweck Spezialfilme in englischer Sprache aufgenommen, u. a. den Schlager „The Whistling Bowery Boy".
Er zeigte hier für 25 Cents fünf bis sechs Tonbilder. Das dortige Biophontheater mit seinen zweihundertachtzig Sitzplätzen hatte einen Durchschnittsbesuch von etwa fünfhundert Personen täglich. Der Versuch, in Amerika eine Tonbildproduktion einzuführen, schlug aber damals fehl.
.
Die erste Tonbildepoche reichte bis zum Jahre 1913
In Deutschland reichte die erste Tonbildepoche bis zum Jahre 1913. Bis dahin waren von den deutschen Produzenten etwa tausendfünfhundert Tonbildnegative in einer Gesamtlänge von etwa 100.000 Meter in den Verkehr gekommen, wovon auf Meßter ein Drittel entfiel. Von jedem Negativ wurden durchschnittlich sechzig bis siebzig Kopien abgezogen. Von einigen sogar über hundert. Dazu kam ein ansehnlicher Umsatz mit den dazugehörigen Grammophonplatten.
In der Verbreitung der Tonbilder in den Lichtspieltheatern erblickten die Varietes bald eine Konkurrenz. Die anfangs gezahlten, recht ansehnlichen Gagen gingen zurück, und dann hörte diese Verwertungsart gänzlich auf.
Ein Grund für das allmählich nachlassende Interesse für Tonbilder auch in den Lichtspieltheatern lag in der mangelhaften Handhabung des Grammophons, das damals in den meisten Fällen von Nichttechnikern bedient wurde. Dabei mußten natürlich auch Meßters exakte Synchroneinrichtungen versagen. Dazu kam, daß die Lautstärke den Raum der damals immer größer werdenden Lichtspielhäuser bald nicht mehr ausfüllte.
Auch die Tonqualität konnte auf die Dauer nicht befriedigen. Elektrische Aufnahmen mittels Mikrophon sowie Verstärker und Lautsprecher, Einrichtungen, die wir uns heute beim Tonfilm nicht mehr wegdenken können, gab es bekanntlich noch nicht. (O. Meßter.)
1903 - Ein Blick nach Frankreich
In Frankreich hatte Leon Gaumont am 7. November 1903 in der Societe de Photographie Tonbilder vorgeführt. Edison brachte 1905 sein Kinetophon in verbesserter Form auf den Markt. Aber erst 1913 folgten Tonbilder, die begleitet waren von Phonographenwalzen auf Wachs mit erheblich größerem Durchmesser und damit längerer Laufzeit als die bisher üblichen. Eine dünne Seidenschnur stellte die Übertragung der Anzeigevorrichtung für die Grammophongeschwindigkeit in den Projektionsraum her, wobei die Schnur durch die ganze Länge des Saales führte. Der Gleichlauf zwischen den beiden Apparaten stimmte gut, und die Aufnahme der Edisonschen Tonbilder waren daher ebenfalls beim Publikum eine gute.
Die Technik einer damaligen Tonfilmaufnahme war die, daß zunächst die Aufnahme des Tones im richtigen Zeitmaß stattfand. Davon wurden die für die spätere wiederholte Vorführung notwendigen Schallplattenreproduktionen hergestellt. Bei der eigentlichen Filmaufnahme wurde der Sprechapparat mit dem Text so in die Ecke des Ateliers gestellt, daß ein Zeiger sich im Bildfeld der Aufnahmekamera an einer wenig auffälligen Stelle befand.
Während der Aufnahme wurde dem Darsteller der vorher aufgenommene Text durch die Sprechmaschine gewissermaßen souffliert, so daß er danach seine Lippenbewegungen usw. machen konnte, genau im Gleichmaß mit dem Ton. Die Aufnahme des Zeigers der Sprechmaschinengeschwindigkeit war dabei leicht zu machen, und dessen Bild konnte später auf die Leinwand mitprojiziert werden, auf der es der Vorführer sah, der seine Geschwindigkeit danach einstellte.
.
1910 - die Aufnahmevorrichtung von Meßter
Andere Aufnahmevorrichtungen benutzte Meßter, der Ton und Bild zusammen aufnehmen ließ. Nach dem DRP. 237 961 vom 8. Dezember 1910 benutzte er einen Kasten zur gleichzeitigen Aufnahme, der nach der Aufnahmekamera zu durch eine Glasplatte abgeschlossen war. Gegen diese Glasplatte sprachen die Darsteller, wobei der Ton durch die schräggestellte Platte gegen den Aufnahmetrichter an der Decke des Kastens geworfen wurde.
Nach einem anderen ebenfalls geschützten Verfahren war der Aufnahmetrichter innerhalb der Szene verborgen, z. B. in einem Rednerpult. Neben Meßter haben sich eine Reihe deutscher und ausländischer Fabrikanten mit der Vorführung „lebender und tönender Bilder" beschäftigt und teilweise auch sich neuartige Einrichtungen patentamtlich schützen lassen, so Hantz, Nitzsche & Knieper, Duskes Kinematographen- und Filmfabriken, Greenbaum, Seiler, Buderus, Goldschmidt, die Deutsche Mutoskop- und Biograph-Gesellschaft, mit denen in den Vereinigten Staaten zu nennen sind neben Edison, der ja einen „wohlassortierten Filmvertrieb" innehatte, noch Lubin, Marcel, Baily, Webb, Kellum, Whitson. (H. Umbehr.)
.
Das Seeberophon von 1904 und 10 Jahre Ton-Pause
Auch Guido Seeber, der verdienstvolle Kameramann, hatte sich um den Tonfilm bemüht und 1904 das „Seeberophon" in Verbindung mit dem „Seeberographen" erfunden. Alles in allem kann man die erste Tonfilmepoche, die zu Beginn des (ersten) Weltkrieges zu Ende ging, als Zeit des Experimentierens bezeichnen. Während der Blüte des Stummfilms war dann zehn Jahre der Tonfilm von den Kinoprogrammen verschwunden.
.
1921 - Die Gegner des Tonfilms schreiben
1921 schrieb Urban Gaad:
- „Was den sprechenden Film betrifft, so wäre es sicher als ein Unglück zu betrachten, wenn dieses Ziel erreicht wird; denn mit der Stummheit würde der größte Vorteil des Films, seine Internationalität, verlorengehen; er würde an solche Länder gebunden sein, deren Markt groß genug ist, um eine Nationalaufnahme zu tragen, und er müßte, um über englische, französische, deutsche und russische Sprachgrenzen zu gehen - keine von den anderen Nationen hat ein solch großes Sprachgebiet, daß die Aufnahme sich lohnen würde - von neuem aufgenommen werden. Vorläufig scheint indessen die Gefahr, daß der sprechende Film Wirklichkeit wird, noch nicht sehr groß zu sein."
.
1925 - Als es die ersten Röhren-Verstärker gab
Doch um 1925 griff man in Amerika nach Erfindung der elektrischen Tonaufzeichnung das alte Verfahren wieder auf, die Technik hatte brauchbare Verstärker geschaffen, der Tonfilm lag plötzlich in der Luft.
1927 schrieb L'Estrange Fawcett:
„In Amerika ist das Tonfilmfieber heftig gestiegen. Viele voneinander abweichende Fabrikate ringen um den Vorrang. Die Reklametrommeln hämmern Namen wie Movietone, Vitaphone, Firnatone, Hanaphone u. a. in die Welt hinaus. Die Lichtspieltheater rüsten sich immer zahlreicher mit Tonfilmwiedergabeapparaten aus.
Die Radio Corporation in Chikago baute eine Fabrik, die monatlich zweihundert Apparate liefert. Und die stets den Erfolg witternde Fox Film Corporation errichtet in Hollywood zwei Riesenstudios, die nur dem Tonfilm gewidmet sein sollen. Aus akustischen Rücksichten haben die Aufnahmeräume einen Grundriß in Fünfeckform und absolut schalldichte Wände. Auch die Paramount hat bereits auf Long Island ihr Tonfilmstudio."
.
Die dritte kurze und die vierte Licht-Tonfilm- Epoche
Diese dritte kurze Tonfilmepoche war das letzte Wettrennen des Nadeltonfilms mit dem Lichttonfilm, das er ein Jahr später für immer verlieren sollte.
Nicht die Schallplatte, sondern der Lichtton, nicht die Graviermethode, sondern das photographische Prinzip führte zur vierten Tonfilmepoche und damit zum vollkommenen Sieg des Tonfilms über den Stummfilm.
Der Grundgedanke des Lichttonfilms ist die Umwandlung von Schallschwingungen in Lichtschwankungen. Beim Lichtton werden die vom Aufnahmemikrophon ausgehenden, durch die auftreffenden Schallwellen erzeugten Stromstöße in Lichtschwingungen umgewandelt und mittels eines besonderen Filmnegativs, das im Tonaufnahmeapparat mit der gleichen Geschwindigkeit abläuft wie der Film in der Bildkamera, photographiert.
.
Das Transversal- und das Intensitätsverfahren
Man unterscheidet beim Lichtton zwei Auf zeichnungsmethoden: das Transversal- oder Amplitudenverfahren und das Intensitätsverfahren, auch Sprossenschrift genannt. Beim ersten bringen die Stromstöße ein an einem dünnen Draht befestigtes Spiegelchen in Schwingungen, welches das Licht einer Lampe durch einen Schlitz auf den vorbeilaufenden Film reflektiert.
Die Tonaufzeichnung hat die Form etwa einer Barometerkurve, bei der man sich vorstellen muß, daß die Fläche auf der einen Seite der Zickzacklinie schwarz ist, während die andere Hälfte weiß, also lichtdurchlässig, bleibt.
Im Intensitätsverfahren wird in dem Lichtstrahl einer konstant brennenden Lichtquelle eine Schleuse eingeschaltet, die die Eigenschaft hat, je nach der Stärke des in, die Lichtschleuse gelangenden Stromimpulses mehr oder weniger Licht durchzulassen, oder es werden Lampen verwendet, die die Stromschwankungen als Helligkeitsschwankungen mitmachen. Dies sind alle gasgefüllten Lampen, bei denen eine leuchtende Gasstrecke Verwendung findet.
Die Tonaufzeichnung hat hierbei die Form einer Reihe von Querstrichen verschiedener Schwärzung. Bei der Wiedergabe läßt man nun den Film zwischen einer Lichtquelle und einem schmalen Schlitz vorbeilaufen, durch den das Licht auf eine lichtempfindliche Photozelle fällt, welche die Lichtschwankungen in Stromimpulse zurückverwandelt. Die Stromimpulse werden durch die Elektronenröhre verstärkt und zum Lautsprecher geschickt, in welchem sie den letzten Umwandlungsprozeß durchmachen und als Töne wieder zum Vorschein kommen.
Die Tonaufzeichnung, die als 2 1/2 Millimeter breiter Streifen an der Seite der Filmbildchen entlang läuft, spielt dabei die Rolle einer Gardine: beim Transversalverfahren ist sie vollkommen schwarz und lichtundurchlässig, aber nur mehr oder weniger zugezogen, beim Intensitätsverfahren ist die Gardine immer ganz zugezogen, ist aber von ungleicher Dichte, so daß in beiden Fällen eine ganz bestimmte Menge Licht durch den Schlitz auf die Photozelle fällt, die einen entsprechend starken Stromimpuls zum Lautsprecher schickt. (O. Kalbus.)
.
Mit dem Tonfilm hatte es auch etwas gedauert
Auch der Lichttonfilm ist nicht auf einmal, sondern allmählich geworden, er mußte einen langen, mühevollen Weg gehen, „bis die Summe der Erfahrungen der vielen Erfinder eine für die öffentliche Vorführung reife Form ergab". (Um-behr.)
Geheimrat Doktor Forch hat 1929, also ehe noch der erste deutsche Tonspielfilm das Licht der Öffentlichkeit erblickt hatte, die Zahl der deutschen Patente, die mittelbar oder unmittelbar mit dem Tonfilm zu tun hatten; auf etwa dreitausend geschätzt.
.
Der Weg der Erfindung war kurz folgender:
.
- Graham Bell, der Erfinder des Telephons, hatte 1878 gemeinsam mit S. Taintner ein Verfahren zur Lichttelegraphie, das Photophon, ausgearbeitet, das er 1893 auf der Weltausstellung in Chikago mit großem Erfolg vorführte.
- 1883 hatte der Engländer St. George ein Patent auf ein Lichttonverfahren angemeldet, aber - einer mehr - offenbar die Tragweite seiner Entdeckung nicht erkannt.
- 1893 stellte der Erlanger Professor H. Th. Simon fest, daß der Lichtbogen einer Gleichstrombogenlampe, der von Wechselstrom überlagert wird, Schallwellen von der Frequenz dieses Wechselstroms aussendet. Wird dieser Wechselstrom von einem besprochenen Mikrophon geliefert, so gibt die „tönende Bogenlampe" die Schallwellen des hineingesprochenen Tones bei richtiger Dimensionierung bis in die feinste Klangfarbe naturgetreu wieder. Die „sprechende Bogenlampe*' Simons - der Engländer Duddell meldete 1902 ein Patent darauf an - kann also als Tonsender dienen. (H. Umbehr.)
- Der deutsche Physiker Ernst Ruhmer hat dann um die Jahrhundertwende als erster solche Schallschwankungen durch Lichtintensität unter Anwendung der Photographie auf einem normalen Kinofilm aufgezeichnet, er schuf damit die Grundlage für sämtliche noch heute existierenden Methoden des Lichttonverfahrens.
- Der deutsche Physiker Artur Korn, der durch die erste praktisch verwendbare Methode der Bildtelegraphie bekannt ist, führte eine andere Methode der Lichtbeeinflussung in seine Versuche der damaligen Zeit (etwa 1903) ein, indem er die Glimmlampe benutzte, die aus einem Vakuumrohr mit zwei eingeführten Elektroden bestand, zwischen denen hochgespannte Ströme übersprangen, die ein starkaktinisches Licht als Glimmlicht ausstrahlten.
- 1905 baute A. Korn ferner nach einer älteren Erfindung eines französischen Physikers ein Spiegelgalvanometer ebenfalls für seine Versuche der Bildübertragung, bei dem der schreibende Spiegel sich an feinen Drähten in einem starken elektromagnetischen Feld aufgehängt befand.
- Der Ungar D. v. Mihaly, der sich mit dem Problem des Tonfilms auf seinem Weg zum „Fernseher" beschäftigte, benutzte diese Methode der Tonaufzeichnung bei den Versuchen zu seinem System „Projektophon".
- Daneben wurden in diesen Jahren auch noch andere Methoden der Umwandlung von elektrischen Schwingungen in Lichtschwankungen erfunden und teilweise in die Praxis einzuführen versucht. Aber alle diese Versuche und Untersuchungen im Anfangsstadium des Tonfilms bis zum Jahre 1906 wurden weniger im Hinblick auf ihre Ausnutzungsmöglichkeiten beim Tonfilm gemacht, an den man zu der damaligen Zeit nicht zu denken schien, auch wohl wegen der verschiedenen Mängel nicht denken konnte.
.
1906 - Der Franzose E. A. Lauste und weitere Erfinder
.
- Erst der Franzose E. A. Lauste, der im August 1906 ein Patent auf „eine neue und verbesserte Methode zur gleichzeitigen Aufnahme und Wiedergabe von Bewegungen und Tönen" anmeldete, hat die Forderungen einer in jeder Beziehung guten und einwandfreien Tonfilmaufnahme und Wiedergabe in den Grundzügen erkannt, wenn sie auch in der damaligen Zeit noch nicht in befriedigender Weise ausführbar war.
- Auch der Schwede Sven A. son Berglund begann 1906 damit, Töne zu photographieren. Nach seinen Versuchen wurde 1911 durch die optische Anstalt P. G. Goerz in Berlin einer der ersten Lichttonfilme hergestellt. Berglunds Patente wurden nach der Gründung der „Tobis" von dieser unter Mitarbeit des Erfinders ausgewertet.
- 1909 versuchte der Franzose de Pineaud eine Tonschrift durch Gravüre, ähnlich der der Schallplatten, auf dem Film selbst vorzunehmen, und nach der 1895 von dem Dänen Waldemar Poulsen erfundenen magnetischen Aufzeichnung der Töne auf Stahlband schlug er eine Einlagerung dieses Stahlbandes in das Filmband vor. Beide Methoden konnten sich nicht durchsetzen.
- Seit 1914 beschäftigte sich D. v. Mihaly auf Grund der Ruhmerschen Versuche mit dem Lichttonfilm und führte Juni 1916 einen gelungenen Versuch vor, ohne dann seine Ergebnisse weiter auszubauen.
.
Die "Erfinder des Tri-Ergon-Verfahrens" .......
Die eigentlichen Schöpfer des Tonfilms in seiner heutigen Gestalt sind drei Deutsche: Joseph Engl, Joseph Masolle und Hans Vogt, die Erfinder des Tri-Ergon-Verfahrens (Tri - ergo - Werk der drei). Sie haben die ersten praktisch brauchbaren Tonfilme der Welt geschaffen.
Keiner der drei hatte vorher mit der Filmindustrie zu tun gehabt, zwei Mechaniker und ein Physiker, hatten sie sich an die große Aufgabe herangewagt, und wie so oft in der Geschichte der Menschheit: den Außenseitern glückte, was den Fachkapazitäten nicht gelungen war. Schon im Oktober 1918 begannen ihre ersten Versuche.
- Anmerkung : Hier ist zu beachten, die Bezeichnung "Erfinder des Tri-Ergon-Verfahrens" ist hier korrekt, aber "Erfinder des Tonfilms" ist nicht korrekt.
.
Auch "die Geburtsstätte des Tonfilms" wäre korrekt
Das Laboratorium, das in Berlin-Wilmersdorf, Babelsberger Straße 49, eingerichtet wurde, kann als die Geburtsstätte des Tonfilms bezeichnet werden. Die drei Deutschen brachten als erste die (damals) modernen Forschungsergebnisse der Elektrotechnik und der Elektroakustik in die Tonfilmarbeiten hinein und bauten vor allem auch die Verstärkungsanlagen aus, die damit zu ausreichender Güte gelangen konnten.
Die drei Erfinder benutzten hierzu die Elektronenröhre, die auf dem Nachbargebiet der drahtlosen Telegraphie bereits erfolgreichen Einzug gehalten hatte und die dort Verstärkungen zuließ, die die gesamte Erde drahtlos überbrücken halfen.
Die Wirkung der Röhren hängt in hohem Maße von der richtigen Schaltung ab. Bisher war diese im Hinblick auf die drahtlose Telegraphie entwickelt worden. Nun bauten die drei Tri-Ergon-Erfinder eine neuartige Widerstands- verstärkerschaltung für ihre Zwecke der Verstärkung aus, die ihnen mit dem DRP. 350.999 vom 17. April 1919 geschützt wurde und mit der sie die erste Verstärkungsanlage für Tonfilmzwecke herausbrachten.
Ferner führten sie (im DRP. 368.367 vom 3. Juni 1919) die Glimmlichtlampe für die Zwecke der Tonfilmaufnahme ein, deren Licht von den Sprechströmen gesteuert wird. Für die Zwecke der Wiedergabe wurde von den drei Erfindern der elektrostatische Lautsprecher unter dem Namen „Statophon" entwickelt.
Es waren zahlreiche technische Vorgänge notwendig, um zum Ziele zu gelangen. Die Vielseitigkeit der Erfindung kommt auch darin zum Ausdruck, daß die drei Erfinder in den Jahren von 1919 bis 1922 rund hundertsiebzig Patente beim Reichspatentamt angemeldet hatten, von denen hundertsechs geschützt wurden.
.
Erst Zackenschrift, dann Sprossenschrift ü
Die ersten Aufnahmen geschahen in Zackenschrift, erst später wurde zur Sprossenschrift übergegangen. Arbeiten auf dem Gebiete des Kopierens folgten, die erste Durchlaufkopiermaschine wurde entwickelt. Die Aufnahmekamera wurde beweglicher gemacht, sie erhielt eine schalldichte Verkleidung. (Alfred Otto.)
„Heißer mag keine Mutter, deren Kind sprechen lernt, seine ersten verständlichen Worte herbeigesehnt haben", sagt O. Kalbus, „als die drei Erfinder mit ihrer hemmungslosen Besessenheit und ihrem felsenfesten Glauben. Und endlich kamen auch wirklich die ersten Worte aus dem Apparat: ,Milli-amperemeter', die man in einem kleinen, mit mehr als tausend geliehenen Kartoffelsäcken akustisch hergerichteten Atelier aufgenommen hatte.
Im Jahre 1923 waren die Laboratoriumsversuche so weit gediehen, daß sich das ,Triergon' mit einem regelrechten abendfüllenden Programm an die Öffentlichkeit wagen konnte. Der Erfolg war angesichts der geringen Erwartungen, die man auf Grund zu früh veröffentlichter Laboratoriumsversuche im Jahre vorher gestellt hatte, überraschend und groß: man erkannte die kulturhistorische Bedeutung dieser Geburtsstunde des Tonfilms und - man bekämpfte ihn und seine Zukunft.
.
Man nahm den Tonfilm also ernst und bekämpfte ihn .....
Man nahm ihn also ernst. Aber wie oftmals, so geschah es auch hier: die Filmindustrie, und in erster Linie die deutsche, verhielt sich dem Tonfilm gegenüber skeptisch und ablehnend, sie sah nicht die große Chance, die ihr gegeben war.
Nur der größte deutsche Filmkonzern, die Ufa, machte weitere Versuche, baute für 500.000 Mark in Weißensee ein Tonfilmatelier und drehte einen zweiaktigen Tonfilm: ,Das Mädchen mit den Schwefelhölzern'. Dieser erste deutsche Tonfilm gelangte im Theater am Nollendorfplatz zur Uraufführung - und fiel ,glänzend' durch.
Der totale Flop des UFA-Lichttonfilms
Die Zeitungen von damals wissen nämlich zu berichten, daß der Tonfilm sich kümmerlich zwei Tage lang ,durchgekrächzt' habe. So mag es begreiflich erscheinen, daß man vorläufig vom Tonfilm genug hatte und nicht mehr daran dachte, einen neuen zu drehen.
Die Tonaufnahmen waren gut, die Wiedergabe hatte alles verdorben. Irgendwo in einem Berliner Vorort lag eines Tages ein Haufen Schrott: die Reste der zwanzig Apparate, mit denen die Triergon-Leute den Nachweis führen wollten und auch hätten führen können, daß ihr Tonfilm wert war, von der ganzen Welt gehört zu werden."
.
- Anmerkung: In seinen Memoiren schreibt Hans Vogt im Jahr 1954, warum der Ton so gekrächst hatte und einer konnte helfen.
.
Eine Berliner Zeitung schrieb darüber:
.
- „Der sprechende Film. Im Marmorhaus sieht man jetzt die ersten Szenen des sprechenden Films'. Erster Eindruck: Es klappt technisch. Auf der Leinwand erscheint ein Herr, der einen Vortrag hält. Jede Silbe paßt zur entsprechenden Geste. Der Mund öffnet sich, während das Wort ertönt, das diese Lippen gerade entlassen. Es gibt kein Nachhinken oder Vorlaufen der Sprache. Zwischen Bild und Geräusch ist vollste Zeitübereinstimmung. Zweiter Eindruck: Tiere und Tiergeräusche. Das Krähen eines Hahnes frappiert, das Blöken eines Schafes hat Naturlaut. Wieder diese absolute Übereinstimmung des Seh- und Hörphänomens. Dritter Eindruck bei einer aufgenommenen dramatischen Szene: Die menschliche Stimme klingt doch zuweilen grammophontot. Nicht bloß wegen der knarrenden Nebengeräusche. Es ist doch noch so, als verarmte die menschliche Stimme im Trichter, sie verliert an Lebendigkeit und Modulation, sie wird starr. Es sind die kleinen Nuancen, die sozusagen das Leben der Stimme ausmachen, und die Symptome inneren Flutens gehen hier oft verloren. Warum denn nicht beim Hahn oder beim Schaf? Offenbar weil wir ihre Stimme nicht mit den Ohren der Henne oder des Schafkollegen hören. Gott weiß, was die Hühner zu ihrem aufgenommenen Gegacker sagen? Fazit: Man wird den sprechenden Film, so frappierend die Resultate sind, für künstlerische Zwecke nicht verwenden können . . . Der Film bleibt stumm, und das ist wahrscheinlich ein Glück."
.
Nach diesem Flop und Mißerfolg - aus und vorbei
Durch ihren Mißerfolg in Berlin hatten sich die Triergon-Erfinder gezwungen gesehen, ihre Patente an einen Schweizer zu verkaufen. Dadurch hatten sie jeden Anspruch auf die Früchte ihrer jahrelangen Arbeit verloren.
Die deutschen Rechte gelangten später in die „Tobis". Die amerikanischen Rechte erwarb die W. Fox-Case Corporation und von dieser der Electro-Konzern Western-Electric. In Amerika hatte 1923 Lee de Forest ein Verfahren erfunden, das dem Triergon-Prinzip ähnelt. Nun gab es in den Jahren 1927/29, wie oben erzählt, in Amerika so etwas wie eine Produktionskrise.
Die ersten Anzeichen der beginnenden Weltwirtschaftskrise, an die damals freilich noch niemand glauben wollte. Der Besuch der Filmtheater ließ nach. Man schob die Schuld der Übersättigung des Kinopublikums zu, das immer kritischer wurde, von der Reklame und Sensationen verwöhnt, überhaupt nur noch durch Spitzenfilme anzulocken war.
Auf der New-Yorker Börse fielen die Filmaktien ins Bodenlose. Einer der größten Filmkonzerne, die Warner Brothers, standen vor dem Bankrott, anderen ging es nicht viel besser. Da unterschrieben die Warner einen Patentvertrag mit Western-Electric - vielleicht, daß der sprechende Film die Rettung brachte.
Die (überwiegend gekaufte amerikanische) Presse berichtete in Riesenlettern über das neue Wunder und die Börse reagierte prompt mit einer wundervollen Hausse. Fox-Aktien stiegen von achtundsechzig auf hundertzehn, Warner Brothers gar von zweiundzwanzig auf hundertvierzig.
.
Hollywood geriet in einen Tonfilmtaumel.
„Der Jazzsänger" mit dem Schlager vom Sonny boy, der erste amerikanische Tonfilm, wurde auf der ganzen Welt ein Riesengeschäft.
Aber ein Rückschlag konnte nicht ausbleiben. Der Stummfilm war an keine Sprachengrenzen gebunden, er war wie die Musik und die Malerei ein wahrhaft internationales, überall verständliches Vergnügen. Das fiel nun weg. Drohte damit nicht besonders der amerikanischen Ausfuhr in anderssprachige Länder eine tödliche Gefahr?
Dann bedingte der Tonfilm nicht nur in der Produktion neue Anlagen, neue Ateliers, erhöhtes Personal und damit riesig gesteigerte Herstellungskosten, auch das kleinste Lichtspieltheater brauchte Tonapparate, die gar nicht billig waren. Außerdem stand zu erwarten, daß neuerliche Verbesserungen die ersten Apparate bald entwerten würden und das konnte so fortgehen.
Nach einer Aufstellung des "Film-Daily" soll der Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm den Amerikanern nur 5 Millionen Dollar gekostet haben. George Kent kommt in "Current History" allerdings zu anderen Ziffern. Er meint, die Summe von 10 oder 15 Millionen würde der Wahrheit näherkommen, hierzu müsse man noch die Umstellungskosten der Kinos rechnen.
Eine Tonfilmapparatur koste 5.000 bis 15.000 Dollar, das mache bei den elftausend amerikanischen Kinos mit den übrigen Spesen 50 bis 100 Millionen Dollar.
Ganz zu schweigen von dem Zeitverlust, der Entwertung der unbrauchbar gewordenen Stummfilme und der Verluste, die man an den Stars erlitt, die im Tonfilm nicht reüssierten, aber aus der Stummfilmzeit her ihre Verträge hatten.
Die Statistik der Association Moving Pictures Producers berechnete das zur Umstellung auf den Tonfilm nötige Kapital mit 200 Millionen Dollar.
.
Dann kam beides -Tonfilmkrise und Weltwirtschaftskrise
Dabei ging die amerikanische Produktion weiter zurück. Nun wirkten Tonfilmkrise und Weltwirtschaftskrise zusammen. 1921 waren 854 lange amerikanische Spielfilme auf den Markt gekommen. Diese Zahl blieb bis etwa 1928 ziemlich konstant, wobei es 834 Filme gab. 1929 aber waren es bloß 707, 1930 sank die Zahl auf 95 und 1931/32 gar auf 55, das war die niedrigste Ziffer seit 1917.
Dazu kam, daß neben der Quantität auch die Qualität gegenüber dem Stummfilm einen gefährlichen Rückschlag erlitt. Noch gab es keine Tonfilmdramaturgie, die künstlerische Form sank auf die Primitivität der Kinderjahre zurück. Die Spielhandlung wurde wieder kitschig und nebensächlich, Schlager, Tanznummern, sentimentale Arien konnten auf die Dauer das Niveau des Inhalts nicht ersetzen.
Es kam alles wieder wie dreißig Jahre vorher: nachdem das Publikum ein-, zweimal die Sensation genossen hatte, schien es davon genug zu haben. Etwa ein Jahr nach dem Aufkommen des Tonfilms hörte man allenthalben Klagen über die Enttäuschung, die er gebracht, man begann den Stummfilm zurückzuwünschen, seine bildmäßige und inhaltliche Höhe zurückzuersehnen. So schien der Tonfilm nur einen kurzen Aufschwung gebracht zu haben, nach dem die Absatzsorgen größer wurden als vorher.
.

