Das Buch der "Filmspiegel" aus Wien "aus dem Jahr 1941 !!"
Österreich war 1941 bereits an das grossdeutsche Reich von Hitlers Gnaden angeschlossen, aber als kleines Anhängsel. Und der Wiener Autor Rudolf Oertel faßt die bis dato bekannte Historie des Kino-Films aus Wiener Sicht zusammen. Bis etwa Seite 120 (von 310) kommen zwangsläufig NAZI-Kultur-Gedanken moderat zum Vorschein, dann aber wird es überraschenderweise sehr befremdlich nationalsozialistsch judenfeindlich, genau wie überall im 3.Reich auch. Die einführende Seite finden Sie hier.
.
National-Patriotismus im Jahr 1941 - "Deutsche Beteiligte"
Rufen wir uns noch einmal für einen Augenblick lang den Anteil ins Gedächtnis zurück, den Deutsche an der Entwicklung zum Kinematographien hatten, so dürfen wir mit Stolz sagen, er wird von keiner anderen Nation übertroffen:
- Erasmus Reinhold in Wittenberg,
- Athanasius Kircher,
- Simon Stampfer,
- Franz von Uchatius,
- Joseph Petzval,
- Ottomar Anschütz,
- Max Skladanowsky,
um nur die Wichtigsten zu nennen. Camera obscura, Laterna magica, Lebensrad, Projektions-Lebensrad, Photographie, Momentaufnahmen, Reihenbilder ..... An all diesen Marksteinen der Entwicklung haben Deutsche entscheidenden Anteil.
.
Oskar Meßter im Jahr 1896
Und so hat dann auch ein anderer Deutscher im Jahre 1896, zu einer Zeit, da Lumieres Apparat noch geheimgehalten wurde, selbständig alle Voraussetzungen zum Aufbau einer ausschließlich mit deutschen Geräten arbeitenden Kino-und Filmindustrie erfüllt: Oskar Meßter.
Durch vier Jahrzehnte hat er als Erfinder, Bahnbrecher und erster Produzent die Entwicklung des deutschen Films maßgebend beeinflußt, seine Lebenserinnerungen "Mein Weg mit dem Film" bilden eine wichtige Quelle für den Forscher und sind eine reizvolle Lektüre für jeden, der dem Werdegang des deutschen Films tieferes Interesse entgegenbringt.
Oskar Meßter wurde am 21. November 1866 zu Berlin geboren. Sein Vater, aus kleinen Verhältnissen stammend, hatte 1859 die Firma Ed. Meßter gegründet und befaßte sich mit der Herstellung optischer, medizinischer und elektromedizinischer Apparate; über 40.000 Mikroskope hat er im Laufe der Jahre in alle Welt geliefert. Daneben war er Erfinder, konstruierte Wunderfontänen, elektrische Scheinwerferanlagen und Nebelbilderapparate.
So wuchs der junge Meßter in einer Erfinderatmosphäre auf, trat mit 18 Jahren als Lehrling ins väterliche Geschäft und übernahm 1892 die Firma, um in den nächsten Jahren selbst neue Konstruktionen und Verfahren zu entdecken. 1893 sah er zum erstenmal die „lebenden Photographien" im Schnellseher von Anschütz.
.
1895 lernte er das Edison-„Kinetoskop" kennen.
Er erwarb einen solchen Apparat aus London und begann mit seinen Versuchen, die Bilder zu projizieren. Im August 1896 wohnte er der Vorführung eines französischen Projektors „Isolatograph" bei. Wie primitiv das Ganze war, erzählt ein zeitgenössischer Bericht:
„.. . dauernd befand sich der Zuschauerraum in vollständiger Dunkelheit zur Freude der Zuschauer. Noch ergötzlicher waren die wiederholten Rufe des Vorführers: „Einen Augenblick, gleich geht es weiter, es hackt schon wieder." Trotzdem es ,hackte', waren die Anwesenden verblüfft über die Beweglichkeit der Bilder usw. .. ."
Inzwischen hatten Meßters Arbeiten nach manchen Schwierigkeiten positive Resultate gezeigt, als ein ihm bekannter Schausteller, der Russe Ragulin, zur Abnahme einer in Auftrag gegebenen Röntgeneinrichtung zu ihm kam. Er hatte von lebenden Photographien und vom Kinematograph noch nichts gehört und erfuhr nun von Meßter, daß in Berlin an zwei Stellen französische Filme gezeigt würden.
Von dem Gesehenen war er begeistert. Bezugsquellen für Apparate und Bilder hatte er nicht erfahren können, darum war er hocherfreut, als ihm Meßter mit seinem Versuchsprojektor einen Edisonfilm vorführte und ihm Apparate und Bilder zum Kauf anbot.
.
Der Russe Ragulin kaufte den ersten deutschen Kinoprojektor
Zwischen Ragulin und Meßter wurde am 3. Juni 1896 der Verkauf des ersten deutschen Kinoprojektors abgeschlossen. Der Kaufpreis betrug 1900 Mark. Durch eine von Ragulin geleistete Anzahlung hatte Meßter neue Betriebsmittel, die es ihm ermöglichten, die mechanischen Arbeiten beschleunigt auszuführen und zur Beschaffung der Filme nach London zu reisen.
Er kannte als einzige Bezugsquelle für Filme die Vertreter von Edison in London, Maguire & Bancus. Wenn ihm diese keine Filme geliefert hätten, wären seine Pläne zunächst durchkreuzt worden, aber alles ging gut. Seiner Verpflichtung, am 15. Juni 1896 einen gebrauchsfertigen Kinoprojektor mit Bildern abzuliefern, ist er pünktlich nachgekommen.
.
Oskar Meßter und sein Malteserkreuz
Meßters bedeutendste Erfindung ist das sogenannte Malteserkreuz, jene Vorrichtung, die den „ruckweisen" Transport des Filmbandes bewerkstelligt. Bekanntlich muß ja jedes Bildchen eine Sechzehntelsekunde stillstehen, um beleuchtet zu werden, während dann der „Ruck" zum nächsten Bildchen viel schneller erfolgt. Man bemühte sich auch in Frankreich, England und Amerika, dieses Problem zu lösen, aber Meßters Konstruktion hat sich als die beste erwiesen.
Seine „deutsche Schaltung" erzielt eine bis heute gültige, befriedigende Fortbewegung des Filmstreifens und schaltet die briefmarkengroßen Einzelbildchen mit einer Geschwindigkeit von etwa einer hundertstel Sekunde, annähernd hunderttausendmal in der Stunde, um eine Bildhöhe weiter.
Bald nach Meßters Projektionsapparat kamen auch andere deutsche Firmen mit ähnlichen Ergebnissen heraus (Max Gliewe).
.
Alle Pioniere in Europa brauchten Filme
Ein Nachteil war, daß alle deutschen Apparate von der Lieferung Londoner und Pariser Kinetoskopfilme abhängig waren. Meßter ging also entschlossen an die Herstellung eigener Filme. Er wurde der erste deutsche Filmproduzent.
Auch er hatte gleich Lumiere von Anfang an das Edisonsche Bildmaß übernommen. Das erleichterte ihm auch den Absatz seiner Projektoren, von denen er in sechseinhalb Monaten vierundsechzig verkaufen und bis Ende 1896 liefern konnte.
Hiervon gingen acht nach Österreich (huch ... ein Aussetzer des Autors, das war 1941 doch bereits Deutschland), sechs nach Italien, vier nach Rußland und je einer nach Belgien, Bulgarien, Schweden und Ungarn, der Rest wurde in Deutschland abgesetzt.
.
Die Brüder Pathe kommen ins Blickfeld
Eine neue Industrie begann sich zu regen. Als die Brüder Lumiere ihren Apparat 1897 in den Handel brachten, erwarben die Brüder Pathe eine Verkaufslizenz. Die Firma Pathe Freres wurde dann eine der bedeutendsten europäischen Filmfirmen.
In den angelsächsischen Ländern war Robert W. Paul, auf Edisons Kinetoskop aufbauend, zur Projektion und Erzeugung übergegangen. Sein Theatrograph mit seinem ersten Film von 12 Meter Länge, „Die Werbung des Soldaten", und ähnlichen, erregte im Olympiatheater und in der Alhambra zu London großes Aufsehen. Seine Firma entwickelte sich rasch zu großer Bedeutung.
In den kommenden Jahren wurde allenthalben unablässig an Verbesserungen gearbeitet. Aber unsere Betrachtung folgt nun nicht mehr der technischen Entwicklung, diese tritt erst wieder beim Tonfilm als umwälzend in den Vordergrund.
Die Frucht der Entwicklungen - der Film
Es ist, als hätten wir die Wurzeln und den Stamm eines Baumes betrachtet, aber nun interessiert uns nur noch die Frucht.
Aus der Kinematographie wächst, ihren Erfindern wohl kaum bewußt, etwas Neues zu eigenem Leben: der Film. Nicht das Filmband also solches, sondern das Spiel, das auf ihm gestaltet wird. Durch die Wirkung dieses Spiels auf die Menschen beginnt der Aufstieg einer Erfindung zur Beherrscherin des menschlichen Vergnügens, zur Weltindustrie und Geldmacht und - zu einer neuen Kunstart.
.
Eine kleine Aufstellung von Doktor Hans Traub
Wie rasch die neue Erfindung ihren Weg in die weite Welt nahm, mag eine kleine Aufstellung von Doktor Hans Traub zeigen.
Die ersten Vorführungen im Betrachtungsapparat von Edison:
| 9. Mai | 1893 | im Brooklyn Institut; |
| 1893 | auf der Weltausstellung in Chikago, State Street in Holland Brothers Guckkastensalon; | |
| 4. April | 1894 | in New York, Broadway 1155, an einem Sonnabend, mit*einer Tageseinnahme von 153 Dollar; |
| April | 1894 | wurden zehn Kinetoskopen für den Broadway geliefert; |
| 1894 | in London; | |
| Nov.-Dez. | 1894 | in Paris, Boulevard Poissonniers 20; |
| März | 1895 | Berlin, Castans Panoptikum; |
| Sommer | 1895 | Wien, Ausstellung im Pratei ..Venedig in Wien"; |
| Januar | 1896 | München, Gabriels Panoptikum; |
| Mai-Okt. | 1896 | Berlin, Gewerbeausstellung; |
.
Die ersten Vorführungen im Apparat der Brüder Lumiere:
1895 Lyon, Brüssel, Paris;
1896 London, Wien (Kaiser Franz Joseph besucht die Vorstellung), Köln, Berlin, Vereinigte Staaten, Spanien (Königin von Spanien besucht die Vorstellung), Serbien (König von Serbien besucht die Vorstellung), Petersburg (Vorstellung vor dem russischen Hof), Rumänien und auch schon Australien und Indien.
Eine alte Sehnsucht der Menschheit hatte sich erfüllt, eine neue Erfindung des erfindungsreichsten Jahrhunderts der Weltgeschichte hatte ihren Weg um den Erdball angetreten.
.
DER WEG IN DAS NEUE LAND
.
AUS DEN KINDERJAHREN DES FILMS
Die Konstruktion der ersten kinematographischen Apparate war der Endpunkt einer langen Entwicklung. Aber es war gleichzeitig auch ein Ausgangspunkt. Es war wie bei einer kühnen Entdeckungsfahrt; wenn das erste Schiff an Land stößt, ist die Seefahrt zu Ende, aber am nächsten Tag beginnt eine ganz neue, ebenso kühne Aufgabe: die Erforschung und Eroberung des neuen Landes.
.
Es gab da 5 Abschnitte :
Geschichtlich teilt man die Entwicklung gewöhnlich in fünf Abschnitte:
- Die ersten Filme bis 1900, unter denen die handkolorierten Filme besonders selten sind, gleichsam die Zeit der Wiegenfilme (Wiegendrucke);
- die kurzen Filmstücke (80-600 Meter) bis etwa 1912;
- die Zeit der langen Stummfilme (1200-3000 Meter) mit immer stärkerem Zurücktreten und schließlichem Verzicht auf den Zwischentitel, welcher an Stelle des Ansagers tritt, bis 1928;
- dann die Anfangszeit des Tonfilms bis 1933;
- schließlich vom Beginn der planmäßigen Programmpflege bis zur Gegenwart (1941).
.
(Traub-Lavies.)
.
Die Kinderjahre des Films
Künstlerisch gesehen, kann man als Kinderjahre des Films etwa die Zeit bis zum Ende des (Anmerkung : ersten) Weltkriegs bezeichnen, da der Film anfängt, über die reine Befriedigung der Schaulust hinauszustreben, da er über die Ahnung hinaus, daß er Kunst sein kann, da und dort auch schon anfängt, Kunst zu sein.
Die allerersten kurzen Filme von 10-20 Meter hatten keinerlei diesbezüglichen Ehrgeiz. Bei ihrer Herstellung war nur die Freude an einer technischen Errungenschaft im Spiel.
Bald aber mußten die Filmerzeuger bemerken, daß man dem Publikum nicht ewig fahrende Eisenbahnzüge, belebte Straßen oder verfilmte Karikaturen vorsetzen konnte. Der Inhalt mußte interessanter werden. Man begann also Geschichten zu suchen, die man verfilmen konnte. So schlug die Geburtsstunde des Spielfilms.
.
Die Geburtsstunde des Spielfilms
Woher aber die Fülle der Geschichten nehmen, derer der Film bedurfte? Da die lebenden Dichter abseits standen, ging man bald daran, die toten zurechtzumachen. Die ganze Weltliteratur wurde ausgeplündert.
Eine Epidemie des „literarischen" Films begann. Hauptsächlich waren die französischen Naturalisten, Zola, Balzac, Sardou, Dumas die Opfer, aber auch Tolstoi, Shakespeare und vor allem Jules Verne mußten daran glauben.
Dramaturgisch wurden die Stoffe sehr einfach behandelt. Von der Handlung wurden die äußeren Effekte übernommen und gesteigert, die psychologische Entwicklung der Charaktere auf den einfachsten Nenner gebracht und maßlos vergröbert: makellosem weiblichem Edelmut und unerhörter männlicher Aufopferung und Treue einerseits, wurde die verruchte intrigante Sünderin und der finstere, zu allem fähige Schurke anderseits gegenübergestellt.
Perlen der Weltliteratur sanken oft unter das Niveau der Hintertreppenromane, und als sie wenigstens dieses erreichten, war es noch arg genug.
Das alles geschah natürlich im guten Glauben. Es gab eben noch keine Dramaturgie des Films und keine Filmdichter, man hatte keine Ahnung von filmischen Gesetzen, man mußte auch mit dem geistigen Niveau seines Publikums rechnen, dem damals die gebildeten Schichten noch nicht angehörten.
Die Filme - unerhört tragisch und dennoch unhistorisch
Die ersten Filme dieser Zeit sind alle unerhört tragisch, sie erschütterten ihr Publikum und wirken auf uns heute mit unwiderstehlicher Komik. Es wäre trotzdem unhistorisch, einfach den Stab über sie zu brechen. Sie sind eine notwendige Entwicklungsstufe.
Sie muten uns heute künstlerisch ebenso primitiv an wie technisch das Lebensrad, aber es wäre zum Beispiel dumm, Napoleons Reise von Moskau nach Paris im Schlitten lächerlich zu finden, bloß weil das Flugzeug heute schneller ist. Alles braucht seine Zeit.
.
Die Darstellung - Annäherung an das wirkliche Leben
Der Film hatte noch keinen Stil. Seine Darsteller, entweder Amateure oder vom Theater geholt und der Sprache als Ausdruck der Empfindung gewohnt, mußten plötzlich durch stummes Spiel den ganzen Reichtum, die unendliche Ausdrucksmöglichkeit des Wortes ersetzen. Was ist natürlicher, als daß sie einerseits nach einem Vorbild suchten und es im Spiel auf der Bühne fanden, in diesem Spiel aber anderseits durch ein Mehr an Geste das fehlende Wort zu ersetzen trachteten.
So kam jene übertriebene Darstellung zustande, die den Zeitgenossen durchaus natürlich erschien, weil sie dem fehlenden Wort gegenüber ebenso hilflos waren wie die Darsteller, und die Übertreibung zum Verständnis ebenso brauchten wie diese. Das allein beweist, daß der damalige Darstellungsstil entwicklungsbedingt richtig war.
Ob in Frankreich, Deutschland oder Italien, es war überall das gleiche, und es bedurfte einzelner genialer Künstler, die als erste begriffen, daß filmische Darstellung nicht übertriebenes Theater, sondern, im Gegenteil, Annäherung an das wirkliche Leben bedeutete.
Ihr meteorhafter Aufstieg zu ungeahnter Popularität bewies, daß ihr neuer Stil eine erlösende Tat war.
Die beginnende Dramaturgie
So wie die Darstellung um ein filmisches Eigenleben rang, suchte auch die beginnende Dramaturgie nach eigenen Wegen. Man wurde sich allmählich des Unterschiedes zum Theater bewußt. Man war nicht wie dieses an Zeit und Raum gebunden, man konnte, von den engen Brettern losgelöst, durch das ganze Universum streifen, Wirklichkeit und Träume mengen, das Heute mit vergangenen Jahrtausenden verweben, man konnte das Reale und das Irreale gestalten.
Nicht auf einmal ist dies alles gelungen; eher langsam. Man begann, allzu lange Szenen zu teilen, man kam davon ab, wie auf dem Theater in einer Einstellung immer in derselben Zimmerecke die Handlung laufen zu lassen, man lernte schließlich sogar die Kamera während der Aufnahme bewegen: die Schwenkung.
Endlich befreite die Fahrtaufnahme vom Guckkastenblick. Man entdeckte den besonderen Spielwert des Gesichtsausdruckes, die Kraft des Ausschnittes, die Betonung des Wichtigen, man entdeckte die Großaufnahme und fand über diese den Weg zum Symbol. Man begann allmählich die Daseinsberechtigung des Films zu erkennen: das zu gestalten, was dem Theater versagt blieb.
Am Anfang war es primitiv
Anfangs war das alles noch in primitiver Form. So entstand in Amerika der Wildwestfilm mit seinen tollkühnen Reiterkunststücken und Prärieabenteuern, die Filmgroteske mit ihrer komischhintergründigen Belebung der toten Materie, in Europa der Sensationsfilm mit Raubtierabenteuern, Flucht über Dächern und Abgründen, mit stürzenden Schornsteinen und brennenden Häusern, mit dahinrasenden Automobilen und entgleisenden Schnellzügen, der Detektivfilm mit seinen unterirdischen Panzergewölben, geheimnisvollen Laboratorien und aufregenden Verfolgungsfahrten, und aus den Romanen Jules Vernes wuchs der utopische Film, aus der Erinnerung an eine große Vergangenheit der historische Film, der nun, im Gegensatz zum Theater, die Möglichkeit besaß, gewaltige Massen- und Schlachtenszenen mit dem Aufgebot von Tausenden von Mitwirkenden realistisch zu gestalten.
.
- Anmerkung : Das ist wirklich ein einziger Satz.
.
Damals - die Monumentalität dieser Riesenfilme
In der Monumentalität dieser Riesenfilme, die knapp vor dem (ersten) Weltkrieg ihren Siegeszug antraten, mußten auch die Skeptiker erkennen, daß sich der menschlichen Phantasie und Gestaltungskraft eine neue Form erschlossen hatte, die nichts mehr mit der Nachahmung des Theaters gemein hatte .. .
Heute wird der Film in mächtigen, wohlorganisierten, fabrikähnlichen Filmateliers hergestellt, gewaltige Atelieranlagen und ein Stab von Hunderten von Personen, von denen jede ein bestimmtes, genau abgegrenztes Fachgebiet beherrscht, ist an dem gemeinsamen Werk beteiligt. In der Anfangszeit der Kinematographie war das ganz anders.
Alles war Neuland. Man hatte keine Erfahrung, keine Vorbilder, keine geübten Kräfte. Einzelne Wagemutige und Pioniere, meist mit bescheidenen Mitteln und mehr Optimismus als Kapital, begannen Filme zu erzeugen.
Charles Pathe hat schon 1901 prophetisch behauptet, „das Kino wird das Theater, die Zeitung und die Schule von morgen sein". Ihm gegenüber hat Meßter einmal offenherzig erklärt, er hätte anfangs nie gedacht, daß die Herstellung der Filme den Apparatebau an Bedeutung übertreffen könnte.
Meßter war eben in erster Linie Erfinder, Pathe Produzent; der Unterschied ist bezeichnend für das Kommende.
.
Die Film-Erzeuger überflügelten die Erfinder
Lumiere tritt hinter Pathe, der Erfinder hinter dem Erzeuger zurück. Auch in Meßter selbst, der zwar immer Erfinder blieb, aber doch auch, um nicht überflügelt zu werden, Erzeuger wurde. Auch Edison erging es so, er wurde ebenfalls Erzeuger, gab es aber im Gegensatz zu Meßter einige Jahre später endgültig auf. Die Nur-Produzenten hatten seine Firma erschlagen.
Betrachten wir nun kurz diese Entwicklung in den einzelnen Ländern.
Frankreich war das erste Filmland der Welt. Nachdem die Pathe Freres 1897 von Lumiere Freres die entsprechenden Rechte erworben hatten, errichteten sie das erste französische Filmatelier in Vincennes, dem sich ein zweites kleines in Montreuil anschloß. Bald erwuchs in der Firma Gaumont & Co. ein ernster Konkurrent; daneben gab es eine ständig steigende Zahl von kleineren Produzenten.
Pathe- und Gaumont-Filme liefen in der ganzen Welt. Pathe errichtete in New York eine eigene Produktion und begann knapp vor dem (ersten) Weltkrieg ein großes Glasatelier in Berlin zu erbauen, das dann von Meßter übernommen wurde.
Einer der ersten französischen Spielfilme, der von der Firma Pathe hergestellt wurde, hieß: „Die Geschichte eines Verbrechens" (in sieben Akten). Ein Bankbote kommt zu einem Schuldner, um einen Wechsel einzukassieren, und wird von diesem ermordet. Die Geschichte endet mit der Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung des Mörders. Der Film kostete 2000 bis 3000 Francs und brachte über 40.000 Francs.
Erste „literarische" Filme
Ich habe schon erwähnt, daß bald der Ehrgeiz erwachte, „literarische" Filme zu drehen. So entstand 1903 „Die Ermordung des Herzogs von Guise" mit Schauspielern wie Le Bargy, Albert-Lambert und den Damen Robinne und Bovy von der Comedie Francaise, dem ein anderer, „Die Rückkehr des Odysseus", folgte. (Le Cinema.)
Wer je in der Comedie Francaise die klassische französische Schauspielkunst kennenlernen konnte, wird überrascht gewesen sein von einem Pathos, das so gar nichts gemein hatte mit der Natürlichkeit des Spiels, das wir etwa auf den deutschen Bühnen gewohnt sind.
Wenn nun auch dieser Comedie-Stil zu einem Corneille und Racine durchaus passen mag, so war er natürlich im Film fehl am Platz, noch dazu in seiner Überspitzung, wenn er auch in anderen Ländern, besonders in Italien, seine Nachahmung fand.
Da drehte 1905 Max Linder seinen ersten Film „La premiere d'un collegien". Bis dahin war Linder ein bescheidener, mittlerer Schauspieler gewesen, wie Hunderte andere auch. Aber der Erfolg seines Filmdebüts war so groß, daß von da an durch Jahre Film um Film mit ihm entstand. 1909 betrug sein Jahresgehalt 150.000 Francs.
Das Geheimnis seines Erfolges liegt darin, daß er eben der erste „Film"-Schauspieler war. Man rühmt die Einfachheit und Natürlichkeit seines Spiels, die Abkehr von der Theatralik. Er war der erste männliche Filmstar und in Deutschland ebenso beliebt, wie in seiner Heimat und anderswo. Es ist bezeichnend, daß Linder seine Erfolge nicht in tragischen Rollen, sondern als Komiker errang. Seit damals weiß man, wie sehr der Film das Geheimnis besitzt, lachen zu machen.
.
Die tragischen Filme wurden immer länger
Daneben behaupteten die tragischen Filme aber durchaus ihren Platz. Sie wurden immer länger. So drehten zum Beispiel 1907 Pathe Freres „La main", 450 Meter, „Der Totschläger" nach Zola, 600 Meter, „Die Blutschuld", zirka 550 Meter, „Die Asphaltblume", 380 Meter. (Le Cinema.)
Man beachte die Titel: Totschläger, Blutschuld, Asphaltblume ... Es war ein gutes Geschäft. Überhaupt begann der Film auch schon in den letzten Jahren vor dem Weltkrieg eine gewinnbringende Sache zu werden.
Dementsprechend stiegen die Mittel, die man zu investieren begann. Man kann das an einigen Zahlen sehr schön zeigen: der erste Napoleon-Film von Pathe, 1909, kostete 12.000 Francs, Christof Columbus von Gerard Bourgeois, 1913, bereits 1,000.000 Francs (mit vierzigtausend Statisten) . . .
.
Ein gewaltiger Konkurrent kam - Filme aus Italien
Plötzlich erwuchs dem französischen Film ein gewaltiger Konkurrent, der mit ihm um den Weltmarkt rang: Italien.
Die frühesten italienischen Filme mögen so um 1905 bis 1906 gedreht worden sein. Die erste nennenswerte Produktion entstand um 1908 im Ambrosio-Film zu Turin. Diesem folgte die Pasquali und wenig später die Cines in Rom, womit der Kern eines neuen Zentrums gegeben war.
Die Italiener begannen von vornherein mit historischen Filmen; diese hatten anfangs die gleichen Schwächen und Übertreibungen, dasselbe falsche Pathos wie die der Franzosen. Aber die Aufmachung, die Großzügigkeit der Inszenierung wuchs von einem zum anderen. „Der Fall von Troja", „Die drei Musketiere", „Faust", „Die Plünderung Roms", „Macbeth", Filme von 700 bis 1400 Meter, waren schon respektable Leistungen.
1912 der Film: „Quo vadis"
Da kam um 1912 ein Film: „Quo vadis", Regie führte Enrico Guazzoni, der von Beruf Maler war. Dieser erste Quo-vadis-Film bedeutet einen Markstein in der Entwicklung. Man erzählt, daß die Geldgeber, als sie den fertigen Film sahen, keineswegs entzückt von ihm waren. Ihre Meinung sollte sich bald ändern.
Ganze 42.000 Lire soll er gekostet haben (ich halte diese Summe für zu niedrig), aber jedenfalls brachte er Millionen. Sein Erfolg war in Italien, Frankreich, Deutschland, England, Amerika gleich überwältigend, er galt als das größte Meisterwerk der damaligen Zeit und stellte Italien mit einem Schlag an die Spitze aller Filmländer der Welt.
Mit den historischen Riesenfilmen hatten die Italiener ihren nationalen Filmstil gefunden. Sie selbst führen ihre besondere Befähigung für die künstlerische Gestaltung von Massenszenen und historischen Großhirnen auf die Tradition der Oper, ihrer Lieblingskunst des 19. Jahrhunderts, zurück.
Was sie auf dem Theater an „Aida", „Mephistopheles", „Forza del Destino" und anderen Schauopern szenisch gelernt haben, gab ihnen ein Vorbild, und hier hat sich die Anleihe bei der Bühne einmal positiv ausgewirkt. Auch ihre Vertrautheit mit dem pompösen Ritus der katholischen Kirche mag mitgewirkt haben.
Tatsächlich hat die filmische Leistung Italiens in diesen Riesenwerken der Stummfilmzeit einen Höhepunkt erreicht. Man ist dort auch immer wieder zu solchen Themen zurückgekehrt. Nach dem Weltkrieg entstand ein zweiter Quo-vadis-Film mit Emil Jannings als Nero (Regie Georg Jakoby), es war wieder ein ganz großer Erfolg, und in jüngster Zeit, 1940, hat man mit Karthagos Fall (Regie Carmine Gallone) die alte Tradition fortgesetzt.
.
Blicken wir nochmals auf die Zeit um 1914 zurück:
Neben Meßter gab es natürlich eine ständig wachsende Zahl anderer deutscher Filmhersteller und Produktionsfirmen, so die Projektions-A.-G.-Union, aus deren Vereinigung mit der Meßter-Produktion später die UFA hervorging. Alles in allem blieb die deutsche Filmerzeugung bis zum Ausbruch des (ersten) Weltkrieges bescheiden und konnte sich mit anderen Ländern nicht messen.
Da kam nun 1914 der Krieg. Die Entente verhängte über Deutschland die Blockade und vermeinte damit die Wirtschaft der Mittelmächte zu erdrosseln. Aber als der Krieg zu Ende war, konnte man auf dem Gebiete des Films eine ganz überraschende Feststellung machen.
Der weltbeherrschende französische und italienische Film war während des Weltkrieges vollständig tot gelegen, er hat sich auch nachher nie wieder zu seiner alten Bedeutung erhoben, der englische fiel nicht ins Gewicht, der nordische, der während des Krieges seine Hochblüte erlebt hatte, war vom deutschen aufgesogen worden, der amerikanische und der deutsche aber hatten, von der erdrückenden Konkurrenz befreit, zu einer eigenen kräftigen Entwicklung angesetzt. Von da an wurde Deutschland das bedeutendste Filmland Europas und ist es bis heute in steigendem Maße geblieben. Es wurde das einzige Land, dessen Produktion sich der amerikanischen gegenüber dauernd behaupten konnte.
.

