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Das Buch der "Filmspiegel" aus Wien "aus dem Jahr 1941 !!"

Österreich war 1941 bereits an das grossdeutsche Reich von Hitlers Gnaden angeschlossen, aber als kleines Anhängsel. Und der Wiener Autor Rudolf Oertel faßt die bis dato bekannte Historie des Kino-Films aus Wiener Sicht zusammen. Bis etwa Seite 120 (von 310) kommen zwangsläufig NAZI-Kultur-Gedanken moderat zum Vorschein, dann aber wird es überraschenderweise sehr befremdlich nationalsozialistsch judenfeindlich, genau wie überall im 3.Reich auch. Die einführende Seite finden Sie hier.

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Goethe hat einmal gesagt: „Kunst ist verhaltene Erotik"

Im Anschluß an dieses Kapitel ist nun eine allgemeine Bemerkung notwendig, um Mißverständnisse zu vermeiden. Goethe hat einmal gesagt: „Kunst ist verhaltene Erotik". Wir wissen auch, welch große Bedeutung den erotischen Problemen in der Weltliteratur und bildenden Kunst zukommt. Aber immer wird, soferne es sich um wirkliche Kunst handelt, ein sittlicher oder ästhetischer Grundgedanke das Erotische überwiegen oder adeln.

Das gilt auch für Filme, die gelegentlich sogar ein heikles Thema durch ihren sittlichen Ernst oder künstlerische Dezenz rechtfertigen können. Bei den genannten Produkten aber, besonders bei den Aufklärungsfilmen, handelte es sich um eine rein geschäftliche Spekulation auf die primitivsten Instinkte der Masse, bei der sich die meist jüdischen Produzenten und Autoren „kalt wie eine Hundeschnauze" den Gewinn teilten.

  • Anmerkung : Hier ist auf Seite 123 des Buches der erste beinahe verdeckte Seitenhieb auf "die Juden" zu lesen. Ob der Autor Oertel das wirklich schreiben mußte oder ob es seine innere Überzeugung war ? Weitere rassenideologische nationalsozialistsche Auswüchse werden auch auf Folgeseiten weiter hervorgehoben.


Kunst ist auf keinen Fall nur entfesselte Erotik, könnte man in Umkehrung des Goetheschen Satzes sagen. Wir sind heute nicht prüde, wir können zwischen Moral und Moralin unterscheiden.

  • Anmerkung : Auch diese Aussage des Autors ist mit Bedacht zu lesen, denn insbesondere im 3. Reich in den oberen Schichten der Bevölkerung gab es keine "Moral" mehr. Insbesondere die Ehefrauen der an den Fronten befindlichen Offiziere kannten bei ihren hormonellen Notlagen keine Hemmungen, wie Zeitzeugen berichteten.

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Jetzt kommt die reichsdeutsche Auffassung von Tugend

Pornographie unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Aufklärung ist unappetitlich, und wir haben ein scharfes Auge dafür, ob künstlerische Leidenschaft oder Gewinnsucht am Werk sind. Dieses Unterscheidungsvermöggen ist besonders notwendig, wenn man die Frage aufwirft, ob der nackte menschliche Körper im Film gezeigt werden soll oder nicht.

Der Begriff des Nackten hat für uns längst nicht mehr jenen sündhaften Beigeschmack einer verlogenen, bürgerlichen Welt, die manchmal außen voll Tugend und innen voll Verderbtheit war.

Wir lachen heute über Badekostüme unserer Großväter und halten Badeanstalten, die Männlein und Weiblein trennen, um keine schlechten Gedanken aufkommen zu lassen, für überflüssig.

Körperkultur, Sport und ein natürliches Verhältnis der Geschlechter zueinander haben einer gesunden Auffassung den Weg bereitet. Wir wissen auch, daß ein schöner nackter Körper unerotischer wirkt als ein raffiniertes Dekollete; wir haben ein neugewonnenes Verständnis für das antike Ideal einer natürlichen Bejahung des Körperlichen in harmonischer Verbindung mit dem Geistigen und freuen uns an der Schönheit, ohne ungesunde Nebengedanken.
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Gedanken über den nackten Menschen im Film

Wir werden also auch den nackten Menschen im Film bejahen können, wenn kein unsittlicher oder unkünstlerischer Zweck damit verfolgt wird. In diesem Sinne wird man z. B. den 1925 erschienenen Kulturfilm der UFA „Wege zu Kraft und Schönheit" (nach einer Idee von Ernst Krieger von Wilhelm Prager und Doktor Nicholas Kaufmann) beurteilen.

O. Kalbus sagt 1935 darüber:

  • „Der deutsche Film hatte damals Jahre hinter sich, an die wir nicht gerne zurückdenken. Wer trotzdem an die Jahre der Inflation zurückdenkt, hat das tolle Bild eines höllischen Karnevals vor Augen: Schiebungen und Schleichhandel, quälender Hunger und wüste Schlemmerei, rasche Verarmung und jähes Reichwerden, ausschweifende Tanzwut, Nackttänze, Valutazauber, Vergnügungstaumel, Scheidungsepidemie und Rauschgifthandel. Natürlich waren auch die Filmhyänen zur Stelle. Die junge Filmkunst drohte erwürgt zu werden. ,Pikante Szenen' mit sinnenreizenden Entkleidungsvorgängen wurden auf die Kinobesucher losgelassen und schmeichelten den Gefühlsregungen der Masse. Mit Wirkungsabsicht nur spärlich bekleidete Körper boten den gewünschten verwerflichen Sinnestaumel. Über diese kranke Zeit kam der gesunde Film ,Wege zu Kraft und Schönheit' wie eine Offenbarung: Die seelisch reine Schönheit hatte sich das Lichtspielhaus erobert."

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Das Kind mit dem Bad ausgießen ?

Ich betone dieses Beispiel, um bei einer Kritik der Sexualfilme nicht das Kind mit dem Bad auszugießen. Wir wollen keine Unsittlichkeit im Film, wir wollen aber auch keine Duckmäuserei. Wenn heute ein Mädchen ein uneheliches Kind bekommt, so sehen wir darin nicht mit heuchlerischer Gier das pikante Schicksal einer Gefallenen, sondern wir sehen die werdende Mutter, und die Konflikte, die ein solches Geschehen mit sich bringen mag, werden wir filmdichterisch nicht mehr als unsaubere „Enthüllungen", sondern von einem ethischen Grundgedanken aus, den der Sorge um das kommende Leben, formen.

Man kann auch unter solchen Gesichtspunkten einen spannenden Film gestalten, man wird ihn nur so künstlerisch und ethisch wertvoll gestalten können. Die Entwicklung des deutschen Films hat längst bewiesen, daß es auch so geht.
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  • Anmerkung : Hier lügt der Autor ganz gezielt. Der deutsche Film hatte sich nach dem März 1933 nicht "selbst entwickelt". Er wurde von Göbbels ganz gezielt gesteuert und er "wurde entwickelt", im Sinne der Hitlerschen Rassenideologie.

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Der Autor schreibt weiter :

Eines ist klar: Man kann nicht nur Filme drehen, die für Jugendliche geeignet sind. Deshalb gibt es ein Jugendverbot. Für Erwachsene aber wird man alle Themen gestalten können, wenn als Gestaltungsgesetz echte Leidenschaft an Stelle der Schlüpfrigkeit, Sinnenfreude an Stelle der Sinnlichkeit tritt.

Mit anderen Worten, Natur und Kunst statt Unnatur und Kitsch, das sind so einige Grundsätze, zu denen sich der deutsche Film bekennen muß, wenn er als vollwertige Kunstart bestehen will.
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HÖHEPUNKT UND ENDE DER STUMMFILMZEIT

Man würde die Zeit des Stummfilms einseitig zeichnen, wenn man nur die Schattenseiten aufzeigen wollte. Es gab auch im deutschen Film schon sehr früh vereinzelte Ansätze zur künstlerischen Bewältigung der filmischen Probleme.

So steht an der Wiege der deutschen Filmkunst - wenn wir das Wort Kunst nun allmählich in seinem erhabenen Sinn auch im Zusammenhang mit dem Film gebrauchen - der Name Paul Wegeners, der schon 1913 den mystischen Film „Der Student von Prag" mit dem Dänen Stellan Rye als Regisseur und Guido Seeberger als Kameramann drehte.

Werner Krauß' große Kunst fand damals auch den Weg zum Film. Die Herstellungskosten betrugen 20.000 Mark. Es gab einen Riesenerfolg, auch im Auslande, und lenkte zum erstenmal die Aufmerksamkeit der Filmindustrie aller Länder auf Deutschland.

Die zeitgenössische Kritik schrieb:

„Dieses Stück bildet den Anfang einer Schwenkung zur Veredlung des Kinos und zum Flinaufziehen der langsam verblödenden Menge auf eine wieder höhere Stufe. Wir sehen dem Kommenden jetzt doch schon etwas gespannter entgegen. Wenn wir nur nicht wieder ebenso rasch eine Abkühlung erfahren müssen. Die Aufnahmen waren von überraschender Wirkung, allerdings stark auf den Effekt zugeschnitten, aber das gehört nun einmal zum Film. Bei einzelnem hatte man geradezu den Eindruck eines Ribera."
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Paul Wegener mit seinen Märchenfilmen

Nun, die erwartete Abkühlung ist sicher gekommen, eine einzelne Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber gerade Paul Wegener hat in den nächsten Jahren mit seinen Märchenfilmen ein neues künstlerisches Gebiet erschlossen. So „Rübezahls Hochzeit" (1916), „Hans Trutz im Schlaraffenland" (1917), „Rattenfänger von Hameln" u. a.

Es war immerhin ein Beweis für die dem deutschen Volke trotz Versailles innewohnende Kraft, daß sich seine Filmindustrie gerade in den Jahren nach dem Weltkrieg nicht nur im Reich, sondern in der ganzen Welt durchsetzen konnte.

Ein verarmtes Deutschland durfte sich den Luxus nur schlechter Filme und einer unbegrenzten Einfuhr ausländischer Filme nicht mehr gestatten, denn fremde Filme kosteten Devisen, und es war in so schweren Zeiten eher Aufgabe des deutschen Films, solche zu bringen, als sie zu verbrauchen.
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Und wieder wird O. Kalbus (aus 1935) zitiert

O. Kalbus hat in seine beiden Büchern „Die deutsche Filmkunst" das ganze Problem sehr klar geschildert:

  • „Die Tendenz der filmkünstlerischen Nachkriegsarbeit läßt sich mit einem Satz kennzeichnen: Fort vom Starfilm - auf zum Monumentalfilm, in dem jeder Darsteller, aber auch die Komparsen, die Kameras und Dekorationen ,Stars' sind. Diese Tendenz hat Amerika diktiert. In Amerika lag plötzlich der Schwerpunkt der Filmherstellung nicht mehr bei den populären und beliebten Stars, sondern bei den Spielleitern und Regisseuren wie Griffith, Th. Ince, W. S. Hearst. In ,In-tolerance' war die Handlung völlig konfus und die schauspielerische Leistung recht mäßig, bewundernswert aber war der Angriff auf Babylon mit den Tempeltänzerinnen, der Sturm auf die Mauern der Stadt, der Untergang in Rauch und Flammen; die Kämpfe in der Bartholomäusnacht im Schein der Fackeln waren ganz neuartige Szenenbilder. Selbst ein Film von Weltruhm wie ,Invasion' baute sich auf einem sehr mittelmäßigen Textbuch auf, war darstellerisch nicht immer auf der Höhe, wirkte aber durch die geradezu genialen Regieeinfälle, durch die Kameraleistungen und die verblüffende Disziplin der Massenszenen."
  • „Die deutsche Filmkunst mußte wohl oder übel dem Zuge dieser Entwicklung folgen. Diese Entwicklung war für den deutschen Film von weltwirtschaftlicher Bedeutung. Mit unseren ,Starfilmen' aus den Henny-Porten-, Mia-May- und Lotte-Neumann-Serien war der Weltmarkt nicht zu erobern. Es mußte ganz Großes geschehen. Es war schließlich auch zu befürchten, daß der unterzeichnete Gewaltfrieden (gemeint ist der Vertrag von Versailles) eine Überschwemmung in Deutschland mit ausländischen Filmen bringen würde, wenn wir Deutschen auf dem Gebiet der Filmfabrikation das ,Made in Germany' nicht wieder zur vollen Geltung bringen konnten. In den Filmkreisen der Alliierten wollte man im übrigen auch zur Abwehr deutscher Wertarbeit im Film eine Verpflichtung eingehen, auf mehrere Jahre keinen Meter deutschen Film zu kaufen oder zu spielen.
  • Man hatte aber bei diesem Boykott die Bedeutung einer Gesellschaft nicht mit einkalkuliert: der Universum-Film-Aktiengesellschaft (Ufa), die eine große Anzahl von Lichtspieltheatern in der Schweiz, in Skandinavien, Holland und anderen Ländern erworben und damit ihren verhältnismäßig großen Absatz von eigenen Filmen im Auslande sichergestellt hatte. Auch in Spanien war deutsches Bankkapital an einer großen Anzahl von Kinos beteiligt. Die gemeinnützige Deutsche Lichtbildgesellschaft (Deulig) hatte allerlei Wirtschaftsabsichten und -beziehungen auf dem Balkan und hatte planmäßige Werbearbeit für Deutschland im Ausland zum Zweck.
  • Seit 1918 mußte also die internationale Filmwelt mit der Ufa rechnen, die auf Anregung amtlicher Stellen unter Mitwirkung nahezu aller führenden Unternehmungen der Großfinanz, Schiffahrt und Industrie durch allmähliche Vereinigung der damaligen größten Filmfabriken (Union, Meßter, Decla-Bioscop) unter dem Druck der allgemeinen Filmpropaganda ins Leben gerufen worden war.
  • Schon Anfang 1917 machte sich immer mehr die große Wirksamkeit der feindlichen Filmpropaganda bemerkbar und konnte selbst in unserem eigenen Vaterlande zu einer Gefahr werden, weil merkwürdigerweise in Deutschland die maßgebenden Kinotheater in Berlin und in anderen Großstädten sich in den Händen einer ausländischen Firma befanden.
  • Um der feindlichen Filmpropaganda mit gleichen Maßnahmen entgegenzutreten, wurde während des Krieges das Bild- und Filmamt (Bufa) gegründet, das die Front mit Kinos versorgte und den Film in den Dienst der Ausbildung und der Kriegswissenschaft stellte. Da aber Filmproduktion und Filmkunst eine bürokratische oder militärische Einengung nicht vertragen konnten, sondern eine bestimmte Elastizität und kaufmännische Großzügigkeit forderten, schmolzen auf Anregung von Ludendorff Männer wie Major Grau, Staatsrat E. G. von Stauß und andere eine finanzielle Beteiligung der Reichsregierung und einen Wirtschaftskonzern mit bewundernswerter Weitsichtigkeit zu einem Unternehmen zusammen, das den fremdländischen Theaterbesitz schnell in deutsche Hände brachte und gleichzeitig die Aufgaben des Bild- und Filmamtes übernahm: die Ufa, die sich dann später unter dem Einfluß von Alfred Hugenberg zur bedeutendsten Filmgesellschaft Europas entwickelte. Dieses neue Filmunternehmen wollte den Weltmarkt erobern. Man ging sofort nach Beendigung des Krieges energisch ans Werk."

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Die Ufa-Ateliers und die Kulissen der Paläste

In der nächsten Zeit entstanden eine Reihe von Monumentalfilmen. Auf dem weiten Gelände des Ufa-Ateliers wuchsen ganze Paläste und Straßenzüge fremder Städte empor. Der Palazzo Vecchio, der Palazzo degli Uffizi, die Loggia dei Lanzi und andere Prunkbauten wurden mit architektonischer Treue gestaltet. Plätze für zehn- bis fünfzehntausend Komparsen gaben der Entwicklung von Massenszenen breiten Spielraum.

Aber auch indische, chinesische, afrikanische, altrömische und babylonische Herrlichkeiten entstanden. Mit diesen Filmen hat Deutschland zuerst wieder nach dem Zusammenbruch 1918 seinen Anspruch angemeldet, als Filmgroßmacht in der Welt angesehen zu werden.

„Ich glaube, mich in der Annahme nicht zu täuschen", sagte damals ein ausländischer Filmkenner, „daß Deutschland an zweiter Stelle der Weltfabrikation steht. Die Deutschen haben kein Negerdorf mehr, sie können aus Valuta-Armut in Indien keine Stadt aufnehmen, nicht nach Japan oder China reisen, auch nicht nach England, Afrika oder Amerika, und wir finden doch alle diese Gegenden in ihren Filmen."
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Als der Film immer noch stumm war

Nicht weniger bedeutsam war die allmähliche Vervollkommnung der Darstellung. Diese war nur möglich durch die immer stärkere Hinwendung der Schauspieler des Theaters zum Film.

Paul Wegener, Emil Jannings, Werner Krauß, Eugen Klopfer, Harry Liedtke, Alfred Abel, Theodor Loos, Albert Steinrück u. a. sind vom Theater zum Film gekommen zu einer Zeit, als für einen anerkannten Schauspieler noch Mut dazu gehörte.

Auch Adele Sandrock, damals die gefeierte Tragödin der klassischen Bühne, hat sich tapfer für ihn eingesetzt. Viele Jahre später sollte sie dann eine seiner stärksten Kräfte werden.

Wir können es heute fast nicht mehr ermessen, was es bedeutete, wenn die kolportagehaften Filmgestalten plötzlich von Vollblutkünstlern dargestellt wurden; sie wuchsen damit über das Buch ins wirkliche Leben.

Man darf ja nicht vergessen, daß der Film noch stumm war, der Dialog durch das Spiel gestaltet werden mußte, es wurde so fast unwichtig, welche Handlung dem Ganzen zugrunde lag. Wir haben sie auch von den meisten damaligen Filmdramen vergessen. Unvergeßlich ist vielfach nur die Gestaltungskraft dieses oder jenes Darstellers geblieben.

Die Leistung der Regisseure

In diese Gruppe wird man, ohne damit die Leistung der Regisseure beeinträchtigen zu wollen (vielfach verleiht ja erst die Führung des Regisseurs dem Darsteller den nötigen Impuls), Filme rechnen können wie „Anna Boleyn" (1920) mit Emil Jannings und Henny Porten; „Luise Millerin" (nach Schillers „Kabale und Liebe", 1922, unter der Regie Carl Froelichs), in der Werner Krauß als Wurm eine grandiose Leistung bot und alles an die Wand spielte; oder wenn wir nur an die Darsteller denken: Paul Wegener als Svengali, Emil Jannings, Pola Negri, Harry Liedtke in „Madame Du-barry" (1919); Pola Negri und Harry Liedtke in „Carmen" (1919), in „Sumurum" (1920); Emil Jannings als General Guilleaume (1921) in „Der Stier von Olivera", als „Othello" (1922); Werner Krauß als „Napoleon", als „Jago" (1922), „Shylock" (1923); Eugen Klopfer als „Götz von Berlichin-gen" (1925); Lya de Putti und Wladimir Geidarow in „Manon Lescaut".

Natürlich kann die Leistung des einzelnen nicht im luftleeren Raum gedeihen, es treten vielmehr zur Menschengestaltung als ebenbürtig Bildgestaltung und künstlerischer Stil des Gesamtkunstwerkes.

Man kann hier als Beispiel drei Filme des Regisseurs F. W. Murnau nennen: „Faust" (1925); hier klingen die Arbeit des Regisseurs, des Kameramanns (Carl Hoffmann), der Architekten (Herlth und Roehrig) mit der Darstellung zu einem Akkord zusammen, von dem O. Kalbus sagt:
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  • „So ist schließlich mit dem ,Faust'-Film ein absolutes Werk filmischer Kunst entstanden, ein echt deutscher Film von leidenschaftlicher Innigkeit und einem ungemeinen Willen zur Läuterung und Reinheit des ringenden Menschen und darüber hinaus ein Film, der Ungezählten die Begierde nach Goethes ,Faust' geweckt hat, vielleicht der höchste und schönste Ruhm dieses Films."

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  • Anmerkung : Diesen Satz von Kalbus hatte sich der Propagandaminister Göbbels bestimmt auf der Zunge zergehen lassen.

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Und weitere deutsche Stummfilme - zum Jubeln

Dann „Tartüff" (1926) mit Lil Dagover und Emil Jannings, in dem Jannings in meisterhafter Typisierung geradezu einen Über-Tartüff spielte. Schließlich das Kammerspiel „Der letzte Mann", in dem Jannings als Hotelportier nicht nur im Mittelpunkt der Handlung stand, sondern sie ausschließlich beherrschte. Trotzdem war es nicht seine Leistung allein, sondern der vom Regisseur gewollte Stil, der dem Werk seine prinzipielle Bedeutung gab.

In einer anderen Gruppe von Filmen überwiegt dann nicht so sehr die Darstellung als das primär Filmische, das Bild. Hierher gehören, abgesehen von seinem problematischen Thema, „Der Golem" (1920) mit Paul Wegeners gewaltiger Leistung; „Der müde Tod" (1921), in dem drei Architekten von Ruf, Warm, Roehrig und Herlth, Traum und Wirklichkeit „so zart zusammenfließen ließen, daß man den Odem der großen romantischen Dichter spürt und gleichzeitig auch den machtvollen Symbolismus Albrecht Dürers" (O. Kaibus); dann Murnaus „Der letzte Mann" mit seiner damals (1924) epochalen Hinwendung zur einfachen Alltagswirklichkeit, in der sich filmgeschichtlich das Ende der Inflationszeit signalisiert; ferner einige Jahre später Murnaus „Tabu", den dieser deutsche Regisseur gegen alle Erfolgsrezepte Hollywoods in zweijähriger Arbeit in der Südsee gedreht und die Herstellungskosten ganz aus eigener Tasche, aus dem durch seine Welterfolge erworbenen Vermögen, bezahlt hat.

Ohne Schauspieler, nur mit den Eingeborenen der Südsee gedreht, stellt dieser Film, auf den wir an anderer Stelle noch zu sprechen kommen, eine Pioniertat für den echten Landschaftsfilm dar.
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Die Helden- und die Nibelungen-Filme

Von anderer Art ist der Nibelungen-Film (1924), „eine Schöpfung aus Licht und Schatten, deren Kühnheit berauschte", in dem nicht nur die Darsteller, sondern auch die Natur stilisiert scheinen, einem künstlerischen Gesetz unterworfen, das nicht durch historische Treue, sondern durch ein archaisierendes Gestaltungsprinzip seine Wirkung erzielt.

Paul Richter hat darin dem Siegfried eine bis heute lebendig gebliebene, idealisierte Gestalt verliehen. Man wird freilich die Herkunft vom Richard Wagnerschen Siegfried nicht ganz übersehen können, wie überhaupt der Film von Wagners Ring starke Anregung empfangen hat.

Wie die Nibelungen durch ihr Thema auf die deutsche Heldensage weisen, so hat eine Reihe von anderen Filmen ihre Stoffe aus der deutschen Geschichte geholt oder große nationale Persönlichkeiten in den Mittelpunkt der Handlungen gestellt.

Hier wird man vor allem an die Filme aus dem Leben Friedrichs des Großen denken - und an Otto Gebühr, der uns eine geradezu ideale Verkörperung des großen Königs geschenkt hat. 1921 -1923 hatte er in „Fridericus Rex" die Figur zum zweitenmal verkörpert.
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„Fridericus Rex" und die "(deutsch-)nationalen Töne"

In diesem Film wurden zum erstenmal nach dem Zusammenbruch 1918 auch wieder nationale Töne laut, und gerade dieser Film hatte einen großen Erfolg. Es war wie eine erste Selbstbesinnung der Massen auf Deutschlands große Vergangenheit.

1926 stellte Gebühr in der „Mühle von Sanssouci" nochmals den König dar; 1928 kam „Der alte Fritz" unter der Regie Gerhard Lamprechts mit Gebühr als altem Fritz. Bis in die heutige Zeit hat Otto Gebühr Friedrich den Großen immer wieder von neuem der Nation verlebendigt und damit eine gewaltige künstlerische Leistung vollbracht.

Von anderen nationalen Filmen wären zu nennen: „Die elf Schillschen Offiziere", „Prinz Louis Ferdinand", „Waterloo", „Bismarck" (1925) mit Robert Leffler als eisernem Kanzler, „Der Katzensteg" (1927, Regie Gerhard Lamprecht). Daneben gab es eine Reihe von eigentlichen Militärfilmen, die ausschließlich der Unterhaltung dienten und nicht immer erfreulich waren. Nur ganz wenige, wie etwa „Das edle Blut" (1927, Regie Carl Boese), ragen durch eine ernstere Auffassung hervor.

Die Flut von Zeitfilmen, Kostümfilmen usw.

Sofern man den reinen Unterhaltungsfilm in diesen kaleidoskopartigen Überblick einbeziehen wollte, müßte natürlich eine Flut von Zeitfilmen, Kostümfilmen, Gesellschaftsfilmen, Filmoperetten, Lustspielen, Filmkomödien und Filmschwänken genannt werden. Es fehlt hier an Platz. Es ist aber auch nicht wichtig.

Doch soll der Kuriosität halber wenigstens der sogenannten Weltbummelfilme gedacht werden. Mit „Der Mann ohne Namen" (1921, Regie Georg Jacoby) fing es an. Harry Liedtke spielte den Millionendieb, Peter Voß, Georg Alexander den Detektiv, Mady Christians die Millionärstochter. „Der Mann ohne Namen" war ein unbeschreiblicher und bedingungsloser Erfolg, weil er nichts anderes war und sein wollte als Film. Er suchte niemals seine Mittel außerhalb des rein Filmischen. Also keine Aufklärung, kein Expressionismus, keine Belletristik, keine Psychologie, sondern immer und immer wieder nur Handlung, wechselnde Sensationen, buntes Geschehen, schöne Szenerien.

Bald folgten „Die Abenteuerin von Monte Carlo" (1921) mit 11.000 Kilometer Filmreise; „Das indische Grabmal"; und 1924/25 „Der Flug um den Erdball", der das Kinopublikum in Originalaufnahmen von Paris nach „Kairo zu den Pyramiden von Gizeh, in die Wüste, nach Suez, nach Ceylon, Britisch-Indien, Hinterindien, Singapore, nach den Sunda-Inseln, nach China, San Franzisko, New York und über die Azoren wieder nach Paris führte". (0. Kaibus.)
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Harry Piel war ein Star

Hier wollen wir nun auch einen Mann nennen, der als Regisseur, Mitverfasser und Hauptdarsteller deutscher Sensationsfilme jedem Kinobesucher bekannt ist: Harry Piel. In über hundert Filmen hat er seit Jahrzehnten sein Publikum in Spannung gehalten und begeistert.

Schon während des Weltkrieges war Harry Piel der Mann „ohne Nerven". „Er ist immer der alte geblieben", sagt O. Kalbus, „der seine Sensationen mit der ihm eigentümlichen Meisterung von Eleganz und Bravour ausführt. Es gehört in allen seinen Filmen zu seinem persönlichen Pech, daß ihm stets Verbrecher nachsetzen, oder aber er ist Befreier der verfolgten Unschuld. Das gefällt besonders den Frauen. Deshalb gehörte Harry Piel zu den populärsten Schauspielern der deutschen Leinwand in der Stummfilmzeit.

Harry Piel versteht mit wilden Tieren umzugehen. Das hat er schon 1916 in seinem Film ,Unter heißer Sonne' bewiesen. Die wichtigsten Darsteller in diesem Sensationsfilm waren die Löwen, die aus Hagenbecks Hamburger Tierpark nach Berlin geschickt worden waren.

Den Löwen wurde zwei Tage vor der Aufnahme keine Nahrung mehr gereicht, damit sie bei den Aufnahmen recht wild sein sollten. Die Geschichte war also keineswegs ungefährlich, doch Harry Piels Umsicht war groß, und seinem Kommando konnten selbst die Löwen nicht widerstehen. Piel hat für solche Sensationsaufnahmen den notwendigen Scharfblick und weiß jede plötzlich auftauchende Situation vorbildlich auszunutzen."

Geben wir dem Film, was des Filmes ist. Das Abenteuer wird immer sein liebstes Kind bleiben. Ob es nun literarisch verbrämt erscheint oder nicht. Harry Piels Sensationen stellen keine Verherrlichung von Verbrechern dar, und sie vermeiden jede Schlüpfrigkeit, daher wird auch der strenge Kritiker, der an die künstlerische Zukunft des Films glaubt und deren Erfüllung wie bei jeder wahren Kunst in einer ethischen Mission des Films sieht, gelegentlich, wenn er kein grauer Theoretiker ist, sein schmunzelndes Vergnügen an Filmrittern ohne Furcht und Tadel wie Harry Piel haben.
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Die sogenannten Spuk- und Gruselfilme

Viel problematischer war schon eine andere Art von Sensationsfilmen, die sogenannten Spuk- und Gruselfilme. Unmittelbar nach dem Weltkrieg, als Telepathie und Okkultismus blühten, begann auch der Film, sich des Übersinnlichen zu bemächtigen, zugleich aber meist, sich ins Krankhafte zu verzerren.

Der „Ruf nach dem Jenseits" (Gedanken- und Gefühlsübertragungen einer Totgeglaubten), „Das Rätsel im Menschen", „Der Funkenruf der Rio Bamba" (ein zerlumpter Aristokrat, der Frauen durch Suggestion und Hypnose in seinen Bann zwingt, um sie dann zu verschachern), „Doktor Mabuse" gehören in diese Reihe.

Über letzteren sagt O. Kalbus:

  • „Doktor Mabuse ist ein Zeittyp, das Abbild eines genialen Verbrechers. Durch seine überragende geistige Kraft versteht er es, sich seine ganze Umgebung Untertan zu machen. Ihm sind die Fehler und Schwächen der Menschen bekannt, und er weiß sie für seine Zwecke auszunutzen. Kein kleinlicher Verbrecher, der Gewalttat auf Gewalttat häuft, sondern großzügig, immer aufs Ganze gehend, vor keinem Hindernis zurückschreckend, so steht Doktor Mabuse vor uns.
  • Er hat seine eigene Münzwerkstatt und seinen Stab von Dienern, die ihm blind ergeben sind, die nur auf ein Zeichen von ihrem großen Gebieter warten, um alles auszuführen, was von ihnen verlangt wird. Bald taucht Mabuse hier, bald dort auf, bald im Spielsaal als passionierter Spieler, bald in Kaschemmen als betrunkener Matrose, bald in der Börse als Börsenmagnat, bald im Vortragssaal als Professor, bald bei Kranken als Arzt oder als Psychoanalytiker.
  • Aber wie und wo er auch erscheint, immer ist er der große Bezwinger, immer der Herrscher. Dieser Doktor Mabuse, der Spieler, war nicht möglich im Jahre 1910. Aber für die Zeit um 1920 ist er ein überlebensgroßes Konterfei - ist er fast ein Begriff, zum mindesten ein Symptom. Auf dem Trümmerhaufen zerbrochener ethischer Wertungen macht sich das Verbrechen breit bis ins Frech-Gigantische, wird Genußsucht zur Krankheit, Fröhlichkeit zur Orgie. Vielleicht hat das lebendige Bild jener Zeit, ,Doktor Mabuse, der Spieler', auf seine Weise dazu beigetragen, der Menschheit von damals zu zeigen, wie ihre Zeit an ihren Nerven zerrte."

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Nach Mabuse wird es dann immer toller:

„Schatten", „Fünf unheimliche Geschichten", „Die schwarze Katze", „Der Selbstmörderklub", „Grausige Nächte", „Nosferatu" sind die bekanntesten. Sie haben ihr Gegenstück in dem amerikanischen Film „Trilby" (1916) (in Deutschland 1927 mit Wegener als Svengali verfilmt) und in den berüchtigten „Frankenstein"-Filmen gegen Ende der Stummfilmzeit.

Überhaupt gab es immer wieder Experimente. So die expressionistischen Filme „Doktor Caligari", „Genuine", „Raskolnikow", „Das Wachsfigurenkabinett", die allerdings dem Publikumsgeschmack allzu extrem entgegengesetzt waren und keinen Widerhall fanden.

Der Einfluß einer jüdisch-intellektuellen Geisteshaltung brachte es mit sich, daß eine bestimmte Art von Themen bevorzugt wurde, deren Wirkung auf ein empfängliches Publikum eine große Gefahr in sich barg.

  • Anmerkung : Hier lesen Sie wieder einen Seitenhieb auf die Juden, die auch noch im Hitler-Reich einen großen Teil der bekannten und befähigten Film-Künstler ausmachten.

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Die "jüdisch-intellektuelle" Geisteshaltung wird verdammt

Es war nicht mehr die letzten Endes primitive Erotik der Aufklärungsfilme, es war etwas viel Verhängnisvolleres, die Verbreitung einer müden, pessimistischen, zersetzenden Weltanschauung.

Das geschah oft mit künstlerisch eindrucksvollen Mitteln und ausgezeichneten Darstellern, was die gefährliche Wirkung nur erhöhte.

Nicht der gesunde, aktive, arbeitsfreudige (Anmerkung : dumme und indoktrinierbare) Mensch, der ein Ziel hat und Freude an der Leistung, stand im Mittelpunkt der Handlung, sondern der körperlich und noch mehr der seelisch kranke Mensch, der seinem eigenen zerfahrenen Weltbild den Stempel der Allgemeingültigkeit aufdrückte.

Man kann hier im Anschluß an die vorgenannten Beispiele an den psychoanalytischen Film „Geheimnisse einer Seele" (1926) erinnern, der die Messerphobie, das heißt die Angst, ein Messer zu berühren, in den Mittelpunkt der Handlung stellt. Werner Krauß bot eine erschütternde Leistung, aber diese dämonische Symbolik einer ausweglosen psychischen Krankheit ist kein Thema für ein breites Publikum.

Eine dekadente Mystik, falsch verstandene indische Religionsphilosophie, Nirwana-Seligkeit und ein okkulter Fatalismus wirkten entnervend auf jede Lust zum Lebenskampf. Düstere soziale Bilder verschärften die Klassengegensätze. Hoffnungslosigkeit und Last des Lebens untergruben den Lebensmut des arbeitenden Menschen. Die deprimierende Wirkung solcher Filme war außerordentlich stark.
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Ein gewaltiger Film wie „Metropolis" (1926)

Von solchen Gesichtspunkten aus fordert auch ein so gewaltiger Film wie „Metropolis" (1926), der die Erschaffung des künstlichen Menschen zum Thema hatte, zum Widerspruch heraus. „Über Nacht war im Ufa-Atelier eine große unsinnliche, beinahe steril wirkende Halle gebaut worden", erzählt O. Kalbus, „das Laboratorium des Erfinders Rotwang. Voll von verwirrenden Apparaten, Maschinen, Induktoren, Schalttafeln, Kabeln, Schwungrädern und Treibriemen, formelbedeckten Tabellen, Starkstromleitungen, in Gläsern kochenden, auf und nieder steigenden chemikalischen Flüssigkeiten, Hebeln, Rädern und Gestängen.

Quecksilberlampen erhellten den Raum. Auf ihrem einsamen Sitz die grauenvoll anziehende Menschenmaschine, die mit dem lebendigen Fleisch der gefangenen Maria umkleidet und mit ihrem Herzschlag belebt werden soll. Sie soll die Erscheinung des reinen Mädchens haben, aber ihr Handeln wird böse sein nach dem Willen ihres Schöpfers. Gehen wie ein Automat kann der Maschinenmensch Rotwangs schon. Nur denken und fühlen soll er noch ......"

Phantastische technische Leistungen, ein Höhepunkt des utopischen Films, faszinierende Massenwirkungen, große schauspielerische Leistungen Heinrich Georges, Alfred Abels, Rudolf Klein-Rogges und der neuentdeckten Brigitte Helm ...... Aber welch eine Verzerrung des sozialen Zukunftsbildes der Menschheit.

Dem schrankenlosen Lebensgenuß der begüterten Schichten, die meist unermeßlich reich erscheinen und nicht arbeiten, wird der ausgebeutete Arbeiter entgegengestellt, der Lohnsklave, der unter der Last der Arbeit keucht und von einer erbarmungslosen sozialen Ungerechtigkeit zermalmt wird.

Solche Gegenüberstellungen wirkten aufreizend, verschärften die Gegensätze und untergruben den Sinn für das gemeinsame Schicksal, dem alle Teile eines Volkes gleicherweise verfallen sind.
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Fassen wir zusammen : (wer ist "wir" ?)

Die Kritik am deutschen Stummfilm, das gilt übrigens auch für die Tonfilme vor 1933, richtet sich nicht gegen seinen künstlerischen Werdegang - es hat viele hervorragende Leistungen gegeben - sondern gegen die ethische Richtung, in die er gedrängt wurde.

Es ist auch nichts auszusetzen, wenn verirrte Menschenschicksale gestaltet werden; ohne Konflikte, ohne Schuld und Sühne, Irrtum und Läuterung kann ja kaum ein dramatisches Geschehen geformt werden.

Aber es ist etwas anderes, ob man diese dramaturgischen Wesenselemente mit einer positiven oder negativen Zwecksetzung gebraucht. In der Stummfilmzeit haben sich alle Zweige der Filmgestaltung vervollkommnet. Die Regisseure haben die Eigengesetzlichkeit des Films erkannt, die Kameraleute haben wunderbare Bilder gestaltet, die Schauspieler die Menschengestaltung auf die Höhe des ernsten Theaters gebracht.

Es hat dichterische Drehbücher gegeben, historischtreue Bauten und Kostüme und eine filmeigene Musik. So hat der Stummfilm, wenn auch nicht weltanschaulich, so doch fachlich alle jene Grundlagen geschaffen, die der Tonfilm in der Jetztzeit zur Gestaltung des künstlerischen Films benötigte.
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Weitere Kritik ...

Und doch bleibt noch ein Gebiet, das zur berechtigten Kritik herausfordert: das sind die unsicheren wirtschaftlichen Grundlagen des Films der damaligen Zeit, seine "Verjudung" und die damit verbundene Spekulation, das sind die Geschäftspraktiken, die oft genug zu Konkurs und Gerichtsverfahren führten.

Anmerkung : Wieder ein nationalsozialistscher Seitenhieb mit dem hitlerschen Begriff "Verjudung", und alles schön unscheinbar in den Kontext eines Satzes eingepflegt.

L'Estrange Fawcett schrieb 1927 über die Zustände beim europäischen Film:

„Leider traut in der Filmbranche einer dem anderen nicht über den Weg. Der Verleiher sagt dem Kinobesitzer nach, er sei schmutzig und kleinlich, dieser beschuldigt jenen habsüchtiger Härte. Vom Erzeuger ist hierzulande überhaupt nicht die Rede; alles verläßt sich auf den amerikanischen Kitsch, und niemand denkt an die Zukunft."

Er verweist dann darauf, daß die Amerikaner darangehen, in Europa Kinos zu erwerben, in denen sie ihre eigenen Filme spielen, und daß der europäische Film in Gefahr ist, vollständig der amerikanischen Konkurrenz zu erliegen.
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  • Anmerkung : Kein Wort davon, daß in Deutschhland die TOBIS als Syndikat und Monopol gegründet wurde, um so die Filme des Auslandes zu blockieren.

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Die Sicht auf die wirtschaftspolitische Seite des Films

Wenn man also das Phänomen Film nicht nur von seiner technischen, künstlerischen, volkspsychologischen und ethischen Seite, sondern auch von der höchst bedeutenden wirtschaftspolitischen betrachtet - und nur so ergibt sich das Gesamtphänomen -, dann ist ein Blick auf jene interessante Epoche unerläßlich, die man als den Kampf des amerikanischen Films um den europäischen Markt bezeichnen könnte.

Je mehr sich der Film entwickelte, desto teurer wurde seine Herstellung, desto größer die Summen, die er zur Produktion benötigte und die sich nur bezahlt machten, wenn der Absatz der Filme ein entsprechend gesicherter war.

Von der Illusion eines freien Welthandels ausgehend, hatte man in Europa dem amerikanischen Film Tür und Tor geöffnet. Zu spät erkannte man, daß damit die Axt an die Wurzel der eigenen Filmproduktion gelegt war.

England, Frankreich, Italien und viele kleinere Staaten haben das büßen müssen. Der deutsche Film geriet zuletzt ebenfalls in Gefahr, vom amerikanischen Großkapital verschlungen zu werden.

Wir haben die Entwicklung des deutschen Stummfilms überblicksartig, etwa bis in die Jahre 1929/30, verfolgt; bis in die Zeit, da plötzlich der Lichttonfilm zur Herrschaft kam. Damit begann eine neue Epoche. Noch einmal gewann - für kurze Zeit - die Technik das Übergewicht über das Spiel.

Ehe wir uns aber dem Tonfilm zuwenden, soll ein kurzer Rückblick auf den gewaltigen Kampf des amerikanischen Films mit dem europäischen das Verständnis für die Wichtigkeit schärfen, die der unabhängige deutsche Film für Deutschland besitzt.
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