Das Buch der "Filmspiegel" aus Wien "aus dem Jahr 1941 !!"
Österreich war 1941 bereits an das grossdeutsche Reich von Hitlers Gnaden angeschlossen, aber als kleines Anhängsel. Und der Wiener Autor Rudolf Oertel faßt die bis dato bekannte Historie des Kino-Films aus Wiener Sicht zusammen. Bis etwa Seite 120 (von 310) kommen zwangsläufig NAZI-Kultur-Gedanken moderat zum Vorschein, dann aber wird es überraschenderweise sehr befremdlich nationalsozialistsch judenfeindlich, genau wie überall im 3.Reich auch. Die einführende Seite finden Sie hier.
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Jeder Film (im Jahr 1941) muß "vorgeführt" werden
Ist der Film dann endlich abgedreht, sind Atelier- und Freilichtaufnahmen beendet, alle Muster kopiert, synchronisiert, geschnitten, gemischt, was oft Wochen, ja Monate über die Dreharbeit hinaus dauern kann, dann wird der Vorspann (Titel, Personenverzeichnis usw.) angefügt und der fertige Film vom Produktionschef, beziehungsweise von der Produktionsfirma als zensurreif erklärt.
Er wird nunmehr dem Reichsfilmdramaturgen und den zuständigen Stellen des Propagandaministeriums vorgeführt, wenn er als gut oder künstlerisch wertvoll befunden, mit einem Prädikat ausgezeichnet, der Zensur vorgelegt und von dieser zur öffentlichen Vorführung freigegeben.
- Anmerkung : Nicht erwähnt wird hier natürlich, daß im Hitler-Deutschland ein fertiger Film vom PROMI auch verboten werden kann.
Mit der Ablieferung und Abnahme durch den Verleih scheidet er aus der Produktion.
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Wie geht es weiter ?
Der Verleih hat inzwischen die nötige Propaganda in der Presse besorgt, den Uraufführungstermin festgelegt. Wenn er dann endlich an einem festlichen Abend zum erstenmal auf der Leinwand eines Lichtspieltheaters erscheint, hat eine vielmonatige intensive Arbeit ihren krönenden Abschluß gefunden.
Die Uraufführung eines guten Films wird heute von der Presse ebenso als künstlerisches Ereignis gewertet wie die Uraufführung einer Dichtung am Theater. Das war nicht immer so, im Gegenteil, fast zwei Jahrzehnte lang haben die großen Zeitungen den Film als etwas Minderwertiges behandelt und höchstens ablehnend von ihm Notiz genommen.
In Deutschland erschienen im September 1909 in der Berliner LBB im Anschluß an die Eröffnung des Uniontheaters am Alexanderplatz die ersten regelrechten Filmkritiken, die dann allmählich auch in der Tagespresse einen immer größeren Raum erhalten haben.
In Amerika verschlingt die Zeitungsreklame der Filmfirmen jährlich viele Millionen Dollar. Seitenweise wird über Film und Filmklatsch berichtet und natürlich sind dann auch die Filmkritiken entsprechend gefärbt.
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Noch einige Worte über die Herstellungskosten eines Films.
Erinnern wir uns an die bescheidenen Summen in den Kinderjahren, die dann zum erstenmal bei den historischen Filmen der Italiener in die Hunderttausende gingen und in den amerikanischen Riesenfilmen die Millionen Dollar-Grenze überschritten.
In den Jahren nach dem (ersten) Weltkrieg war der „Millionenfilm" Trumpf; nicht der Regisseur, nicht die Schauspieler, sondern die Summen, die so ein „Kolossalgemälde" verschlungen hatte, standen im Mittelpunkt der Reklame und übten eine faszinierende Anziehungskraft auf das Publikum aus.
Man ist dann aus wirtschaftlichen Gründen wieder bescheidener geworden und gab vernünftigerweise der künstlerischen Qualität vor dem Aufwand den Vorzug. Gegen Ende der Stummfilmzeit hat ein mittlerer Film in Deutschland etwa 50.000 bis 100.000 Reichsmark gekostet.
- Anmerkung : War das vor oder während der Inflationszeit ?
Mit dem Tonfilm schnellten die Herstellungskosten natürlich bedeutend in die Höhe und haben bis heute eine steigende Tendenz bewahrt.
Um 1939 kostete ein kleiner Film etwa 300.000, ein mittlerer 500.000 bis 800.000 Reichsmark, ein Spitzenfilm 1 bis 3 Millionen Reichsmark oder noch mehr.
Jede große Produktionsfirma wird in ihrem Jahresprogramm billige und teure Filme herstellen, wobei die mittleren überwiegen.
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Zuletzt ein kleines Spiel mit Zahlen:
Als Durchschnittslänge eines normalen Spielfilms nimmt man 2.500 Meter an („Morgenrot" 2.338 Meter, „Die Reise nach Tilsit" 2.540 Meter, „Bei ami" 2.750 Meter, „Olympia I" 3.474 Meter. „Ohm Krüger" 3.620 Meter).
Ein Meter Film enthält 52,75 Bilder. Ein Bild hat die Abmessungen von 16 x 22 Millimeter, die Breite des Tonstreifens beträgt 2,3 Millimeter, die einzelnen Bilder werden durch den sogenannten Bildstrich voneinander getrennt, der nicht ganz 3 Millimeter beträgt.
Die Filmgeschwindigkeit bei der Vorführung ist einheitlich mit 24 Bildern je Sekunde festgelegt worden, also laufen 0,456 Meter in einer Sekunde durch das Bildfenster des Projektors.
Ein Film von der Länge von 2.500 Meter besteht demnach aus ungefähr 131.875 Einzelbildern und braucht 90 Minuten, also eineinhalb Stunden zur Vorführung.
DIE „ROMANTIK" DES ATELIERS
Das „Filmen" stellt sich der Laie meist als den Inbegriff der Romantik vor. In Wirklichkeit ist es oft nicht nur eine schwere psychische, sondern manchmal auch eine schwere physische Arbeit. Jedenfalls aber eine Arbeit und viel weniger Romantik, als man denkt.
Ob Filmstar oder kleine Komparsin, meist müssen sie schon um sieben oder acht Uhr früh im Atelier antreten. Dann beginnt das langwierige Kostümieren, Schminken und Frisieren und das Warten.
Natürlich ist jeder Drehtag genau eingeteilt, die Szenen, die gedreht werden sollen, sind festgelegt und der Stundenplan aufgestellt, aber niemand kann sagen, wie es dann wirklich kommt, niemand kann voraussehen, wie oft man eine Szene proben muß, bis sie sitzt, ob man sie dreimal oder zehnmal drehen muß, bis sie ihre vollendete Formung erhalten hat.
Manchmal klappt das Zusammenspiel nicht oder der Darsteller spielt anders, als es sich der Regisseur vorgestellt hat; oft sind es nur Kleinigkeiten, aber man muß daran herumfeilen; dann wieder verspricht sich einer oder macht eine falsche Bewegung oder der Kameramann findet plötzlich die Beleuchtung nicht in Ordnung, die Schatten zu dunkel oder eine Ecke zu hell, oder dem Regisseur fällt ein neues Requisit ein oder eine elegantere Wendung des Dialogs, oder ein anderer Abgang, oder er sieht mit einem Male die Möglichkeit für einen dramatischen Ausbruch, der den Drehbuchautoren entgangen ist, oder vielleicht merkt er beim Drehen, daß hier noch ein Gag zur letzten Komik fehlt.
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80% der Zeit "am Set" geht mit "Warten" drauf.
All das kostet unvorhergesehene Zeit. Dann wieder war der Ton schlecht, der Tonmeister möchte die Szene noch einmal haben, oder der Kameramann möchte sie wiederholen, weil ihm eine andere Schwenkung der Kamera eingefallen ist, dann wieder ist das Filmband zu Ende oder der Tonmeister ruft, daß er frisch einlegen muß. Das alles kostet Geduld und Nerven.
Der Produktionsleiter zählt besorgt die Einstellungen, die noch gedreht werden sollen, die Zeit vergeht. Und ringsum, zwischen den Kulissen oder in den Garderoben, warten seit Stunden die geschminkten Darsteller auf die nächste Szene. Noch einmal das Ganze von vorn, niemand darf die Lust verlieren, niemand darf nervös werden, am wenigsten der Regisseur.
Dazu herrscht "manchmal" (fast immer) eine fürchterliche Hitze, nicht mehr so arg wie in früheren Jahren, aber arg genug. Dazu manchmal im Hochsommer die schweren Kostüme, Herren und Damen im dicken Samt der Barockzeit mit Perücken und gepudert oder in Frack und Abendkleid, alles soll tadellos und nicht zerknittert sein.
Wenn man so seit den frühen Morgenstunden, aufgeputzt und halb bewegungsunfähig, untätig auf sein Stichwort wartet und allmählich Mittag herankommt, dann vergeht einem die Romantik dieses schönen Berufes. Da kleben die armen Komparsen meist wie die Fliegen auf den Stühlen, und wenn sie endlich aufgerufen werden und nun mit strahlendem Lächeln fröhlich und vergnügt vor die Kamera tänzeln sollen, dann lernt man schon begreifen, daß auch dieser Beruf seine Tücken hat.
Alle Schwierigkeiten der Aufnahmen und alle Zwischenfälle verzehnfachen sich aber, wenn es sich um Massenszenen handelt. Dem Regisseur rinnt der Schweiß herunter, wie oft hat er seinem Heer schon bis ins kleinste erklärt, um was es sich handelt, ein paar Begriffsstutzige sind immer darunter, die es falsch machen.
Hilfsregisseur (heute Regieassistent) und Aufnahmeleiter schießen herum und treiben ihre Herde zusammen, die berühmte Hauptdarstellerin drängt sich schon ein dutzendmal durch die Menge, um ihren Geliebten zu retten, sie wird dabei vorgeschriebenermaßen zur Seite gestoßen oder beschimpft oder tätlich bedroht, sie weint und bittet und schreit vergeblich, so wie es der Autor in seiner sadistischen Phantasie „gedichtet" hat - na, endlich ist es so weit.
Sie ist zwar schon heiser, auch ihres Helden edles Organ hat nicht mehr den richtigen metallischen Klang, aber einmal geht es schon noch. Da fliegt dann gelegentlich ein Flugzeug über das Atelier und das Motorgeräusch ist in der Tonwiedergabe zu hören, oder wenn es eine Freilichtaufnahme war, kommt eine Wolke zur richtigen Zeit, und alles war umsonst.
Wenn es aber eine Ballettszene ist oder ein Massentanz und die Armen müssen nach stundenlangem Warten nun stundenlang den gleichen stürmischen Walzer tanzen und dabei die beste Laune zeigen und vor tollem Übermut nur so schäumen, obwohl die einen vor Hunger umfallen könnten oder aus Müdigkeit am liebsten schlafen möchten, oder andere die Schuhe drücken ........ .
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Man kann das so endlos fortsetzen ......
Es ist alles in allem die Romantik des Ateliers. Gewiß, für Pressevertreter oder illustre Besucher, die gelegentlich einmal ins Atelier kommen (Der Bock von Babelsberg) und eine Viertelstunde zusehen, ist es ganz interessant, aber beruflich jahraus, jahrein dabei zu sein, das ist eben eine andere Sache.
Manchmal wird ein Darsteller krank. Einen Komparsen kann man ersetzen, aber wenn es sich um eine tragende Rolle handelt, dann stockt die Arbeit, jeder verlorene Tag kostet viele tausend Mark, das ganze Arbeitsprogramm droht über den Haufen geworfen zu werden.
Da kommen dann die Ärzte, und wenn es nur irgendwie zu verantworten ist, bekommt der Kranke Pillen und Injektionen und fährt trotzdem ins Atelier und spielt mit hohem Fieber, Angina und, was weiß ich, was noch, seine Rolle. Es ist das gleiche Pflichtbewußtsein, das in so vielen Anekdoten vom Theater her überliefert ist, und es gibt da nur wenige Ausnahmen.
Häusliches Unglück, seelische Katastrophen, körperliche Indispositionen, was geht das alles das grausame Gesetz des Films an. Man muß lachen, wenn einem zum Weinen ist, und wenn man in der rosigsten Laune ins Atelier kommt, muß man im nächsten Augenblick in den Schmerz seiner Rolle versinken können, sonst ist man kein Schauspieler. Je mehr einer beim Film gilt, desto unerbittlicher muß er seinen Beruf ernst nehmen, sonst ist er fehl am Platz; das gilt vom Regisseur herab für alle.
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Es gab da bedrückende Unglücksfälle
Das Gesetz der gemeinsamen Arbeit kann auf den einzelnen nicht viel Rücksicht nehmen. Im vergangenen Sommer, während eines heißen Drehtages, stürzte ein alter Komparse bewußtlos zusammen. Man brachte ihn in die Garderobe. Ehe der Arzt kam, war er einem Herzschlag erlegen.
Einen Augenblick lang stockte die Arbeit, einen Augenblick lang sah man die verstörten Gesichter seiner Kollegen, die seit Jahren mit ihm zusammen gearbeitet hatten, dann ertönte der unerbittliche Ruf zur nächsten Aufnahme, und während noch der eine tot in der Garderobe lag, tönten von nebenan die fröhlichen Weisen eines Walzers herüber, die eine Kapelle zur nächsten Szene aufspielte.
Wenn heute auch Unglücksfälle schon viel seltener sind als in der Anfangszeit, wenn die sozialen und hygienischen Einrichtungen eines modernen Filmateliers jede erdenkliche Rücksicht auf den kleinsten Mitarbeiter nehmen, so wird das Filmen doch niemals eine Spielerei sein, sondern eine Arbeit wie jede andere und oft eine schwere, die mit Gefahren verbunden ist.
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FILMSCHAUSPIELER
So kurz ist die Epoche des Films, daß selbst von den Schauspielern, die seine ersten Schritte begleiteten, noch viele leben. Dennoch hat der Tod manch tragische Lücke gerissen, er hat neben Alten auch ganz Junge von der Höhe ihres Ruhms auf immer entführt.
Max Linder hat sich erschossen, in Amerika war der Tod des Frauenlieblings Rudolfo Valentino ein Nationalereignis, Lon Chaney, der große Maskenkünstler und Charakterdarsteller ist tot, John Gilbert, Amerikas sympathischster Liebhaber, hat den Stummfilm nicht lange überlebt, und vor nicht langer Zeit ist die schöne Jean Harlow plötzlich gestorben.
In Deutschland war Albert Steinrück (1872-1929) der erste große Beherrscher der Leinwand, dessen Verlust der Film beklagen mußte. Viele andere sind ihm seither gefolgt: Max Adalbert, der große Berliner Charakterdarsteller, das wohlbekannte Gesicht Paul Biensfelds, dann der ewig lächelnde Schwerenöter Albert Paulig, der elegante Bruno Kastner, der vornehme Alfred Abel, der liebe alte Wilhelm Diegelmann, der treuherzige Willy Schur und in jüngster Zeit Rudi Godden, der, ein wirkliches Talent unter dem Nachwuchs, zu großen Hoffnungen berechtigte, und Ralph Artur Roberts, der meisterhafte Zeichner schrulliger Gestalten.
Vor allem aber sind da noch drei Namen ........
Niemand, der sie einmal gesehen hat, wird Renate Müller vergessen. Ihr Lied als Privatsekretärin „Ich bin ja heut so glücklich. .." hat ja einst eine halbe Welt gesungen. Sie ist jung gestorben, so jung wie die dreißigjährige La Jana, die man die schönste Tänzerin Deutschlands genannt hat. In „Truxa" hat sie sich in die erste Reihe getanzt. Dann folgten „Der Tiger von Eschnapur", „Das indische Grabmal", „Es leuchten die Sterne", und einige Wochen nach ihrem plötzlichen Tod sah man sie zum letztenmal in „Der Stern von Rio".
Es ist dann immer ein merkwürdiges gespenstisches Gefühl, einen Menschen tot und kalt unter der Erde zu wissen und ihn hinterher noch einmal im dunklen Raum strahlend jung, lachend und lebendig und ganz ohne Ahnung seines nahen Verhängnisses im Schattenspiel, diesem Widerspiegel des Lebens, zu begegnen. Erinnert das nicht an die alten Zauberkünste eines Walgenstein und Schröpfer, an die Phantasmagorien eines Robertson?
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Adele Sandrock
Auch Adele Sandrock soll hier genannt werden. In ihrer Jugend eine leidenschaftliche Gestalterin klassischer Rollen, die bewunderte und gefeierte Heroine des Burgtheaters und der deutschen Bühne überhaupt, in reifen Jahren auch schon gelegentlich beim Film tätig, ist sie nach Jahren der Zurückgezogenheit als alte Frau plötzlich wieder beim Film aufgetaucht, als komische Alte. Ein kühner Rollenwechsel, wenn man ihre künstlerische Herkunft in Betracht zieht.
Und doch ist ihr damit das schier Wunderbare gelungen, sie hat die Zauber aller Liebespaare, die in ihren Filmen spielten, restlos geschlagen. Sie ist durch Jahre der beliebteste Komiker des deutschen Films gewesen, mit ihrem trockenen Humor, mit ihrem großmütterlichen Herrentum, mit jedem Blick und jeder Geste nicht nur ein urkomischer Anblick, sondern auch eine Darstellerin voll tiefer Menschlichkeit, eine ganz große Künstlerin, die in ihrer Art noch keine Nachfolgerin gefunden hat.
Sie alle, die uns so oft durch ihr Spiel erschüttert, ergriffen, mitgerissen oder mit herzlichem Lachen beschenkt haben, werden wir in keiner Rolle mehr sehen. Man könnte sagen, daß nun gerade der Tonfilm das Wunder vollbracht hat, sie fortleben zu lassen. Aber auf wie lange?
Die Filme, in denen sie spielten, sind veraltet und kehren nicht wieder. Das Zelluloid, das ihr Abbild trägt, ist zerbrechlich. Wir tragen die Erinnerung mit uns, aber den Nachkommenden bleibt bestenfalls ein Name, der allmählich von anderen Namen verdrängt wird ......
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Nichts in der Welt verblaßt rascher als Filmruhm.
Er ist die Eintagsfliege der Unsterblichkeit. Das gilt sowohl für das einzelne Filmwerk wie für den Filmschauspieler, und der Satz, daß die Nachwelt dem Mimen keine Kränze flicht, hat hier schon eine diesseitige Bedeutung erlangt.
Wie viele Stars, gestern von Millionen gefeiert, Namen, die schon die Schulkinder kannten, sind heute vergessen, und nicht nur die Nachwelt, auch schon die Mitwelt erinnert sich ihrer nicht mehr. Nur einige wenige werden in der Filmgeschichte fortleben.
Wenn wir in die deutsche Stummfilmzeit zurückblättern, finden wir besonders bei den Darstellerinnen Namen, die vor zwanzig oder vor zehn Jahren auf der Höhe ihres Ruhmes standen: Fern Andra, Mady Christians, Xenia Desni, Lien Deyers, Erika Gläßner, Mia May, Lia Mara, Hella Moja, Lotte Neumann, Ossi Oswalda, Lya de Putti, Magda Sonja, Wanda Treumann, Hanni Weiße, Dorit Weixler ..... Kaum eine erscheint heute noch auf der Leinwand.
Bei den männlichen Darstellern ist der Übergang ins ältere Rollenfach leichter: Emil Jannings, Werner Krauß, Heinrich George sind heute noch das Rückgrat des deutschen Films. Eugen Klopfer, Paul Hartmann, Willy Fritsch, Iwan Petrovich, Georg Alexander, H. A. von Schlettow, Fritz Kampers, Johannes Riemann zählen noch immer zu den markanten Erscheinungen auf der Leinwand.
Unter den Frauen haben sich in erster Linie Lil Dagover, Liane Haid und Henny Porten behauptet.
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Der Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm - eine Katastrophe
Ein Kapitel für sich und manchmal eine Katastrophe war für viele Schauspieler der Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm. Das berühmteste Beispiel mag wohl John Gilbert, der Partner Greta Garbos in „Anna Karenina" und vielen anderen Filmen, sein.
Es hieß plötzlich, daß er, der im Stummfilm der vielleicht beliebteste amerikanische Liebhaber gewesen war, eine zu hohe, zu dünne Stimme für das Mikrophon habe. Alle seine verzweifelten Bemühungen haben nichts genützt. Er ist dann bald unter tragischen Umständen gestorben.
In Deutschland war Bruno Kastner ein ähnlicher und nicht der einzige Fall. Eine glänzende elegante Erscheinung und vielumschwärmter Liebhaber des deutschen Stummfilms, bis es dann im Tonfilm plötzlich vorüber war. Warum, wüßte eigentlich niemand genau zu sagen. Er war einfach außer Mode gekommen. All seine Anstrengungen und Hoffnungen auf eine Wendung des Schicksals waren vergeblich. Wie so viele Schauspieler an ein kostspieliges Leben gewöhnt, geriet er bald in Not und fand als letzten Ausweg die Kugel.
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Gute Schauspieler und große Schauspieler
Überblicken wir nun die schauspielerischen Kräfte, die dem gegenwärtigen deutschen Filmschaffen zur Verfügung stehen, so kann man einen Satz obenan stellen: Gute Schauspieler gibt es allenfalls genug, aber große immer zu wenig.
Dieses Buch ist kein Schauspielerlexikon, ich kann daher nur einige Namen nennen. Allen voran Emil Jannings, der seit fast drei Jahrzehnten im deutschen Film eine solche Fülle von bedeutenden Gestalten dargestellt hat, daß man an seiner Leistung allein eine Geschichte des deutschen Films schreiben könnte. Ihm reihen sich Heinrich George, Eugen Klopfer, Werner Krauß, Paul Wegener würdig an. Jeder ein ganz großer Menschengestalter. Keine andere Filmnation, auch die amerikanische nicht, hat dieses Fach besser vertreten.
Eine besondere Stellung nimmt Gustaf Gründgens ein. Er ist ein eminenter Schauspieler, seine Sprachkultur und seine geistvolle Gestaltungskraft lassen ihn als Darsteller und Spielleiter stets eigene Wege gehen.
Als „Charakterheld und schwerer Liebhaber", wenn man diese Theaterbegriffe übernehmen will, ist Willy Birgel in den letzten Jahren der Held einer Anzahl guter Filme gewesen. Seine verhaltene Art und ruhige Energie, die sich ohne große Geste Geltung verschafft, erweisen ihn als zeitnahen Typus des Mannes.
Diese Charakterisierung gilt auch für Carl Ludwig Diehl, der in seiner Person ähnliche Vorzüge vereinigt, die ihn zu einem der beliebtesten Darsteller gemacht haben. Endlich gehört in diese Gruppe Paul Hartmann, der nicht nur ein großer Schauspieler der Sprechbühne ist, sondern sich auch im Film seit langem in die erste Reihe gespielt hat.
es geht weiter
Den dämonisch eleganten Weltmann hat Rudolf Forster verkörpert. Es ist ein natürliches Herrentum in seinem Wesen, das ihn zu einem überzeugenden Gestalter ausgeprägter Persönlichkeiten stempelt.
Als Typus des sieghaften Draufgängers ist „der Hans in allen Gassen", Hans Albers, ein Begriff geworden. In letzter Zeit hat er sich auch als ernster Charakterdarsteller durchgesetzt.
Unter den jüngeren und eigentlichen Liebhabern nehmen alles in allem gesehen noch immer Willy Forst, Willy Fritsch und Gustav Fröhlich den ersten Platz ein. Willy Forst hat 1925 seine erste Hauptrolle gespielt, in „Cafe Elektric" (1927, Regie Gustav Ucicky) war er der Partner Marlene Dietrichs. „Zwei Herzen im Dreivierteltakt" (1929) und eine Reihe von Bolvary- und Hartl-Filmen brachten ihn in die vorderste Reihe. 1933 begann seine Laufbahn als Regisseur, zu deren fähigsten er seither gehört.
Willy Fritsch hat im Tonfilm zeitweilig die einstige Beliebtheit Harry Liedtkes erreicht. In einer Unzahl von Tonfilmoperetten, besonders der ersten Jahre, war er der große Herzensbrecher des deutschen Films. Er und seine Partnerin Lilian Harvey galten als der Typus des Filmliebespaares, und mit ihr zusammen hat er, wie z. B. in „Der Kongreß tanzt", Welterfolge erringen können.
Auch Gustav Fröhlich, etwas reifer, betont männlicher, hat vom „Unsterblichen Lumpen", jenem ersten deutschen Tonfilm, an eine lange Reihe von Erfolgen aufzuweisen.
Hermann Thimig soll in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. Als charmanter Liebhaber und Partner Renate Müllers hat er große Popularität erreicht.
Nennen wir noch Wolf Albach-Retty, Hans Holt, Attila Hörbiger, Viktor de Kowa, Albert Matterstock, Carl Raddatz, Johannes Riemann, Heinz Rühmann, Karl Schönböck, Albrecht Schoenhals, Hanns Söhnker, Hannes Stelzer, Hans Stüwe. Damit sind die Liebhaber des deutschen Films so ziemlich beisammen, der charmante Georg Alexander nicht zu vergessen.
Heinz Rühmann - der ausgeprägteste Komiker
Neben ihm ist Heinz Rühmann der ausgeprägteste Komiker. Mit seiner liebenswürdigen Schüchternheit und seinen sympathischen Hemmungen ist er geradezu der Antipode Hans Albers. Seinen größten Erfolg hat er wohl gemeinsam mit Hanns Söhnker in „Der Mustergatte" errungen.
Das Wiener Gemüt, eine besondere Art der Menschlichkeit, wird im deutschen Film seit vielen Jahren von Paul Hörbiger betreut. Als jüngst eine Zeitung unter ihren Lesern eine Umfrage nach dem beliebtesten Filmschauspieler hielt, lauteten die meisten Stimmen auf seinen Namen. Das mag stimmen. Heiter, frohgelaunt sind seine Gestalten, ein wenig leichtsinnig, nicht ganz fehlerfrei, aber nie ohne Herz und Güte. Er findet den Weg zum Gemüt seines Publikums, darin liegt wohl das Geheimnis seiner Wirkung.
Nur Hans Moser kommt ihm an Popularität gleich. Er ist der geborene Volksschauspieler. Seine schrulligen Gestalten, dickschädlig, rechthaberisch, wichtigtuend, sind so recht das Spiegelbild allgemein menschlicher Schwächen. Ein ewiger Herr von Adabei, der schusselig und leicht Verwirrung stiftend unter rauher Schale doch einen guten Kern besitzt und daher zuletzt alles zum Guten wendet, das ist ein komischer Held nach des Volkes Sinn.
Nun noch einige Namen:
Ewald Baiser, Hans Brausewetter, Siegfried Breuer, Paul Dahlke, Rene Deltgen, Will Dohm, Rudolf Fernau, Alexander Golling, Paul Henckels, Werner Hinz, Walter Janssen, Hans Junkermann, Fritz Kampers, Christian Kayßler, Friedrich Kayßler, Paul Kemp, Gustav Knuth, Theo Lingen, Theodor Loos, Ferdinand Marfan, Herbert von Meyerinck, Fritz Odemar, Paul Otto, Harald Paulsen, Peter Petersen, Anton Pointner, Erich Ponto, Fritz Rasp, Paul Richter, Sepp Rist, Franz Schafheitlin, Ludwig Schmitz, Hans Schott-Schöbinger, Oskar Sima, Karl Skraup, Hermann Speelmans, Otto Treßler, Rolf Wanka, Otto Wernicke, Matthias Wiemann.
Jeder einzelne von ihnen ein wohlbekanntes Gesicht, eine charakteristische Persönlichkeit, alles in allem die Elite der deutschen Filmschauspieler. Ich kann sie hier nur alphabetisch aufzählen.
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Kommen wir zu den Frauen
Unter den Frauen steht Paula Wessely an Gestaltungskraft obenan. Längst eine berühmte Darstellerin der Bühne, hat sie erst in „Maskerade" den Schritt zum Film gewagt. Es war ein Experiment, und es hat nicht an Zweiflern gefehlt. Aber ihr Sieg war bedingungslos.
Gerade diese ausgeprägte Theaterschauspielerin hat bewiesen, daß sich der Begriff des Nur-Filmschauspielers mit dem Stummfilm überlebt hat. Seit „Maskerade" hat sie jedem Film, in dem sie spielte, ihren künstlerischen Stempel aufgedrückt, und sie hat es nicht notwendig gehabt umzulernen.
So wie auf dem Theater spielt sie, trotz aller Differenzierung der einzelnen Gestalten, wie jeder große Schauspieler immer wieder sich selbst. Sie ist kein Star, sondern ein elementares Menschenkind.
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Zarah Leander, Sybille Schmitz, Brigitte Horney, Jenny Jugo
Von ganz anderer Art ist Zarah Leander, die neben der Wessely erfolgreichste Schauspielerin des deutschen Films. In Erscheinung und Haltung, in Bewegung und Gebärde von unfehlbarer Filmwirkung, ist sie der Typus des Stars - eine Art Symbol der schönen und hoheitsvollen Frau, was ihr eine internationale Wirkung sichert.
Wenn wir nach faszinierenden Persönlichkeiten fragen, so wird man vor allem Sybille Schmitz nennen müssen. Groß, schlank, mit einem nicht regelmäßigen, aber ungemein ausdrucksvollen Gesicht, ist sie die vielleicht interessanteste Frau des deutschen Films. Mit einer leichten Gebärde, einem leisen Wort oder auch nur mit einem Blick vermag sie die Dämonie und Hintergründigkeit des Weiblichen zu gestalten. Es ist allerdings zu bedauern, daß sie durchaus nicht immer ihrem Wesen kongeniale Rollen erhält.
Auch Brigitte Horney ist eine Frau besonderer Eigenart. Herb, verschlossen, mit einer tiefen und doch weichen Stimme, beherrscht sie ebenso die Kunst des dramatischen Ausbruchs wie die Kunst beseelten Schweigens.
Luise Ullrich von ganz anderer Art, ist zarter, kapriziöser, sie spielt mit einer irgendwie unergründlichen Einfalt und einer persönlichen Note, die sich vom ersten Augenblick an durchgesetzt hat.
Der Komiker unter den Liebhaberinnen ist Jenny Jugo, sehr hübsch und sympathisch, wenn es sein muß sehr temperamentvoll, ein Pechvogel und Enfant terrible, aber unfehlbare Siegerin nach einer Stunde Lachen. Auch sie hat in ihrer Art kaum eine Rivalin, außer der mehr der Groteske zuneigenden Anny Ondra.
Als Salondame, als die Dame aus der guten Gesellschaft, wird man Olga Tschechowas unübertroffenen Charme immer wieder bewundern. Sie ist darin Meisterin in einem Fach, das leider dünn besetzt ist.
Nur die elegante Lil Dagover und Hilde Weißner, die schöne und charmante Salondame des Berliner Theaters, wird man in diesem Rahmen besonders hervorheben müssen.
Eine der stärksten Kräfte des Theaters und des Films ist Käthe Dorsch, die in „Mutterliebe" eine ganz große Leistung erreicht hat.
Auch Ida Wüst, sozusagen der weibliche Moser, verdient ob ihrer Eigenart einer besonderen Erwähnung.
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Kommen wir zu den "Liebhaberinnen"
Erklärlicherweise ist gerade die Zahl der Liebhaberinnen aller Schattierungen besonders groß. Von der mimosenhaft sensiblen Viktoria von Ballasco bis zur kessen Grete Weiser, von der kühl verhaltenen Marianne Hoppe bis zur dramatisch wilden Heidemarie Hatheyer, von der leidenschaftlichen Kristina Soderbaum bis zur komisch sentimentalen Lucie Englisch, es ist eine reichliche Auswahl.
Ich muß mich auch hier mit der Aufzählung einiger Namen begnügen und füge gleich Charakterspielerinnen und älteres Fach hinzu. Es sind durchweg Namen, die sich beim Leser von selbst mit einer bestimmten Vorstellung verbinden:
Maria Andergast, Charlotte Ander, Fita Benkhoff, Hedwig Bleibtreu, Marialuise Claudius, Friedl Czepa, Charlotte Daudert, Else Elster, Herta Feiler, Heli Finkenzeller, Elisabeth Flickenschiidt, Jutta Freybe, Käthe Gold, Ursula Grabley, Käthe Haack, Karin Hardt, Marthe Harell, Kirsten Heiberg, Ruth Hellberg, Hilde Hildebrandt, Maria Holst, Carola Höhn, Camilla Hörn, Gusti Huber, Franziska Kinz, Hansi Knoteck, Dora Komar, Hilde Krahl, Christi Mardayn, Leny Marenbach, Trude Marien, Gerda Maurus, Lena Norman, Mady Rahl, Marika Rökk, Carla Rust, Angela Salloker, Magda Schneider, Hannelore Schroth, Margit Symo, Jane Tilden, Gisela Uhlen, Anneliese Uhlig, Ilse Werner, Dorothea Wieck, Gertrud Wolle, Gusti Wolf.
Der Filmschauspieler - von Glanz bis bitterer Enttäuschung
Der Beruf eines Filmschauspielers ist sicher einer der schönsten, den es gibt, und doch hat kein zweiter so wie er Tausende bitter enttäuscht und ihnen statt Aufstieg und Glanz ein Leben im Hintergrund voll vergeblichen Hoffens und Wartens, endlichen Ermüdens und im Alter Not und Entbehrung gebracht.
Von jenen, die sich durchgesetzt haben, soll hier nicht die Rede sein. Hier möchte ich nur einige Bemerkungen über jene viel größere Zahl der anderen anfügen, die es nicht erreicht haben.
Jedes weibliche Wesen träumt wenigstens einmal in seinem Leben davon, Schauspielerin zu werden. Besonders bei jungen Mädchen ist diese Krankheit so verbreitet wie die Masern, und durch keinerlei Vernunft zu bekämpfen.
Aber auch manche mondäne Frau spürt nach Jahren gesellschaftlicher Erfolge plötzlich das merkwürdige Bedürfnis, ihre auf dem glatten Parkett erworbene Geschicklichkeit, Komödie zu spielen, zu glänzen und zu blenden, auf den weltbedeutenden Brettern des Theaters oder im Filmatelier fortzusetzen und beruflich zu verwerten.
Ein Zyniker wird nun nicht bestreiten, daß in jeder Frau etwas von einer Komödiantin steckt; sie haben alle ein angeborenes Talent, den anderen etwas vorzuspielen, aber so tüchtig sie darin auch in ihrer privaten Sphäre sein mögen, das Komödienspielen als Kunst ist denn doch wohl schwerer und von besonderer Art.
Man kann es immer wieder erleben, daß reizende, natürliche Geschöpfe bei den Probeaufnahmen plötzlich unbeholfen, steif und unnatürlich werden und absolut nicht für den Filmberuf taugen.
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Probeaufnahme, der Wunschtraum aller Schauspielschülerinnen
Probeaufnahme. Sie ist der Wunschtraum aller Schauspielschülerinnen, sie ist beim Film dasselbe wie beim Theater das Vorsprechen, nur nicht so leicht zu erreichen, weil sie der Firma Geld kostet. Wer es dann doch dahin gebracht hat, glaubt sich nun schon am Ziel, aber das ist oft eine bittere Illusion. Jahr für Jahr werden Hunderte von Probeaufnahmen gemacht, und nur ein verschwindender Prozentsatz führt wirklich zu einer Filmrolle.
Eine solche Probeaufnahme besteht darin, daß man den Prüfling in einer angedeuteten Zimmerdekoration oder vor einer Wandfläche 1 bis 3 Minuten einen Dialog sprechen, ein Lied singen, einige Bewegungen ausführen läßt. Tragische Szenen aus klassischen Dramen sind hierbei nur bei jugendlichen Idealisten, keineswegs bei den Filmleuten beliebt, die die Prosa aus einem Gesellschaftsstück oder Lustspiel vorziehen.
Meist werden gleich ein Dutzend Probeaufnahmen an einem Vormittag oder nach Drehschluß hintereinander gemacht, es bleibt also wenig Zeit für individuelle Erfassung des einzelnen. Die neue Umgebung, die vielen Menschen, der technische Apparat verwirren den Neuling, dazu kommt das Lampenfieber, der Mangel an Proben, kurz, es ist nicht so einfach, sich da durchzusetzen.
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Ein Filmgesicht und die Körperformen
Es kommt nicht darauf an, schön zu sein, aber man muß ein Filmgesicht haben. Sehr kritisch ist die Kamera auch Körperformen gegenüber. Zarte, Schlanke kommen dabei am besten weg.
Übertriebene Bewegungen, „Theatergesten" wirken leicht lächerlich. Eine Todsünde ist das unmotivierte Hineinsehen in die Kamera. Auch muß man bei Nahaufnahmen darauf achten, daß nicht zu rasche Bewegungen aus dem Blickfeld des Objektivs führen.
Meist enden die Hoffnungen auf eine Hauptrolle damit, daß man sich begnügt, „vorläufig in der Komparserie auf die nächste Chance zu warten". Einmal muß doch der geübte Blick des Regisseurs das Talent im Verborgenen entdecken. Auch das bleibt meist eine vergebliche Hoffnung. Wer in der Komparserie gelandet ist, kommt nur selten wieder heraus. Es ist besser, diese harte Wirklichkeit rechtzeitig zu erkennen. Manche Enttäuschung kann damit vermieden werden.
Aber all diese pessimistischen Prognosen können den Zustrom, besonders den des weiblichen Nachwuchses, nicht hemmen. Daher gibt es in allen Filmzentren der Welt viel mehr Komparsen, als gebraucht werden.
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Die Reichsfilmkammer nimmt eben nicht jede Komparsin auf
Im Deutschen Reich ist die Reichsfilmkammer dabei, Ordnung in dieses Dilemma zu bringen. In Hollywood aber gehen die Statisten in die Tausende. Bei der dortigen Zentralagentur (Central Casting Association), in der alle Statisten aufgenommen werden, waren 1927 etwa 14.000 Personen (darunter 2.000 Kinder) vorgemerkt. Es werden heute kaum weniger sein. Wieviel menschliche Tragik mögen solche Zahlen wohl enthalten!
In Deutschland beträgt allein der weibliche Nachwuchs, der jährlich aus Schauspielschulen hervorgeht, sechshundert bis achthundert, von denen höchstens hundertsechzig bis zweihundert Aussicht haben, bei der Bühne unterzukommen.
Aus dieser Auslese der Talentiertesten (oder Glücklichsten) rekrutiert sich dann auch der Filmnachwuchs, während der Rest in der Komparserie oder in einem anderen Beruf landet. Viel günstiger liegen in Deutschland die Dinge für den männlichen Nachwuchs, der heute nicht nach der Bühne, sondern nach der Offizierslaufbahn und nach technischen Berufen drängt, so daß ein gewisser Mangel an Nachwuchs eingetreten ist. Hier haben Begabte, aber auch da nur wirklich Begabte, günstige Berufsaussichten.
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Die Sehnsucht nach dem Filmberuf ......
Daß die Sehnsucht nach dem Filmberuf vor zehn oder zwanzig Jahren nicht weniger heftig war wie heute, wissen wir. Während und nach dem (ersten) Weltkrieg gab es eine Zeit, da sich Mannequins und Kontoristinnen abends ins Filmcafe setzten, um rasch als Star entdeckt zu werden. Natürlich wollte man nicht ganz als Dilettantin die erste Hauptrolle spielen; zwar eine Schauspielschule zu besuchen, schien übertriebene Mühe, aber es gab ja Bücher zu kaufen mit dem verheißungsvollen Titel: „Wie werde ich Kinodarsteller" usw...
Ich kann nicht umhin, davon zwei Kostproben zu geben. Es soll ja auch der Humor in diesem Buch seinen Platz finden.
Zuerst ein Beispiel aus dem Jahre 1916. Ein gedruckter Lehrgang für Damen, die Stummfilmschauspielerinnen werden wollen. Darin ist unter anderem folgende Übung vorgesehen:
- „Sehnsucht, Erwartung."
- „Es ist Mittag, die gewöhnliche Zeit, in der Ihr Bräutigam Sie zu besuchen pflegt. Mit einer Handarbeit sitzen Sie im Zimmer, mit dem Rücken gegen die Tür. Rechter Hand befindet sich eine Uhr. Zufällig fällt Ihr Blick auf diese und wird ein geringes Erstaunen andeuten. (Leicht gehobene Augenbrauen, etwas leicht geöffnete Augen, sonst Ruhe im Gesicht.) Denken Sie sich die Worte: „Schon zwei Uhr? - Warum kommt er denn nicht?" Letztere Worte von leisem Kopfschütteln und Bewegung der Schultern begleitet. „Sonst kommt er doch schon um ein Uhr!" Dazu schmollende Bewegung des Mundes.
- (Beim Sprechen der Worte leicht gespitzte Lippen.) Plötzlich lauschen Sie hinaus, das Auge richtet sich auf einen Punkt, der lebhafte Ausdruck des Gesichtes wird einen Augenblick starr festgehalten, so daß beim Zuschauer das Gefühl erzeugt wird, die nächste Wahrnehmung geschehe mittels des Gehöres. Plötzlich jedoch löst sich die Spannung des Gesichtes, da Sie sich getäuscht haben.
- Denken Sie sich die Worte: „Nein, es war das Mädchen, das nach der Küche ging." Die frühere schmollende Bewegung des Mundes wird jetzt noch dadurch verstärkt, daß Sie oberhalb der Nase leicht die Stirn in senkrechte Falten legen. Dieser Ausdruck verschwindet auch nach kurzer Zeit, um dem der Sehnsucht Platz zu machen.
- Stellen Sie sich die Worte vor: „Und gerade heute habe ich solche Sehnsucht nach ihm", wobei Sie leicht träumerisch die Augen schließen und die Worte mit einem tiefen, langsamen Atemzug begleiten. Dieser Ausdruck wird plötzlich wie abgeschnitten verändert und geht wieder zu einer Starrheit, ich möchte sagen, zu einem starr gewordenen schelmischen Lächeln über, denn jetzt haben Sie unzweifelhaft den Erwarteten wahrgenommen. Sie erkennen ihn am Schritt im Vorzimmer.
- Je stärker Ihnen die Gewißheit wird, daß Sie sich nicht getäuscht haben, desto mehr weicht die Starrheit des Ausdruckes, um einer langsamen, lächelnden Bewegung um Augenwinkel und Mundwinkel Platz zu machen. Die Tür geht auf, der Erwartete tritt ein. Sie springen auf, eilen ihm mit ausgestreckten Armen entgegen. An der Tür erfolgt eine von einer Umarmung begleitete, herzliche Begrüßung."
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Das zweite Beispiel aus dem Jahre 1932
Das zweite Beispiel aus dem Jahre 1932 stammt aus einem Buch, das seinen filmsüchtigen Lesern den Weg zum Tonfilm weisen soll. Der Autor fängt so an:
„Viele Filmbegeisterte bestürmen mich mit der Frage: Wie wird man Tonfilmschauspielerin, bzw. -Schauspieler? Die Antwort auf diese Frage ergibt das vorliegende Buch".
Er bringt dann ebenfalls einzelne Übungen, denen ich folgende entnehme:
- „Gestaltungskunst: Die Liebe."
- „Was wir Filmmenschen von Liebe wissen sollen, ist das schöne, göttliche Lieben. Die Liebe beherrscht alle Filmhandlungen. Entscheidend für die Darstellung ist, ob die darzustellende Liebe platonisch oder erotisch ist. Folgend den Anweisungen des Stückes, bzw. des Regisseurs, müssen wir Liebe zu Partnerinnen oder Partnern mimen, die uns sonst gleichgültig, ja vielleicht sogar verhaßt sind. Nicht immer wird einem die Partnerin oder der Partner seelisch zusagen. Man hat sich ja oft im Leben gar nicht vorher gesehen und nur einige kurze Filmszenen ketten auf kurze Zeit zwei Menschenkinder in „Liebe" aneinander. Wie oft wird da erst auf der Filmszene mit kühler Verbeugung die Bekanntschaft gemacht!
- Nun, in der betreffenden Filmszene lernt man sich kennen, die Rollen hat man daheim durchstudiert, und jetzt erwartet man einfach die Instruktionen des Regisseurs. Also nur keine Sentimentalitäten! Es ist ja unser Beruf. Liebe aus einem Buch zu erlernen, ist natürlich nicht möglich und von ihr ganz unberührte Menschen werden in einer Liebesszene, besonders in einer verführerischen, nichts Besonderes leisten. Jeder sollte daher schon wissen, was Liebe sei, bevor er zum Film geht. Wenn beim Anblick der Auserwählten das Herz stürmisch zu klopfen beginnt, heiße Röte über die Wangen fliegt, ein Händedruck oder gar ein Kuß himmelhoch jauchzend und selig macht - nun, dann weiß man, was Liebe ist, Reine Liebe! Die erotische Liebe aber reißt den Menschen aus der himmlischen Verträumtheit in den Abgrund sinnlichen Genusses.
- Hier fallen Menschenschicksale, Moral, gute Vorsätze. Im zerrüttenden Bacchanale der tierischen Liebesgier fallen alle hemmenden Schranken. Verbrechen werden durch diese Liebe begangen, und oft nimmt so ein Menschenleben ein tragisches Ende. So will es unser entnervtes Zeitalter auch im Film sehen, und so müssen wir Filmdarsteller es darstellen - soweit es die Zensur erlaubt. Unsittlichkeiten schwererer Art dürfen wir allerdings verweigern. Wollte man über die Liebe schlechthin schreiben, dann müßte man die Liebeskulte der heutigen und der antiken Welt behandeln. Hierüber gibt es übrigens schon ausführliche Werke.
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Inhalt der Übung:
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- a) Liebessehnsucht, Verklärung;
- b) Liebeserklärung;
- c) die Umarmung;
- d) der Kuß;
- e) Verführungsmomente;
- f) Eifersucht. (Alle übrigen Nuancen wird der Regisseur schon selbst stellen.)
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- a) Liebessehnen. Verträumt, verzückt fällt der Blick ins Leere. Im Geiste sieht man die Geliebte (den Geliebten). Das tiefe Liebesgeheimnis läßt uns erschauern. Oh - wäre der Geliebte (die Geliebte) doch hier! Das ist das Sehnsuchtsbild. Selig verträumt sitzt man oder geht man in Gedanken versunken, ohne die Umgebung zu beachten. Die Qualen einer unerfüllten Liebessehnsucht sind oft schrecklich. Sie hängen ab von dem Temperament und dem Intelligenzgrade der Liebesleute und von allen örtlichen und gesellschaftlichen Umständen. Wird das Liebessehnen nicht erfüllt, dann tritt oft Gram hinzu, der tödlich wirken kann. Oft ist auch Selbstmord das Ende. Das wäre in Kürze die Psychologie der Liebessehnsucht. Übung: Achtung! 1. Blick ins Leere. Augen weit geöffnet. 2. Atem langsam und tief, zeitweilig seufzen. 3. Tränen in den Augen. 4. Verklärtes Lächeln. Antlitz verklärt. 5. Hände ans Herz gepreßt. 6. In die Hände schluchzen.
- b) Die Liebeserklärung. Trotzdem sie sehr einfach ist, wird sie doch oft in Filmszenen, besonders von Anfängern, schlecht gemimt. Übung: Achtung! 1. Herr verneigt sich. 2. Dame läßt errötend das Köpfchen sinken. Hände spielen nervös mit dem Handtäschchen oder Armband usw. 3. Herr zwei Schritte zur Dame hin. 4. Er ergreift leicht die Hände, die sie ihm überläßt. 5. Herr kniet nieder auf das dem Apparat zugekehrte Knie. Spricht: „Ich liebe dich." (Blick in Blick.) 6. Sie zieht ihn sanft zu sich empor. „Komm, Geliebter!"
- c) Die Umarmung. Von allen Impulsen der ersten erotischen Körperberührung erfaßt, schlingt der Herr den Arm um die Geliebte. Übung: 7. Die Damenhände langsam an seine Lippen führend, küßt er sie heiß. 8. Die Blicke der Liebenden vertiefen sich ineinander. 9. Die Köpfe nähern sich zum Kuß. 10. Dame oder Herr schlingt den dem Apparat abgewendeten Arm um den Hals des Geliebten (der Geliebten). 11. Der Herr legt den dem Apparat abgewendeten Arm um die Taille der Geliebten oder er preßt sie an sich. Die dem Apparat zugekehrte Hand hält dabei fest die der Geliebten. 12. Beide umschlingen einander mit dem noch freien Arm.
- d) Der Kuß. Übung: Hier ist zu bemerken, daß entweder der Apparat im Profil der Küssenden steht, oder aber die Schauspielerin ihren Kopf tief in den Arm des Partners zurückwirft. 13. Kopf der Dame fällt auf den Arm leicht zurück und bietet den Mund zum Kusse. 14. Herr neigt den Kopf zum Munde und küßt die Dame. 15. Die Arme der Dame gleiten heraib. 16. Herr hält ihre Hände. 17. Sie schmiegt ihren Kopf an seine Brust. Anmerkung: Aufnahme en face. Apparat vorn."
Ich glaube, das genügt.
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