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Das Buch der "Filmspiegel" aus Wien "aus dem Jahr 1941 !!"

Österreich war 1941 bereits an das grossdeutsche Reich von Hitlers Gnaden angeschlossen, aber als kleines Anhängsel. Und der Wiener Autor Rudolf Oertel faßt die bis dato bekannte Historie des Kino-Films aus Wiener Sicht zusammen. Bis etwa Seite 120 (von 310) kommen zwangsläufig NAZI-Kultur-Gedanken moderat zum Vorschein, dann aber wird es überraschenderweise sehr befremdlich nationalsozialistsch judenfeindlich, genau wie überall im 3.Reich auch. Die einführende Seite finden Sie hier.

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DER FILM ALS ZEITDOKUMENT, WOCHENSCHAU UND DOKUMENTARFILM

Was gäben wir darum, wenn wir von Goethe, Beethoven, Kant, Friedrich dem Großen oder Bismarck „lebende Photographien" hätten, wenn wir als Zauberer des 20. Jahrhunderts durch Magie von des Films Gnaden ihr lebendes Abbild auf die Leinwand werfen könnten, wenn wir, über die Einzelpersönlichkeit hinaus, Szenen von der Entdeckung Amerikas, den Befreiungskriegen, der Reichsgründung oder anderen weltgeschichtlichen Ereignissen in der Wochenschau von Anno dazumal bewundern könnten.

Von allem Anfang an, zu einer Zeit, als man an den Spielfilm noch gar nicht dachte, haben die Erfinder der Kinematographie den Wert des Films als Geschichtschronik erkannt. So sind auch die wertvollsten Filme aus der Frühzeit meist Aufnahmen damals aktueller Begebenheiten, die heute historischen Wert besitzen.

Zu den ältesten Dokumenten dieser Art zählen Meßters Aufnahmen Wilhelms II. 1897 in Stettin, die großen Publikumserfolg hatten. Es war damals allerdings nicht ganz leicht, wirklich interessante Begebenheiten zu filmen. Als Meßter im gleichen Jahre die Feierlichkeiten anläßlich des hundertjährigen Geburtstags Kaiser Wilhelms I. filmen wollte, hatte er große Schwierigkeiten. Man erteilte zwar den Photographen die Erlaubnis - aber filmen, eine Jahrmarktsangelegenheit bei einem offiziellen Fest, da sträubte der Amtsschimmel die Haare.

Schließlich durfte Meßter sich doch mit seiner Kamera, die wie eine „Höllenmaschine" aussah, in der Nähe des Denkmals Wilhelms I. aufstellen. Zehn verschiedene Szenen waren die Ausbeute. Als 1898 Wilhelm II. eine Reise in die Levanteländer unternahm, kannte Meßters Ehrgeiz als Filmhersteller „schon keine Grenzen mehr", wie er selber sagt, und er faßte den für die damalige Zeit unerhörten Entschluß, eine eigene Filmexpedition auszurüsten und mitzusenden.

Das Ergebnis aus Konstantinopel, Palästina und Ägypten war leider gering, da die meisten Aufnahmen „verblitzt" waren. Aufnahmen der berühmten Kaiserregatten in Kiel, der Ausreise deutscher Truppen nach China, der Frühjahrsparade in Berlin, stellen die ersten deutschen „Wochenschaubilder" dar.
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Originalaufnahmen vom Krieg in Kuba (1898)

Auch das Ausland befaßte sich damit. So versuchte ein amerikanischer Kameramann Originalaufnahmen vom Krieg in Kuba (1898) zu machen. Er wurde aber von den Militärbehörden kurzerhand wieder heimgeschickt. Ein klügerer Kollege drehte dann die Seeschlacht von Santiago daheim in einem Wasserbassin und hatte damit großen Erfolg.

Übrigens machte es Pathe in Paris ganz ähnlich während des russisch-japanischen Krieges, indem er in einem kleinen künstlichen See den Kampf der russischen und japanischen Flotte vor Port Arthur (10. August 1904) „stellte" und in der Umgebung von Vincennes die Schlacht von Mukden (März 1905) rekonstruierte.

Heute könnte man mit solchen Trickaufnahmen kein Publikum mehr täuschen, damals war man von der „Echtheit" begeistert. Immerhin gab es auch schon Originalaufnahmen aus dem Burenkrieg (1901 bis 1902), von der Ermordung der Königin Draga (1903), dem Erdbeben von Messina (1908) und anderen Weltereignissen.
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Der Film ab 1914 im (ersten) Weltkrieg

Mit dem (ersten) Weltkrieg begann dann auch für die Filmaktualität eine neue Entwicklung. Das Deutsche Armeeoberkommando hatte anfangs fünf Kameramänner zu Aufnahmen im Kriegsbereich zugelassen (unter ihnen Carl Froelich für das Große Hauptquartier). Oskar Meßter und Doktor Seeger hatten alle Frontaufnahmen zu zensieren.

Vor dem Kriege 1914 beherrschten die französischen Filmwochen von Pathe Freres, Gaumont und Eclair die Welt. Die erste deutsche, als Wochenbericht erschienene Zusammenstellung aktueller Begebenheiten war die Ende März 1914 herausgegebene Eiko-Woche.

Anfang September 1914 hatte Oskar Meßter seine „Dokumente zum (ersten) Weltkrieg" verbreitet. Vom 1. Oktober 1914 an wurden diese in „Meßter-Woche" umbenannt. Sie war als „Kriegs-Woche" geplant, als Bildberichterstattung von allen Fronten, an denen deutsche Truppen kämpften.

Auch in den Abschnitten der österreichisch-ungarischen Truppen wurden Frontaufnahmen gemacht, die ab 15. Juli 1915 der Meßter-Woche angegliedert wurden. In Österreich-Ungarn und in den Balkanländern wurden sie gemeinsam mit den Aufnahmen der Sascha-Film des Grafen Kolowrat als ,Sascha-Meßter-Woche" vorgeführt.

Die Meßter-Woche bestand auch nach Übernahme der Meßter-Produktion durch die Ufa bis 1922 weiter, dann wurde sie in Deulig-Woche umbenannt.
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Nach 1933 die Ufa-, die Deulig-, die Tobis- und die Bavaria-Ton-wochenschau

Nach 1933 gab es in Deutschland die Ufa-, die Deulig-, die Tobis- und die Bavaria-Ton-wochenschau sowie die „Fox Tönende Wochenschau" bei einer durchschnittlichen Länge von 300 Meter pro Wochenschau.

Seit Beginn des 2. Weltkrieges 1939 wurden diese Wochenschauen einheitlich durch die „Deutsche Wochenschau" ersetzt, die Frontberichte der Propagandakompagnien zeigt.

Während in Friedenszeiten die Wochenschau aus einem Materialeingang von ungefähr 3.000 Meter wöchentlich gestaltet wurde, erhöhte sich seit Beginn des Krieges das wöchentlich einlaufende Material allein aus dem zivilen Bereich auf 15.000 Meter.

Dazu kam das Material der Propagandakompagnien, die während der Großkampftage im Westen bis zu 40.000 Meter in der Woche lieferten. Dementsprechend wurden auch die vorführreifen Wochenschauen immer länger. Sie wuchsen von 320-350 Meter in Friedenszeiten auf eine durchschnittliche Länge von 600-800 Meter, erreichten aber in den Tagen besonderer militärischer Ereignisse oft über 1200 Meter.

Die Zahl der Kopien stieg von achthundert auf zweitausend, das bedeutet, daß allein für den Kopienbedarf des Inlandes wöchentlich etwa 1,3 Millionen, in den Großkampftagen über 2 Millionen Meter Rohfilm verarbeitet wurden. Noch eindringlicher zeigen die Zahlen über die Verbreitung der Deutschen Wochenschau im Ausland ihre Bedeutung.

Während vor dem Kriege dreißig Kopien der Ausland-Wochenschau abgesetzt werden konnten, erhöhte sich die Zahl auf die phantastische Summe von tausend Kopien in fünfzehn verschiedenen Ausgaben, je nach der für das Verbreitungsland in Frage kommenden Sprache. (Film-Kurier vom 31. Dezember 1940.)

Während des Polenfeldzuges 1939, während des Siegeszuges im Besondern wegen der Wochenschauen vor den Lichtspieltheatern Westen sind Millionen Menschen nicht wegen der Spielfilme, Schlange gestanden. Das beweist die ungeheure Bedeutung, die der Film als Zeitbericht gewonnen hat. . .
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Von der Wochenschau zum Dokumentarfilm

Aus der Wochenschau hat sich allmählich eine neue Form von abendfüllendem Film entwickelt: Der Dokumentarfilm, der die Geschichte, die wir miterleben, in Form eines optischen Geschichtswerkes den künftigen Generationen bewahrt. Im nationalsozialistischen Deutschland sind einige Filme dieser Art entstanden, die zeitlose Geltung behalten werden. Mag auch das Filmmaterial selbst vergänglich sein, so kann man es durch neue Kopien kommenden Generationen überliefern, bis einmal ein Filmband erfunden wird, das dem Zahn der Zeit widerstrebt.

Einer der ersten Filme dieser Art war „Das ist die Saar" (1680 Meter), der Bildberichte von den Veranstaltungen vor der Abstimmung, die Abstimmung selbst und als Höhepunkt die Führerrede in Form eines spannenden, geschlossenen Filmberichts zusammenfaßte.

Ihm folgte „Triumph des Willens" (Parteitag 1934), Regie Leni Riefenstahl. Der Widerhall, den dieser Film im deutschen Volk fand, bewies ebenso wie vorher Aufnahmen von der Machtergreifung, dem großen Fackelzug vor dem Führer und Reichspräsidenten von Hinden-burg, daß die erwachte nationale Begeisterung des deutschen Volkes diese Filme als Spiegelbild eigenen Miterlebens empfand.
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1938 („Fest der Völker" und „Fest der Schönheit")

Dann kam 1938 der Olympiafilm in zwei Teilen („Fest der Völker", „Fest der Schönheit"), wieder von Leni Riefenstahl mit einem Stab von mehr als einem Dutzend Kameraleuten gestaltet. Auch dieser Film, ein Zeitdokument ersten Ranges, in seiner Auffassung und Dramaturgie vielfach neuartig und monumental, hat in der ganzen Welt berechtigtes Aufsehen erregt.

Mit dem Beginn des Krieges war dem Dokumentarfilm eine neue große Aufgabe gegeben. „Der Feldzug in Polen" und „Feuertaufe", die den achtzehntägigen Siegeszug unserer Heere und der Luftwaffe im Osten und „Der Sieg im Westen", der den noch gewaltigeren Sturm der deutschen Waffen über Holland, Belgien in das Herz Frankreichs verewigen, haben Bilder von atemberaubender Echtheit gebracht.

Keine Schilderung von Mitkämpfern, keine Wortgewalt von Geschichtsschreibern könnte diese Filme an Einprägsamkeit und Wucht übertreffen. Im unmittelbaren Einsatz und unter Lebensgefahr von den Kameraleuten der Propagandakompagnien als miterlebte und mitgekämpfte Kampfszenen gedreht, stellen sie Höhepunkte des dokumentarischen Films dar. Was noch keinem Spielfilm bisher gelungen ist, haben sie erreicht: zeitlose Gültigkeit und Wirkungskraft.
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FILMMUSIK

Eine der merkwürdigsten Beobachtungen, die zugleich einen interessanten Einblick in den inneren Zusammenhang der menschlichen Sinne gewährt, ist die Tatsache, daß wir die Vorführung eines Films ohne Ton als langweilig, ja unlebendig empfinden, daß wir rhythmische Geräusche brauchen, um einem bewegten Bild die Illusion der Wirklichkeit abzugewinnen. In der Zeit des Stummfilms war es ausschließlich die Musik, die diese Illusion gab. Wenn sie auch nur für kurze Zeit verstummte, trat eine Ernüchterung ein, die die Erlebnisfähigkeit fast aufhob.

In den kleinen Kinos gab es den Klavierspieler, der auf einem meist verstimmten Klavier die Vorgänge auf der Leinwand zu untermalen versuchte, dann gesellte sich da und dort ein Geiger dazu. Meßter erzählt von einem rührseligen Henny-Porten-Film, der durch ein Violinsolo herzergreifend falsch begleitet wurde. Als die Porten sich verzweifelt ins Wasser stürzen will, rief ein Witzbold: „Henny, nimm den Geiger mit!"

Nach und nach beschäftigten die Kinobesitzer immer größere Orchester und immer bessere Musiker. Gegen Ende der Stummfilmzeit besaßen die Premierentheater ausgezeichnete Orchester in der Stärke von manchmal hundert Mann, die eine künstlerisch hervorragende Leistung boten.

Auch die Auswahl der Musik, anfangs schlecht und recht dem Stilgefühl der einzelnen Dirigenten überlassen, wurde allmählich schon von der Filmfirma besorgt, ja, bald ging man dazu über, für jeden einzelnen Film eine Originalmusik komponieren zu lassen, die dann freilich nicht originelle Erfindung des Komponisten war, sondern bekannte Musikstücke für den Film verarbeitete.
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1912 - Doktor Becce schrieb die Musik

Einer der Bahnbrecher guter und originaler Filmmusik ist Doktor Becce, der schon seit 1912 für die meisten Meßter-Filme die Musik schrieb. Meßter war auch einer der ersten, die den musikalischen Film anstrebten. Erwähnenswert ist da sein Richard-Wagner-Film, zu dem Becce die Musik schrieb und in dem er gleichzeitig die Hauptrolle spielte (Regie Carl Froelich).

Meßter erzählt darüber in seinen Erinnerungen eine lustige Geschichte: „Bei den Aufnahmen, die teilweise in Bayreuth gemacht wurden, wollte Froelich selbstverständlich die historischen Stätten bringen. Er erzählte, er habe mit viel List und Beredsamkeit in Villa Wahnfried den Gärtner nach vielem Sträuben endlich dafür gewinnen können, daß in aller Frühe, bevor sich im Hause Wahnfried etwas regte, im Garten gefilmt werden durfte.

Der brave alte Gärtner war aber wie gelähmt, als er seinen früheren Herrn und Meister, den alten Richard Wagner, ,leibhaftig' im Park promenieren sah. Die Maske Dr. Becces war ausgezeichnet. Da rührte sich etwas am Fenster, Dr. Becce mußte schnell seinen Bart abreißen und flüchten, damit Frau Cosima Wagner nicht ihren verstorbenen Gatten im Park erblicken konnte."

Doktor Becce schrieb dann eine Reihe von Filmmusikpartituren und gab diese Kompositionen unter dem Titel „Kinothek" in zwölf Bänden heraus. Sie stellen das bedeutendste Filmmusikwerk der Gegenwart dar.
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Filmmusik - die bildliche Darstellung tonlich zu illustrieren

Filmmusik ist meist keine absolute Musik, sie ist auch nicht Selbstzweck. Ihre Aufgabe ist es, die bildliche Darstellung tonlich zu unterstreichen. Sie ist eine Musik, die rhythmisch und ihrem Charakter nach illustriert.

Schon in der Stummfilmzeit war sie bemüht, die echten Geräusche durch Musik nachzuahmen. Wenn in einem Lustspiel ein Kellner Teller zu Boden warf, so klirrte es auch im Schlagwerk des Orchesters. Die Geräusche der Lokomotiven, fahrender Züge, der Maschinen in einer Fabrik, der marschierenden Soldaten, eines Wasserfalls, des Gewitters, des Schlachtenlärms - es gab nichts, was ein findiger Musiker nicht hätte vortäuschen können, und manchmal feierten die entfesselten Instrumente wahre Orgien an Geräuschimitationen.

Mit dem Tonfilm ist dann diese Art der Illustrationsmusik keineswegs ausgeschaltet worden, Landschaftsstimmungen z. B. werden auch heute noch musikalisch illustriert, wenn auch vielfach mit Originalgeräuschen gemischt.
Anderseits ist die unmittelbare Bindung der Musik an den Handlungsablauf und Inhalt durch den Tonfilm wesentlich verstärkt worden.
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Der Musikkritiker des „Film-Kurier" - Doktor Wanderscheck

Doktor Hermann Wanderscheck, der Musikkritiker des „Film-Kurier", hat eine Reihe von Aufsätzen erscheinen lassen, die über den heutigen Stand der Filmmusik, ihre Probleme, Ziele und Wünsche ausgezeichnet unterrichten. Einen dieser Aufsätze („Film-Kurier" vom 2. Jänner 1941) lasse ich hier folgen:

  • „Arteigene Musik, klare Erkenntnis der dramaturgischen Forderungen, Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Komponist, Steigerung der dramatisch-filmischen Elemente durch die Musik, Beschränkung des Tanzliedes auf die charakterisierenden Möglichkeiten, Aufnahme junger, unverbrauchter Begabungen - das waren die großen Aufgaben, vor denen die Filmmusik bisher stand. Filmmusik ist nicht Konzertmusik, ist nicht sinfonische Musik, ist nicht Rundfunkmusik, nicht Opernmusik. Sie muß aus der Übereinstimmung mit dem Bild erklingen. Sie muß über alles Gebrauchsmäßige hinaus zu einer schöpferischen Leistung vorstoßen.

  • Immer klarer sind die dramaturgischen Forderungen an die Musik erkannt worden. In vielen Fällen konnte man feststellen, daß keine Note zu viel geschrieben wurde. "Da, wo" die Musik sich als gleichberechtigt neben dem Dialog und Bild durchsetzte, war der Komponist auch berufen, die große Chance auszuwerten. Nicht immer konnte - durch eine ungeschickte Vergebung der Aufträge - der Höchstwert an Musik aus einem Film gezogen werden, weil der wesensmäßig bestimmte Komponist nicht herangezogen wurde.

  • Überblickt man die Reihe der Filmkomponisten, die 1940 mit Aufträgen reich gesegnet wurden, so stößt man kaum auf einen neuen Namen. Dem Nachwuchs hat sich die Industrie leider fast völlig verschlossen. Wir kennen eine Reihe beachtenswerter, ernster Musiker, die darauf brennen, musikalisch Neues für den Film zu schaffen. Sie kommen einfach nicht heran, wie es im technischen Sprachgebrauch heißt. Nachdrücklich muß daher das Augenmerk auf musikalische Entdeckungen für den Film gelenkt werden. Wir wollen hoffen, daß sich der Schrei nach dem Autorennachwuchs auch zum Schrei nach dem Komponistennachwuchs entwickelt."

  • „Hervorstechende Leistungen 1940: Wir haben von einer beträchtlichen Anzahl schöner musikalischer Arbeiten des vergangenen Jahres zu berichten. Herbert Windt schuf für den Film ,Feldzug in Polen* eine heroische Musik, für den Friedrich-Schiller-Film eine dramatisch-sprühende Begleitmusik, die dem deutschen Dichtergenie und Revolutionär klanggleich wurde. Mit zwei künstlerischen Filmen, wie »Mutterliebe6 und ,Der Postmeister', verstand es Willy Schmidt-Gentner, sich einer verinnerlichten und tiefempfundenen Untermalungsmusik zu bemächtigen. Die schöne Lyrik und melodische Spannkraft seiner beiden Partituren waren beiden Filmen von höchster künstlerischer Förderung.

  • Auch Theo Mackeben gelang es, dem historischen Film ,Herz einer Königin' durch seine Musik eine ergreifende Farbgebung zu verleihen und den leichten Karl-Ritter-Film ,Bal pare' durch einen schäumenden Walzer in die poetische Unbekümmertheit zu steuern. Alois Melichar bewies in ,Das Fräulein von Barnheim', wie feinsinnig historische und zeitgenössische Musik vereint werden können, um einen überzeugenden Stilzusammenklang zu ergeben. Wolfgang Zeller schuf für den Jud-Süß'-Film die eindringliche Musikkulisse und versuchte, in dem Film Heinz Hilperts ,Die unheimlichen Wünsche' die mystische Romantik des Films durch eine phantasievolle Klangkulisse aufzulockern.

  • Eine reizvolle und märchenhaft transparente Musik schrieb Bernhard Eichhorn zu dem Rühmann-Film ,Kleider machen Leute', eine besonders hervorstechende Partitur, die allen bisherigen musikalischen Versuchen des Illusionsfilms überlegen war. Stimmungsvoll untermalte Otto Konradt den ,Fuchs von Glenarvon', Nico Dostal die ,Geierwally', Franz Doelle den ,Trenck, der Pandur'. Ausgezeichnet in der dramatischen Zuspitzung hörte sich Giuseppe Becces Musik zum ,Feuerteufel' an. Nicht minder erregend schuf Peter Kreuder die Musikkulisse zum Artistenfilm ,Die drei Codonas'. Stark auf Stimmungsdramatik ging Anton Profes in dem Film ,Donauschiffer' aus. Norbert Schultze schuf für den Film ,Feuertaufe' das grandiose Marschlied JBomben auf Engelland'.

  • In allen diesen Filmen waren die Komponisten bemüht, das Wesen des Films in der Tonsprache aufleuchten zu lassen. Mit wenigen Ausnahmen handelte es sich um ernste Stoffe und Themen, und gerade in der dramatisch-lyrischen Untermalungsmusik zeigten sich deutliche Bestrebungen, die bisherigen Wege zu verlassen, um auch durch instrumentale Reize, unter Ausschaltung jeder pathetischen Überfrachtung, menschliche Schicksale zu verklären. Die wenigen Musikfilme des Jahres - der Mozart-Film ,Eine kleine Nachtmusik' und der Nicolai-Film ,Falstaff in Wien' - erschöpften sich in der biographischen Gestaltung großer Komponistenschicksale. Der Film ,Traummusik', der den Versuch machte, die Wandlung eines Opernkomponisten zum Revuekomponisten und wieder zum künstlerischen Ursprung zurück glaubhaft zu machen, scheiterte an der unpsychologischen Begründung der musikalischen Entwicklungsphasen."

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  • „Unter den verfilmten Operetten muß Heubergers ,Qpernball' als der geglückteste Versuch bezeichnet werden. Der Sängerfilm - die Auswertung einer großen Gesangstimme im Rahmen einer Spielhandlung - erlebte keine wesentliche Erweiterung seiner Gattung, wenn man von Giglis ,Der singende Tor' absieht, dem auch eine wenig überzeugende Handlung zugrunde lag. Stärker in den Vordergrund rückten die Tanzfilme.

  • ,Stern von Rio', ,Menschen vom Variete', ,Casanova heiratet' und ,Kora Terry' gaben den Komponisten Peter Kreuder, Willy Engel-Berger, Georg Haentzschel und Harald Böhmelt Gelegenheit, rhythmische und melodische Kombinationen zu erproben. Unter den Filmen, die sich durch eine einfallsreiche Untermalung auszeichneten, sind vor allem ,Lauter Liebe' (Werner Bochmann), .Herz ohne Heimat' (Werner Bochmann), ,Der Kleinstadtpoet' (Georg Haentzschel und Friedrich Schröder) und ,Sommer, Sonne, Erika' (Milde-Meißner) hervorzuheben. Hier gelang es, mit instrumentalen Reizlichtern eine fesselnde Klangkulisse zu zaubern, die jedem einzelnen Film ein besonderes Fluidum verlieh.

  • Vier große Kulturfilme vermochten auch in der musikalischen Gestaltung zu repräsentieren. Allen voran ,Michelangelo', dem Alois Melichar in einer phantasievollen Tonsprache zur bildlichen Verlebendigung verhalf. Norbert Schultzes Musik zum ,Stern von Tetuan', Hans Eberts Musik zum ,Tiergarten Südamerikas' und Carl Emil Fuchs' Musik zu ,Indianer' verrieten eine überzeugende persönliche Handschrift und den Willen, in durchkomponierten Gängen sinfonische Höhepunkte zu erreichen. Dieser Rückblick beweist die außerordentliche Aktivität der Filmmusik. Kein Zweifel, daß mit den gewichtigeren künstlerischen Stoffen auch die musikalischen Ansprüche immer größere werden.

  • Der Komponist ist abhängig vom Drehbuch, und es wird die Aufgabe der Zukunft sein, Komponisten durch Verträge nicht an Stoffe zu binden, die ihren musikalischen Aufgaben widerstreben. Anderseits wird schon bei Abfassung des Drehbuches - besonders bei ausgeprägten musikalischen Themen - den musikalischen Komplexen und Aufgaben stärkere Berücksichtigung zugewendet werden müssen, der Komponist sofort hinzuzuziehen sein. Das Ringen um eine arteigene Filmmusik ist nicht vom Wollen und Können der Komponisten allein abhängig. Die Musik im Film sucht ihre eigenschöpferischen Aufgaben. Im höheren Sinne Zweckmusik, wird sie durch künstlerische Eigenart und Kraft zum Musikgut des ganzen Volkes. Der große deutsche Musikfilm bleibt die schwerste Aufgabe. Ihm muß eine unermüdliche Anstrengung gelten. Denn er ist die Krönung von Film und Musik."

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Der Sängerfilm

Im Anschluß an diese Stellungnahme Dr. Wanderschecks soll noch einer Abart des musikalischen Films gedacht werden, des Sängerfilms. So wie man die großen Schauspieler der Spielbühnen zum Film geholt hat, hat man natürlich auch die großen Sänger und Sängerinnen dieser neuen Kunstform dienstbar gemacht.

Aber es hat sich eine merkwürdige Tatsache ergeben: daß man auch die schönste Stimme im Film nur mit Maß vertragen kann. Man kann nicht wie in der Oper Arie auf Arie bewundernd anhören, der Film hat ein anderes Tempo. Eine notengetreu verfilmte Oper wäre ein ebensolches Unding wie ein versgetreu verfilmter Klassiker. Man ist daher dazu übergegangen, um die berühmte Stimme herum eine filmeigene Spielhandlung zu ersinnen.

Ein bescheidener Bauer und Fischer lebt irgendwo in seiner ärmlichen Welt und verschönert sich die Arbeit durch andauernden Gesang. Da kommt zufällig ein Manager oder eine mondäne Frau des Wegs, hört die begnadete Stimme des Naturburschen, bringt ihn in einer Luxuslimousine in die Hauptstadt und macht im Handumdrehen einen Star aus ihm; mit Liebesleid.

Oder ein schon berühmter Sänger ist Gott wie seelisch einsam, lernt ein bezauberndes Mädchen kennen, wird glücklich oder muß entsagen. Mit einem Wort, die Stoffauswahl ist eng begrenzt, war bald verbraucht und hat sich nie durch besondere Originalität ausgezeichnet. Das ist der Nachteil dieser Filme, die musikalisch und gesanglich oft Hochwertiges bieten. Bei geschickter Dramaturgie sind solche Filme immerhin ihres Erfolges sicher.

Berühmte Sänger, wie Louis Graveure, Johannes Heesters und vor allem Benjamino Gigli, sowie die Sängerinnen Maria Cebotari und Toti dal Monte sind zu nennen, während andere, wie Michael Bohnen und Leo Slezak, in das Fach der Darsteller übergegangen sind, Michael Bohnen als beliebter Darsteller des Sonnenkönigs und Augusts des Starken oder anderer lebensstrotzender Herrschergestalten, Leo Slezak als unverwüstlicher Lebenskünstler in allen Variationen vom Wiener Fiaker bis Franz v. Suppe.

Zuletzt wäre noch der Revuefilm zu nennen. Er ist wohl eine Domäne des amerikanischen Films, wie „Broadway-Melodie" u. a. bewiesen haben, zumindest konnten deutsche Filme dieser Art nicht recht befriedigen. Nebensächlichkeit der Handlung, große Aufmachung, Girlkult und Jazzrhythmen sind charakteristisch für ihn und Amerika. Ihr Erfolg ist unbestritten.
Eine eigene Form des deutschen Revuefilms muß erst gefunden werden, wenn sie überhaupt gefunden werden kann oder soll.
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DAS DREHBUCH

Die Entstehung eines Films gliedert sich in zwei Hauptabschnitte. Der erste besteht in der Festlegung seines Inhalts und endet im Drehbuch, der zweite umfaßt die Ausführung in Bild und Ton, also die Dreharbeit im Atelier, und findet mit der Uraufführung des fertigen Werkes seinen Abschluß.

Ohne ein gutes Drehbuch kein guter Film. Dieser Satz müßte in großen Goldbuchstaben über den Eingangspforten aller Filmproduktionen stehen ...... Weil es nämlich noch immer genug Filmstrategen gibt, di das nicht wissen, oder wenigstens nicht danach handeln.

In der Stummfilmzeit war das Drehbuch wirklich nicht so wichtig. Da war es eigentlich nur ein Handlungsaufriß, eine Richtschnur; aber alles hing davon ab, was der Regisseur bildlich und pantomimisch daraus gestaltete.

Der Tonfilm mit seiner synchronisierten Wortbegleitung hat hier eine völlig neue Situation geschaffen. Jetzt kann ein Regisseur einen dramatischen Höhepunkt noch so wuchtig, eine Liebesszene noch so stimmungsvoll gestalten, sie werden wirkungslos, ja vielleicht von gegenteiliger Wirkung sein, wenn die Schauspieler dazu alberne Worte reden müssen.
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Die Verdi Opern als Beispiel

Daß einige Verdische Opern schlechte Texte haben, nimmt man noch hin, den Straußschen Operetten haben die schwachen Librettis schon geschadet, ein Tonfilm mit einem schlechten Drehbuch wird vom Publikum deutlich abgelehnt, und wir wollen hoffen, daß es darin künftig noch kritischer werden wird.

Sehen wir uns einmal so ein Drehbuch an. Es macht auf den ersten Blick einen sehr komplizierten Eindruck. Was dem Laien am meisten imponiert, ist die getrennte Aufzeichnung von Bild und Ton. Alles Sichtbare (Optische) auf der linken Hälfte der Seite, alles Hörbare (Akustische) auf der rechten; wenn sein Blick dann überdies noch so allerlei Fachausdrücke bei den Einstellungen erspäht, dann hat er sich endgültig zur Überzeugung durchgerungen, daß es sich hier um eine Geheimwissenschaft handle, die äußerst schwer zu erlernen sei. Drehbuchautoren und Dramaturgen, im stolzen Besitz ihres Wissens um diese Dinge, bestärken jeden, der sich da etwa herandrängen wollte, in dieser Überzeugung.

Man soll sich aber nicht ins Bockshorn jagen lassen. Die Technik des Drehbuchschreibens ist eine einfache, leicht erlernbare Sache. Ein Drehbuch schreibt sich nicht schwerer als ein Roman und schon gar nicht als ein Theaterstück.

Was sich freilich nicht erlernen läßt, das ist ..... ein gutes Drehbuch oder gar ein dichterisches Drehbuch zu schreiben. Das ist eine Frage der angeborenen Begabung. Sollte es zumindest sein. Praktisch ist es ja leider so, daß es eine Menge Drehbuchschreiber gibt, die das, was zu lernen war, zwar tüchtig erlernt haben, denen nur das angeborene Talent fehlt, während andere wirklich Begabte, bloß weil sie das Technische noch nicht beweisen konnten, immer wieder vergeblich auf eine Chance warten.

Eigentlich sollte sich ja niemand zu diesem Berufe drängen, denn er ist sicherlich der unangenehmste beim ganzen Film. Während alle sonstigen Mitarbeiter ihren festen Rang im Rahmen des Ganzen haben, ist die Stellung und der Einfluß des Drehbuchautors wesentlichen Schwankungen unterworfen, auch prinzipiell umstritten und wird nicht ohne Leidenschaft und Bitterkeit teils verteidigt, teils angegriffen. Man könnte da ein ganzes Buch darüber schreiben, aber wozu in ein Wespennest greifen, wenn man von vornherein weiß, daß kein Honig darin zu finden ist.
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Vom Autor bis zum Dehbuch

Daß die Bedeutung des Autors immer mehr in den Vordergrund tritt, kann nicht geleugnet werden. Ein richiger Ausgleich seines Einflusses mit dem Einfluß des Regisseurs läge im Interesse des künstlerischen Films. Aber das kann noch fünfzig Jahre dauern. Und hoffentlich gibt es dann auch mehr gute Autoren als heute. Aber ich wollte eigentlich von der Entstehung eines Drehbuchs erzählen, von der ersten Idee zu einem Film bis zum fertigen Buch.

Das ist nun allerdings ein weiter Weg. Nehmen wir einmal die einfache Möglichkeit:

Ein filmkundiger Schriftsteller hat eine Idee. Er schreibt sie nun in einer fünf bis dreißig Seiten starken Kurzgeschichte nieder und sendet sie an eine der Firmen ein. Diese erste Niederschrift, Expose (oder Synopsis), wird in der Dramaturgie von einem oder mehreren Dramaturgen oder Lektoren gelesen. Gefällt sie, legt man sie dem Produktionschef vor, und - sagen wir - diesem gefällt sie auch. Man wünscht gerade einen solchen Stoff, hat gerade den richtigen Regisseur und die geeigneten Schauspieler zur Verfügung. So entschließt man sich dann zum Ankauf des Stoffes (der Idee). Der Autor erhält hierfür einige tausend Mark oder das Doppelte und verpflichtet sich meist noch, seine Geschichte unter Berücksichtigung der von der Dramaturgie geäußerten Änderungswünsche zu einer Novelle (Treatment) von sechzig bis hundert Seiten auszubauen.
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Die Novelle oder das "Treatment"

Mit der Lieferung dieses "Treatments" erhält er die letzte Rate und scheidet damit prinzipiell von seinem Stoff. Was weiter damit geschieht, geht ihn nichts an. Natürlich kann er, falls er schon Drehbücher geschrieben hat, nun auch den Drehbuchauftrag erhalten. Meist aber wählt man hierzu einen ganz anderen Mann. Dieser bekommt nun wieder einen Vertrag über einige tausend Mark oder das Dreifache und schreibt meist noch einmal ein Treatment, wobei er die Geschichte klugerweise möglichst auf den Kopf stellt, weil man sonst behaupten könnte, er hätte keine neuen Ideen.

Damit ihm die Arbeit leichter oder nicht zu leicht wird, stellt man ihm einen stofführenden Dramaturgen zur Seite, der auch mehr oder minder den Ehrgeiz hat, seine eigenen Ideen einzubauen. Ist das Elaborat dann fertig und gefällt es, beginnt die Drechbucharbeit.

Hierzu bekommt der Autor manchmal noch einen zweiten zur Seite, und zwar, wenn er selbst ein „Literat" ist, gesellt man ihm einen „Techniker" zu, das heißt, einen Autor, der die spezifische Schreibweise des Drehbuchs besonders beherrscht. Nun sitzen also zwei an der Drehbucharbeit, und wenn sie klug sind, stellen sie darin möglichst viel auf den Kopf, weil man sonst glauben könnte, sie hätten keine neuen Ideen mehr.

So entsteht das Rohdrehbuch, manchmal mit, manchmal noch ohne genaue Angaben für die Kamera. Zu diesem Zeitpunkt ist fast stets auch schon der Regisseur an der Arbeit beteiligt, meist als Mitautor. Es gibt einige Regisseure, die ausgezeichnete Drehbuchautoren sind, und in diesem Falle ist ihre Mitarbeit von großem Vorteil, weil sie selbst am besten wissen, wie sie den Film dann später gestalten wollen.

Es gibt allerdings auch Regisseure - und das müssen gar keine schlechten sein - die die Muse nicht geküßt hat, sie reden aber trotzdem ununterbrochen drein, nicht nur ins Technische, wozu sie auf jeden Fall berechtigt sind, sondern auch ins Dichterische, nach der allgemeinen Filmansicht, daß dichten schließlich ein jeder kann.

Die möglichst frühe Mitarbeit des Regisseurs ist auf jeden Fall bei den Gegebenheiten der heutigen Filmorganisation für den Autor von Vorteil, denn er hat so wenigstens die Gewißheit, daß das Drehbuch im Sinne des Regisseurs gestaltet wird, auf den es ja zuletzt ankommt. Ein Autor, der daher eine solche Mitarbeit ablehnen wollte, wäre ein Narr. Das können sich nur ganz große Namen leisten, und die tun es nicht.
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Und Am Ende kommen auch noch die Stars mit Wünschen

Wenn nun das Drehbuch dem Regisseur, dem Dramaturgen, zuletzt dem Produktionschef gefällt, so bleiben manchmal nur noch die besonderen Wünsche einzelner Stars zu berücksichtigen.

Natürlich wird man bei Abfassung des Drehbuchs Rücksicht darauf nehmen, ob ein Schauspieler von bestimmter Eigenart Träger der Hauptrolle ist, ja praktisch wird eine große Zahl von Drehbüchern von vornherein unter solchen Gesichtspunkten in Auftrag gegeben.

Wenn endlich das endgültige Drehbuch abgenommen, das heißt für drehreif befunden wird, wandert es aus der Betreuung der Dramaturgen in die Hand der Produktion. Darüber an anderer Stelle.

Wollte man es zu diesem Zeitpunkt noch mit dem ursprünglich angekauften Stoff vergleichen, so würde man seine Wunder erleben. Meist hat es mit ihm nur mehr wenig gemeinsam. Es gibt extreme Fälle, bei denen weder die Handlung noch die Personen, noch der Titel übriggeblieben sind und man sich vergeblich fragt, wozu die Grundfabel jemals angekauft worden ist. Daß dieses fertige Buch selbst im Atelier während der Dreharbeit noch Änderungen erfahren kann, sei nur nebenbei erwähnt.

In besonders schwierigen Fällen, wenn das erste Drehbuch gar nicht befriedigt, kommt es manchmal auch noch zu einer zweiten Fassung, die dann wieder neue Autoren am Werk sieht. Im Theater würde man in einem solchen Fall das Buch endgültig ablehnen. Aber infolge des großen Bedürfnisses an neuen Stoffen kann sich der Film eine solche Ablehnung nicht so leicht leisten, sondern muß versuchen, einen Stoff, in dem gewisse Möglichkeiten liegen, solange weiterzuentwickeln, als nur irgendeine Aussicht auf ein günstiges Resultat besteht.

Da der Filmautor, also der Vater der Idee, über Irr- und Lebensweg seines Kindes nichts mehr erfahren hat, sondern es meist erst als fertigen Film bei der Premiere wiedersieht, kommt es oft genug vor, daß er dann auch mit schärfstem Elternauge seinen Sprößling nicht wiedererkennen kann.
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Die Spannung ist des Filmes liebstes Kind.

So merkwürdig der Entwicklungsgang eines Drehbuches in dieser Schilderung auch erscheinen mag, so ist er bei dem heutigen Arbeitsmodus leider manchmal nicht zu vermeiden. Hinterher sind natürlich alle unzufrieden. Daß dem Autor von der Produktion ununterbrochen hineingeredet wird, daß seiner schöpferischen Freiheit allzu enge Fesseln angelegt werden, auch dort, wo es nicht um prinzipielle Dinge geht, daß diese ständige Bevormundung auf seine Einfallskraft oft lähmend wirkt, das sind Klagen, die man fast von jedem Drehbuchautor hören kann.

Umgekehrt berufen sich Dramaturgen und Regisseure darauf, daß sie oft genug minderwertige Drehbücher geliefert bekommen, witzlos, unpsychologisch, verzeichnet, oberflächlich, langweilig und so fort. Tatsächlich ist die Zahl jener Autoren, die ganz von sich heraus ein wirklich gutes drehreifes Drehbuch schreiben, verschwindend gering.

Ein Fehler vieler Autoren ist die allzu lange Exposition. Der Film verträgt nicht die epische Breite des Romans, er verträgt auch nicht die langen Dialoge des Theaters, er hat sein eigenes Gesetz.

Je weniger man erklärt, je rascher man gestaltet, um so mehr hat man den Geist des Films erfaßt. Auch in dieser Beziehung bleibt manches von den Amerikanern zu lernen. Wenn ich es ohne Allgemeingültigkeit extrem ausdrücken darf: Schon die ersten Szenen sollten mit einem Knalleffekt den Beschauer in ihren Bann ziehen und dann nicht mehr loslassen bis zuletzt.

Die Spannung ist des Filmes liebstes Kind. Eine solche Behauptung ist keine Sünde am künstlerischen Niveau. Auch logische Handlung, psychologische Gestaltung und gefeilter Dialog können spannend sein. Man darf Spannung nur nicht mit unorganischer Häufung von Sensationen verwechseln.
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Es gibt auch noch die Dramaturgen

Da viele Autoren zwar Routine besitzen, aber keine Dichter sind, fehlt ihnen das Entscheidende, die Fähigkeit, wirkliches Leben, wirkliche Menschen zu gestalten. Sie konstruieren, sie konstruieren haarscharf - nur meist am Leben vorbei.

Da müssen dann eben Regisseure, Dramaturgen, Autoren gemeinsam an die Zangengeburt heran. Manchmal ist es natürlich auch umgekehrt, daß ein recht organisch gewachsenes Drehbuch dem Dramaturgen oder Regisseur zu wenig konstruiert ist. Es geschieht ihm zu wenig Außergewöhnliches, da werden dann der Logik die Augen verbunden und so lange die unwahrscheinlichsten Einfälle hineingepfropft, bis aus dem guten Buch schließlich ein schlechtes geworden ist.

Ein Dramaturg, der selbst um das schöpferische Geheimnis weiß, der nicht nur die Begabung zur Negativkritik, sondern auch die Fähigkeit zur positiven Mitarbeit besitzt, der also nicht nur zu sagen versteht, daß ihm ein Drehbuch nicht gefällt, sondern der auch das Warum erklären und konkrete Verbesserungen vorschlagen kann, der nicht um jeden Preis kritisiert, sondern aus einem sicheren Urteil heraus den Mut auch zur Bejahung besitzt, ist gewiß von hohem Wert und für den Film unentbehrlich.
Aber solche gute Dramaturgen sind leider ebenso selten wie gute Autoren. Dagegen sind jene Dramaturgen ein Schaden, deren Tätigkeit hauptsächlich darin besteht, den Autor durch kurze Termine und ewiges Drängen nervös zu machen, ihn jeden Tag anzurufen und zu fragen, wie weit er schon sei, ob er nicht schon zehn Seiten liefern könne und so fort.

Solche Dramaturgen quälen den Autor auch mit endlosen Stoffbesprechungen, die an sich natürlich notwendig und auch nützlich sind, deren Resultat aber oft in krassem Gegensatz zu der aufgewandten Mühe steht. Welch ein Nervenverbrauch, wieviel verrauchte Zigaretten, uferlose Debatten bis spät in die Nacht, wieviel verschiedene Ansichten beharrlich, rechthaberisch, verzweifelt vorgebracht und ebenso abgelehnt.
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Die Romanschriftsteller

Wie herrlich einfach hat es der Romanschriftsteller oder Theaterdichter, er schreibt, was ein Gott ihm eingibt, und wenn es noch so schlecht ist, er allein hat darüber zu entscheiden. Der Verlag oder der Intendant kann annehmen oder ablehnen, er kann auch bescheidene Änderungsvorschläge machen, aber er kann nicht ununterbrochen mitdichten, wie es beim Film so viele können oder zu können glauben.

Es liegt natürlich im Wesen einer künstlerischen Kollektivarbeit wie der des Films, daß sie nicht ohne Reibungen, Irrtümer, Fehlschläge abgeht. Ganz wird sich das nie vermeiden lassen. Wohl aber könnte manches besser sein, als es ist, das hat der Leiter der Filmabteilung im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Ministerialrat Doktor Fritz Hippler, einige Male sehr deutlich ausgesprochen, u. a. in „Der Deutsche Film" vom 4. Oktober 1940.

Es heißt da: „Ob ein Film schlecht oder gut wird, hängt fast ausschließlich von der Qualität des Stoffes ab, der ihm zugrunde liegt. Es gibt darüber hinaus selbstverständlich noch eine Reihe anderer Fehlerquellen: Regie, Besetzung, Darstellung, dazu die mannigfachen Faktoren auf optischem und akustischem Gebiet und so weiter. Die Stofffrage aber ist und bleibt das Kardinalproblem bei der Aufgabe, die Gesamtqualität des Filmschaffens zu heben .......
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An Zeit hat es immer gefehlt, früher wie heute.

Der Stoff stehe am Anfang und am Ende! Denn um ihn allein dreht sich ja doch alles. Die bestorganisierte Küche ist wertlos, wenn die Speisen fehlen; und sie ist trotz modernster Einrichtungen unzulänglich, wenn die Speisen schlecht oder mangelhaft zubereitet werden. ,Aber die Zeit fehlt, um richtige Vorbereitungen zu treffen . . .'

Nun, dieses Argument ist so alt wie der Film selbst; an Zeit hat es immer gefehlt, früher wie heute. Aber kein Argument wird durch Altwerden unsinniger als dieses. Seit undenklichen Jahren werden Produktionsprogramme vorbereitet und mehr oder weniger durchgeführt.

Und selbst in schlimmsten Fällen war die letzte Drehbuchseite doch auch meistens vor dem letzten Drehtag fertig - selbst, wenn man diesen noch eigens aufschieben mußte. Alles in allem also: trotz aller Verschiebungen, trotz zahlreicher Vor- und Nachläufer, durchgeführt wurde die geplante Arbeit, wenn auch mit den unmöglichsten zeitlichen Kollisionen.

Aber in Jahrzehnten hat es sich nicht durchführen lassen, ein Drehbuch durchschnittlich statt einiger Tage, einige Monate vor Drehbeginn fertigzustellen. Unvorstellbar, was diese Tatsache an Möglichkeiten, beschaulicher, künstlerischer Durchfeilung bis in letzte Feinheiten bieten würde. Aber nein, man beliebt statt dessen, von der Hand in den Mund zu leben und mit runden Kinderaugen immer und immer wieder zu staunen, wie schnell doch die Zeit vergeht.
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Ein Mangel an Fundiertheit und Seriosität beim FIlm ?

Dies ist unter anderem ein wesentlicher Grund dafür, weswegen man das Filmschaffen eines Mangels an Fundiertheit und Seriosität bezichtigt. Dies ist aber auch ein Grund dafür - und zugleich ein Einwand auf die Replik der zeitlich Bedrängten: gebt uns mehr Autoren! -, warum zahlreiche Autoren mit dem Film nichts zu schaffen haben mögen.

Ein ernsthaft schöpferischer Künstler läßt sich keine Termine setzen, die eher in der Vergangenheit als in der Zukunft liegen. Von einem Filmstreifen zu verlangen, er möge sich schneller entwickeln und kopieren lassen, würde jeder Produzent unter Hinweis auf seine ungeheuren fachmännischen Erfahrungen - sie alle sind ja so alte und gewiegte Filmhasen - mit feinsinnigem Lächeln ablehnen.

Dasselbe mutatis mutandis von Autoren zu verlangen, entbricht er sich hingegen keineswegs. Ist es nun nicht etwa herabsetzend, die Bedingtheiten der Kopiermaschine höher zu achten als den Flug des Pegasus? Und mag es somit nicht vielleicht auch hieran liegen, daß dieser lieber in den lichten Höhen verbleibt und als getarnte Stellvertreter alte Klepper mit Requisitenflügeln entsendet?

Über die Menschen mit hellen Augen .....

Aber nicht nur von so auserkorenen Häuptern des deutschen Schrifttums sei die Rede. Darüber hinaus gibt es ja auch noch Menschen mit hellen Augen, warmen Herzen und einem großen Maß schriftstellerischer Gestaltungsgabe. Sie kommen aber an den Film nicht heran. Die Kaste der Lektoren und Dramaturgen wollen sie gar nicht.

Ein Name, der noch nie auf einem Vorspann gestanden hat: was kann das schon sein! Da lohnt sich die Zeit, die kostbare, erst gar nicht, sich mit solchen völlig inferioren Typen zu beschäftigen.

Hierunter seien beileibe nicht jene redseligen Zeitgenossen verstanden, die partout ihre eigenen Liebes- und sonstigen Erlebnisse in der Filmgestaltung verewigt sehen möchten, uninteressant, schlecht gesehen, schlecht geschrieben.

Aus diesen täglichen Einsendungen ,aus dem Volk' fließt mitnichten ein taufrischer Quellborn, der dem Filmschaffen neues Leben und frische Kraft zu spenden vermöchte. Aber es gibt auch andere, von denen viele so klug sind, sich erst gar nicht mit dem Film einzulassen.

Und diese Kräfte zu erschließen, wäre eine Aufgabe, die des Schweißes der Edlen schon wert wäre. Auch hier würde man sicher sehr viel ablehnen müssen - aber wenn man auch nur einiges verwenden könnte, so wäre das in Anbetracht des allgemeinen Stoffmangels ein großer Gewinn.

Die Nachwuchsförderung im deutschen Filmschaffen wäre wichtig

Eine derartige Maßnahme erfordert selbstverständlich sehr viel Arbeit und auch einiges Geld; neue Kräfte müssen nicht nur gesucht und gefunden, sie müßten ja auch an die spezifischen Gesetzmäßigkeiten der Filmarbeit herangeführt und mit ihnen vertraut gemacht werden; sie müßten darüber hinaus auch die Möglichkeit erhalten, zu versuchen und sich zu bewähren, ohne von anderen Aufgaben und Sorgen bedrückt zu sein.

Das alles macht sich außerdem nicht sofort bezahlt; im einzelnen wird sogar mancher Verlustposten miteinbezogen werden müssen. Dennoch ist keine Aufgabe vordringlicher, kein Verlust entschuldbarer und kein Gewinn verdienter. Was im deutschen Filmschaffen auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung überhaupt getan wird, ist durchaus verbesserungsbedürftig.

Viele sagen, man erreiche auf diese Weise überhaupt nichts, die langjährige Erfahrung allein mache es. Wenn das richtig wäre, dann hätten wir ja in jedem ,alten Filmhasen' ein leibhaftiges Genie! (Allerdings sind diese ja auch meist davon durchaus überzeugt.)

Man mache doch nicht aus dem Filmschaffen und erst recht nicht aus dessen Autorensektor ein unzugängliches Reich spiritueller Geheimwissenschaft! Man sollte es nicht für möglich halten, welch himmelschreienden Blödsinn gerade jene altbewährten Filmautoren in vollem Ernst einreichen; und wie sie über Eingriffe in das freie künstlerische Schaffen jammern, wenn ihre Machwerke abgelehnt werden.

Ich werde mich in künftigen Fällen nicht scheuen, derartige Kontroversen in der Fachpresse zu veröffentlichen, da sie nicht nur lehrreich, sondern auch unwahrscheinlich belustigend sind.
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