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Das Buch der "Filmspiegel" aus Wien "aus dem Jahr 1941 !!"

Österreich war 1941 bereits an das grossdeutsche Reich von Hitlers Gnaden angeschlossen, aber als kleines Anhängsel. Und der Wiener Autor Rudolf Oertel faßt die bis dato bekannte Historie des Kino-Films aus Wiener Sicht zusammen. Bis etwa Seite 120 (von 310) kommen zwangsläufig NAZI-Kultur-Gedanken moderat zum Vorschein, dann aber wird es überraschenderweise sehr befremdlich nationalsozialistsch judenfeindlich, genau wie überall im 3.Reich auch. Die einführende Seite finden Sie hier.

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HOLLYWOOD

Die Erzeugung der amerikanischen Filme spielt sich ausschließlich in Kalifornien ab, das Geschäft damit wird aber 6000 Kilometer entfernt in New York gemacht. Ohne New York könnte Hollywood nicht bestehen.

Dort, im prächtigsten Viertel der Weltstadt, Times Square, auf den teuersten Baugründen der Welt, reihen sieh, soweit das Auge schauen kann, die gewaltigen Zentralbüros, die riesigen Kinopaläste, darunter das „Roxy", das 6200 Personen faßt; alle überragt vom 36 Stock (139 Meter) hohen Wolkenkratzer der Paramount.

Die Bühnentheater sind hier längst in Kinos umgewandelt, ja man versteht unter Theater schlechtweg die Lichtspielbühne.

Die Verwaltungschefs in New York betrachten den Film von anderen Gesichtspunkten aus als die Produktionschefs in Hollywood. Künstlerische Leistung, Ethos des Stoffes, das interessiert sie nicht, ihr einziger Wertmesser ist der Kassenrapport. Der New-Yorker Händler weiß manchmal nicht viel mehr als den Titel des Werkes, das er verkaufen will - und man weiß in Hollywood sehr genau, was man dem Geschäft schuldig ist.
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  • Anmerkung aus 2020 : In Amerike werden seit Anbeginn alle Auslandsgeschäfte über sogenannte Export Agents abgewickelt, das sind Vertriebsbüros wie die Erdölhändler in der Schweiz, die nie einen Tropfen Erdöl gesehen hatten, mit dem sie handeln. Gleiches galt viel später auch für die Fernseh- und Hifi-Branche.

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Hollywood! Das Wort ist ein Begriff.

Dieses riesige Filmatelier hat die Anziehungskraft und den Nimbus, den einst die Goldgräberstätten von Alaska hatten, und wie diese hat es einigen wenigen märchenhaften Glanz und Reichtum gebracht, Tausenden aber Enttäuschung, Entbehrung und Elend.

In irgendeinem Buch habe ich gelesen: „In Hollywood mag heute einer Mist abladen und kurze Zeit darauf mit hohem Gehalt Filme drehen; als Befähigungsnachweis genügt es, eine gewinnbringende Idee gezeigt zu haben, Doktordiplome sind ganz überflüssig, ebenso Protektion, wennschon die letztere von Nutzen sein kann".

Das klingt sehr schön, aber der Glücksfall ist selten, fast so selten wie das berühmte große Los.
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Hollywood - anfänglich nur ein Vorort von Los Angeles

Eigentlich ist Hollywood nur ein Vorort von Los Angeles, einige Kilometer gegen die Küste zu gelegen, und die Geschichte von Los Angeles selbst ist so abenteuerlich wie das Glück, das man dort sucht.

Vor achtzig Jahren (wir schreiben 1941) war es noch ein kleines Provinzstädtchen mit einigen tausend Einwohnern; dann kam das Goldfieber um die Mitte des 19. Jahrhunderts, das Abenteurer in Scharen herbeiströmen ließ; als dieser Taumel vorüberging, entdeckte man, daß Los Angeles über einem unterirdischen Petroleumsee erbaut war. Eine Periode der Erdölgewinnung setzte ein. Man sieht heute noch in den Vorstädten die Bohrtürme.

Hollywood war damals noch ein unbekanntes Dorf.
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Dann kam der Film.

Neun Monate spannt sich ein ewigblauer Himmel über diesen Strich Erde, eine verregnete Freilichtaufnahme gibt es nicht. Eine pittoreske Umgebung, das Meer, die felsige Küste, ein schmaler Vegetationsgürtel von tropischer Üppigkeit, dahinter die Sandwüste und das Hochgebirge, es ist ein ideales Freilichtgelände. So ist der rasche Aufstieg verständlich.

Freilich, die Stadt liegt auf unruhigem Boden, der häufig von kleinen Erdbeben erschüttert wird, darum fehlen die Wolkenkratzer. Aber sonst scheint Hollywood ein Paradies. Bei der ungeheuren Ausdehnung der Ateliers und der Villenviertel ist die Hälfte der Einwohner Autobesitzer.

Man hat in Kalifornien 1930 mehr Kraftwagen gezählt als in ganz Frankreich.
Hollywood selbst ist ein Babel, das nur einen Götzen kennt: den Film. Neger, Chinesen, Japaner, Indianer, Inder, Mexikaner, Mestizen, Südsee-Insulaner, Europäer, Juden und hundertprozentige Amerikaner, alles bunt durcheinander, alle von dem einen gleichen Gedanken bewegt.

Ja, diese ganze Stadt kennt nur ein Thema von früh bis nachts, jahraus, jahrein. Dabei leben alle, Produzenten, Regisseure, Autoren, Stars, in der ununterbrochenen Angst, verdrängt oder überflügelt zu werden, denn die Konkurrenz lauert wie ein Raubtier, und so feenhaft der Aufstieg, so tief kann der Sturz sein. In Hollywood scheint die Filmwelt das wirkliche Leben - und das wirkliche Leben nur ein Spiel.
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Ein grotesker Kult mit den Stars

Mit den Stars wird ein grotesker Kult getrieben. Ihr Privatleben, ihre Liebesaffären, ihre Siege bei Schönheitskonkurrenzen, all das ist sorgfältig arrangiert und ein Teil des Geschäfts.

Hier ist alles Filmkulisse, ähnlich jener „Universal-City", die 1915 im San-Fernando-Tal, acht Meilen südlich von Los Angeles, erbaut wurde. Das Ganze ist so echt amerikanisch, daß ich hier eine Schilderung aus dem Jahre 1921 wiedergeben möchte.

Universal-City

„Universal-City ist ausschließlich für Filmaufnahmen angelegt, ist in jeder Weise damit vor aller Augen eingerichtet. Die Stadt wurde am 15. März 1915 ,eröffnet' und hatte sogleich eine Bevölkerung von 1500 Einwohnern, die ausschließlich der Filmwelt angehören - nur die Schauspieler kommen aus Los Angeles, weshalb zwei ausgezeichnete Restaurants für sie eingerichtet sind, während man für Reiter, Soldaten und ganze Truppen, die bei Massenszenen mitwirken sollen, Baracken erbaut hat.

Die Stadt verändert sich wie ein Chamäleon, sie kann jede Stilart annehmen durch leicht ausführbare Verwandlungen, die von einem zum anderen Tag vorgenommen werden. Sie kann auf Wunsch ganze Straßen und Viertel hervorbringen - Troja, Athen, Rom, Paris, London, New York.

Außerdem sind die Straßen so konstruiert, daß sie selbst in normalem Zustand ein verschiedenartig architektonisches Bild bieten, wenn man sie von verschiedenen Seiten sieht, ein Prinzip, das bei den Hauptgebäuden bis zur äußersten Konsequenz durchgeführt ist, indem alle vier Fassaden von verschiedener Stilart sind.
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Es gibt sogar einen Bürgermeister, Verwaltung, Gas-, Wasser- und Elektrizitätsanlagen

Im übrigen aber ist die Stadt so modern wie möglich, mit Bürgermeister, Verwaltung, Gas-, Wasser- und Elektrizitätsanlagen - die Hauptstraße ist sechs Meilen lang. Es gibt dort eine Feuerwehr, Krankenhäuser mit Ärzten und Pflegerinnen, einen Sportplatz, der auch zu einem Amphitheater im alten Rom oder zu einem Dorfmarktplatz, einem indischen Durbar oder Golfplatz umgewandelt werden kann.

Auch fehlt es nicht an den für amerikanische Filme so notwendigen zoologischen Requisiten, wie Raubtiere, Schlangen, Büffel und Indianer, welch letztere in einem besonderen indianischen Dorf untergebracht sind, in welchem sie ihr gewohntes Leben mit Federkronen und Tomahawk usw. führen.

Kommen dazu noch Fahrzeuge in allen Stilarten, von Homers Heldenwagen bis zu Dogcarts, Landauern und allen Arten Automobilen, außerdem Speicher mit Kostümen, von Röcken aus Palmenblättern, wie unsere Vorfahren sie trugen, bis zu den modernsten Automobilpelzen, wird man begreifen, daß man in dieser wundersamen Stadt buchstäblich alles darstellen kann.
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Alles - Nur nicht die Wirklichkeit.

Die wechselnden Ideale und Schönheitsbegriffe der Menschheit sind noch launenhafter, phantasiereicher und reizvoller gewesen, als selbst die amerikanischeste Universalstadt sie wiederzugeben vermag; diese wird immer mit jenen Patentschlafsofas, die gleichzeitig als Bücherschrank, Trittleiter und Plättbrett verwendet werden können, das gemeinsam haben, daß sie zu allem zu gebrauchen sind und doch zu nichts recht taugen.

Das echte, an Ort und Stelle aufgenommene Bild wird stets den Preis davontragen, denn nur dieses besitzt die Stimmung, die der Szene Echtheit und darum Schönheit verleiht.

Man kann natürlich nicht nach Mesopotamien reisen, um König Belisars Palast zu photographieren - man muß ihn, so gut man es vermag, aufbauen; dagegen empfiehlt es sich unbedingt, nach Marokko zu reisen, um Tanger zu photographieren, weil man das keinesfalls im San-Fernando-Tal in Kalifornien so gut machen kann."

Man ist aus den überschwenglichen Schilderungen der amerikanischen Reklame, die nicht nur aus ihren Schauspielern, sondern auch aus Hollywood selbst einen Star gemacht hat, geneigt, mit gelinder Sehnsucht von diesem Paradies zu träumen.

Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. Gerade der gebildete Europäer wird unter der faszinierenden Oberfläche das Unechte, Parvenühafte dieser Filmmetropole bald erkennen. Vielleicht wird man behaupten, daß wir Deutsche heute befangen sind; so mögen denn zwei „unbefangene" Europäer, ein Engländer und ein Franzose, zu Worte kommen.
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Zwei „unbefangene" Europäer schreiben :

Der eine ist L'Estrange Fawcett, der seine Eindrücke dahin zusammenfaßt:

  • „Die Atmosphäre der überall zwischen Gärten und Villen zerstreuten Studios, wie dort die Aufnahmeateliers samt den dazugehörigen Anlagen genannt werden, scheint durch die Fugen ihrer Wände zu dringen. Nichts will mehr seinen natürlichen Eindruck machen: weder die Vegetation, denn die Blätter der Kakteen und Aloen sehen wie gestrichenes Zinkblech aus; noch der Himmel, dessen ewig tiefes Blau an einen gestellten Prospekt gemahnt; und die wundervollen tief roten Tinten der schwindenden Sonne hält man für einen geschickten Beleuchtungseffekt.
  • Auch die Gebäude erinnern stets an Theaterdekorationen: schwache Holzgefüge mit Gips und Papiermache verkleidet, die den Eindruck des Unwirklichen machen; hinter den Fassaden sucht das Auge unwillkürlich nach den eisernen Stützen. Die Menschen wirken bühnenmäßig, die Frauen übermäßig geschminkt, die Männer oft im Kostüm, zahllose Neger, Mongolen und Indianer verstärken den Eindruck des Märcnenartigen, fast Gespensterhaften. Man blickt auf das flache Dach eines Kinotheaters und gewahrt einen Araber mit Turban und Burnus, das Gewehr über der Schulter, gravitätisch auf und ab schreiten.
  • Überall und in den verschiedensten Sprachen, worunter das Deutsche vorherrscht, hört man nur vom Film reden. Man bewegt sich in einer Welt von Staffage, Theaterdekorationen, Projektoren, Schminke und Zelluloid, man ist davon förmlich getränkt, übersättigt, und das Leben des Alltags erscheint schließlich nur noch als ein Abklatsch des Lichtbildes. Alles wirkt gefällig, alles scheint bereit, in der nächsten Minute photogra-phiert zu werden, alles ist nett, hübsch und süß, aber offen gestanden - seelenlos."

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L'Estrange Fawcett schreibt weiter

An anderer Stelle kritisiert er das amerikanische Kulturleben überhaupt und meint, daß die allgemeine Hoffnung, Reichtümer zu sammeln, einer Vergeistigung des amerikanischen Lebens entgegensteht. „Kunst und Literatur werden dort als Beschäftigungen für reiche Dilettanten angesehen. Der Kampf ums Dasein artet in das Streben aus, den Rivalen zu überflügeln.

Auch der Einwanderer läßt seine Tradition auf dem Dampfer zurück und erhält dafür keinen Ersatz: Französischer Optimismus, deutsche Gründlichkeit, russische Resignation, englische Anpassungsfähigkeit, alle werden sie durch Habsucht verdrängt. Die dominierende Note der amerikanischen Filmproduktion ist also der Dollar."
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Dr. Erwin Debries „Hollywood wie es wirklich ist"

Der andere Zeuge, Dr. Erwin Debries, seinerzeit korrespondierendes Mitglied des internationalen Instituts für Lehrfilmwesen am Völkerbund, schrieb 1930 in seinem Büchlein „Hollywood wie es wirklich ist":

  • „In Hollywood wird man auch heute noch vergeblich nach Dingen Ausschau halten, die für Europäer Grad- und Wertmesser der Kultur sind. Diese Stadt mit ihrem impertinent zur Schau gestellten Reichtum, mit ihrer Zusammenballung ungeheurer Vermögen, kann ohne ein des Namens würdiges Theater, in dem eine Shakespeare-Aufführung denkbar wäre, auskommen.
  • Sie besitzt die wenigsten und schlechtestgehenden Buchhandlungen, keine Gemälde- oder Kunstgalerien. Wozu auch? Da doch das Denken der meisten vom Film beherrscht wird, ein literarisch oder künstlerisch wertvoller Film jedoch, nach der Ansicht der Hollywooder Großmogule, kein Box-Office verheißt! Ergo bevorzugt die gute Gesellschaft Hollywoods vernünftigere Genüsse, als da sind: Golf, Tennis, Badestrandleben, Tanzen, Flirten, Essen und Trinken, Radio, die Predigten der Prophetin Aimee Semple Macpherson und andern frommen Hokuspokus phantasievoller Sektengründer."
  • „Über diesem Hollywood lastet, bedrückend und schwer wie ein Alp, eine Atmosphäre der Ungeistigkeit. Die Stadt hat ihre Seele dem Beelzebub mechanischer Kunstfertigkeit verschrieben. Der Geist der Kunst, der lebendigmachende, ist aus ihr verbannt. Kein Europäer, der für einen Dollarscheck den Hollywooder Fabrikanten sein geistiges oder künstlerisches Ich verkaufte, der nicht bald mit Schrecken wahrnahm, daß die Ressourcen seines Gehirns und Gemüts in der süßlichseichten, entnervenden Luft Hollywoods schwanden, die Wurzeln seiner geistigen Kraft, die ihm der Kulturboden Europas stets aufs neue genährt, saftlos wurden und verdorrten."
  • „Hollywood ist unter den Städten Amerikas der neureiche Parvenü, zugleich Mister Raffke und Babbit. Seine Filmstars und -magnaten erbauen sich auf seinen heute noch wie ehedem sandigen Hügeln groteske Lunapark-Ritterburgen ,en faux gothique', umgeben sie mit Wall, Turm und Schießscharten, Graben und Zugbrücke, und möblieren sie stilvoll mit Biedermeier- und Rokokomöbeln. Die wie mit dem Lineal gezogenen, breiten und vollkommen gleich aussehenden Straßen, ambitiös ,Boulevards' geheißen und ausschließlich für den Automobilverkehr eingerichtet, sind in oft quadratkilometerweiten Abständen - man hat ja Platz! - von den absonderlichsten Konstruktionen eingesäumt.
  • Einstöckige, rotbeziegelte Häuschen im spanisch-mexikanischen Baustil wechseln ab mit den nüchternsten neuamerikanischen Buildingsbauten, marmorverkleidete Renaissancepaläste der Banken stehen neben grellbunt bemalten holländischen Grachtenhäuschen, an denen sich - how lovely! - sogar Windmühlenflügel drehen. ,Es klappert die Mühle bei Tag und bei Nacht.'
  • Die Straßenfluchten Hollywoods sind nicht im mindesten weniger buntscheckig und lunaparkhaft als die Atelierbauten seiner Filmstudios, und oft sind letztere solider aufgebaut als jene. Wozu sollte man sich auch soviel Mühe machen. Es regnet ja nie und bei der stets gleichmäßig herniederbrennenden Filmsonne kann man es sich leisten, aus dem allerleichtesten Material zu bauen. In dieser angenehm temperierten, nicht zu heißen und nicht zu kalten Luft, unter dem ewig blauen kalifornischen Himmel mit seiner bei Tag immerzu freundlich strahlenden Sonne und den nachts vorschriftsmäßig vom Himmel leuchtenden goldenen Sternlein, fahren Tag für Tag gut angezogene, sauber rasierte Herren und prächtig gekleidete, juwelengeschmückte und geschminkte Damen in strahlenden Automobilen der kostbarsten Marken nach den Studios der Filmgesellschaften.
  • Dort lassen sich unsere vergötterten Lieblinge, die Sterne der Flimmerleinwand, der bewegten und sprechenden, herab, unter Beihilfe vieler Tausender namenloser, halbverhungerter und trotzdem vom Filmteufel besessener Statisten, zur Erbauung und Freude uns armer Sterblicher, jene Meisterwerke der Filmkunst hervorzubringen, in denen wir alles vorfinden, was Hollywood, wie es wirklich ist, an Geist, Gemüt und Schönheit besitzt, und denen wir deshalb verdientermaßen unsere verzückte Bewunderung schenken."

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Man wird zugeben, daß solche Schilderungen stark von der allgemein gültigen Vorstellung abweichen, aber sie haben Hand und Fuß.
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Das also ist Hollywood ohne Maske.

Nur eines ist in Hollywood über jede Kritik erhaben: die Moral. Angeblich kommt kein Film aus den dortigen Ateliers in die Öffentlichkeit, ehe ihn der Bischof von Hollywood gutgeheißen hat, und neben ihm wacht eine Unzahl von Frauenvereinen über die Sittlichkeit der Filme und der Schauspieler.

Als nach dem (ersten) Weltkrieg in des Films Maienblüte diesbezüglich die Klagen zu arg wurden, schuf man in Hollywood die Stellung der „Studio-Mother", der Ateliermutter. Diese Erfindung ist typisch für die Hypotrophie der amerikanischen Sittlichkeit - jedenfalls der offiziellen.

Eine dieser würdigen Damen hat einmal eine Schilderung ihrer Stellung gegeben:

  • „Die größte Macht, die in meine Hände gelegt ist, besteht darin, daß ich allein die Frauen für die Staffage engagiere. Das war ein furchtbarer Schlag für gewisse Regisseure, die sich mit Favoritinnen zu umgeben liebten. Ich erinnere mich an einen, der, während er auf einen Umbau wartete, wie ein Hahn auf und ab stolzierte, während sein kleiner Hof ihm huldigte; wenn er eine Szene aufnahm, dirigierte er mit den Allüren eines Sultans, er saß in einem großen Lehnstuhl und befahl seinen Hofdamen im Halbkreis zu seinen Füßen Platz zu nehmen; und während er die Regie führte, spielte er nachlässig mit den goldenen Locken einer Favoritin. Man kann sich also sein Entsetzen vorstellen, als er erfuhr, daß ihm sein Vorrecht, die Statistinnen auszuwählen, von einer kleinen unansehnlichen Frau weggenommen worden war. Er wollte seinen Abschied nehmen und drohte mit vielen anderen furchtbaren Dingen, aber er tat nichts von alledem. Kein junges Mädchen, das nicht eine anerkannte Schauspielerin ist, wird von jemand anderem als von mir engagiert. Regisseure und Schauspieler können nicht mehr jedes beliebige junge Mädchen, das ihnen zufällig gefällt, unterbringen."
  • „Neben dem Engagement ist die Aufsicht über das Benehmen der jungen Mädchen während der Aufnahmen das Hauptamt der Ateliermutter. Es ist den Männern streng verboten, sich den Ankleidezimmern der Frauen zu nähern, und wenn die jungen Mädchen umgekleidet sind, müssen sie sich bei mir melden. Wenn ich nicht persönlich eine Aufnahme überwachen kann, ernenne ich eine der älteren festangestellten Damen, die dann dieses Amt für mich übernimmt."
  • „Der Direktor unserer Firma ist sehr streng in diesem Punkt, er kündigt Leuten bei dem geringsten Verdacht. Bei verschiedenen Gelegenheiten hat er Detektive, als Bühnenarbeiter oder Statisten verkleidet, verwendet, um die Schar zu beobachten und die schädlichen Elemente zu entfernen. Er behauptet, daß man gute Arbeit nicht in schlechter Luft leisten kann."


So moralisch war man in Hollywood.
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  • Anmerkung : Zu der Zeit, als dieses Buch 1941 geschrieben wurde, war der reichsdeutsche Propagandaminister Josef Göbbels als der "Bock von Babelsberg"  in der gesamten Film-Branche - aber nur hinter einem Vorhang so genannt - bekannt. So war das mit der Moral im 3. Reich bei den Promis.

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