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Von der Flimmerkiste zum PAL-Farbfernsehen

Das vorliegende Büchlein aus dem Jahr 1987 ist eine der wenigen Publika- tionen des ehemaligen "Wiesbadener Fernsehvereins", der 2010 aufgehört hatte, zu existieren.
In diesem Büchlein beschreiben Walter Bruch und weitere Autoren ihre Eindrücke und  Erinnerungen und Erfahrungen aus der Zeit, als das Fernsehen noch in der Wiege lag - mit dem Blick auf die Entwicklung in der Stadt Berlin.

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Fernsehjubiläen zur Auswahl

Das Fernsehen hat Jubiläum: 20 Jahre Farbfernsehen in Deutschland- 20 Jahre PAL-Fernsehen. Es begann in Berlin!

Kaum glaubhaft, daß der Übergang vom Schwarz-Weiß-Fernsehen zum Farbfernsehen schon 20 Jahre zurückliegt; es kommt uns vor, als wäre das erst kürzlich gewesen. Auch für uns Ingenieure, deren Lebenswerk es war, für das Fernsehen, wie es heute ist, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, erscheint jener Tag in Erinnerung als eine Premiere.

Doch der Ursprung jener Technik, die damals mit einer gewissen Vollendung für ihre tägliche Anwendung den Sendeanstalten zur Verfügung gestellt wurde, ist viel früher zu suchen. Und Berlin war immer dabei!

1983 ein erstes Jubiläum - Paul Nipkow

Wenn wir Techniker darauf aus wären, Gründe zum Feiern aufzuspüren, dann hätte schon 1983 Anlaß bestanden, die Fernsehtechnik zurückverfolgend bis zum ersten Patent, ein hundertjähriges Jubiläum zu begehen. »Elektrisches Teleskop« hatte der 23jährige Berliner Student Paul Nipkow seine Weihnachten 1883 schriftlich fixierte Erfindung betitelt, die unter der Nummer 30105 vom Kaiserlichen Patentamt vom 6. Januar 1884 an durch ein Patent geschützt wurde.

»Der hier zu beschreibende Apparat«, heißt es darin, »hat den Zweck, ein am Orte A befindliches Object an einem beliebigen anderen Orte B sichtbar zu machen; derselbe wird durch die beiliegenden Zeichnungen des Näheren dargestellt.« Deutschland war so stolz auf seinen Erfinder - und die Berliner ganz besonders auf den Mann, der bis zu seinem Tode 1940 in Berlin geblieben war-, daß man ihn mit dem einzigen Staatsbegräbnis , das j e einem Erfinder zuteil wurde, ehrte.

Die wenigen, die diesen Staatsakt erlebten - Paul Nipkow, Vater des Fernsehens, aufgebahrt vor der Berliner Universität an der Straße Unter den Linden-, konnten nicht ahnen, daß Jahrzehnte später das ganze deutsche Volk an solchen posthumen Ehrungen über das Fernsehen teilnehmen würde.

1978 - 50 Jahre Uraufführung der Fernsehtechnik

Anstelle des hundertsten konnten wir auch ein fünfzigjähriges Jubiläum begehen, wenn wir als öffentliche Uraufführung der Fernsehtechnik jene Vorführungen gefeiert hätten, mit denen 1928 auf der 5. Großen Deutschen Funkausstellung in den Berliner Messehallen am Funkturm erstmalig öffentlich die Übertragung bescheidenster Bilder nach der Methode des Fernsehens über wenige Meter Entfernung gezeigt wurden.

Der greise Paul Nipkow sah diese Demonstrationen; seine Eindrücke davon hat uns ein Rundfunkinterview erhalten: »Die Fernseher befanden sich in dunklen Zellen, und davor standen Hunderte und warteten geduldig auf den Augenblick, in dem sie zum ersten Male fernsehen sollten. Unter ihnen wartete ich auch und wurde immer nervöser. Was ich 45 Jahre früher erdacht hatte, sollte ich nun erstmals wirklich sehen. Endlich war ich an der Reihe und trat ein - ein dunkles Tuch wird zur Seite geschoben, und nun sehe ich vor mir eine flimmernde Lichtfläche, auf der sich etwas bewegt. Es war nicht gut zu erkennen.«

Paul Nipkow schrieb seinen Traum auf

Es war noch ein sehr bescheidenes Fernsehen, was dort gezeigt wurde, aber die Bildzerlegung entsprach haargenau derjenigen, die Paul Nipkow 45 Jahre früher erfunden hatte. Über ein halbes Jahrhundert hatte es gedauert, bis die Hilfsmittel, im wesentlichen Fotozellen und Verstärker, so weit gereift waren, daß ein technisch einwandfrei konzipiertes Fernsehgerät im Prinzip realisiert werden konnte.

Berlin war das Zentrum der Fernsehentwicklung

Wenn wir so unsere Neugier an der Entwicklungsgeschichte der Fernsehtechnik auch auf die Zeit vor dem Zusammenbruch 1945 ausdehnen, dann wird immer wieder Berlin als Zentrum und Ausstrahlungspunkt der Bemühungen und Fortschritte auftauchen, die, seit jenen Erstlingstagen weit über Deutschland hinaus wirkend, unserem Kontinent die technischen Voraussetzungen für den programmäßigen Fernseh-Rund-funk in seiner heute noch durch die Farbwiedergabe vollendeten Form beschert haben.

Für Berlin, das über dieses Medium Fernsehen mit beiden Teilen Deutschlands über alle Hindernisse hinweg eng verbunden ist, hat es daher eine ganz besondere Bedeutung. Sonst hinge nämlich die Stadt »in der Luft«. Rundfunk und Fernsehen nehmen Rücksicht darauf. Sie zeigen den Berliner auch in jener unbekümmerten Redeweise, die ihn schon immer auszeichnete. Uns im Westen wird oft im Fernsehen der Kurfürstendamm »live« dort gezeigt, wo er durch die Präsenz der Besucher aus aller Welt "internationaler"(?) wirkt als jede der anderen Flanierstraßen in Westdeutschlands Großstädten.

Auch derjenige kennt über das Fernsehen den Kurfürstendamm und sein Leben, der nie in Berlin oder dort nur zum kurzen Besuch war. Die Wesenheit und Stimmung des Berliners, jene konstruktive Großartigkeit dieses Berlintums, hätten sich nicht zum anderen Deutschland in solch ein Verhältnis setzen können und Deutschland nicht zu Berlin ohne die Fernsehbrücke.

Berlin und der SFB - das sind (waren) 8% der ARD

Wir Ingenieure, die daran mitgearbeitet haben, sind darauf stolz. Und obwohl Berlin nicht mehr Deutschlands Hauptstadt ist, so lebt es uns über das Fernsehen, durch das wir sozusagen durch das »Berliner Fenster« hineinschauen - nur selten die Kamera auf oder über die Mauer schwenkend -, eine Hauptstadt vor. Die acht Prozent, die Berlin durch den Sender Freies Berlin zum Ersten Fernsehprogramm der ARD beiträgt, und ein beachtlicher Programmanteil, den das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) in Berlin produziert, sollten wir nach solchen Gesichtspunkten werten.

Berlin setzte Maßstäbe

Immer wieder präsent ist Berlin auch durch die regelmäßig stattfindenden Funkausstellungen. Sie begannen in der Epoche, die wir heute die »goldenen zwanziger Jahre« nennen. Es war für die deutsche Geschichte der letzten hundert Jahre eine der lebendigsten, vielfältigsten und anregendsten Zeiten. Kultur und Geistesleben entwickelten sich im liberalen Klima nach allen Richtungen, setzten Maßstäbe und machten damit vor allem die Hauptstadt Berlin zu einer Stätte der Begegnungen in Europa, zu einer Weltstadt des Kultur- und Geisteslebens.
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So bescheiden fing das Fernsehen an

Eingeleitet wurde diese Periode durch die Einführung der Rentenmark, die für einige Jahre wieder stabile wirtschaftliche Verhältnisse geschaffen hatte. Am 15. November 1923 war bekannt gemacht worden, daß von der wertlos gewordenen Papiermark 1.000.000.000.000 (1 Billion) gegen eine neue Rentenmark eingetauscht werden.

In diesen turbulenten Tagen wurde der deutsche Rundfunk geboren. Am 29. Oktober 1923 abends acht Uhr, also noch in der Zeit der Papiermark, konnten die wenigen, die sich mit einem Empfänger darauf vorbereitet hatten, hören: »Achtung, Achtung! Hier ist das Voxhaus Berlin auf Welle 400.« Dann folgten Musik und Gesangsdarbietungen. Der Anfang war - in einem heute nicht mehr vorstellbaren Maße - ärmlich.

Eine Privatfirma, die Vox-Schallplattengesellschaft, hatte das Geld zur Verfügung gestellt und wurde damit zum Hauptaktionär der neugegründeten »Radiostunde AG, Berlin«. Nach der Eindeutschung des Wortes Radio in Funk wurde sie am 18. März 1924 umgetauft in »Funkstunde AG, Berlin« und am 1. April 1934 »gleichgeschaltet« in Reichssender Berlin.

1924 - Die erste Berliner Funkausstellung

Am 4. Dezember 1924 wurde die erste Funkausstellung in Anwesenheit des Reichspräsidenten Friedrich Ebert eröffnet. Sie konnte einen vollen Erfolg verbuchen: 268 Firmen hatten ausgestellt, 114109 Eintrittskarten waren gelöst worden, und die Industrie meldete: für Monate ausverkauft!

1925 - Die zweite Große Deutsche Funkausstellung in Berlin

Die »2. Große Deutsche Funkausstellung« vom 4. bis 13. September 1925 in Berlin verlief ähnlich erfolgreich. Bei der dritten im September 1926 wurde dann der fertige Funkturm eingeweiht. Seine Antenne, der »Sender Witzleben«, half seinerzeit mit, etwa 40 Prozent der Bevölkerung von Groß-Berlin mit gutem Detektorempfang zu versorgen.

Jede Funkausstellung hatte auf dem Gebiet »Radio« etwas Neues gebracht. Die Novitäten der Industrie dem Handel zu präsentieren, war und ist Sinn der Ausstellung. Vom Fernsehen, das 1928 erstmalig öffentlich gezeigt wurde, waren jedoch alle enttäuscht, die auf die Ausstellung gekommen waren, um dieses Wunder erstmals zu sehen. Ich gehörte dazu!

Walter Bruch - mit der Rückfahrkarte nach Berlin

Gerade ein flotter Zwanziger (heute würde man Twen sagen), war ich mit einer für Ausstellungsbesucher verbilligten Rückfahrkarte nach Berlin gekommen, um - durch eigene erste Versuche vorbereitet - zu sehen, was die »Profis« schon konnten.

Mit wenigen zusammengesparten Mark kam ich am Abend am Anhalter Bahnhof an. Berlin war für mich die Reise wert, aber war es auch das Fernsehen? Dazu eine Besprechung aus der Zeitschrift »Funk«:

»Die dichten Schleier sind nun gelüftet, und es ist gewiß eines der schönsten Verdienste dieser fünften Großen Deutschen Funkausstellung, daß sie zum ersten Mal Fernsehgeräte vor aller Öffentlichkeit praktisch vorführte. Alle, die an die baldige Verwirklichung des Fernsehens glaubten, werden jedoch in diesem Glauben kaum bestärkt werden, denn man sieht nur den bescheidenen Anfang eines neuen technischen Wunders, dessen Erfüllung für die Allgemeinheit noch in einer unbestimmten Zukunft liegt.«

Ausgestellt hatten auf einem Stand der Deutschen Reichspost der Ungar Denes von Mihäly- Anfang der dreißiger Jahre wurde ich für drei Jahre sein engster Mitarbeiter- und Professor August Karolus auf einem Stand der Firma Telefunken. Mihäly demonstrierte die Übertragung von einfachen Objekten als Schattenbilder, beispielsweise eine Schere, die auf- und zugeklappt werden konnte. Die Zerlegung erfolgte in nur 30 Zeilen, das rötlich schimmernde Bild war nur 4 x 4 Zentimeter groß und wurde durch eine Lupe betrachtet. Bei Karolus war das Bild 25 x 25 Zentimeter und in 45 Zeilen zerlegt. Beide arbeiteten mit rotierenden Zerlegern, Mihäly mit der von Paul Nipkow erfundenen Lochscheibe, Karolus mit dem von Weiler erfundenen Spiegelrad.

Es waren physikalische Demonstrationsversuche und nicht mehr. So bescheiden fing das Fernsehen an ....

1929 - Nichts Neues auf der Funkausstellung

1929 war ich wieder nach Berlin gereist. Aber das Fernsehen bot mir nichts Neues. Was ich da auf der Funkausstellung sah, konnte ich in meinem Empfänger auch sehen. Die 3O-Zeilenbilder wurden jetzt über den Sender Witzleben nachts ausgestrahlt und konnten von mir im Fernempfang (in Sachsen!) beobachtet werden.

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