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Das Buch der "Filmspiegel" aus Wien "aus dem Jahr 1941 !!"

Österreich war 1941 bereits an das grossdeutsche Reich von Hitlers Gnaden angeschlossen, aber als kleines Anhängsel. Und der Wiener Autor Rudolf Oertel faßt die bis dato bekannte Historie des Kino-Films aus Wiener Sicht zusammen. Bis etwa Seite 120 (von 310) kommen zwangsläufig NAZI-Kultur-Gedanken moderat zum Vorschein, dann aber wird es überraschenderweise sehr befremdlich nationalsozialistsch judenfeindlich, genau wie überall im 3.Reich auch. Die einführende Seite finden Sie hier.

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KINTOPP UND WANDERKINO

Die ersten Filme um die Jahrhundertwende wurden im Rahmen eines Varieteprogramms gezeigt, unter anderen Nummern von Seiltänzern, Bauchrednern, Akrobaten, Zauberern, Hundedressuren, Schlangenbeschwörern. Auch diese Dinge zu beherrschen ist eine Kunst, wer zweifelt daran? Das Wort ist eben doppelsinnig.

Aber es ist schon bezeichnend, daß der Film mit diesen „Künsten" zuerst befreundet war. Welch weiter Weg zu jenem anderen Begriff von Kunst, um den er in späteren Jahren leidenschaftlich rang, ohne daß wir leugnen könnten, daß es auch jetzt noch Rückfälle gibt.

Es hat nicht lange gedauert, bis einige besonders Wagemutige daran gingen, Filme unabhängig vom Variete vorzuführen. In kleinen Sälen, in leeren Straßenläden, in die man einige Reihen von Sesseln stellte, taten sich die ersten Kinos auf.
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1895 in München und in Wien in der Kärntnerstraße

Wenn die Nachrichten nicht lügen, dann bestand das älteste deutsche Kino seit 1895 in München, und nicht viel später entstand das älteste Wiener Kino in der Kärntnerstraße - Ecke Krugerstraße.

Ein zweites folgte in der Wallgasse, die Kammerlichtspiele Westend, ein Zeltbau, in dem man im Winter nicht spielen konnte.

1896 - Berlin, Unter den Linden 21

Im April 1896 öffnete das erste Unternehmen in Berlin, Unter den Linden 21, seine Pforten. Ab September zeigte Meßter seine Filme ebenfalls Unter den Linden. Eintritt 50 Pfennig. Es verfügte über hundert Plätze und brachte 60-70 Mark Tageseinnahme. Um den Besuch zu steigern, gab es Preisauschreiben und Wurfsendungen mit Originalfilmstreifen. (H. Traub.)

Im September 1896 eröffnete man auf der Friedrichstraße das Edison-Theater. Aber der anfängliche Zustrom des Publikums flaute bald wieder ab.

1898 - Der Kaiser kommt ins Kino

Über den Besuch Kaiser Franz Josephs in einem solchen Kino liegt ein zeitgenössischer Bericht des Wiener Trickfilmzeichners Ladislaus Tuszynski vor, der nicht uninteressant ist.

An einem sonnigen Frühlingstag des Jahres 1898 fuhr der alte Monarch in Begleitung des Generaladjutanten Grafen Paar vor dem damaligen „Kaiser-Panorama" am Kolowratring vor, um das neueste Weltwunder der „lebenden Bilder" des „Cinematographen der Brüder Lumiere" aus Paris in allerhöchsten Augenschein zu nehmen.

In dem abgedunkelten schmalen Vorführungsraum herrschte schon gewaltige Aufregung, denn, obgleich man allgemein wußte, daß Seine Majestät für technische Neuerungen stets großes Interesse bezeigte, galt der Kaiserbesuch in einer „Schaubude" mit Recht als eine ganz besondere Auszeichnung.

Und so wurde Franz Josef nach feierlicher Begrüßung durch den Direktor zu seinem Fauteuil in der - ersten Sitzreihe geleitet. Denn damals wußte man ja noch nichts davon, daß im Kino die noblen Leute hinten zu sitzen pflegen. Von einer Musikbegleitung wurde über Wunsch des Monarchen, der dem alten Pianino in der Ecke nicht recht traute, Abstand genommen, das Licht verlöschte und nun konnte es losgehen!

Der alte Kaiser, der in seiner frühesten Jugend noch die erste Lokomotive bestaunt und den ersten Dampfer benutzt hatte, der später dann die ersten elektrischen Glühbirnen aufleuchten gesehen und den ersten Phonographen krächzen gehört hatte, nahm auch dieses neueste „Wunder der lebenden Photographien" mit der ihm eigenen kühlen Gelassenheit zur Kenntnis.
Er sah aufmerksam zu, wie der berühmte „Eisenbahnzug" unter schrecklichem Geflimmer aus dem Tunnel hervorbrauste und folgte mit Kennerblicken dem Reiter über die Hürden. Als zum Schlüsse aber der „ungeschickte Gärtner" sich mit dem Wasserschlauch ins Gesicht spritzte, da hörte man den Kaiser laut auflachen. Ob er nach Beendigung der Vorführung die legendären Kaiserworte: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!" gebrauchte, ist geschichtlich nicht verbürgt. Wohl aber ließ er sich vom Vorführer die Mechanik des Apparates erklären.

Dieser stand damals noch hinter der durchscheinenden Projektionsleinwand auf einem wackeligen Gestell, zu beiden Seiten von einem großen Wasserschaff und einem - Wäschekorb flankiert! Letzterer diente zum Auffangen des abgehaspelten Filmstreifens. Für Feuersicherheit war also nach der damaligen Ansicht genügend gesorgt ... !
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Die Neuigkeit "Film" erlahmte

Daß die anfängliche Sensation in den großen Städten so rasch abflaute, hatte verschiedene Gründe. Das Publikum meinte, die Sensation bestünde darin, die Erfindung an sich kennengelernt zu haben. Nachdem man dann ein- bis zweimal hingegangen war, schien die Sache erledigt.

Daß der Inhalt des Films das Interessante sein könnte, daß man also künftig ständig Kinobesucher werden würde, um der neuen Programme oder der Schauspieler willen, das begriff man erst nach Jahren, als inzwischen eben die Filme eine richtige Handlung bekommen hatten, länger wurden, durch ihren Inhalt zu fesseln verstanden.

Es kamen noch andere Momente dazu, die auf das Publikum ungünstig wirkten, so das Flimmern oder „Regnen"; alle Aufnahmen, auch die in Zimmern, schienen hinter einer Regenwand zu spielen, was von der Beschädigung der Bildstreifen durch die primitiven Vorführapparate herrührte, deren Führungskanal mit Samt beklebt war, um bremsend zu wirken. Der Samt zerkratzte natürlich das empfindliche Material, und je öfter so ein Film lief, um so schlechter wurde er. Dazu kam das „Zittern" der Bilder, das durch die unruhige Projektion verursacht wurde.
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Der Nitrofilm war "brandgefährlich"

Das Bedenklichste aber waren die gefährlichen Projektionslampen.
Es gab noch keine Feuerschutztrommeln, der Film war oben offen gerollt und lief in einen ebenso offenen „Wäschekorb". Begann nun ein Film im Bildfenster unter der großen Hitze zu brennen, was leicht geschah, so schlug die Flamme sofort nach oben und ergriff die ganze Rolle. Auch die ersten Trommeln waren kein sicherer Schutz, die Flamme schlug durch.

Trotz aller im Laufe der Zeit erreichten Verbesserungen blieb immer ein Gefahrenmoment bis zur Einführung des Sicherheitsfilms. Kein Wunder, daß es unter solchen Umständen gleich in den ersten Jahren eine Reihe von Unfällen gab.

Am 16. September 1896 brannte der Edison-Pavillon auf der Berliner Gewerbeausstellung ab. Es war der erste Kinobrand in der Geschichte des Films. Der Schaden wurde auf 6.000 Mark geschätzt. Erst am 30. September konnten die Vorführungen wieder beginnen. (H. Traub.)
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18. Oktober 1896 - der Pavillon brennt ab

Die „Berliner Tägliche Rundschau" vom 18. Oktober 1896 berichtet darüber:

„Am Sonntagnachmittag ist leider der Edison-Pavillon abgebrannt. Die um halb 5 Uhr beginnende Vorstellung der ,lebenden Photographien' war in bestem Gange, da verspürte der nahe dem Eingang sitzende Baumeister Bauer einen brenzlichen Geruch und unerklärliche Wärme.

Er wendete sich nach der im Hintergrund befindlichen Kamera, blickte durch eines der in der Wand befindlichen runden Löcher und sah schon eine Flamme. Der französische Mechaniker, der den Apparat bediente, und sein Gehilfe wendeten sich zur Flucht, nachdem sie bei vergeblichen Löschversuchen sich die Hände verbrannt hatten.

Baumeister Bauer riß nun die Vorhänge von den Türen zurück und rief dem Publikum zu: ,Bitte bewahren Sie die Ruhe, es brennt im Pavillon!' Ohne den geringsten Unfall gelangte darauf das Publikum ins Freie. Allgemein wird darüber geklagt, daß beim Ausbruch des Feuers kein Angestellter wußte, wo ein Feuermelder zu finden sei, obgleich ganz in der Nähe des Pavillons an der Treppe zur Ausstellungsbrücke ein solcher vorhanden ist. Die Folge war, daß die Feuerwehr erst sehr spät erschien. Da außerdem zuerst auch noch ein Hydrant versagte, brannte der Pavillon fast ganz ab, doch konnte man wenigstens noch die Apparate retten.

Über die Ursache des Brandes teilen die „Offiziellen Ausstellungs-Nachrichten" mit, daß aus der zu dem Apparat gehörigen feststehenden elektrischen Bogenlampe der eine Kohlenstift herausfiel und in den unteren Kasten sank, in dem sich die langen Kollodiumbänder - die Filme - befanden, die das Material für die projizierten Photographien bilden. Im Nu fingen die Filme Feuer.

Schon nach wenigen Minuten, kaum daß sich das Publikum ins Freie geflüchtet hatte, schlug dann die Flamme hellodernd zum Dache hinaus. Interessant war es, die zahlreichen Zuschauer zu beobachten. Viele Tausende umstanden die Brandstätte, während draußen noch Tausende von Regenschirmen sichtbar waren. Als die lodernden Flammen aber noch nicht ganz gelöscht waren, gingen die meisten Berliner schon gleichgültig davon, nicht jedoch die vielen Fremden, welche wohl zum erstenmal Gelegenheit hatten, unsere wackere Feuerwehr bei ernster Arbeit zu sehen."
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Mai 1897 - Der große Brand des Filmpavillons in Paris

Viel verhängnisvoller und zu seiner Zeit ebenso „berühmt" wie die Katastrophe des Wiener Ringtheaters war der große Brand des Filmpavillons auf dem Wohltätigkeitsbasar der Pariser Weltausstellung im Mai 1897, bei dem hundertvierundzwanzig Personen ums Leben kamen, darunter die Herzogin von Alenon, eine Schwester der Kaiserin Elisabeth von Österreich, die Schwägerin Kaiser Franz Josephs.

Kein Wunder, wenn das Publikum verängstigt dem gefährlichen Vergnügen den Rücken kehrte, um so mehr, als die verwöhnten Städter in Schauspiel, Oper und Operette ein turmhoch überlegenes Vergnügen besaßen.

Manch ein Kinobesitzer ging auf die Wanderschaft

Aber auf dem Lande, in den Dörfern und auf den Jahrmärkten, da gab es noch einfache Menschen, die staunen konnten, die zwischen Karussell und Schießbuden auch noch Sinn für diese Flimmerbilder hatten und sich daran vergnügten.

So ging manch ein Kinobesitzer auf die Wanderschaft und wurde fahrendes Volk, gleich den Zirkusleuten. Auf ein oder zwei Wagen wurden Apparate, Filmrollen, Lichtanlage, Vorführungszelt, Bänke und Kasse und die Familie verladen, und dann ging es los über Berg und Tal, von Stadt zu Stadt, von Markt zu Markt.

Vater war Direktor, Reiseleiter, Reklamechef und Vorführer in einem, Mutter saß an der Kasse und zählte das Geld, der hoffnungsvolle Sohn bediente das Grammophon, denn Musik mußte sein, um das Rattern der Vorführung zu übertönen oder die Zeit zu vertreiben, wenn das verteufelte Zeug zum x-sten Male riß; war er besonders begabt, gab er auch noch die erklärenden Erläuterungen zu den sensationellen Dingen, die auf der Leinwand geschahen.

Das hübsche Töchterlein aber (falls es hübsch war), wies die Plätze an und war für das männliche Publikum manchmal beachtenswerter als das flimmernde Schattenspiel.
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Das romantischeste Zeitalter in der Geschichte des Films

In den dumpfen Bretterbuden und engen Leinwandzelten drängte sich die bunte Menge und freute sich des lustigen Allerleis. Es war im Grunde das romantischeste Zeitalter in der Geschichte des Films.

Später wurde er ja doch seßhaft und ein Geschäft; damals war er noch festliches Erlebnis der Landstraße, und es ist darum eigentlich genau so schade wie um die verschwundenen wandernden Komödiantentruppen, die aus Shakespeares gedankenschwerem Hamlet eine unbeschwerte Moritat machten und damit bei ihrem Publikum nicht weniger Wirkung erzielten und ebenso groß von ihrer Kunst dachten wie Kainz, wenn er im Burgtheater den unergründlichen Dänenprinzen spielte.

Daß das seßhafte Kino neben dem Wanderkino weiter bestehen, ja nach anfänglichem Rückschlag allmählich in der Gunst des Publikums steigen konnte, verdankt es der ständigen Verbesserung der Programme. Zwischen 1905 und 1910 lagen diese beiden Kinotypen in ständigem Kampf, der um 1912 endgültig zugunsten des seßhaften Kinos, entschieden war.
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Bis 1907 brauchte man den „Erklärer"

Bis 1907 gab es noch keine erklärenden Zwischentitel im Film, so daß der Inhalt der Handlung von einem besonderen „Erklärer" erläutert werden mußte. Es ist der Moritaten- Erzähler, der nun selbst schon im Tonfilm eine historische Figur geworden ist. O. Kalbus schildert diesen Typus mit viel Humor:

„Er goß geschwollene oder dramatische Erläuterungen über das harmlose Publikum, undeutlich in der Aussprache, unverständlich in der Darlegung, oft mit falschen Betonungen und, was das Schlimmste war, der Rezitator kam mit seinen Ausführungen meist entweder zu früh vor dem Bild oder zu spät nach dem Bild, und wenn schließlich die Luft im kleinen Ladenkino zum Ersticken trocken war, tastete sich der Sprecher im Dunkeln zu seiner Kaffeekanne durch und ließ seine Bilder schnöde im Stich. Es gab sehr witzige Erklärer, und so kam es oft vor, daß seine Worte dem Publikum mehr Spaß machten als der Film selbst. Leute mit Mutterwitz hatten hier ein dankbares Betätigungsfeld, und es ist verständlich, daß gerade unter den Berlinern, die ja im allgemeinen den Mund auf dem rechten Fleck haben, sich manches Original von Erklärer fand. So gab es einmal einen Film aus dem Leben der Königin Luise. Auf der Leinwand erschien die Königin nach der Schlacht bei Jena, und sie weinte bitterlich. „Und nach der Schlacht bei Jena", ließ sich der Erklärer vernehmen, „da weinte nun die Königin furchtbar. Und S. M. der König umfaßte liebevoll seine Gemahlin I. M. die Königin und tröstete sie und sagte: Na, laß man, Luise, es kommt ja noch die Schlacht bei Leipzig, da werden wir's dem Napoleon schon geben."
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Die ersten Zwischentitel

Um 1907 kamen dann die Zwischentitel auf und das „lebende Wort" verschwand aus dem dunklen Saal, um erst mit dem Tonfilm wiederzukehren. Der Erklärer kehrte in seine alte Wirksamkeit zurück, aus der er gekommen war, in die Schaubude, als Anpreiser und Interpret der Dame ohne Unterleib, der Affenmenschen und Feuerschlucker, Gedankenleser und ähnlicher Prachtexemplare aus Gottes Tiergarten. Auf ländlichen Ausstellungen, der Hamburger Reeperbahn oder im Wiener Prater können wir ihm heute noch begegnen.

Mit dem Zwischentitel, kurz Titel genannt, war die literarische Entwicklung des Films wieder einen Schritt weitergekommen. Anfangs genau so marktschreierisch, kitschig und ungewollt komisch, wie der Text der Erklärer und die gezeigten Filme selbst, stiegen sie mit dem künstlerischen Niveau der Filmstücke und erreichten gegen Ende der Stummfilmzeit manchmal eine beachtenswerte literarische Höhe. Sie waren eine eigene Gattung Literatur, von der nichts übrig geblieben ist als eine geschichtliche Erinnerung, so wie vom ganzen Stummfilm.

Anfangs waren sie überlang, es gab Filme, die gut zur Hälfte aus Titeln bestanden; dann lernte man immer mehr, sich auf das Wesentliche zu beschränken, und in manchen der letzten Stummfilme waren sie fast entbehrlich geworden.
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Die fremdsprachigen Filme

Eine Abart davon, wesentlich verschieden, lebt heute noch auf den Streifen fremdsprachiger Filme, auf denen sie, wenn diese nicht synchronisiert werden, als annähernde Übersetzung des Dialogs dienen. Das Verschwinden des Erklärers erweiterte anderseits den Wirkungskreis der Musik, auf die wir an anderer Stelle zu sprechen kommen.

Um 1908 herum blühte das Kino wieder auf

So um 1908 herum begann auch in den Städten das Publikum in die Kinos zu strömen. Bald war es so weit, daß die Theaterdirektoren im Kino ihren gefährlichsten Konkurrenten und damit Feind erkannten, den sie mit allen Mitteln zu bekämpfen versuchten.

Bei einer Tagung des Bühnenvereins zu Eisenach wurde ein Verdammungsurteil über den Film ausgesprochen; die Reichsregierung und die Regierungen der Bundesstaaten wurden mit Denkschriften, das Publikum mit Flugschriften bombardiert, in denen dem Rückgang des Sprechbühnenbesuches der Aufstieg des Kinobesuches in Zahlen gegenübergestellt wurde. (O. Kalbus.)

Doch das hat nun freilich nichts genützt, und wir können heute rückschauend sagen, daß erstens diese Entwicklung durch nichts aufzuhalten gewesen wäre, und zweitens die Theater daran nicht gestorben sind.

Aus dem Kino ist später das Lichtspieltheater, also selbst ein Theater, geworden, und es teilt sich nun mit den übrigen mehr oder minder brüderlich in die Gunst des Publikums - und die Schauspieler.

Ja, eigentlich haben die Theater durch diese Entwicklung gewonnen, denn erst der Film hat der breiten Masse Verständnis für jene symbolische Welt gebracht, die das Spiel der Schauspieler vor uns gestaltet, und wenn er einerseits aus dem Theater Menschen an sich zog, so hat er ihm anderseits auch neue Schichten wieder zugeführt.
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Ein kleines verschollenes Büchlein geerbt von Karl Juhasz

Durch Zufall ist mir aus dem Nachlaß des kürzlich verstorbenen ältesten Wiener Kinopioniers und einstigen Wanderkinobesitzers Karl Juhasz ein kleines verschollenes Büchlein in die Hände gekommen, „Die Damenspende" anläßlich des ersten Wohltätigkeitskränzchens des Reichsverbandes der Kinematographenbesitzer Österreichs (vom 22. Februar 1911).

In kurzen fingierten Juxnachrichten werden auf witzige Art die damaligen Zustände der Kinematographie kritisiert. Es lohnt sich vielleicht, einige dieser harmlosen Zeitdokumente vor der Vergessenheit zu bewahren.

Eine Klage über die Vorherrschaft französischer Filme:

„Die bekannte Filmleihanstalt Pathe Freres versorgt bekanntlich nunmehr sämtliche Theater der Monarchie mit den nötigen Wochenprogrammen. Nur ein einziger Theaterbesitzer im dunkelsten Böhmen ist noch dickschädlig genug, sein Glück nicht zu verstehen. Jetzt hat sich Generaldirektor Pigeard zusammen mit Direktor Müller und gefolgt von mehreren höheren Beamten auf die Reise begeben, um auch diese letzte Festung, das »elektrische Zentral-Theater in Napagedl', zu erobern. Gelingt dies, dann konzentriert sich endlich das ganze österreichische Geschäft in den Händen genannter Firma."
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Hohn und Spot und Sonstiges

Gutmütiger Spott über die mangelhaften Sprachkenntnisse der französischen Filmhändler: „Trotz aller Dementis behauptet sich hartnäckig das Gerücht, daß der Direktor der Firma Gaumont, Herr Perin, seine jetzige Stellung verlassen und dem ehrenvollen Rufe als Professor der deutschen Sprache an der Wiener Universität Folge leisten wird."

Offenbar hatten einige Kinobesitzer damals viel mit den Gerichten zu tun: „Der Theater- und Filmleihanstaltbesitzer Herr R. M. Aller läßt dem Vernehmen nach eine größere Anzahl von Provinzadvokaten nach Wien kommen, da die hiesigen Advokaten nicht mehr alle Prozesse bewältigen können."

Weibliche Kinobesitzer scheinen seltsamerweise redseliger als männliche gewesen zu sein:

„Ein herber Verlust steht uns bevor. Mehrere der beliebtesten Damen der Branche, darunter Frau Roschlapil, Frau Handl, Frau Schärfer usw., wollen eine Art Trappistinnenorden gründen und sollen bereits das Gelübde der Schweigsamkeit abgelegt haben. Vielleicht gelingt es noch im letzten Moment, die Damen von ihrem unheilvollen Entschluß abzubringen, was wir hoffen wollen."

Auch der Geschäftsgang muß Grund zur Klage gegeben haben, denn:

„Unser verehrtes Vorstandsmitglied, Herr Johann Nehez, hat sich jetzt ein Telefon einrichten lassen, um jederzeit berufen werden zu können, wenn irgendein Kollege seiner plötzlich als Aushilfsoperateur bedürfte. Im äußersten Falle wird auch seine Frau Gemahlin aushelfen, wenn eine verläßliche Persönlichkeit für die Kasse benötigt werden sollte. Das Geschäft des Herrn Nehez würde während dieser Zeit gesperrt bleiben."

Gegen die Zensur:

„Diese Woche wurde von der Polizei ein Film verboten, wegen einer Szene, in der ein Vater seine Tochter unverwandt angeschaut hatte. Wir halten dieses Verbot für sehr berechtigt, denn es ist gewiß bedenklich, wenn nicht gar unsittlich, wenn ein Vater mit der eigenen Tochter nicht verwandt ist."

Kino für Jugendliche:
„Für Schülervorstellungen werden nachstehende Filme bestens empfohlen: Die Verbrechen einer Zuchthauspflanze - Pariser Pikanterien - Die letzte Jungfrau - Die blutige Hand - Abenteuer einer Gefallenen. Bei der Vorführung dieser Filme ist Erwachsenen der Eintritt untersagt."

Ein Bestellbrief aus der Provinz: „Bitte, schicken Sie mir für nächste Woche 200 bis 300 Meter Liebesidyllen. Falls Sie einen Unglücksfall am Lager haben sollten, so möchte jedenfalls für nächste Woche haben. Wenn ,der deutsche Kaiser in Rom' nicht mehr als 1 Kilogramm wiegt, können Sie ihn ebenfalls beipacken. Viel Wert hat diese Sache jedoch nicht. Die Krönung des Königs von Montenegro wünsche ich erst im nächsten Monat."

So bescheiden gemütlich ging es damals zu. Wo sind die Zeiten?

Noch kein Menschenalter ist vergangen, aus den engen, ärmlichen Kinosälen wuchsen die weiträumigen, glänzenden Lichtspieltheater, aus den kleinbürgerlichen Kinematographenkränzchen wurde der Filmball, der zu einem gesellschaftlichen Höhepunkt der Saison geworden ist.

Ja, man ist vornehm geworden, ist angesehen, geachtet und gehört zur guten Gesellschaft. Soll man da überhaupt davon reden, daß die Dame Filmkunst eine anrüchige Vergangenheit hat, und daß sie einmal einen sehr sittenlosen Lebenswandel führte? Sie hört es heute nicht gern und, zugegeben, sie hat sich gebessert. Aber da wir schon einmal in vergangenen Tagen stöbern .....
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