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"Das gibt's nur einmal" - die Film-Fortsetzung 1945 bis 1958

Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite dieses 2. Buches finden Sie hier.

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EIN MANN NAMENS LINDEMANN

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Der Sommer 1945 ist zum Herbst geworden.

Noch ist Erich Pommer nicht in Deutschland. Aber ein anderer Mann ist da. Ein sehr wichtiger Mann. Einer, der in den nächsten zwei, drei Jahren vielleicht der entscheidende Mann für die deutsche Filmindustrie sein wird: Alfred Lindemann.

Ein kräftiger, breiter Mann, mit einem sympathischen, intelligenten Gesicht, einer, von dem man spürt, daß er ununterbrochen an irgend etwas arbeitet, daß er ununterbrochen hinter irgend etwas her ist und daß er, wenn er einmal beschlossen hat, etwas durchzuführen, nicht so schnell lockerläßt.

Ein typischer Berliner, ein alter Filmhase, wenn er auch in Filmkreisen kaum bekannt ist.
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Alfred Lindemann zählte 1945 dreiundvierzig Jahre

Als der Krieg zu Ende ging, zählte er dreiundvierzig Jahre. Er war noch nicht einmal sechzehn, als er bei Joe May als Assistent des Kameramanns angefangen hatte. Später wurde er selbst Kameramann.

Er war schon dabei, als May die großen Schinken drehte, „Veritas vincit", bei dem der Liebhaber der Mia May von einem Löwen verschlungen wurde, oder „Die Herrin der Welt", bei dem Mia May in acht Teilen um die ganze Erde sauste, um schwerreich zu werden und um es einem Bösewicht heimzuzahlen.

Lindemann ging zur Deutschen Lichtbildgesellschaft und machte die Deulig-Wochenschauen. Sein Chef Ludwig Klitzsch wußte allerdings nichts von seiner Existenz.

Lindemann ging dann zur Sascha-Film nach Wien. Alexander Korda, der dort arbeitete, wußte ebenfalls nicht, wer Lindemann war. Er kam zur Kulturfilm-Abteilung der UFA und war dabei, als „Wege zu Kraft und Schönheit" gedreht wurde sowie „Wein, Weib und Gesang".

Lindemann war Kommunist

Lindemann war Kommunist, und daher kam er mit den Kommunisten des deutschen Theaters und Filmlebens in Kontakt, zum Beispiel mit Erwin Piscator, der zuerst an der Volksbühne wirkte, später sein eigenes Theater am Nollendorfplatz hatte, nicht zuletzt um zu demonstrieren, wie man in Windeseile Kapitalisten ruinieren kann - durch Inszenierungen nämlich, die man sie finanzieren ließ.

Lindemann ging dann zur „Jungen Volksbühne", einer Kollektivgruppe, trat in die „Truppe 1931" ein. Einer der leitenden Männer war übrigens Gustav von Wangenheim, der Sohn des bekannten Reinhardt-Schauspielers Eduard von Winterstein, der dann in die Sowjetunion emigrierte und später als Theaterdirektor und Filmregisseur nach Deutschland importiert wurde - allerdings nicht ohne negative Folgen für den deutschen Film und das Deutsche Theater in Berlin ...
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Lindemann emigrierte nicht.

Er war ja kein Mann der Theorie, er war ein Mann der Praxis, er war Kämpfer, war Kommunist; nicht, um darüber zu schreiben oder darüber zu reden, sondern um Kommunismus in die Tat umzusetzen. Als man das herausbekam, entzog man ihm im Dritten Reich die Arbeitserlaubnis.

Nach einer Weile bekam er sie irgendwie wieder. Dann kam wieder irgend etwas heraus, und er wurde zum Beleuchter degradiert. Ständig gab es Krach zwischen ihm und seinen jeweiligen Arbeitgebern. Lindemann war nicht der Mann, der ein Blatt vor den Mund nahm - auch Amtspersonen gegenüber nicht.

Infolgedessen war es nur eine Frage der Zeit, bis er verhaftet wurde. Dann ging es hart auf hart. Die Anklage lautete auf Hochverrat. Er wurde in ein KZ gesteckt. Nach einer Weile kam er wieder frei. Er nahm dies alles nicht besonders schwer, er kam sich nie als Märtyrer vor, er verlor niemals seine gute Laune und war immer bereit, wieder von vorn zu beginnen.
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Die Konzession des Theaters am Schiffbauerdamm besaß Lindemann

Eine Zeitlang besaß er die Konzession des Theaters am Schiffbauerdamm. Als das Propagandaministerium sie ihm entzog, klagte er. Jawohl, er verklagte Goebbels - und, man wird es nicht glauben, er gewann seinen Prozeß.

Woraufhin ihn die Gestapo verhaftete. Krieg. Aus dem Lager wurde er 1941 in ein Strafbataillon eingegliedert, brachte es fertig, nicht totgeschossen zu werden, und geriet bei Kriegsende nahe Bad Reichenhall in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

Im Oktober 1945 wird er als einziger von allen freigelassen, nachdem er eingehend auf Herz und Nieren geprüft worden ist. Bei diesem Screening stellen die Amerikaner fest, daß Lindemann Theater- und Filmmann ist, eigentlich mehr Filmmann.
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Gehen Sie nach Geiselgasteig!

Sie schlagen ihm vor: „Gehen Sie nach Geiselgasteig! Werden Sie Treuhänder für die BAVARIA-Filmgesellschaft!" Um diese Zeit hat die BAVARIA bereits einen Treuhänder.

Sie wird noch zwei weitere haben, bevor der endgültige einzieht, der Mann, der die BAVARIA über die ganze Krisenzeit hinüber retten wird: Fritz Thiery.

Lindemann schüttelt den Kopf: „Ich will nicht nach München!" „Warum nicht?" „Ich will nach Berlin!" „Warum?" - „Ich bin Berliner!" Dies ist Grund genug für ihn.

Nicht Grund genug für die Amerikaner. Sie begreifen Lindemann nicht. Wie kann einer, dem eine große Stellung in München angeboten wird, nach Berlin wollen? Wo doch die Russen in Berlin sind! Dann stutzen sie. Da sie Lindemann so eingehend geprüft haben, wissen sie natürlich, daß er Kommunist ist. Also vermuten sie, daß er nach Berlin will, um sich den Russen zur Verfügung zu stellen. Also verbieten sie ihm, nach Berlin zu gehen.
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Die Amerkikaner verbieten Lindemann nach berlin zu gehen

Das zumindest wird Lindemann später behaupten ... Seine Darstellung hat ja auch viel für sich. Natürlich können die Amerikaner um diese Zeit jeden Deutschen, der ihnen aus irgendeinem Grunde verdächtig erscheint, internieren.

Und natürlich können sie auch versuchen, ihn daran zu hindern, die Grenze der amerikanischen Zone zu überschreiten - um diese Zeit ist es ohnehin schwierig genug, wenn nicht unmöglich, von der amerikanischen Zone in die britische oder von dieser in die französische zu gelangen ...

Für Lindemann, den alten Illegalen, den Mann, der mit allen Wassern des politischen Untergrundkampfes gewaschen ist, bedeutet so ein Verbot nichts. Irgendwie kommt er über die grüne Grenze.

Am 12. November 1945 trifft er in Berlin ein. Am 13. November 1945 geht er zur Zentralverwaltung für Volksbildung, in welcher Otto Winzer Stadtrat für Volksbildung ist. Er geht also - wenn man ganz genau sein will - nicht zu den Russen.

Er stellt sich lediglich dem Berliner Magistrat zur Verfügung, der freilich zu einer Zeit gebildet worden ist, als nur die Russen Berlin besetzt hielten. In den Schlüsselstellungen dieses Magistrats sitzen nur Kommunisten - abgesehen von dem Oberbürgermeister Dr. Werner, der nicht recht weiß, wie er zu diesem Posten gekommen ist, und der eines Tages sang- und klanglos verschwinden wird ... nämlich, als die Russen begreifen, daß niemand Dr. Werner für etwas anderes als ein Aushängeschild hält, hinter dem sich die Kommunisten zu verbergen trachten.

Zu der Zeit war in Berlin die Verwaltung kommunistisch

Daß der Berliner Magistrat zu dieser Zeit im wesentlichen aus Kommunisten besteht, würde nichts gegen ihn sagen - wäre die Stadt kommunistisch. Zwei Jahre später, bei den ersten freien Wahlen, die in Berlin nach Kriegsende abgehalten werden, wird sich freilich herausstellen, daß allenfalls knapp zwanzig Prozent der Bevölkerung hinter den Kommunisten steht ...

Nun, es ist Lindemann nicht zu verdenken, daß er sich an seine alten Freunde wendet - Otto Winzer ist natürlich auch Kommunist. Der will ihn als Verwaltungsdirektor ins Deutsche Theater schicken - das hat gerade jener Gustav von Wangenheim übernommen, mit dem Lindemann schon einmal in der „Truppe 1931" zusammen gearbeitet hat.

Aber Lindemann will beim Film bleiben. Er verhandelt mit Otto Winzer über die Möglichkeit, den deutschen Film wieder aufzubauen. Und am 15. November kommt es zur ersten Sitzung in einem kleinen Raum im Seitenflügel des Hotels Adlon, dessen Hauptgebäude kurz nach der Okkupation durch die Rote Armee in Brand gesteckt worden ist. Otto Winzer führt den Vorsitz.
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Das Ziel : eine Deutsche Filmindustrie

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Lindemann die treibende Kraft in jenen Tagen ist. Er will die deutsche Filmindustrie zu einem einheitlichen, zentral geleiteten Gebilde zusammenfassen.

Er hat vorzügliche Gedanken - das geben auch die Männer zu, die, frierend in ihre Mäntel gehüllt, in dem nicht geheizten Zimmerchen im Hotel Adlon sitzen. Aber wie steht es mit den Russen?

Werden sie zulassen, daß ein paar Deutsche auf eigene Faust eine Filmgesellschaft auf die Beine stellen? Werden sie nicht mit von der Partie sein wollen? Vielleicht denkt der eine oder andere an den Versuch der Russen, das Marmorhaus im britischen Sektor von Berlin noch nach Einzug der Engländer auf zwanzig Jahre zu pachten? „Werden sie sich nicht eindrängen?" flüstert man Lindemann zu.

Der ist der Überzeugung, daß man ohne die Russen auskommen wird: „Wenn wir schnell genug sind!"
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Oberst Tulpanow hüört von dem Treffen

So schnell kann niemand sein. Noch am gleichen Abend - so sagt eine verläßliche Quelle - hört Oberst Tulpanow von der Sitzung im Adlon. Dieser glatzköpfige, unerhört gescheite Mann, der das Amt des Chefs der Informationsabteilung der Russen innehat, der aber in Wirklichkeit der Kulturdiktator Deutschlands werden wird
- mit unbegrenzten Vollmachten auf dem Gebiet des Films, des Theaters, der Presse - Tulpanow also ist außerordentlich interessiert.

Da er etwas von diesen Dingen versteht, weiß er, wie überlegen die deutsche Filmindustrie der sowjetischen ist, die nichts besitzt als einen unermeßlichen Fond an Schauspielern, aber in allem Technischen um zwanzig Jahre zurück ist.

Vielleicht, daß er später von Deutschland aus die sowjetische Filmindustrie „befruchten" kann, denkt Tulpanow. Jedenfalls ist es sicher, daß er mit einem großen Filmapparat, den er beherrscht, unendliche Propagandamöglichkeiten in Deutschland selbst besitzt.
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Tulpanow beginnt zu planen

Tulpanow läßt sich die Liste der Personen geben, die er an die Spitze eines solchen Unternehmens stellen könnte. Noch in der gleichen Nacht telephoniert er mit Moskau. Und am nächsten Tag hält er bereits das Telegramm eines gewissen Herrn Hans Klering in den Händen, der um diese Zeit schon im Flugzeug nach Berlin sitzt.

Klering, ein in weitesten Kreisen unbekannter deutscher Schauspieler, ist Anfang der dreißiger Jahre nach Rußland gegangen. Dort hat er zwar auch keine großen schauspielerischen Erfolge erzielt, hat sich aber als guter und verläßlicher Kommunist erwiesen.

Nun telegraphiert er, er sei bereit, sich dem neuen "demokratischen antifaschistischen" Film zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet, daß er Tulpanows Vorschlag, sich an die Spitze des neuen Unternehmens zu stellen, angenommen hat.
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Neue Sitzung in der Zentralverwaltung für Volksbildung

Neue Sitzung, diesmal um einen kleinen qualmenden eisernen Ofen, in einem Raum der Zentralverwaltung für Volksbildung. Lindemann schlägt vor, nicht so viel zu diskutieren, sondern zur „Tat" zu schreiten. Er stellt fest, daß Filme nicht produziert werden können, wenn man nicht weiß wie, wenn man nicht einmal weiß, wo sie geplant werden können.

Arbeitsstätten müssen geschaffen respektive requiriert werden. Alfred Lindemann und Dr. Kurt Maetzig, von Beruf „Filmwissenschaftler", werden beauftragt, für geeignete Räume zu sorgen. Verhandlungen mit dem Oberbürgermeister. „Sie verliefen erfolgreich", wird es später heißen.

Am 24. November 1945 im UFA Haus in der Krausenstraße

Das neue Unternehmen, das vorläufig noch gar keines ist, erhält die Räume der ehemaligen UFA in der Krausenstraße am Dönhoffplatz. Dies geschieht am 24. November 1945, also fast fünf Monate, nachdem die westlichen Alliierten in Berlin eingezogen sind, mehr als vier Monate, seitdem die UFA-Leute wissen, daß die Krausenstraße im sowjetischen Sektor liegt, während die AFIFA, die Kopieranstalt der UFA in Tempelhof, „amerikanisch" ist.
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Die alten UFA Leute waren diesmal schneller als die Russen

Diese vier Monate sind von den UFA-Leuten genutzt worden. Sie haben Tag und Nacht Filmgeräte, Büromaterialien, Akten, ja eine ganze Telephonzentrale vom sowjetischen Sektor in den amerikanischen „verlagert". Dies alles war möglich durch einen Trick wie den des Hauptmanns von Köpenick.

Die UFA-Leute haben nämlich ganz einfach vor die Tür des Gebäudes in der Krausenstraße ein Schild gehängt: „Von der Sowjetischen Kommandantur beschlagnahmt". Es dauerte vier Monate, bis man auf der anderen Seite etwas merkte ...

Nun wird das Schild hastig beseitigt und die Annexion des restlichen UFA-Besitzes vollzogen. Ja, man hofft, noch einiges von dem abgewanderten Material zurückzubekommen.
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Die Ossis wollen das "abgewanderte" Material zurückzubekommen

Davon handelt die erste Aktennotiz der noch zu gründenden Filmgeseilschaft, die einmal DEFA heißen wird. Ihres historischen Wertes wegen sei sie abgedruckt:

„Sicherung des noch vorhandenen Materials und der Liegenschaften durch Einsetzung eines kommissarischen Verwalters."

Das Eigentum der ehemaligen Staats-Filmbetriebe und der Filmbetriebe aktiver Nazis ist durch den Befehl 124 Marschall Shukows beschlagnahmt worden. Zu diesem Eigentum gehören die Atelieranlagen in Babelsberg, das TOBIS-Atelier in Johannisthal, das ALTHOFF-Atelier in Babelsberg, das UFA-Haus in der Krausenstraße, wichtiges Material in Ausweichlagern in Plossin, Biesdorf, Gransee, Glindow, Storkow und so weiter.

Außerdem befinden sich Apparaturen aus dem Eigentum der genannten Gesellschaften in den Händen von Privatpersonen.

„Wir stellen täglich fest, daß dies Eigentum trotz der Beschlagnahme widerrechtlich in die amerikanische und britische Besatzungszone entführt wird. Es finden fast täglich solche Transporte statt, ohne daß wir die Macht haben, dieses für die neue Gesellschaft unersetzliche Material festzuhalten."

„Das Bestimmungsrecht über die genannten Betriebe wird zum Teil vom Magistrat Berlin, zum Teil von den Bezirksämtern, zum Teil vom Finanzamt für Liegenschaften, zum Teil von den sowjetischen Behörden ausgeübt. Von diesen Stellen werden zum Teil ungeeignete Leiter für die arbeitenden Betriebe eingesetzt, Ateliers werden in Theater umgewandelt, das Inventar wird jetzt noch entfernt und viele Unregelmäßigkeiten geschehen, da so viele verschiedene Stellen über diese Betriebe verfügen wollen."

„Da, wenn unsere Vorschläge angenommen werden, diese Liegenschaften und Materialien zugunsten der neuen Filmgesellschaft freigegeben werden, bitten wir die SMA (müsste die Sowjetische Militär Administratur sein) schon jetzt, einen Kommissar zur Verwaltung dieses Eigentums bis zum Zeitpunkt der Gründung der Aktiengesellschaft einzusetzen. Wir schlagen zu diesem Zweck Dr. Kurt Maetzig vor. Wir bitten, diese Ernennung möglichst sofort vorzunehmen, da jeder weitere Tag neue Materialverluste mit sich bringt ..."

Um diese Zeit ist viel passiert im besiegten Deutschland

Um diese Zeit hat der erste Kriegsverbrecherprozeß gegen Göring und Konsorten in Nürnberg bereits begonnen. Erich Engel ist Intendant der Münchner Kammerspiele geworden.

Harry Piel muß vor Gericht erscheinen, weil er in seinem Fragebogen verschwieg, daß er förderndes Mitglied der SS war, wird aber nach zwei Monaten freigesprochen.

Max Schmeling hingegen wird zu drei Monaten Gefängnis verurteilt und muß sie absitzen, weil er ohne Erlaubnis der Briten in einem Vorort Hamburgs ein Haus zu bauen begann.

Es wird Dezember 1945. In der Sowjetzone und auch in Ostberlin werden sämtliche Kinos der aktiven Nazis enteignet und in städtische Verwaltung überführt. Seltsamerweise gehörten alle „interessanten" Theater solchen aktiven Nazis ...
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Und in dem UFA Haus in der Krausenstraße sitzt Herr ....

Und in dem Haus in der Krausenstraße, einst die imponierende Zentrale der UFA, sitzt seit dem 6. Dezember ein Herr Lindemann. Das Gebäude ist nicht mehr so imposant.

Es ist fast völlig ausgebombt, nur drei Räume sind intakt und aufs Primitivste möbliert. Neun Menschen haben hier noch gearbeitet. Was haben sie getan? Sie haben eigentlich nur den Schutt ein bißchen weggeräumt und gewartet. Sie erklären sich bereit, unter Lindemann weiterzuarbeiten.

Genau genommen nicht für Lindemann, sondern für das Film-Aktiv der Zentralverwaltung für Volksbildung, wie sich die neue Organisation nennt.

Als der alte Pförtner Willi Metzner, schon eine Ewigkeit bei der UFA, erfährt, daß er bleiben kann, wenn er will, und daß wieder Filme gemacht werden sollen, beginnt er zu weinen. Schließlich bringt er heraus: „Mir is et janz ejal, wo ick arbeete, wichtich is doch letzten Endes bloß, daß et wieder mal enen deutschen Film jibt ..."
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GEBURT DER DEFA

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Zum Filmen gehört Geld - wie zum Kriegführen.

Aber Geld ist nicht vorhanden, als Lindemann in das zerbombte UFA-Haus einzieht, aus dem noch in letzter Minute alles, was Wert besaß, herausgeholt wurde.

Der Magistrat - noch amtiert der von den Russen in Ost-Berlin eingesetzte - hat kein Geld. Die Russen scheinen denkbar uninteressiert. Übrigens dringt man als Deutscher in diesen Tagen noch kaum zu jenen Russen vor, die Entscheidungen zu fällen haben.

Lindemann ist dies ganz recht. Das neue Film-Aktiv soll, wenn es nach ihm geht, nicht subventioniert werden. Man weiß ja noch gar nicht, wie sich die Dinge entwickeln, wer Berlin regieren, wer Deutschland regieren wird. Lindemann jedenfalls will von niemandem abhängig sein.

Aber er will auch, daß die neue Firma, die übrigens noch keine Lizenz besitzt, auch noch keine beantragt hat, seinem Namen Ehre machen und, wenn das Film-Aktiv auch filmisch noch nicht aktiv sein kann, wenigstens finanziell einigermaßen aktiv dastehen soll. Die paar Mitarbeiter müssen ihre Löhne bekommen. Ja, Lindemann geht einen Schritt weiter: „Wir wollen auch eine Weihnachtsgratifikation aussetzen!"
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„Eine Weihnachtsgratifikation?"

Die anderen sehen ihn an, überzeugt, daß er verrückt geworden ist. Um die Weihnachtsgratifikation zu ermöglichen, verkauft Lindemann durch die Vermittlung des Kameramanns Reimar Kunze eine (wesen ?? eine eigene ??) Leica einschließlich des kostbaren Tele-Objektivs und eine wertvolle Armbanduhr für 38.000 Reichsmark. Davon werden die ersten Löhne gezahlt. Davon werden die Weihnachtsgratifikationen gezahlt: Fünfzig Reichsmark pro Nase.

Um diese Zeit freilich besitzen Maetzig und Lindemann bereits weitgehende Vollmachten. Wenigstens für die drei folgenden Monate. Und sie wurden - man höre und staune - von der Sowjetrussischen Militäradministration erteilt, mit der man offiziell nichts zu tun hat. Oder hat man doch mit ihr zu tun?
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Und dann die dubiosen Vollmachten für Lindemann ???

Das Dokument, niemals unterschrieben und schon deshalb, aber auch aus anderen Gründen, nicht veröffentlicht, sieht wie folgt, aus:

„Die SMA (Sowjetrussische Militäradministration) in Karlshorst erteilt den Herren Dr. Kurt Maetzig, Berlin-Lichterfelde-Ost3 Strenzerzeile 34, und Alfred Lindemann, Berlin N jj, Marien-burgerstraße 8, folgende Vollmacht:

Die Herren Dr. Maetzig und Lindemann sind im Interesse der unter Führung der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung in Gründung befindlichen ,Deutschen Filmgesellschaft' berechtigt, alle mit der Verwaltung und Fortführung folgender Firmen vorkommenden Rechtshandlungen und Geschäfte und alle sonstigen Handlungen auszuführen ...
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Und das ist die eigentliche Gründungsvollmacht

Insbesondere sind die Bevollmächtigten berechtigt, für die obengenannten Gesellschaften aus deren Betrieben, Gebäuden, Lagern und dergleichen Apparaturen, Filme, Rohstoffe, Inventar, Einrichtungsgegenstände und sonstige Materialien zu übernehmen und abzutransportieren.

Die Herren sind weiter berechtigt, alle für die Verwaltung der in Gründung befindlichen ,Deutschen Filmgesellschaft' notwendigen Verträge abzuschließen und Verpflichtungen einzugehen. Die Vollmacht erstreckt sich auch auf die Betriebe aktiver Nazis wie Althoff-Ateliers in Potsdam-Babelsberg und Droge & Siebert.

Die Vollmacht erlischt, wenn sie nicht ausdrücklich verlängert wird, am 31. März i946.
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Am 20. 12. 1945 wird der Name DEFA benannt

Berlin, den 20. 12. 45." Das Film-Aktiv heißt also schon gar nicht mehr Film-Aktiv, sondern Deutsche Film-Aktiengesellschaft. Man sucht nach einer Abkürzung. DEFAG? Lindemann hat die nicht schlechte Idee: man sollte eine Abkürzung finden, die irgendwie an die UFA erinnert.

Warum DEFAG? Warum nicht DEFA? Der neue Filmname ist geboren. Die Deutsche Film-Aktiengesellschaft will keine Zeit verlieren. Es scheint, als befände sie sich in einer gewissen Bedrängnis, ja, als kämpfe sie schon jetzt mit dem Rücken gegen die Wand.
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Der unveröffentlichte Gründungsprospekt

Lesen wir über die Befürchtungen, die im Gründungsprospekt, der nie veröffentlicht wurde, festgelegt sind:

„Die Zentralverwaltung sieht in der neuen Filmproduktion sowohl in bezug auf Spielfilme wie auf Wochenschauen eines der wesentlichsten politischen Mittel zur Beeinflussung der Mentalität des deutschen Volkes und zur Festhaltung wichtiger, aufbauwilliger, intellektueller und künstlerischer Kräfte in der sowjetischen Okkupationszone.

Da aber durch das bisherige Ausbleiben des angekündigten Befehls gerade in politischer Hinsicht eine äußerst bedrohliche Lage geschaffen wurde, sollen in dem vorliegenden Expose konkrete Vorschläge zur Überwindung dieser Lage gemacht werden.
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1) Die augenblickliche Situation

a) In München beginnt unter amerikanischer Lizenz, wenn nicht unter amerikanischer Beteiligung eine deutsche Filmproduktion, nachdem dort bereits die Wochenschau 'Welt und Film' ihre Arbeit aufgenommen hat. Ein wesentlicher Teil der deutschen Autoren und Schauspieler konzentriert sich in München.

b) Die UFA hat ihr Atelier in der amerikanischen Besatzungszone arbeitsfähig ausgerüstet, indem sie aus Ausweichlagern genügendes Material zusammengezogen hat. Die UFA-Direktoren (von Theobald) sprechen von baldigem Produktionsbeginn.

c) Im Zusammenhang mit diesen Vorhaben mehren sich die Verschiebungen von Material in die amerikanische Zone in erschreckendem Maße. Es fließt Material auf Grund von Verträgen, mehr aber noch durch heimlichen Abtransport ab.

Diese Abwanderung entspricht erstens den Wünschen der Konzerndirektoren der in der amerikanischen bzw. britischen Zone versammelten großen Filmunternehmen (UFA, UFI, TERRA u. s. w.), zweitens aber ist sie zu erklären durch das schwindende Vertrauen zu einer in der sowjetischen Zone entstehenden Produktion.

Die Folge ist, daß der Verlust dieses Materials eine künftige Produktion auf unbestimmte Zeit verzögert, selbst wenn der Startbefehl erteilt wird.
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2) Aus all diesen Tatsachen ergibt sich die Notwendigkeit

....., den Start der neuen deutschen Filmproduktion nicht länger aufzuschieben. Mit jedem weiteren Tage sind Einbußen an Personen, an Material und an Vertrauen zu erwarten. Die Grundlage für den Arbeitsbeginn muß der Generalukas der SMA sein. Wir hoffen, daß in diesem Befehl folgende Punkte geregelt werden:

a) die generelle Anweisung der SMA an die Zentralverwaltung zur Gründung der Film-Aktiengesellschaft, wie sie in den bisherigen Besprechungen festgelegt ist.

b) die Freigabe des Filmeigentums früherer reichsmittelbarer Betriebe und der Betriebe aktiver Nazis zugunsten der Film-Aktiengesellschaft.

c) die finanzielle und sachliche Beteiligung der SMA."
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Es gibt also doch eine Beteiligung der SMA

Es gibt also doch eine Beteiligung der SMA, der Sowjetischen Militärverwaltung, von der man eigentlich unabhängig sein wollte - und von der unabhängig zu sein man jetzt und auch späterhin immer wieder behaupten wird.

Unaufhörlich erscheint Major Mosjakow, ein großer, etwas beleibter, lebenslustiger Herr, seines Zeichens Theater- und Kulturoffizier von Berlin - er wird später sang- und klanglos in die Sowjetunion abgeschoben werden, und man wird behaupten, daß er nicht nur nach Moskau, sondern ein Stück weiter abtransportiert (deportiert) wurde, weil er irgendwie an Schwarzmarktgeschäften beteiligt war.

Und da ist der schlanke, schmale, geistreiche Alexander Dymschitz, der oberste Kulturoffizier für die gesamte Ostzone. Und da sind schließlich die Herren von der Sowexport.
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Was ist die Sowexport-Gesellschaft ?

Es handelt sich um die einzige Verleihfirma in Sowjetrußland, die mit dem Ausland arbeitet. Seit Jahren kann kein Sowjetfilm in England oder Frankreich, in Italien oder Amerika gespielt werden, der nicht von der Sowexport verliehen worden ist.

Es ist daher nur logisch, daß die Herren von der Sowexport nach Berlin kommen, um nun auch in Deutschland Geschäfte zu machen. Aber sie wollen größere Geschäfte machen, als das bisher mit anderen Staaten möglich war.

Deutschland ist schließlich ein besiegtes Land. Und die Herren von der Sowexport sind für die Deutschen nicht irgendwelche Filmleute, mit denen man verhandelt, abschließt oder auch nicht abschließt, sondern Männer mit guten, sogar sehr guten Beziehungen in Moskau, infolgedessen auch gefürchtet von den Sowjetgeneralen und durchaus fähig, ihren geschäftlichen Wünschen einen gewissen, höchst ungeschäftlichen und durchaus politischen Nachdruck zu verleihen.
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Und jetzt wird gemauschelt und gelogen und befohlen

"Was wollen die Herren?" - „Wir übernehmen es, die künftigen deutschen Filme in die Sowjetunion zu verkaufen." Das wäre an sich erfreulich. Und die Männer der DEFA geben das auch zu. Aber die Herren der Sowexport wollen mehr. „Wir werden Ihre Filme überallhin verkaufen, auf der ganzen Welt."

Das ist etwas mehr, als den Deutschen wünschenswert erscheint. Schließlich könnten sie selbst ihre Filme vertreiben. Die Herren der Sowexport runzeln die Stirn.

Sie lassen keinen Zweifel daran, daß es Unannehmlichkeiten geben könnte, wenn die Sowexport hier nicht zum Zuge käme. Es wird schließlich mit der Sowexport ein Vertrag abgeschlossen, demzufolge das Film-Aktiv oder die Deutsche-Film-Aktiengesellschaft, wie sie jetzt heißt, jede Woche eine Wochenschau herzustellen hat, die die Sowexport für 25.000 Reichsmark abnehmen will.

Wer hat jetzt eigentlich das Sagen ??

Von diesem Augenblick an wird es nie mehr ganz klar sein, wie weit die Rechte der Deutschen reichen oder, um es brutaler zu sagen, wie stark der Druck der Sowexport sein wird. Oder, um es noch schärfer zu formulieren: ob die DEFA eine sowjetische oder deutsche Filmgesellschaft ist.

Die Deutschen, vor allem Lindemann, glauben, zumindest in den nächsten Jahren, daran, daß die DEFA deutsch ist. Die Russen lächeln, wenn man mit ihnen darüber spricht.
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ARMER AUGENZEUGE

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Der erste DEFA-Film Anfang 1946

Um diese Zeit wird bereits der erste DEFA-Film gedreht: er wird intern der BVG-Film genannt. BVG ist die allen Berlinern Abkürzung für die Berliner- Verkehrs-Gesellschaft, jene Organisation, die die Untergrund-, die S-, die Straßenbahn und die Omnibusse umfaßt - übrigens ins Leben gerufen von Ernst Reuter, der sich um diese Zeit noch krampfhaft bemüht, aus der Türkei, wohin er emigriert ist, nach Deutschland zurückzukommen, und der zwei Jahre später die entscheidende Rolle in Berlin übernehmen wird.

Eigentlich sollte der Film nicht BVG-Film heißen, sondern U-Film, wobei der Buchstabe U nicht für Unterseeboot oder Untergrund steht, sondern für Untergrundbahn.
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Die Berliner Untergrundbahn war in den letzten Kriegs-Tagen abgesoffen

Die Berliner Untergrundbahn konnte in den ersten Wochen nach dem Zusammenbruch nicht in Betrieb genommen werden, denn sie war selbst zusammengebrochen. An vielen Stellen hatten die Bomben die Straßendecke durchschlagen.

In letzter Stunde hatte Goebbels auch noch Befehl erteilt, die Untergrundbahn unter Wasser zu setzen. Die Schächte lagen voll mit Toten, die in ihrer Verzweiflung hier Sicherheit gesucht hatten.

Aber Berlin ohne Untergrundbahn war undenkbar. Dazu war die Stadt viel zu groß. Millionen konnten nicht täglich zehn und zwanzig Kilometer zu und von ihrer Arbeitsstätte zurücklegen und dann noch ihre Arbeit verrichten - schon gar nicht, wenn sie so gut wie nichts zu essen bekamen.

Es mußte also etwas geschehen. Und es geschah etwas. Die Arbeiter der BVG gingen daran, die Schächte frei zu machen, die Schienen instand zu setzen, so daß schon nach ein paar Wochen die Strecke Lichtenberg - Alexanderplatz wieder befahren werden konnte.
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Eine unglaubliche Leistung ohne den Befehl von oben

Was Fachleute für unmöglich gehalten hatten, wurde Tatsache. Dabei schafften die Arbeiter es fast ohne technische Hilfsmittel und vor allem auch, ohne daß sie von oben her irgendwelche Befehle bekommen hätten.

Diese stillen Heldentaten will Lindemann verfilmen. Mit einem Pathos, das die Leute, die in die versoffenen Schächte stiegen, nicht aufbringen konnten oder wollten, läßt sich die DEFA vernehmen:

„Den tapferen Männern der BVG, wahren Helden, den Helden des Alltags, ist der erste Film unserer Produktion gewidmet. Gibt es wohl einen, der sich der dankbaren Rührung verschloß, als nach den letzten grauenhaften Tagen des Krieges die Berliner Verkehrsmittel zwischen Schutt und Trümmern wieder zu fahren begannen?"

Der BVG-Film soll ein Spielfilm mit stark dokumentarischem Einschlag werden. Der Schriftsteller Friedrich Wolff, im Vor-Hitler-Deutschland bekannt, besonders durch sein Drama gegen den Paragraphen 218, soeben aus der Sowjetunion zurückgekehrt, schreibt das Drehbuch.

Die Reklame läßt sich vernehmen: „Der Name seines Gestalters Friedrich Wolff bürgt für drei Begriffe, die dem deutschen Film zwölf Jahre lang Fremdworte waren und die jetzt wieder wie ein Dreigestirn über jeder seiner Schöpfungen leuchten sollen. Die Begriffe: Wahrheit, Freiheit und Menschlichkeit."
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  • Anmerkung : Als Nicht-Berliner gehört die Information dazu, daß die U-Bahn von den Westmächten bzw. Westberlinern verwaltet und betrieben wurde, die S-Bahn jedoch von der alten Reichsbahnverwaltung auf der Ostseite der Sektorengtenze.

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Ein Drehbuch hat man also. Aber eine Kamera hat man nicht.

Lindemann denkt an seinen Freund, den Kameramann Reimar Kunze. Der wäre besonders geeignet, den Film zu drehen, denn er gehört zu den wenigen Kameramännern, die noch eine eigene Apparatur besitzen.

Kunze wünscht aber, daß sich an diesem Zustand nichts ändere, das heißt, er will seine Kamera behalten, und er ist nicht so leicht davon zu überzeugen, daß dies der Fall sein wird, wenn sowjetische Soldaten sie erst einmal zu Gesicht bekommen.
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Wenn die Russen den Ossis die Kamera klauen würden ....

Und das würde automatisch geschehen, wenn er sich dazu bewegen ließe, seinen Besitz aus dem Versteck zu holen. Nein, das kann niemand von ihm verlangen. Nicht einmal sein alter guter Freund Lindemann!

Der muß das zugeben. Er läßt bei der SMA anfragen. Sind die Russen bereit, die Kamera des Herrn Kunze zu verteidigen? Gegen wen zu verteidigen? Nun, gegen unbekannte Diebe in russischer Uniform. So nennt man das damals wenigstens. Die Russen erklären sich bereit, eine Schutzgarde von vier Mann zu stellen, damit die kostbare Apparatur von niemandem 'beschlagnahmt' werde.

Der Sohn Lindemanns wird zur Komendatura "Unter den Linden" geschickt und kehrt mit vier sowjetischen Soldaten zurück.
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So geschehen am 2. Januar 1946.

Schon eine Stunde später wird in dem abgesoffenen S-Bahnschacht Unter den Linden gedreht. Kunze wird nervös. Wer sagt ihm, daß die vier Soldaten seine Kamera bewachen? Wer garantiert ihm, daß sie sie nicht annektieren werden?

Sie wirken zwar wie die Unschuld in Person. Sie lächeln breit, sie scheinen sehr an der Filmerei interessiert.
Da geschieht es. Der Sohn Lindemanns muß fort, um irgend etwas zu holen.

Und wie ein Mann schließen sich ihm die vier Soldaten an. Sie sind nämlich der Überzeugung, daß sie den Sohn Lindemanns zu schützen hätten, nicht die Kamera. Plötzlich steht also Kunze nebst Kamera schutzlos da.

Kurz entschlossen rast er hinter Lindemann und den vier Soldaten her, und seine Assistenten folgen. Nur nicht die Tuchfühlung verlieren! Sonst ist die Kamera futsch!

Vier Stunden jagt Lindemann junior, gefolgt von den Soldaten, die wiederum von Kunze und Assistenten und der Kamera verfolgt werden, quer durch Berlin. Dann endlich klärt sich das Mißverständnis auf. Es kann weitergefilmt werden.
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Aber der Film wird niemals zu Ende gedreht.

Er wird noch einmal umgeschrieben und noch einmal und immer noch einmal, und schließlich verläuft die ganze Sache im Sande.

Schon in den ersten Tagen des Januar stürzt sich Lindemann mit der ihm eigenen Verve, mit der er ja in den nächsten Monaten eine ganze Produktion aus dem Boden stampfen wird, auf die Frage der Wochenschau.
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„Der Augenzeuge"

Ihm und Maetzig ist klar, daß die DEFA Wochenschauen drehen muß - und zwar sofort. Die Amerikaner, die Briten und die Franzosen lassen in ihren Zonen bereits ihre Wochenschauen laufen.

Aber das sind amerikanische, britische und französische Wochenschauen, wenn auch einige Szenen in Deutschland aufgenommen worden sind.

Lindemann denkt an eine rein deutsche Wochenschau.
Erste Frage: Wie soll die Sache heißen? Dr. Kurt Maetzig macht den Vorschlag, der Wochenschau den Titel „Der Augenzeuge" zu geben.

Allgemeines Grinsen. Das kann ja wohl Maetzigs Ernst nicht sein. Der Augenzeuge! Hat man jemals so etwas gehört? Lächerlich!

Aber nach und nach findet man Geschmack an dem Titel.
Die erste Aufnahme des „Augenzeugen" ist ein Interview mit Frau Roosevelt. Die DEFA hat durch die Alliierte Komendatura erfahren, daß Mrs. Roosevelt nach Berlin kommen wird.
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„Sofort nach Tempelhof!"

..... kommandieren Maetzig und Lindemann. Aber wie? Man hat kein Auto. Man leiht sich einen dreirädrigen Goliath-Lieferwagen, baut die Apparatur behelfsmäßig darauf auf - und ab nach Tempelhof im rasanten Tempo von vierzig Kilometern!

Mrs. Roosevelts Flugzeug landet. Mrs.Roosevelt steigt aus. Die amerikanischen, britischen und französischen Wochenschauleute umringen sie. Nein, sie will kein Interview geben! Vielleicht später im Harnackhaus in Zehlendorf, in welchem die illustren Gäste der Amerikaner untergebracht werden.

Also ab nach Zehlendorf. Die großen britischen und amerikanischen Wagen legen die Strecke im Tempo von achtzig und neunzig "Stundenkilometern" zurück. So schnell kann der Goliath nicht mit. Zu allem Unglück hat er unterwegs noch eine Panne. Zwar ist der technische Schaden schon in wenigen Minuten behoben, aber als der „Augenzeuge" schließlich im Harnackhaus eintrifft, muß er feststellen, daß er nicht mehr „Augenzeuge" sein kann: Presseempfang und Interviews sind längst vorbei.

Noch ist nicht alles verloren. Ein amerikanischer Offizier deutscher Abstammung macht sich zum Mittelsmann. Mrs. Roosevelt erklärt sich bereit, aus ihrem Zimmer herunterzukommen und gibt dem „Augenzeugen" - o Triumph! - ein Exklusivinterview.
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Was sieht der „Augenzeuge" sonst noch?

Zwischen dem 15. und 31. Januar 1946 werden folgende Aufnahmen gedreht:
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  1. Boxkampf Eder - Pryzibilski im Palast (Bild und Ton)
  2. Varieteszenen, ebenfalls im Palast
  3. Die Gedenkfeier für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf dem Friedhof Friedrichsfelde
  4. Eine Razzia auf dem Schwarzen Markt in der Brunnenstraße
  5. Eissportveranstaltung in Pankow
  6. Eine Einladung beim Oberbürgermeister Dr. Werner in Biesdorf
  7. „Die Sorgenpause" im großen Sendesaal des Rundfunkhauses, wobei einzelne kabarettistische Auftritte und das große RBT-Orchester mit Bild und Ton gefilmt wurden
  8. Die Einleitungsrede für unsere Wochenschau von Oberbürgermeister Dr. Werner im Stadthaus (Bild und Ton)
  9. Eröffnungsfeier der Universität und die Aufräumungsarbeiten der Studenten (Bild und Ton)
  10. Arbeitseinsatz von kleinen Nazis (Bild und Ton)
  11. Der Betrieb einer Zeitungsrotationsmaschine
  12. Eine Notbrücke über den Teltowkanal.
  13. Berliner Straßenszenen für den Komplex „Berlin mit den Augen eines Optimisten vmd eines Pessimisten gesehen'

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Immerhin ein Programm, das sich sehen lassen darf.

Schon der Beginn ist eindrucksvoll. Ein Trompetenstoß! Eine Stimme: „Sie sehen selbst! Sie hören selbst! Urteilen Sie selbst!"

Die meisten urteilen positiv. Sie schätzen am „Augenzeugen" besonders, daß er nicht so heroisch ist wie die Wochenschauen im Dritten Reich, daß er Humor hat und kommentiert.

Etwa so: Zwei Männer gehen durch Berlin und sehen sich die Stadt an. Der eine ist ein Optimist, der andere ein Pessimist. Und die Kamera zeigt nun, wie jeder von ihnen die Stadt sieht. Der Pessimist sieht die Trümmerhaufen. Der Optimist sieht den wiederanlaufenden Verkehr, die rauschenden Empfänge, die Menschen, die wenigstens gelegentlich wieder lächeln.

Die besten Sachen dreht der „Augenzeuge" allerdings nicht selbst. Die erhält er auf dem Austauschwege von den amerikanischen, britischen und französischen Wo-ckenschauleuten. Noch arbeiten die Siegermächte in Berlin Hand in Hand.
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Die Entwicklung nach eben geht weiter - überall!

Ende Januar 1946 !! spielen schon wieder hundertsiebzig Kinos in Berlin, sechsundvierzig in München. Im Februar Wohltätigkeitsvorstellung im Luitpoldkino in München, Eintrittspreis zwanzig Reichsmark.

Der amerikanische Film „Dr. Ehrlich" wird gespielt, die filmische Biographie des Mannes, der das Salvarsan erfand - eines Juden, dessen Name im Dritten Reich nicht genannt werden durfte; übrigens dargestellt von einem Juden, dem amerikanischen Schauspieler Edward G. Robinson. In einer kleinen aber wichtigen Rolle der emigrierte Albert Bassermann. Ein paar Tage später Gala-Vorstellung des ersten französischen Films in Berlin: „L' Eternel Retour" von Jean Cocteau.
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Alfred Lindemann hat Sorgen.

Eigentlich hat er immer Sorgen. Wie kann er hoffen, mit dem Westen in Konkurrenz zu treten? Wird in der amerikanischen oder britischen Zone nicht gedreht werden, bevor die DEFA startbereit ist? Und wie steht es mit der Sowexport? Gibt es denn gar keine Möglichkeit, dem Würgegriff der Russen zu entgehen?

Nur der oberste sowjetische Kulturoffizier kann helfen. In einem Schreiben an ihn führt Lindemann aus: „Werter Genosse Dymschitz! Anbei sende ich Ihnen den Vierteljahresbericht der DEFA.

Ich möchte aber diese Gelegenheit benutzen, um einige grundsätzliche Fragen und Schwächen unserer Arbeit Ihnen zur Begutachtung vorzulegen. Ich wähle diesmal die Form als Genosse, weil ich offener sprechen möchte als es bisher geschehen ist. Ich betone im voraus, daß nur durch die große Hilfe der SMA und von SOJUSINTORGKINO es uns gelungen ist, so weit den Aufbau der DEFA zu treiben.

In letzter Zeit hat es jedoch Schwierigkeiten gegeben, die wir trotz größter Mühe nicht überwinden konnten. Wir haben Verhandlungen mit Käutner, Forst, Dahlke, Rökk, Lingen (die sich hauptsächlich in der amerikanischen und englischen Zone befinden) aufgenommen und die Zusicherung erhalten, daß diese bereit sind, sofort nach Berlin zu kommen, um bei uns zu arbeiten. Leider ist es uns aber trotz größter Mühe nicht gelungen, weder die Ausreise- noch die Einreisegenehmigung zu erhalten.

Ununterbrochen gehen bei uns Telegramme ein, worin München und Hamburg anfragen, wann nun unsere Beauftragten zur Verhandlung erscheinen. Für viel wichtiger halte ich es aber, daß wir bei Vertragsabschlüssen die Möglichkeit haben, diese Künstler sofort nach Berlin einreisen zu lassen.

Es ist natürlich selbstverständlich, daß wir nur Verträge schließen werden, worin ausdrücklich betont wird, daß die Arbeit sowie das Wohnen im russischen Sektor stattzufinden hat. Herr Willi Forst hat bereits zweimal von Wien telephoniert und bittet dringend im Namen der gesamten Wiener-Filmindustrie um meinen Besuch.

Betr. Sojusintorgkino (Sowexport), die weitgehende Arbeit der DEFA bringt es mit sich, daß unsere Geldforderungen von Tag zu Tag größer werden. Verhandlungen mit SOJUSINTORGKINO werden immer schwerer. Es müßte doch möglich sein, per sofort einen Kredit von Reichsmark fünfhunderttausend von SOJUSINTORGKINO für die in Arbeit befindlichen Filme zu erhalten.

Auch die Rohfilmfrage ist trotz aller Besprechungen noch nicht geklärt worden. Zum Schluß möchte ich betonen, daß die DEFA heute schon ein Großunternehmen mit circa fünfhundert Mann Personal ist. Es ist gelungen, uns die besten und wertvollsten Fachkräfte zu sichern; aber noch besser ist, daß die Sicherung für uns keinerlei finanzielle Opfer bedeutet, sondern daß es uns durch diese Leute gelungen ist, die DEFA schon von Anfang an positiv zu gestalten."
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Ja, Lindemann kann eigentlich zufrieden sein.

Am 1. Januar 1946 stehen drei Büros zur Verfügung, und es gibt 60 Mitarbeiter. Im April 1946 gibt es bereits 500, und Ende Oktober 1946 sind es in der Krausenstraße allein 520, in Johannisthal und Babelsberg noch weitere 1128.

Um die gleiche Zeit werden die Männer der DEFA in der Krausenstraße fünfundsechzig Räume ausgebaut haben und drei Werkstätten. Der „Augenzeuge" haust in der Hankestraße in dreißig Räumen. Außerdem werden Filialen in Dresden, Halle, Schwerin und Potsdam gegründet. Freilich, mit der Produktion hapert es etwas. Zwölf Großfilme wollte die DEFA im ersten Jahr drehen. Sie wird es nur auf drei bringen.
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„Die Mörder sind unter uns!"

Der erste ist bereits im Februar begonnen worden. Dieser Start gleicht einem Ritt über den Bodensee. Er findet ohne staatliche Genehmigung statt, nicht einmal die Russen haben ihre Einwilligung gegeben. Der Film heißt: „Die Mörder sind unter uns!"

Immerhin sieht es so aus, als ob für die DEFA bessere Zeiten kommen. Jedenfalls produziert sie mit Volldampf, und ihr erster Wirtschaftsbericht - Ende 1946 - schließt nur mit einer Unterbilanz von RM 900.000 ab, und in dieser Bilanz sind die Filme nicht eingesetzt, die sich gerade in Produktion befinden.

Das bedeutet also, daß die DEFA durchaus als gesundes Unternehmen angesehen werden kann.
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Es geht aufwärts - doch was wollen die Russen ?

Die nächste Bilanz wird übrigens mit einem Plus von 3,2 Millionen Reichsmark abschließen. Alles wäre in bester Ordnung, wenn die Männer der DEFA eine Ahnung hätten, was die Russen nun eigentlich wollen.

Besser - was sie nicht wollen! Denn die Russen haben ja schließlich einundfünfzig Prozent der Anteile, sind also die eigentlichen Besitzer dieser nur dem Namen nach deutschen Filmgesellschaft. Was die Russen wollen ... ? Was die Russen nicht wollen ... ? Wer weiß das schon! Die westlichen Alliierten in Berlin wissen ein Lied davon zu singen.

Die alliierte Filmkommission

Es ist da eine Filmkommission gegründet worden, die unter der Interalliierten Komendatura ihres Amtes waltet, die dafür Sorge tragen muß, daß keine 'belasteten' deutschen Filmleute zugelassen, keine Filme mit nationalsozialistischer Tendenz mehr aufgeführt werden und so weiter, und so weiter.

Die Mitglieder dieser Filmkommission haben eine grandiose Idee. Sollte man nicht gemeinsam einen Film produzieren, der das deutsche Volk nun wirklich und endgültig umerzieht?

Die Zeitungs- und Rundfunkberichte über den Nürnberger Prozeß werden nicht genügend gelesen. Wie, wenn man einen Film über die Ereignisse der letzten Jahre machen würde, wenn man, im Rahmen eines Spielfilms die Missetaten Hitlers, Görings, Himmlers aufzeigte?

Nur Fakten, keine Propaganda - auch nichts, was als Propaganda ausgelegt werden könnte. Nur Fakten! Und wenn alle vier Siegermächte sich an diesem Film beteiligen, muß er nicht das Gewicht eines Dokumentes haben?
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Ein Gemeinschafts.Film mit dem Gewicht eines Dokumentes

Besprechungen finden statt. Sie ziehen sich über Wochen hin. Schließlich einigt man sich darüber, daß die Amerikaner ein Drehbuch schreiben sollen. Das wird dann den anderen vorgelegt, damit sie ihren Senf dazu geben.

Dann wird das Drehbuch umgeschrieben. Dann wird es den anderen wieder vorgelegt, dann wird es weggeworfen. Und ein ganz neues Drehbuch entsteht. Es wird nach London, nach Paris, nach Moskau und natürlich auch nach Washington geschickt.

Die Vorbereitungen für den Film über das Verbrechen des Krieges oder die Verbrechen des Krieges dauern seit Mitte 1946 an.

Der russische Film heißt „Der Schwur"

Dann, ganz plötzlich, laden die Russen die übrigen Alliierten zur Vorführung eines Films ein, der in Deutschland, von der DEFA synchronisiert, herauskommen soll. Der Film heißt „Der Schwur". Der Schwur, um den es sich handelt, ist jener, den der große Stalin, dargestellt von Michael Gelowani, ablegt, das Vermächtnis Lenins zu verteidigen und hochzuhalten.

Die westlichen Filmoffiziere sehen etwas bestürzt und erschreckt einen Film, aus dem hervorgeht, daß es eigentlich nur eine bedeutende Persönlichkeit im zwanzigsten Jahrhundert gibt - außer Lenin natürlich - und das war Stalin; ferner, daß der Krieg gegen Hitler von Rußland ganz allein geführt und gewonnen worden ist.

Hitler tritt ebenfalls auf, redet sehr viel, auch andere große Nationalsozialisten wirken als Bösewichte mit. Alle Deutschen sind böse - getreu jenem Wort des russischen Schriftstellers Ilja Ehrenburg, nur ein paar Monate vorher geprägt: „Die guten Deutschen sind die toten Deutschen!"

Auch die Engländer und die Franzosen sind "böse"

Aber nicht nur die Deutschen sind in diesem Film entsetzlich böse. Besonders pikant ist, daß es an Seitenhieben gegen die Franzosen und die Engländer nicht fehlt, die im Grunde genommen dafür verantwortlich gemacht werden, daß der Krieg überhaupt ausgebrochen ist.

Von dem Pakt Stalins mit Hitler kein Wort! Am Tag, nachdem die Russen den Film vorgeführt haben, tritt die Interalliierte Filmkommission erneut zusammen. Die Herren sind bestürzt. Sie beschließen, den Kriegsverbrecherfilm nicht zu machen. Etwas anderes bleibt ihnen auch gar nicht übrig. Sie haben sich von den Russen hereinlegen lassen.

Schlimmer: Die Chance, einen wirklich unparteiischen Dokumentarfilm zu machen, ist für immer verpaßt. Denn den 'Schwur' sieht sich natürlich niemand an, der es nicht muß.

Zwei Stunden immer wieder zu hören, was für ein wundervoller Mann Stalin ist, geht besonders denen auf die Nerven, die jahrelang mitanhören mußten, was für ein herrlicher Mann Hitler war.
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