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Die Welt des Films - Herbst 1927 - aus Sicht eines Engländers:

In diesem Buch aus London wird die internationale Entwicklung des Kino-Films bis zu den Anfängen des Ton-Films - diesmal nicht (nur) aus deutscher Sicht - vorgetragen. In einem weiteren Buch vom April 1927 von Denes von Mihaly (aus Berlin) wird eine ganz andere Sicht auf den Ton-Film verbreitet, die aber so nicht mehr stimmt. Nach dem März 1933 wurde dann die Geschichte des Ton-Films ebenfalls heftigst "verbogen", also nationalsozialistisch eingedeutscht. Darum sind die Ausführungen dieses Engländers Fawcett sehr hlfreich. Zwei deutsche Übersetzer hatten aber einiges "hinzugefügt". Die Einleitung beginnt hier.

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Kapitel XIII - Filmmanuskript und Drehbuch

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Selber ein Filmmanuskript schreiben ?

Fast jeder fleißige Kinobesucher hat sich wohl schon bei dem Gedanken ertappt, er sei mit geringer Mühe gewiß auch imstande, ein Filmmanuskript zu schreiben. Die Lockung, das Kind der eigenen Phantasie auf der Leinwand vorgeführt zu sehen, ist groß und die Lösung erscheint einfach, kinderleicht.

Wie viele Menschen sich zu Filmdichtern berufen fühlen, zeigt deutlich und erschreckend der tägliche Manuskripteneinlauf bei den größeren Filmgesellschaften. Aus allen bewohnten Winkeln der Erde laufen hier wie in einem großen Sammelbecken die absonderlichsten Geistesprodukte zusammen, doch ist nach einer Zusammenstellung im dramaturgischen Bureau der First National von den vielen tausend Einsendungen kaum ein Promille verwendbar.

Brauchbare Filmsujets sind aber stets willkommen, denn in den letzten zehn Jahren wurden rund 10.000 Spielfilme erzeugt und haben den Vorrat an verwendbaren Themen so ziemlich erschöpft. Die gesamte Weltliteratur aller Zeiten ist nach brauchbaren Stoffen durchstöbert worden und heute herrscht daran trotz des überreichen Angebotes geradezu Mangel.
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Gebraucht werden aber wirkliche schöpferische Kräfte

Leider haben sich wirklich schöpferische Kräfte noch nicht mit jenem Einsatz ihres gesamten Könnens dem Film zugewendet, der eine Blutauffrischung der Filmkunst gewährleisten würde. Damit will nicht gesagt sein, daß es nur bewährten Leuten vom Filmfach vorbehalten ist, gute Filmbücher zu entwerfen. Im Gegenteil.

Von den heute beschäftigten Verfassern der Manuskripte und Drehbücher erstarren die meisten unter dem Einfluß handwerksmäßiger Routine zu phantasieloser Schablone. In den
amerikanischen Filmstudios ist ja sogar die Dichtkunst kommerzialisiert und rubriziert.

Die großen Produktionsgesellschaften beschäftigen bis zu vierzig „Dichter" und „Gagmen". Das sind Leute, deren Aufgabe darin besteht, Einfälle grotesker, spannender oder tragischer Art ins Szenarium zu bringen.

Die Gagmen sind glänzend bezahlt. Auch zur Verfilmung angenommene Manuskripte erzielen hohe Beträge. Für ein besseres Filmbuch werden leichten Herzens 4.500 Dollar bezahlt, aber für das Verfilmungsrecht erfolgreicher Bühnenschlager werden in Amerika Phantasiepreise geopfert. „Dreimal Hochzeit" (Abies Irish Rose), das an zahlreichen amerikanischen Sprechbühnen vieltausendmal gegeben worden war, soll der Verfasserin bei der Paramount 800.000 Dollar (!) eingetragen haben.

In Europa ist das ganz anders

In Europa ist an solche Riesenziffern natürlich nicht einmal zu denken, doch werden auch hier für gute Sujets recht annehmbare Preise bezahlt. Die zukünftigen Filmdichter sollen sich daher von anfänglichen Mißerfolgen nicht abschrecken lassen; nur müssen sie sich die grundlegenden ästhetischen Forderungen der Lichtspielkunst aneignen.

Der Filmdichter muß auch zunächst imstande sein, optisch zu denken; er darf seine Fabel nicht aus psychologischen Problemen hervorwachsen lassen, sondern er muß sie aus reichbewegten Bildern voll innerer Betätigung wählen. Ist der Film Ausdruck unseres Zeitwillens, dann werden jene Dichter die besten Filmsujets liefern, die mit dem Empfinden unserer Zeit am stärksten durchsetzt sind, die im wahrsten Sinne als Gegenwartsmenschen gelten können.

Lückenhafte Kenntnisse des Filmwesens, seiner technischen Möglichkeiten und der Erfordernisse eines Drehbuches stellen durchaus keinen Mangel dar, dem nicht abzuhelfen wäre. Viele wertvolle Filmideen sind oft gerade nur deshalb nicht von den Gesellschaften akzeptiert worden, weil die Verfasser der Ansicht waren, sie müßten unbedingt ein kurbelreifes Buch vorlegen.
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Die Notwendigkeiten bei der Stoffwahl

Bei der Stoffwahl sind stets die Haupteigentümlichkeiten des
Films zu berücksichtigen: seine Stummheit (Anmerkung - in 1927 zur Zeit noch), Einfarbigkeit und Losgelöstheit von Zeit und Raum. Die Fabel muß also derart beschaffen sein, daß ihre Träger die Handlung durch Schweigen, durch stummes Spiel vorwärtsbringen. Das unterstützende Wort, der „Titel", soll nur in den allernotwendigsten Fällen Anwendung finden.

Er bleibt stets Surrogat, Notbehelf, Krücke; der ideale Film müßte jedes Titels entbehren können. Der Film gestattet auch die größte Freiheit im Wechsel des Ortes, im Vor- und Zurückverlegen zeitlicher Abläufe; die häufige Änderung der Szene, ja, ihre Unterbrechungen, um die Spannung zu steigern, sind günstige Eigenschaften, die ein tüchtiger Filmdichter auszunutzen verstehen muß.

Der größte Feind ist die Langeweile

Der größte Feind jedes Lichtspielmanuskriptes ist die Langeweile, ein Feind, der die bedeutendste Kunstleistung von Regisseur und Darstellern vollständig zunichte machen kann.

Umgekehrt vermag ein gutes, interessantes Buch über Schwächen der Inszenierung und Darstellung manchmal hinwegzutäuschen. Der Verfasser eines Films muß also sein Hauptaugenmerk auf eine originelle, bildmäßig erfaßbare Idee lenken, aus der sich eine spannende Handlung entwickeln läßt. Diese soll klar, einfach und konzentriert sein. Allzu verwickelte Intriguen, unglaubwürdige Zufälligkeiten ermüden und verwirren. Auch Nebeneinanderlaufen mehrerer verschiedener Handlungen unterlasse man. Aus psychologischen und aus praktischen Gründen ist es angezeigt, nur wenige Hauptpersonen einzuführen.

Wählt man sein Sujet aus den Beständen der Literatur, dann ist dem Roman und der Novelle vor dem Drama der Vorzug zu geben, weil jene dem inneren Wesen des Films näher verwandt sind. Freilich muß der Vorwurf reich an Geschehnissen sein, die sich unschwer in szenische Bildreihen umsetzen lassen. Das tiefgründigste Kunstwerk muß auf der Leinwand versagen, wenn es nur psychologische Schilderungen aufweist.

Bei Festlegung der Figuren richte man seine Aufmerksamkeit auf scharfes Auseinanderhalten der einzelnen Charaktere, damit
sie vom Publikum leicht unterschieden werden können. Der Konflikt darf sich nicht um abstrakte Probleme drehen; er muß vielmehr allgemein verständlichen, menschlichen Regungen seine Entstehung verdanken.
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Und wieder "muß" etwas so sein .......

Der FilmstofF muß so geartet sein, daß er von Anbeginn in seinen Bann zieht. Die Stoffe sind übrigens wie kaum in anderen Künsten der Mode unterworfen. Vor Jahren waren die historischen Themen beliebt, dann phantastische und Märchenfilme, die wieder von verfilmten Operetten und Militärstücken abgelöst wurden. Heute zieht der Publikumsgeschmack moderne Gesellschaftssujets und leichtblütige Lustspiele allem anderen vor.

Die Atmosphäre von Wohlleben und Luxus, in die sich der Zuschauer selbst hineinträumt, befriedigt für eine Zeit seine darauf gerichteten Wunschbegierden. Dem Armeleutemilieu, bäuerlichen Motiven, kleinbürgerlichen Zuständen, die die Masse der Kinobesucher aus eigener Anschauung kennt, wird das Interesse versagt.

Niemals darf aber der Stoff bloß auf das Interessengebiet begrenzter Kreise, sei es sozialer, nationaler oder religiöser Art, berechnet sein; denn dadurch schneidet er sich jede allgemeine Wirkung ab.

Ein Beispiel bot der herrliche deutsche Lutherfilm, der beispielsweise im katholischen Österreich ohne tieferen Eindruck blieb. Nur bei Filmen, bei denen an allgemeines menschliches Gefühl appelliert wird, bei denen die geistige Anteilnahme nicht örtlich oder gesellschaftspolitisch bedingt ist, nur dort ist auf Wirkung und Erfolg zu rechnen.
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Die Erfahrungsweisheit - woher soll sie kommen ?

Dem angehenden Filmdichter sei noch die Erfahrungsweisheit mit auf seinen enttäuschungsreichen Weg gegeben, daß Komödien und Lustspiele (sobald höhere Ansprüche befriedigt werden sollen) schwerer zu schreiben sind als ernste Filmspiele. Allerdings sind sie beim Publikum beliebter; denn es will weder belehrt, noch erbaut, sondern unterhalten und höchstens gerührt werden.

Ein glücklicher Ausgang ist ihm erwünscht. Diese Forderung hat zu dem Unfug des „happy end" geführt., wodurch der Abschluß erschütternder Tragödien oft zu einer seichten Verlobung mit züchtigem Kuß umgebogen werden muß.

  • Anmerkung : 10 Jahre später war das eine der Göbbelschen Vorbedingungen trauriger Schlußszenen.


Sind nun alle Vorbedingungen für das Filmbuch erwogen und befriedigend erfüllt, so kann an die Ausführung geschritten werden. Am besten empfiehlt es sich, das Thema in erzählender Gegenwartsform kurz, aber einprägsam niederzuschreiben (etwa 4 - 6 Maschinenschriftseiten).

Freilich muß schon in dieser Novelle der Konflikt genau enthalten sein. Die Handlung soll ersichtlich in die drei Hauptteile: Exposition, Hauptteil mit Schürzung des Knotens und Katastrophe gegliedert sein. Zuweilen ist es günstiger, die Teilung so vorzunehmen, daß darin die einzelnen Aktabschnitte ersichtlich sind. Die Ausarbeitung zum sogenannten Drehbuch besorgen dann die dramaturgischen Bureaus, wo geeignete und erfahrene Leute für diese Arbeit beschäftigt sind.
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Kapitel XIV - Technisches

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Die Grundlagen

Bei keiner Art künstlerisch-schöpferischer Gestaltung ist das Mechanische des Entstehungsvorganges von so tiefgehender Bedeutung wie beim Film. Technische Probleme haben die gleiche Wichtigkeit wie künstlerische Fragen.

Wenn heute dem Kinobesucher gute, brillante Photographie, wirkungsvolle Beleuchtung, einprägsame Dekorationen, ruhige, das Auge nicht durch Flimmern oder Zappeln störende Bilder als Selbstverständlichkeit erscheinen, weiß er doch nicht abzuschätzen, welcher Aufwand von Erfinderscharfsinn und technischem Können beim Zustandekommen dieser für ein wertvolles Laufbild unerläßlichen Faktoren notwendig war.

Während bei Ausübung aller anderen Kunstarten das Mittel und Werkzeug, also Farbe und Pinsel bei der Malerei, Wort und Schrift in der Dichtung, Ton und Instrument bei der Musik für die schöpferische Tat erst in zweiter Linie maßgebend sind, müssen Kamera und Kunst des Regisseurs auf die gleiche Bewertungsstufe gestellt werden.

Denn das Aufnahmegerät ist nicht bloß Werkzeug, sondern Mitschaffendes, Mitgestaltendes - und die Fortschritte der Lichtspielkunst sind nicht zum geringsten Teile der Vervollkommnung der Apparate zu verdanken.
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Die Schnelligkeit der Entwicklung der Technik ist erstaunlich

Es ist nun in höchstem Maße erstaunlich, mit welcher Schnelligkeit ihre Entwicklung bis zur heutigen großartigen Vollkommenheit vor sich gegangen ist. Vom ersten Zelluloidfilmapparat von Friese- Green bis zu den neuesten Wunderwerken der Feinmechanik sind noch keine vierzig Jahre verflossen.

Mit dieser Entwicklung ging eine Veränderung der Stellung des Kameramannes in bezug auf die Aufnahme Hand in Hand. Während er früher die nüchterne Rolle des Photographen gespielt hat, der eine theatermäßig dargestellte Szene gedankenlos herunterkurbelte, verschwimmen heute die Grenzen zwischen Regisseur und Kameramann immer mehr. Denn so wie der Spielleiter .....

(Anmerkung : Das war schon im Vorgriff auf den Ersatz des Begriffs Regisseur bei den Nazis zum Spielleiter eingebaut - warum bereits in 1928 ??)

..... bei Gestaltung einer Szene durch das Objektiv hindurch denken soll, so muß der Aufnahmetechniker andererseits mit dem dramatischen Gefüge des Bildablaufes vertraut sein, um von künstlerischen Gesichtspunkten aus Beleuchtung, Ausschnitt, Tempo und Stimmung entsprechend zu wählen.

Die Bewegung der Bilder beruht auf einer Gesichtstäuschung

Über die psychologischen und physiologischen Grundlagen der „lebenden Bilder", über Prinzip und Wirkungsweise der Apparate ist schon viel geschrieben worden. Es sei nur kurz daran erinnert, daß die Bewegung der Bilder auf einer Gesichtstäuschung beruht, die stroboskopischer Effekt genannt wird.

Bei diesem psychologischen Vorgang treten mehrere dargebotene Bilder eines Bewegungsvorganges als ein einziges bewegtes Bild in Erscheinung. Früher war man der Ansicht, daß zur Hervorbringung des stroboskopischen Effektes die sogenannte Nachbildwirkung, richtiger die Verschmelzung der zugehörigen Netzhautreize unerläßlich sei, bis Paul F. Linke durch einwandfreie Versuche die Unstichhaltigkeit dieser Annahme bewies. Allerdings spielt die Nachbildwirkung bei den kinematographischen Apparaten mit ruckweise fortbefördertem Filmband eine wichtige Rolle.

Die Kameras und die Aufnahmen

Die meisten Aufnahmegeräte sind so konstruiert, daß während eines jeweils kurzen Filmstillstandes das photographische Festhalten des Bildes erfolgt. Sobald der Filmstreifen für die nächste Aufnahme weitergezogen wird, schützt ihn ein Sektor (eine Blende) kurzzeitig vor Belichtung. In einer Sekunde werden bei normalen Aufnahmen 16-20 Bildchen festgehalten. Apparate, die zum Zwecke der Zeitdehnung bei sehr bedeutenden Geschwindigkeiten des Gegenstandes eine weit größere Anzahl aufzunehmen vermögen, sollen später besprochen werden.
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Das Malteserkreuz, der Schläger und der Greifer

Nach dem wichtigsten Teil des Kinoapparates, dem Mechanismus zur Fortbewegung des Filmbandes, unterscheidet man mehrere Arten: Geräte mit Malteserkreuz, mit Schläger, mit Greifer, mit Reibungsscheiben, Klemmzug und solche mit kontinuierlicher Filmbewegung.

Bei allen, mit Ausnahme der letzten, erfolgt die Weiterbeförderung des Zelluloidstreifens ruckweise; bei den anderen wurden Einrichtungen geschaffen, die ein gleichmäßiges Abrollen des Films zulassen: Hier kommen oszillierende Objektive, rotierende oder schwingende Spiegel, Linsen oder Prismen in Anwendung.

Die Erfahrung hat ergeben, daß für Aufnahmegeräte sich das Greifersystem am besten bewährt hat, weil es ein ruhiges Stehen der Bilder gewährleistet; für Wiedergabezwecke (Projektion) wählt man fast ausschließlich die zuverlässigen, dauerhaften Vorführungsmaschinen mit Malteserkreuz.

Die gebräuchlichsten Aufnahmegeräte sind die Marken Pathe, Ernemann, Ascania und die eleganten, handlichen Apparate der Firma Debrie. Die amerikanischen Kameras sind von ganz hervorragend vollkommener Konstruktion, aber infolge ihrer technischen Kompliziertheit im Preise ungeheuer hoch. Die bekanntesten sind die von Bell und Howell und die von Mitchell hergestellten Apparate.
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Die Objektive

Da einzelne Bewegungsphasen nur durch sehr kurze Momentaufnahmen festgehalten werden können, müssen die dazu verwendeten Objektive sehr lichtstark sein, damit auch bei ungünstigen Beleuchtungsverhältnissen ein Arbeiten möglich ist. Die lichtstärksten Spezialobjektive haben bisher Karl Zeiß in Jena und Görz auf den Markt gebracht.
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Die Aufnahme (beim Stummfilm)

Der Vorgang bei einer Aufnahme ist folgender: Nachdem der Regisseur dem Kameramann das Bild- und Spielfeld bezeichnet hat, sucht dieser die günstigste Stellung für sein Gerät, um durch die Wahl des Bildausschnittes eine künstlerische Wirkung und Übersichtlichkeit zu erlangen.

Er wählt das Objektiv mit der entsprechenden Bildwinkel und stellt (wie der Photograph) die Szene auf der Mattscheibe oder dem Film ein, wobei ein Meßband und eine Einstellskala ihm große Dienste leisten. Dann bestimmt er gemäß den Lichtverhältnissen die Blendenöffnung und den Sektorspalt.

Hat er sich noch einmal rasch überzeugt, daß alles in Ordnung ist, daß keine Lampe innerhalb des Bildfeldes steht und das Licht die notwendige Stärke hat, kann die Aufnahme erfolgen.

Endlich der Begriff "einen Film drehen" .... mit der Kurbel

Sobald er die Kurbel dreht, rollt sich der unbelichtete Filmstreifen aus der einen Kassette mit Hilfe einer Zahntrommel ab, tritt in einen doppelten Bremsrahmen ein, der Fenster genannt wird und genau in der Bildebene des Objektivs liegt. Unterhalb des Fensters wird der Film vom Greifer erfaßt und ruckweise durch jenes gezogen, bleibt dort jedesmal den Bruchteil einer Sekunde vor dem Objektiv stehen, damit die Momentaufnahme erfolgen kann, wird vom Greifer weiter geschoben und über eine zweite Zahntrommel in der anderen lichtdichten Kassette automatisch aufgerollt.
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Von der Stativ-Kamera zur Handkamera

Bis vor wenigen Jahren war es notwendig, die Kamera stets auf ein Gestell (Stativ) zu befestigen, um ruhige, nicht zitternde Bilder zu erzielen. Die fortgeschrittene Technik hat den Apparat von seiner starren Unterlage befreit und Einrichtungen geschaffen, wodurch er bewegt werden kann, den Darstellern überallhin zu folgen imstande ist und so auch verwickelte Aufnahmen vorzunehmen vermag (Aufnahmen im Gewühl des Tanzes, auf einer Schaukel, auf steilen Pfaden, Folgen einem Gehenden durch lange Zimmerfluchten usw.).

Durch diese entfesselte Kamera wurden recht originelle Wirkungen ermöglicht. Man entsinne sich der Szene aus „Variete", in der der Eindruck wiedergegeben wird, den der auf dem Trapez Schwingende von dem unter ihm eich dehnenden Riesensaal des Wintergartens empfand. Das Auf- und Abschaukeln des Raumes machte die Gefährlichkeit des Unternehmens auf dem fliegenden Reck dem Zuschauer erst recht deutlich.

Oder nehmen wir jenes Bild aus „Metropolis", wenn das einbrechende Wasser alles zu überschwemmen droht und nur eine schmale Eisentür zur rettenden Welt über der Erde führt. Um den Schreck, das Angstgefühl der vom Wasser Bedrängten rein bildhaft wiederzugeben, wurde die Kamera in schaukelnder Bewegung gegen diese eiseren Tür geschwungen. Durch die Verzerrung der Linien gelang es die Empfindung hervorzurufen, als ob die ganze Umwelt wanke und einzustürzen drohe. -

Die bewegliche Kamera findet in den neuesten Laufbildern immer mehr Verwendung. Ihr Antrieb erfolgt selbstverständlich nicht durch die Hand (was ja praktisch undurchführbar ist), sondern durch ein Uhrwerk oder einen Elektromotor.
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Die Beleuchtung

Nur bei entsprechenden Lichtverhältnissen ist der Aufnahmeapparat überhaupt imstande Bilder zu belichten. Daher kommt dem Beleuchtungswesen beim Film große Bedeutung zu. In den Anfängen der Kinematographie war die Sonne die Hauptlichtquelle; darum baute man die ersten Ateliers als Glashäuser.

Heute ist man von der Mithilfe des Tagesgestirns gänzlich abgekommen; das künstliche Licht ward Alleinherrscher. Abgesehen von dem chaotischen Treiben ist eine besondere Eigenschaft des Filmateliers die in ihm brütende ungeheure Hitze.

Hunderte von Ampere (eigentlich müsste es Kilowatt heißen - damals hatten die unbedarften Buch-Autoren das noch gar nicht kapiert) hauchen aus Scheinwerfern, besonders konstruierten Bogenlampen und Quecksilberdampflampen ihren höllischen Glutatem aus. Riesige Ventilatoren und Berieselungsanlagen werden betätigt, um die unerträgliche Hitze zu mildern. Zweckmäßige Beleuchtung des Spielfeldes erfordert, daß die Lampen von allen Seiten an Dekoration und Darsteller herangebracht werden können.

Bei großen Szenen erweist sich oft die Verwendung von 30-40 Lampen als notwendig, von denen jede ungefähr 50 Ampere hat. Bei diesem Massenaufgebot von Licht - zuweilen 10.000 Kerzen - ereignen sich häufig Unfälle, die mit Sonnenstich und Hitzschlägen viel Ähnlichkeit aufweisen.

Augenerkrankungen, namentlich Bindehautentzündungen sind an der Tagesordnung und können nur durch Verwendung von Schutzbrillen (außerhalb der Aufnahmen) vermieden werden. Es gibt bedeutende Schauspieler, die beim Film deshalb nicht verwendbar sind, weil sie inmitten der Beleuchtungskörper von einer Art Platzangst ergriffen werden, die zu hysterischen Zuständen ausarten kann.
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Die Lichtfrage in den Filmateliers

Um die Lichtfrage klaglos lösen zu können, sind unter der Decke des Filmateliers ganze Systeme von beweglichen Trägern, Kränen und Laufkatzen für die Beleuchtung von oben angebracht; die Gestelle der Seitenlampen sind mit Rollen versehen und für Höher- und Tiefer stellen eingerichtet.

Gewisse Effekte verlangen aber oft, daß das Licht von unten kommt; auch dafüi sind eigens konstruierte Lampen vorhanden. Die gebräuchlichsten Beleuchtungskörper sind die fast zum Symbol gewordener Jupiter-Lampen mit 6, 8 oder 12 horizontalen Lichtbogen, die Weinert-Lampen und die wegen ihres ruhigen und stromsparenden Lichtes beliebten Quecksilberlampen.

Die immer unentbehrlichen Scheinwerfer wechseln in ihren Maßen von 30-120cm Spiegeldurchmesser. Eine Verbesserung ist die Jupiter-Sonne, die bei 150 Ampere und ungefähr 60cm Spiegeldurchmesser ohne Dunkelfeld sehr günstige Lichtverhältnisse liefert.

Um den Gesichtern eine hervorstechende Plastik zu verleihen, verwendet man sogenannte Aufheller und Spotlights, kleinere Scheinwerfer bei denen der Reflektor aus kleinen, in Facettenform angeordneten Spiegelchen zusammengesetzt ist.
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Der technische Fortschritt bei den Scheinwerfern

Aber der technische Fortschritt scheint auch die bisher in Verwendung stehenden Lichtquellen (wie früher das Sonnenlicht) aus ihrer Herrschaft verdrängen zu wollen. Die Photochemie hat in dem panchromatischen Film ein derart farbenempfindliches Material geschaffen, daß die immer als lästig empfundene Schminke in Wegfall kommt.

Allein auch die Jupiterlampen werden überflüssig und sind durch einfache elektrische Glühbirnen ersetzbar. Diese in Amerika schon stark eingebürgerte Methode, die auch in Europa, namentlich in Deutschland schon vielfach in Verwendung steht, bildet einen bedeutsamen Wendepunkt in der Welt des Filmes.

Vom rein künstlerischen Standpunkt aus betrachtet, gewinnt das ungeschminkte Antlitz stärkere Ausdruckskraft, vertiefteren menschlichen Inhalt und gesteigerte Lebensnähe. Es bieten sich aber auch vom technischen Standpunkte aus neue Möglichkeiten.

Der sehr schwerfällige Lampenapparat weicht den beweglicheren Glühbirnen und Lichtkästen; die Ausleuchtung der Szene wird einfacher; die Hitze, die den Darsteller oft erschlafft, ist inzwischen wesentlich geringer; Aufnahmen in Originalräumen sind ohne Schwierigkeiten ermöglicht.

Auch findet man mit einem weit schwächeren Strom (also der schwächeren Leistung) sein Auskommen. Damit scheint aber auch das Unabhängig werden von den Atelierbauten immer mehr an Boden zu gewinnen. Man sucht die notwendigen Dekorationen in der wirklichen Welt. Wenn auch das Atelier aus gewissen, hier nicht näher zu erörternden Gründen nie ganz auszuschalten sein wird, an Bedeutung wird es durch diese ganz außerordentliche Erfindung gewiß einbüßen.
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Das überaus feuergefährliche Zelluloidband

Schon frühzeitig wurden Versuche unternommen, das überaus feuergefährliche Zelluloidband durch ein anderes Material zu ersetzen, und tatsächtlich ist es schon gelungen, unverbrennbare Filme herzustellen; doch erwiesen sich solche Filme infolge ihrer brüchigen Struktur weniger haltbar.

Nach langjährigen Versuchen soll es nunmehr einem Berliner Ingenieur gelungen sein, einen Film aus Papier herzustellen,der die gleiche Lichtempfindlichkeit wie der Zelluloidstreifen aufweist. Neben der großen Verbilligung des Materials bietet dieser Film auch den Vorteil der geringeren Feuergefährlichkeit, da es dem Erfinder gelungen ist, ihn auch unverbrennbar herzustellen. Die Zukunft wird erweisen, ob sich seine Hoffnungen erfüllen.
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Die Vorführungsapparate

Der unscheinbarste, aber wichtigste Teil jedes Kinos ist die Vorführungskabine mit ein oder mehreren Projektoren. Diese Apparate, die das Bild auf die Projektionswand zu werfen haben, müssen die höchsten Anforderungen in bezug auf Standfestigkeit, Genauigkeit, Schonung des Filmbandes und Güte des Materials erfüllen.

Sie sind auf ein starkes Gestell aus Gußeisen befestigt und lassen auf den ersten Blick zwei Hauptteile unterscheiden, den eigentlichen Mechanismus für die Filmvorführung und den Lichtkasten.

Der Mechanismus einer Theatermaschine ist im Wesentlichen der gleiche wie beim Aufnahmeapparat, nur findet hier (wie bereits erwähnt) das Malteserkreuz bevorzugte Verwendung für die ruckweise Bewegung.

Die Trommeln zur Aufnahme des Filmbandes sind naturgemäß viel umfangreicher als bei der Kamera, da sie ja Rollen von 600m und mehr ablaufen lassen müssen. Der Antrieb des Mechanismus erfolgt durch einen Elektromotor, dessen Geschwindigkeit durch einen Widerstand reguliert werden kann.

Damit die Bilder im richtigen Ausschnitt (Rahmen) erscheinen (nicht geteilt) ist das Fenster, durch das der Film läuft, verstellbar.
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Wichtig : Die Optiken der Projektoren und die Lichtquellen

Die Scharfeinstellung auf der Leinewand ermöglicht ein Objektivtrieb, der die Linsen in die richtige Entfernung vom Filmstreifen bringt. Wo elektrischer Strom vorhanden, wird heutzutage zur Speisung der Lichtquelle ausschließlich dieser verwendet. Nur wo er fehlt, muß zur Benützung von Kalk- oder aber Ligroinlicht gegriffen werden. Als Lichtquelle kommt entweder das Bogenlicht oder in jüngster Zeit vielfach die Spiegelglühlampe in Anwendung.

Die marktgängigsten Kinomaschinen werden von Ernemann, Goerz, Zeiß, Gaumont und der A. E. G. erzeugt.

Der Mechau-Projektor

Mit einem ausgezeichneten Vorführungsapparat trat das Kinowerk Ernst Leitz vor die Öffentlichkeit. Ihr Mechau-Projektor, nach dem Erfinder benannt, hat einen durch komplexen optischen Ausgleich bewirkten kontinuierlichen Filmdurchlauf, wodurch eine besondere Schonung des Kopien-Materials gewährleistet ist.

Die Filmtrommeln sind horizontal angeordnet und vermögen 900 und 1200m Film auf einmal abzurollen. Infolge seines großen Raumerfordernisses hat sich der Mechau-Apparat trotz seiner Vorteile noch nicht sehr eingebürgert.
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Der Feuerschutz beim Zelluloidfilm

Da das leichtentzündliche Zelluloidband durch die starke Wärmeentwicklung der Lichtquelle eine ständige Feuersgefahr darstellt, sind umfassende Vorsorgen zur Sicherung des Vorführers (Operateurs) und der Zuschauer getroffen.

Die feuerpolizeilichen Vorschriften sind mit Recht in den meisten Ländern sehr streng, da Filmbrände schon zu den schrecklichsten Katastrophen geführt haben. Sobald das Filmband reißt oder sich entzündet, sorgt eine selbsttätige Bremsvorrichtung an der Kinomaschine dafür, daß der gesamte Mechanismus zum Stillstand kommt; außerdem schließen sich die Schutzklappen sowohl zwischen Lampe und Film wie beim Projektionsfenster der Kabinenwand.

Die Trommeln sind so eingerichtet, daß ein Filmbrand nicht um sich greifen kann und die Entwicklung giftiger Verbrennungsgase unmöglich ist.

Viele Vorführungsmaschinen haben überdies besondere Einrichtungen zur Kühlung des Filmes. Um längere Pausen zu vermeiden benützen die meisten Kinos schon zwei Apparate; während der eine läuft, wird in den andern der folgende Film-Akt eingelegt und kann sofort an den vorhergehenden anschließen. Gewisse Farbfilm- und Tonfilmsysteme erfordern Spezialvorführungsgerate, die oft recht kompliziert und kostspielig sind.
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Zeitlupe und Zeitraffer - geschütze Begriffe

Viele Gebiete des Filmwesens, namentlich der wissenschaftliche Film und gewisse Trickaufnahmen, erfordern eine Zeitdehnung oder Zeitzusammenziehung, um bestimmte Bewegungsvorgänge anschaulich wiedergeben zu können. In manchen Fällen reichen wohl die gebräuchlichen Geräte aus, wo nicht, mußten besondere Einrichtungen konstruiert werden.

Um Einzelheiten von Bewegungen mit großer Eigengeschwindigkeit festhalten zu können (Vogelflug, Abstürze, Sprünge, elektrische Entladungen, Geschosse), müssen die einzelnen Aufnahmen mit sehr hoher Schnelligkeit einander folgen, damit sie bei der Wiedergabe mit der üblichen Geschwindigkeit genau mit dem Auge verfolgt werden können.

Aufnahmen mit 320 Bildern in der Sekunde (anstelle von 24 Bildern), in derselben Zeit mit 16 maligem Bildwechsel wiedergegeben, verlangsamen eine Bewegung um das Zwanzigfache.

Dieses Gebiet der Filmtechnik wird Hochfrequenz- Kinematographie und der diesen Aufnahmen dienende Apparat nach einer von den Ernemannwerken geschützten Bezeichnung "Zeitlupe" genannt.
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Wie machen sie das ?

Die normalen Greifergeräte lassen durch die mechanisch bedingte Fortbewegung des Filmbandes nur eine begrenzte Höchstgeschwindigkeit zu. Mehr als 180 Bilder in der Sekunde lassen sich kaum reibungslos mit solchen Apparaten herstellen.

Erst eine kontinuierliche Weiterbeförderung des Filmbandes statt der ruckweisen verbürgt eine Steigerung der Geschwindigkeit im Bildwechsel. Hierbei ergibt sich die Notwendigkeit, daß das vom Objektiv auf den Film geworfene Bild der Bewegung des Zelluloidstreifens mit der gleichen Geschwindigkeit folge. Dies wird durch Maßnahmen bewerkstelligt, die man optischen Ausgleich nennt.

Auf eine Trommel ist ein System von Spiegeln angebracht, die ein von außen kommendes Bild reflektieren und durch ein Objektiv aufs Filmband werfen. Die Einrichtung ist nun so getroffen, daß die Bewegung des Filmstreifens und jene der rotierenden Trommel auf einander abgestimmt sind, demgemäß sich irgend ein Punkt des Bildes mit der gleichen Geschwindigkeit bewegt wie das Aufnahmeband.

Es gelang in Deutschland Hochfrequenzapparate herzustellen, die bei Motorenantrieb bis 600 Bilder in der Sekunde lieferten.

Allerdings besitzen die Zeitlupengeräte gegenüber den Greiferapparaten den Nachteil unhandlicher Größe und erheblichen Gewichtes. In jüngster Zeit wurden Geräte konstruiert, die eine ganz erstaunliche Zeitdehnung zulassen. Besonders hohe Leistungen gelangen mit dem Funkenkinematograph, einer Vorrichtung, bei der die Aufnahmen im Lichte elektrischer Funken gemacht werden.

Man hat da Belichtungszeiten von einer zehnmillionstel Sekunde erreicht, einem Zeitbruchteil, der kaum mehr vorstellbar ist. Dadurch vermag man fliegende Geschosse photographisch festzuhalten und die Zeitdehnung so weit zu treiben, daß Vorgänge von Sekunden bei der Vorführung Stunden brauchen.
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Vorgänge von sehr langsamem Verlauf

Umgekehrt können Vorgänge von sehr langsamem Verlauf (aufblühende Blumen, Wachsen von Kristallen usw.) übersichtlich erfaßt und im Bilde beschleunigt wiedergegeben werden. Für manche dieser Aufnahmen sind zwar die gebräuchlichen Normalapparate verwendbar, die meist auch eine Antriebsvorrichtung für 1-2 Bilder (statt 16-18) in der Sekunde haben.

Da sich jedoch die Zeit zwischen einzelnen Aufnahmen auf Tage und Wochen ja sogar Monate erstrecken kann, wäre die Bedienung der Handgeräte viel zu umständlich und zeitraubend. In solchen Fällen finden Apparate Anwendung, die mit einem automatisch schaltenden Uhrwerk versehen sind, an dem die gewünschte Belichtungsperiode eingestellt werden kann. Diese Einrichtungen, Zeitraffer genannt, finden wie die Zeitlupe hauptsächlich beim Kulturfilm ausgedehnteste Benützung.

Das Hallsche und das Schüfftansche Verfahren

Innerhalb der kinematographischen Aufnahmetechnik hat sich das Gebiet des photographischen „Tricks" in all seiner Mannigfaltigkeit fast zu einer selbständigen Kunst entwickelt.

Unter Filmtrick wird im allgemeinen ein Effekt, eine Illusion verstanden, die durch den einfachen Aufnahmevorgang nicht zu erreichen sind, sondern durch technische Kniffe eine Wirklichkeit herstellen, die niemals vorhanden oder bloß mit Hilfe der Einbildungskraft vorstellbar ist.

Zur Erreichung gewisser Tricks dienen zwei Verfahren, die in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen und wegen ihrer zeitsparenden Eigenschaften in die Filmtechnik Eingang fanden, außerdem aber die verblüffendsten illusionistischen Wirkungen hervorbringen lassen.
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Neu : Die Rückprojektion fester Hintergründe

Die Forderung des Publikums nach dekorativem Aufwand verschlang ungeheure Summen. Die allmählich immer deutlicher werdende Krise (namentlich im amerikanischen Filmgeschäft) machte Sparmaßnahmen notwendig. Und wie Erfindungen stets einem akuten Bedürfnis des Gesamtlebens entsprangen, so kam auch hier bald der rettende Zauberer.

Der Amerikaner Hall malte die Dekorationen auf Glas und sparte jene Teile aus, wo das Spiel der lebenden Darsteller stattfinden sollte. Die bemalte Glasplatte wurde nun in der entsprechenden Entfernung zwischen Objektiv und wirkliche Szene gebracht - und nach der Aufnahme entstand auf dem Filmband in täuschendem Größen Verhältnis die gewünschte Dekoration.

Dieses Verfahren barg aber manche Nachteile in sich, wodurch es sich nicht recht durchzusetzen vermochte. Es kam nämlich oft vor, daß die Darsteller von dem bemalten Teil gedeckt wurden und infolgedessen unbeabsichtigt teilweise oder ganz verschwanden.
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Das Patent des Malers Eugen Schüfftan

Weit günstiger und vielseitiger verwendbar erwies sich das Patent des Malers Eugen Schüfftan, das nach seinem Erfinder benannt ist. Diese deutsche Meisterleistung erfreut sich nicht bloß im Mutterland ausgedehntester Verwendung, sondern hat sich auch das sonst auf dem Gebiet der technischen Kinematographie an der Spitze marschierende Amerika erobert.

Schüfftan ging von dem richtigen Gedanken aus, daß zur Erreichung einer photographischen Illusion die Umwelt der Schauspieler nicht mit menschlichen Augen, sondern durch die Kameralinse gesehen werden müsse. Im Grunde ist das ganze Geheimnis seiner Erfindung die Anwendung von Spiegelwirkungen, die kombiniert mit wirklichen Dingen, Menschen oder Bauten dann die gewünschte Erscheinung auf dem Filmband hervorbringen.

Das Prinzip des Schüfftanschen Verfahrens wird aus einem Beispiel sofort verständlich.

In „Metropolis" ergab das Riesenstadion der Millionärssöhne einen mächtigen Eindruck. In Wirklichkeit wurde nur eine Mauer über Manneshöhe gebaut, während der gigantische obere Mauerteil mit den gewaltigen Säulen und Statuen, wie auch der anschließende Rotundenbau mit der riesigen Kuppel bloß als Modell angefertigt und nach dem Schüfftanschen Patent in den Apparat eingespiegelt wurden.

Die Statuen, die scheinbar dreifach über das Maß eines Normalmenschen hinausgingen, waren als Modellfigur tatsächlich nur 30cm hoch. Die Einspiegelung geschieht folgendermaßen: Zwischen Kamera und dem wirklichen Teilbau der Mauer wird auf einem Spezialstativ vor der Linse eine versilberte Spiegelfläche mit Oberbelag gebracht. Nun wird von dem Spiegelbelag so viel weggekratzt, daß der Blick durch die Linse genau nur den wirklichen Bau sieht. Das Modell (in manchen Fällen ein Bild oder Diapositiv), das den Bau zur Gesamtansicht ergänzen soll, wird seitlich des Apparates in entsprechendem Winkel zum Spiegel so aufgestellt, daß das reflektierte Bild haargenau auf den Wirklichkeitsbau paßt.
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Es gab natürlich wichtige Bedingungen - mit dem Licht

Wichtigste Bedingung bei diesen Aufnahmen ist überaus präzises Arbeiten und die jeweils richtige Beleuchtung von Modell und Wirklichkeitsbau. Die der Photographie eigentümliche Variabilität der Schärfenverhältnisse fordert eine Behebung der optischen Differenz zwischen den Entfernungen von gespiegeltem Modell und Spielfeld.

Dies geschieht durch Einschaltung einer Linse zwischen Spiegel und Modell, damit der auf „Unendlich" eingestellte Realbau und das auf 1-2m visierte Modell oder Photo gleich scharf auf dem Filmband erscheinen. Um die Übergänge von Modell zu Wirklichkeitsbau zu verschleiern, treten häufig ausgezackte oder ungleichmäßige Spiegelbeläge, wie auch mehrere zueinander angeordnete Spiegel in Anwendung.

Mittels des Schüfftanschen Verfahrens vermag man aber sogar Menschenmassen vorzutäuschen. Um ein Theater, eine Arena mit der Zuschauermenge zu füllen, werden die vorderen Sitze mit lebenden
Darstellern besetzt, die hinteren Reihen samt Logen und Galerien mit Hilfe von Photos oder ausgeschnittenen Papierfiguren eingespiegelt.

Aber auch die verblüffendsten kinematographischen Scherze und Taschenspielereien können mit dem Schüfftanpatent ausgeführt werden. So ist es möglich, Gulliver unter die Liliputaner treten oder diese auf seinem Körper herumkrabbeln zu lassen. Bei den Riesen vermag er über die Tasten des Klaviers zu laufen oder im Waschbecken des Riesenfräuleins das Boot zu steuern.

Das Gebiet für derlei ergötzliche Bilder ist unerschöpflich und kann von jedem Regisseur, Kameramann oder Filmdichter mit Phantasie und Ideenreichtum ständig erweitert werden. Nur sehr allmählich, aber unaufhaltsam bürgert sich das Schüfftan-Verfahren, das durch 28 internationale Patente geschützt ist, ein, um die kostspieligen Filmbauten zu ersetzen. Deutschland hat im abgelaufenen Jahr in ungefähr 50 Filmen Schüfftan-Aufnahmen verwendet, Amerika in 20; aber auch England und Frankreich haben sich die Vorteile dieser großartigen Errungenschaft zunutze gemacht.
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Drei Probleme: der plastische, der farbige und der tönende Film

Trotz ungeahnter Fortschritte auf den verschiedensten Feldern der kinematographischen Technik ist es nicht gelungen drei Probleme, die die Gehirne der Erfinder schon seit langem beschäftigen, restlos befriedigend zu lösen :

  1. den stereoskopischen
  2. den farbigen und
  3. den tönenden Film.


Die geringtsen Erfolge hat bis heute die stereoskopische Filmwiedergabe zu verzeichnen. Hier müssen nämlich Teilbilder entweder nacheinander oder gleichzeitig projiziert werden, die dann das plastische Sammelbild ergeben sollen. Dieses wird aber nur dann stereoskopisch empfunden, wenn jedem Zuschauerauge nur das jeweils zugehörige Teilbild sichtbar gemacht wird. Um das zu erreichen, muß eine eigene Vorrichtung bei der Projektion getroffen werden.

Aber die verschiedensten Verfahren, ob das mit rot-grünen Brillen, ob das mit Prismen- oder doppelten Perlenwänden, wurden alsbald wieder fallen gelassen. Zwar kamen aus Amerika Meldungen, die davon sprachen, daß das New Yorker „Roxy"-Theater auch mit einer Einrichtung zur Vorführung von stereoskopischen Filmen nach dem Spoorsehen System versehen werden soll.

Eine andere Fachzeitschrift berichtet wieder, daß das Problem des dreidimensionalen (also plastischen) Films im „Roxy" bereits gelöst wurde. Dem Erfinder Ludwig A. Wilczek sollte dies mittels einer eigenartigen, in Deutschland hergestellten Glasperlenwand gelungen sein.

Wie bekannt, ist die Verwendung von Perlenschirmen nichts Neues, wenn auch hier vielleicht eine besondere Herrichtung der Wand zugrunde liegen mag. Letzten Endes hat sich der stereoskopische Film bis heute nicht allgemein durchzusetzen vermocht. Doch sind viele tüchtige Köpfe an der Arbeit, seine endgültige Lösung zu finden.
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