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Die Welt des Films - Herbst 1927 - aus Sicht eines Engländers:

In diesem Buch aus London wird die internationale Entwicklung des Kino-Films bis zu den Anfängen des Ton-Films - diesmal nicht (nur) aus deutscher Sicht - vorgetragen. In einem weiteren Buch vom April 1927 von Denes von Mihaly (aus Berlin) wird eine ganz andere Sicht auf den Ton-Film verbreitet, die aber so nicht mehr stimmt. Nach dem März 1933 wurde dann die Geschichte des Ton-Films ebenfalls heftigst "verbogen", also nationalsozialistisch eingedeutscht. Darum sind die Ausführungen dieses Engländers Fawcett sehr hlfreich. Zwei deutsche Übersetzer hatten aber einiges "hinzugefügt". Die Einleitung beginnt hier.

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Kapitel X - Europa

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1927/1928 - Der Koalitionskrieg gegen Hollywood

Die Lektüre der bisherigen Kapitel dürfte dem Leser das auf der ganzen europäischen Produktion lastende Überwiegen des amerikanischen Filmes zur Genüge vor Augen geführt haben, und man kann alle Maßnahmen zur Beschränkung der Filmeinfuhr als einen Koalitionskrieg gegen Hollywood bezeichnen.

Auch in politischer Beziehung besteht wegen des wachsenden amerikanischen Einflusses eine gewisse Verdrossenheit; denn durch die sichere Werbearbeit des Filmes werden oft Ideen verbreitet, die für den europäischen Kinobesucher schwer verdaulich sind.

Die mißlichen Umstände, unter denen die Produktion der verschiedenen europäischen Länder während und nach dem (ersten) Weltkriege zu leiden hatte, und die für das Überhandnehmen der amerikanischen Erzeugnisse maßgebend waren, sind in anderen Kapiteln eingehend erörtert worden.
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Deutschland und Japan gegen Amerika

Deutschland Deutschland ist - mit Ausnahme von Japan - das einzige Land der Welt, dem es gelungen ist, sich der amerikanischen Masseneinfuhr erfolgreich zu widersetzen, denn rund 50% aller in Deutschland gezeigten Filme sind heimischer Herkunft.

Im Jahre 1927 wurden von 95 Regisseuren 197 Filme gedreht; zur Zensur gelangten etwas über 500 Spielfilme, darunter 232 deutscher Provenienz, was einen genauen Prozentsatz von 46% ergibt. Diesen Erfolg verdankt die deutsche Industrie weniger einem gesunden Aufbau des Geschäftes und straffer Organisation, die bisher beim deutschen Filmproblem versagt hat, sondern neben der Tüchtigkeit seiner Regisseure (von denen freilich die besten immer wieder nach Kalifornien abwandern) auch besonderen Maßnahmen der deutschen Regierung.

Deutschland versuchte nämlich, seinem Filmproblem mit Hilfe der Politik beizukommen, ein riskanter Vorgang, der jedoch im vorliegenden Falle ganz gute Früchte zeigte. Es muß hier daran erinnert werden, daß die europäische Filmerzeugung von vornherein im Nachteil war, nicht so sehr, weil die meisten Länder fünf Jahre lang Krieg führten, als deshalb, weil sie nach dem Kriege gänzlich verarmt dastanden, während ihr großer Rivale Amerika sich ungeheuer bereichert hatte.

Geldmangel erweist sich aber bei der Filmproduktion als fürchterliches Hindernis, und es war nur zu natürlich, daß in den meisten Ländern, deren Nationalstolz sich durch die amerikanische Monopolstellung gedemütigt fühlte, die Regierungen um Hilfe angegangen wurden.
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Das Trauma der Versailler Verträge belastete die Deutschen sehr

Nirgends entsprach die Regierung eines Landes diesem Verlangen bereitwilliger als in Deutschland, hier hatte man den Wert einer internationalen Reklame sofort erkannt. Die bedeutendste Filmgesellschaft war die Universum Film A.G. (Ufa). Aus einer Fusion mit der „Union", der „Meßter" und einiger kleinerer Firmen aus dem Verband der „Nordisk" hervorgegangen, vereinigte sie sich 1921 auch mit der von Erich Pommer gegründeten „Decla" und umfaßt heute etwa 25% der Gesamtkapazität des Deutschen Reiches; wenn man Kosten und Wert des Produktes ins Auge faßt, aber reichlich 70% aller deutschen Filmerzeugnisse.

Vor allem sollte also die Ufa für die deutsche Produktion erhalten bleiben und die Regierung "bewog" (Nachtrag : unter anderen Banken) die Deutsche Bank, ihr mit vielen Millionen Mark "beizuspringen".

Da sich dies als unzulänglich erwies, schritt man zu künstlicher Atmung, um zu verhindern, daß die deutsche Produktion von der amerikanischen Konkurrenz hinweggefegt werde. Wurden nicht genügend deutsche Filme erzeugt und verkauft, so mußte man eben belebende Mittel zu deren Vermehrung anwenden.
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Die Kontingentierung des Filmverleihs in Deutschland

Die deutsche Regierung beschloß die Kontingentierung, ein Gesetz, das alle deutschen Verleihanstalten zwingt, für jeden zur Aufführung gelangenden ausländischen, abendfüllenden Spielfilm einen solchen in Deutschland erzeugten anzukaufen.

Dadurch soll die Erzeugung zahlreicher heimischer Filme erzwungen werden, denn der amerikanische Verleiher war nunmehr, ebenso wie der deutsche, bemüßigt, deutsche Erzeugnisse anzukaufen, weil er sonst für seine eigenen Filme kein Verkaufsrecht (Anmerkung : besser Abspielrecht) erlangen konnte.

In den Filmateliers begann nun allerdings eine emsige Tätigkeit, und solange das Gesetz noch in Kraft ist, werden jährlich in Deutschland etwa 200 Spielfilme gedreht, während beispielsweise in England die jährliche Produktion bisher nur 30 bis 40 betrug.

Da jedoch das Gesetz die Kinobesitzer keineswegs zwingt, die Kontingentfilme auch wirklich vorzuführen, so besteht die Gefahr, daß minderwertige Ware erzeugt wird, nur um dem Buchstaben des Gesetzes zu entsprechen.

Die Kontingentfilme sind oft reine Lückenbüßer, deren Ankauf von den Verleihern auf Geschäftskosten (also auf Verlust) gebucht wird und an deren Vorführung man gar nicht denkt. Die sogenannten Kontingentscheine werden dann in den Filmkaffees mit börsenmäßiger Usance gehandelt. Das Kontingent liefert also keineswegs eine ideale Lösung des Filmproblems; immerhin war es für die beteiligten Industrien von Nutzen.
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Natürlich ging es auch ums Geld

In Deutschland wird auch oft im Gegensatze zu England ein zweitklassiger heimischer Film einem zweitklassigen amerikanischen vorgezogen. Es genügt, halbwegs brauchbare Bilder herzustellen, um daran schon ganz schön verdienen zu können.

Auch die Sprache bietet in Deutschland für den Amerikaner Schwierigkeiten, denn jedes Wort muß ins Deutsche übersetzt werden; schließlich ist das deutsche Gefühlsleben dem amerikanischen im allgemeinen weniger Wesens verwandt als etwa das englische.
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Die Ufa besitzt 1927 bereits über 300 Filmtheater

Die Ufa selbst war überdies auch besser als alle anderen deutschen Produktionsgesellschaften dafür gerüstet, der amerikanischen Konkurrenz zu begegnen, denn sie besitzt in verschiedenen Teilen des Reiches 300 Lichtspieltheater und konnte daher die von ihr jährlich produzierten 30 bis 40 Filme ebenso mühelos unterbringen, wie die von anderen deutschen Gesellschaften erzeugten. In Berlin allein gehören der Ufa 40 Kinotheater, darunter der Ufapalast am Zoo mit 2.200 Sitzplätzen, das in 1927 größte Lichtspieltheater des Reiches.
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Das Problem bei der UFA lag anders .....

Wenn die Ufa trotz alledem nicht imstande ist, aus dem Geschäft die Spesen herauszuholen, also einen Gewinn zu erzielen, so muß die Ursache hierfür in einer mangelhaften Organisation gesucht werden; denn es bleibt unerklärlich, warum diese Gesellschaft mit der sicheren Garantie in der Tasche, daß die Hälfte aller deutschen Kinoprogramme heimischen Ursprungs sein muß, nicht prosperieren sollte.

Ihre finanzielle Situation war Anfang 1926 so unhaltbar geworden, daß sie sich gezwungen sah, von der Paramount und der Loew Incorporated (Metro-Goldwyn) auf das enorme Ufa-Hauptquartier am Potsdamer Platz eine Hypothek von 16 Millionen Mark mit 7 1/2% aufzunehmen.

Der Parufamet-Vertrag

Als Gegenleistung erzwangen sich die Amerikaner den sogenannten Parufamet-Vertrag. Die gemeinsam von den genannten amerikanischen Firmen und der Ufa gegründete Verleihanstalt Parufamet übernahm hiernach 50 amerikanische Filme im Jahr, um sie in Deutschland vorzuführen.

Die Ufa mußte sich sogar verpflichten, in ihren 300 gepachteten oder eigenen Theatern diese 50 amerikanischen Filme während einer ganzen Hälfte der Spielzeit zu zeigen. Die Amerikaner erhielten durch diesen Vertrag das Recht, sich aus der Ufa-Produktion 20 der besten Filme (Anmerkung : exklusiv für Amerika) auszuwählen, um sie nur in Amerika spielen zu lassen.

Dies hatte zur Folge, daß für die eigene Verleihorganisation der Ufa, die Ufa-Leih, in letzter Zeit hochwertige Filme überhaupt nicht verfügbar waren, da ja das Beste von der Parufamet für sich beansprucht wurde. Ähnliche Abmachungen tätigten übrigens auch andere deutsche Produktionsfirmen mit amerikanischen Erzeugern, doch blieb dabei wenigstens die Verleihorganisation in deutschen Händen, so daß die Spielpläne dadurch keine Schädigungen erlitten.
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UFA-Generaldirektor Klitzsch erklärt im Februar 1928

Über die Neuordnung dieser Verträge gab Generaldirektor Klitzsch bei der Generalversammlung der Ufa im Februar 1928 folgende Aufklärungen:

  • „Der ungünstige Universalvertrag, der die Abnahme von 50 amerikanischen Filmen gegen eine feste aber zu hohe Garantie vorsah, konnte nach Übernahme von 15 Filmen aufgelöst werden. Die Verträge mit Famous-Lasky und Metro-Goldwyn haben sich in ihrer ursprünglichen Gestalt als unzweckmäßig erwiesen. Die von uns vorgetragenen Abänderungswünsche stießen bei den erwähnten Firmen auf Verständnis.

    Angesichts des Interesses, das die Filmöffentlichkeit gerade diesen Verträgen entgegenbringt, möchten wir über die wichtigsten Punkte der am 11. Februar d. J. endgültig ratifizierten Verträge, denen im August vorigen Jahres eingehende Verhandlungen in New York vorangingen, folgendes mitteilen:

    Die Verträge wurden um vier Jahre verkürzt. Sie finden am 31. August 1932 ihr Ende. Der Parufametverleih hatte das Recht, aus der Produktion der Ufa 20 der besten Bilder auszuwählen. Da nun auch die Filmbedürfnisse von Ufaleih zu befriedigen waren, so wäre die Ufa gezwungen gewesen, eine Produktion von etwa 40 Filmen mit dem damit verknüpften Risiko aufrechtzuerhalten, die materiell gar nicht zu ermöglichen ist. Deshalb wurde mit unseren amerikanischen Freunden vereinbart, daß Parufamet, an der die Ufa mit 50% auch in Zukunft beteiligt bleibt, künftig nur amerikanische Filme, sowie eine Anzahl Ufa-Kulturfilme verleiht.

    Die eigenen Filme und die Wochenschauen der Ufa und Deulig werden künftig nur durch Ufaleih vertrieben, der sich im übrigen auf den Verleih der europäischen Spitzenproduktion beschränkt. Das Ergebnis dieser Abmachung ist, daß Ufaleih wieder die alte Stellung einnehmen kann und daß es möglich ist, das Produktionsprogramm und damit die Kapitalaufwendung erheblich zu verringern.

    Die Verpflichtung gegenüber Paramount und Metro, 50% der gesamten Spielwochen der Ufa-Theater mit den durch Parufamet gelieferten Filmen dieser beiden Firmen zu belegen, ist auf etwa 33 1/3% herabgesetzt worden, mit der Maßgabe, daß ein bestimmtes Auswahlsystem den Ufa-Theatern die zugkräftigsten Filme der beiden Gesellschaften sichert und so einen rationellen Theaterbetrieb ermöglicht.

    Bezüglich der Wochenschauen verzichteten Paramount und Metro darauf, für Deutschland eigene Wochenschauen herauszubringen. Gleichzeitig verpflichtete sich die Ufa zur Abnahme des aktuellen Wochenschaumaterials der vorerwähnten Firmen zum Zwecke der Verwendung in ihren Wochenschauen. Weiter übernahmen unsere amerikanischen Freunde die Verpflichtung, während der nächsten Jahre in Deutschland weder direkt noch indirekt Theater zu erwerben oder eine eigene Produktion aufzuziehen. Endlich wurden für die Abnahme unserer Filme in Amerika mit den erwähnten Firmen neue Vereinbarungen getroffen, die erwarten lassen, daß die Zahl der in Amerika zum Verleih kommenden Ufa-Filme in Zukunft größer sein wird als in der Vergangenheit.

    So erscheinen die Grundlagen für eine geschäftliche Entwicklung unserer Gesellschaft geschaffen. Wir verhehlen uns indessen nicht, daß bis zum Erfolg, bis zu einer wirklichen Gesundung der deutschen Filmindustrie, noch viele und sorgsame Arbeit erforderlich ist."


Soweit Herr Generaldirektor Klitzsch in der heurigen Generalversammlung.
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Die Deutsche Bank mißbrauchte den Kredit der UFA

Damals erwies sich jedoch das unter so drückenden Bedingungen aufgebrachte viele Geld für die Ufa als ziemlich wertlos, denn die Deutsche Bank stürzte sich darauf, verwendete es zur Tilgung ihrer eigenen Forderungen, und obgleich nun der Ufa für weitere Expansion keine Mittel zur Verfügung standen, mußte sie wohl oder übel mit der Erzeugung fortfahren, um ihre eigenen Theater zu beliefern und die Kontingentverpflichtungen zu erfüllen.

Ein riesiges neues Atelier, 1927 das größte der Welt, wurde in Neubabelsberg errichtet, wo man die Produktion in großem Stile fortsetzte. Verschwendung, Unfähigkeit zur Zusammenfassung der Geldmittel oder zur Einhaltung der festgesetzten Zeiteinteilung sowie Unvermögen, den Publikumsgeschmack zu treffen, führten von einem Mißerfolg zum anderen.

Für die Erzeugung von „Metropolis" war ein Jahr angesetzt worden und man brauchte zwei, um fertig zu werden. „Das letzte Lachen", ein so überaus prächtiges Stück Filmkunst, gefiel den Kinobesitzern nicht. Nichts geschah, um regelmäßig Filme herauszubringen, die sich gut verkaufen ließen.
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Die Ufa verausgabte ungeheure Summen

Doch gelang es ihr nicht mehr, sich von der deutschen Regierung, sei es durch Subventionen, sei es durch Anleihen neue Geldmittel zu beschaffen. Schulden wurden angehäuft und anfangs 1927 hatte die Situation abermals einen kritischen Punkt erreicht.

Das Große Hauptquartier, in welchem das riesige Cafe Vaterland (vor dem Kriege hieß es Piccadilly), ein Kinotheater und ausgedehnte Kanzleiräume untergebracht waren, wurde im März um 20 Millionen Mark verkauft und die Ufa übersiedelte nach der Kochstraße in eine anspruchslosere Umgebung. Überraschend daran ist, daß man sich nicht schon früher dazu entschlossen hatte.

Immerhin brachte diese Maßnahme den Erfolg, daß Adolf Zukor von der Paramount nach Berlin kam und daß die Ufa nunmehr bessere Bedingungen für den Absatz ihrer Filme in Amerika durchsetzen konnte. Durch den Verkauf der Immobilie wurde wohl die Schuld von 16 Millionen getilgt, aber für Investitionen blieb wenig Geld verfügbar - der alte Jammer!
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Alfred Hugenberg kommt ins Spiel

Die neue Finanzgruppe, die es unternommen hat, die Ufa wieder auf ihre Füße zu stellen, wird von Herrn Hugenberg, dem Berliner Zeitungskönig, vertreten und man will wissen, daß sein Auftreten den künftigen Ufa Filmen einen monarchistischen Einschlag verleihen wird.

Vor allem dürfte jedoch das Geschäft in Frage kommen und man hofft, daß Hugenberg und sein Statthalter, Herr Generaldirektor Klitzsch,zunächst straffere Geschäftsmethoden in der Führung der Gesellschaft zur Geltung bringen werden.

  • Anmerkung : Wir sind immer noch im Jahr 1927 - also 2 Jahre vor dem weltweiten Börsen-Crash, dem schwarzen Freitag 1929.


Es wäre jammerschade, wenn die deutschen Ateliers, von denen auch die Amerikaner, wie sie selbst zugeben müssen, die wertvollsten Anregungen empfangen haben, aus politischen Gründen in ihrer Produktion erlahmen würden.

Der technische Aufbau von „Variete" z. B. bedeutete für Amerika eine Offenbarung und das Stück lief im Rialto Theater am Broadway zwei Monate lang.

Auch der außerordentliche Erfolg von „Walzertraum" rief in New York Überraschung hervor; der Film wurde 14 Tage lang im Kapitol vorgeführt und brachte am letzten Tag allein 13.000 Dollar ein.

Das Publikum schwärmte und war von diesen beiden Filmen berauscht; jedenfalls hatten sie den Beweis erbracht, daß Klima und atmosphärische Bedingungen von Kalifornien keineswegs die unerläßlichen Grundbedingungen für gute Filmwerke sind.
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Die Amerikaner kamen in Zugzwang

Wie die Dinge heute stehen, könnten es sich die Amerikaner gar nicht leisten, die Ufa kaltzustellen, da sie ja sonst gezwungen
wären, viele ihrer Filme selbst in Deutschland zu drehen, um den Kontingentbestimmungen zu entsprechen.

Erich Pommer, seinerzeit Generaldirektor der Ufa, dann bei der Paramount, heute in 1027 wieder für die Ufa verpflichtet, hat einmal die Ansicht ausgesprochen, daß der kritische Moment für die deutsche Filmindustrie eintrat, als die Ufa gezwungen war, von den Amerikanern Geld zu borgen.

Hätte sich die Deutsche Bank damals bewegen lassen, mit ihren Forderungen zuzuwarten, so wäre aus Deutschland im Jahre 1927 ein bedeutendes Filmland geworden. Aber die Kündigung der Kredite gerade in diesem Augenblicke beunruhigte die Geldgeber, nicht allein in Berlin sondern auch in anderen Finanzzentren und die Geldaufbringung wurde seit jener Zeit immer schwieriger.

  • Anmerkung : Noch im Jahr 2020 gibt es den allseits bekannten Spruch : Die Banken verteilen bei Sonnenschein im Sommer jede Menge Regeschirme und wenn es dann doch mal regnet, wollen sie Ihre Schirme sofort zurück haben. Der Mann hieß übrigens Jürgen Schneider, der bekannte Baulöwe und Pleitier aus Frankfurt.

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Waren es wirklich Pommers Mißerfolge ?

Übrigens heißt es 1927 wieder in Deutschland, die Mißerfolge Pommers seien darauf zurückzuführen, daß er alles selbst besorgen wollte. Ursprünglich an die Spitze der Verwaltung gestellt, maßte er sich bald auch die Beaufsichtigung der Filmerzeugung an und entwarf sogar persönlich die führenden Filme.

Zweifellos versteht er mehr vom Filmgeschäft als jeder andere Mensch; hat er doch schon als Knabe bei Leon Gaumont in Paris angefangen und im Laufe der Jahrzehnte unbegrenzte Erfahrungen gesammelt. Er gehört also gewiß nicht zu jenen, die zum Filmgeschäft gegangen sind, weil sie nichts anderes anzufangen wußten.

Pommer befürwortet einen möglichst regen Austausch von Ideen und Menschen innerhalb der Filmbranche. Seiner Ansicht nach wird der Aufschwung des europäischen Filmgeschäfts durch die gegenseitige hermetische Absperrung der Nationen lahmgelegt. Einer Art paneuropäischen Filmkonzerns wird gegenwärtig in Berlin überhaupt viel das Wort geredet.

Man fühlt dort - mit Recht oder zu Unrecht -, daß eine Zeit kommen mag, da amerikanische Filme in Europa nicht mehr den gleichen Anklang finden könnten wie heute, der Reiz der Neuheit könnte sich auch einmal verbrauchen und für diese Eventualität sollte man gerüstet dastehen. Sicher ist, das es zahllose Sujets gibt, die man in europäischen Ländern gerne sehen würde, während sie in Amerika kein Interesse erwecken und dort kaum je Verbreitung finden werden.
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Zum ersten Male - Die Amerikaner sind peinlich überrascht gewesen

Gegenwärtig geht das Bestreben der europäischen Produktion noch dahin, aus dem großen ergiebigen amerikanischen Markt Gewinn zu ziehen. Kann für einen europäischen Film die Einfuhr nach Amerika erwirkt werden, so darf mit ziemlicher Sicherheit auf großen Verdienst gerechnet werden. Amerika erzeugt aber selbst viel mehr Filme, als es im eigenen Lande vorführen kann.

Kein amerikanischer Verleiher sieht einen europäischen Film auch nur von der Seite an, es müßte sich denn um einen ganz besonderen Schlager handeln, und wie viele gibt es deren auf der Welt ? Weder „Variete" noch „Metropolis" wären ohne das Übereinkommen zwischen Paramount, Metro und Ufa jemals auf den amerikanischen Markt gekommen. Die Amerikaner dürften jedoch über diese Erfolge der deutschen Filmkunst selbst recht peinlich überrascht gewesen sein.
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Das Ziel müsste sein, paneuropäische Filme zu machen

Es würde sich empfehlen, diese Sucht nach Gewinnung des amerikanischen Marktes aufzugeben. Viel klüger wäre es, eine paneuropäische Produktionsallianz zustande zu bringen, nicht so sehr, um der amerikanischen Invasion entgegenzutreten, als vielmehr, um für den europäischen Film in Europa selbst Raum zu schaffen.

Die ganze europäische Produktion würde dabei gewinnen. Es ist zwecklos, immer wieder zu predigen „schafft gute Filme und sie werden den Markt erobern"; denn die Filmindustrie kann nicht auf einige erstklassige Filme aufgebaut werden. Das rentable Filmgeschäft beruht auf der ständigen Erzeugung gangbarer Ware und deren regelmäßigen Verkauf. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien bestehen über 10.000 Kinos und eine gutorganisierte Zusammenarbeit könnte auf diesem Markt allein ein schönes Geschäft aufbauen.
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Gemeinschaftsproduktionen werden die Zukunft sein

Die Gemeinschaftsproduktion mit anderen Ländern findet in Deutschland immer mehr Anklang. Eine große Anzahl der jüngst hergestellten Filme weist schon gemischte Besetzung mit Stars der verschiedensten europäischen Länder auf.

Hierbei wird natürlich auch die kommerzielle Interessengemeinschaft nicht außeracht gelassen; insbesondere französisches und englisches Kapital beteiligt sich gerne und in zunehmendem Maße an der deutschen und österreichischen Filmproduktion, deren vorzügliche Qualität rückhaltlose Anerkennung findet.

So wurde in letzter Zeit ein deutschfranzösisches Gemeinschaftsübereinkommen zwischen der Terra-Film A. G. und der Cineromans, Paris, bekannt; die British International hat eine Produktions- und Organisationsgemeinschaft mit der Südfilm (Emelka) in Deutschland und der Sascha in Wien abgeschlossen.
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Eine gute Regie ist bereits die halbe "Miete"

Der Erfolg eines Filmes beruht aber zum größten Teil auf guter Regie, und in Deutschland gibt es gute Regisseure. In „Variete" z. B. liegt der Handlung ein recht dürftiger Dreieckskonflikt zugrunde, der bei einer Durchschnittsaufmachung geradezu banal wirken würde - allein bei genialer Regie und mit der richtigen Auffassung gedreht, wurde ein prachtvoller Film daraus.

Gründliche Beherrschung der Regie erzeugt eben jenen Sinn für Bildwirkung, jenes Gefühl dafür, was ein Publikum fesselt und bewegt. Wem dieses Gefühl versagt ist, der kann niemals daran denken, mit Erfolg Filme zu drehen und soll es lieber bleiben lassen.
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Zum Juli 1929 vorgeschrieben - die Abschaffung des Kontingents

Nun ist aber in letzter Zeit eine neuerliche Änderung der Situation dadurch eingetreten, daß die Reichsregierung bei den internationalen Wirtschaftsverhandlungen in Genf ein Einfuhrverbot für Filme nicht angemeldet hat, weil ein solcher Vorbehalt mit der grundsätzlichen Forderung Deutschlands nach Beseitigung aller Ein- und Ausfuhrbeschränkungen nicht vereinbar wäre.

Dies hat zur Folge, daß ab 1. Juli 1929 auch der Filmschutz und damit die Kontingentierung in Fortfall kommen werden. Für die Zeit bis dahin ist die Zahl der auszugebenden Kontingentscheine auf 260 fixiert.

Wie sich die deutsche Filmproduktion nach Abschaffung des Kontingents weiterentwickeln soll und wird, ist wohl auch dem Eingeweihtesten ein Rätsel. In Kreisen der Filminteressenten hofft man vielfach auf eine Lockerung der sog. Lustbarkeitssteuer, deren außerordentlich drückenden Bestimmungen (Gesamterträgnis 30 Millionen Mark!) man die Schwierigkeiten der Ufa sowohl als auch die beispiellosen Zusammenbrüche innerhalb der deutschen und österreichischen Filmindustrie während der letzten Jahre zuschreibt.
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Die wirtschaftlichen und kulturellen Erwägungen der FIlmförderung

Während die Regierungen sämtlicher europäischer Staaten, zumal Frankreichs, Englands und Italiens alles aufbieten, um die Inlandproduktion zu entwickeln, in der richtigen Erkenntnis, daß eine heimische Filmindustrie nicht allein aus wirtschaftlichen und kulturellen Erwägungen, sondern auch aus Gründen der Wertgeltung eines Volkes von ungeheurer Wichtigkeit ist, halten die Regierungen und Gemeinden Deutschlands und Österreichs nach wie vor an diesem Steuerobjekt fest.

In der Inflationszeit geboren, verfolgte die Lustbarkeitssteuer bekanntlich den Zweck, jede Art von Luxus steuertechnisch zu erfassen; sie beträgt heute noch in den deutschen Ländern beim Kinogewerbe bis zu 40% des Bruttoerträgnisses!

Daß keine Industrie der Welt, und sei es die bestfundierte, es vertrüge, wenn die öffentliche Hand auf jene Stelle, an der die Ware schließlich abgesetzt wird, greifen und den Löwenanteil für sich beanspruchen würde, ist für jeden logisch Denkenden ohne weiteres klar.
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Amerika wieder mal als Vorbild

In Amerika dem Lande ohne Einkommensteuer (bis zu 5.000 Dollar), ist auch jede Theaterkarte unter 1 Dollar steuerfrei; und da die Eröffnung von Lichtspieltheatern an keinerlei Konzession gebunden ist, entstehen allenthalben neue und hochwertige Kinobetriebe, die es der heimischen Industrie ermöglichen, die Kosten für die Herstellung des Negativs schon im Inlande zu amortisieren.

Ein gesunder Inlandsmarkt ist überhaupt das Rückgrat einer jeden Filmindustrie und zugleich die Voraussetzung für die Herstellung jener kostspieligen monumentalen Filmwerke, die bis in die entlegensten Länder bei den fremden Nationen als Ausdruck der Tüchtigkeit eines Volkes so nachhaltigen Eindruck hinterlassen und gleichzeitig für den Absatz aller übrigen Filme den
Schrittmacher darstellen. Die deutsche Filmausfuhr wird heute auf zirka 20 Millionen Mark geschätzt, jene Amerikas auf 320 Millionen Mark!
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Die bedeutenderen deutschen Produktionsfirmen ....

Von den bedeutenderen deutschen Produktionsfirmen seien noch folgende erwähnt:

  • Afa-Film A. G., zu deren Hauptstars Harry Liedtke und Mady Christians zählen; stellte 1927 neun Filme her, die sich oft in der Wiener Operettenatmosphäre bewegen, wie „Das ist mein Wien, die Stadt der Lieder".
  • Ama-Film Ges. m. b. H., deren bekanntester Film 1927 „Alraune" mit Brigitte Helm war.
  • Defu (Deutsche Filmunion), eine Gründung der First National, Hauptstar Lya Mara.
  • Deulig befaßt sich hauptsächlich mit Produktion von Kurz-und Lehrfilmen, sowie Wochenschauen.
  • Emelka (Münchner Lichtspielkunst A. G.), mit ihrem Hauptsitz in München, muß als das zweitgrößte Filmunternehmen Deutschlands bezeichnet werden; sie ist mit der Südfilm liiert, die jedoch das Verleihgeschäft bevorzugt. Ungemein rührige Produktion. Bekannter Film aus letzter Zeit „Fremdenlegionär".
  • Nationalfilm A. G., Berlin, große Erfolge künstlerischer Filme, u. a. „Katzensteg", „Fridericus Rex".
  • Fox Europa Produktion, wie der Name schon sagt, eine Gründung William Fox; Hauptwerk der letzten Zeit „Berlin, die Symphonie der Großstadt"; beabsichtigt zehn Großfilme im Jahr herzustellen.
  • Greenbaum-Film G. m. b. H., erzeugte 1927 zahlreiche Filme, unter anderen „Wien, du Stadt meiner Träume", mit Liane Haid.
  • Poetic-Film, Hauptstar Elisabeth Bergner; erfolgreichste Filme „Nju", „Liebe", „Donna Juana"; Regisseur Paul Czinner.
  • Terra-Film A. G., rührige Produktion; Haupterfolg „Königin Luise" mit Mady Christians.

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Mein Blick auf die Lage in Deutschland - Babelsberg

In Berlin und Umgebung befindet sich wohl ein Dutzend Ateliers; Neubabelsberg und ein zweites, weniger modernes Atelier, Tempelhof, gehören der Ufa. Ersteres ist eine halbe Stunde Autofahrt von Berlin, im Föhrenwald nahe beim schönen Wannsee, reizend gelegen, wo im Sommer alles badet und dem Segelsport huldigt.

Dort steht die größte Atelierbühne der Welt. Sie wurde erst 1927 vollendet und weist kolossale Dimensionen auf; mit 125 Meter Länge, 60 Meter Breite und 18 Meter Höhe übertrifft sie alles, das in Hollywood zu sehen ist. Das Gebäude ist durch riesige Schiebetüren, die bis zur ganzen Höhe emporsteigen, in drei große Abteilungen geteilt, so daß entweder die ganze Länge ausgenutzt wird oder die Unterabteilungen getrennt für einzelne Aufnahmen verwendet werden können.

Ganz vorzüglich sind die Garderoberäumlichkeiten angeordnet, die sich im ersten Stock über dem Haupteingang in der Mitte des Gebäudes befinden. Jedes einzelne Zimmer ist in einer anderen Farbe gehalten, hat sein eigenes Badezimmer und ist mit Merkurlampen ausgestattet, so daß sich der Darsteller in der gleichen Beleuchtung schminken und herrichten kann, in der er zu ebener Erde auftreten wird.

Für die Errichtung fester Einbauten ist reichlich Raum vorhanden und hierzu kommen die gewaltigen äußeren Bauten, wie z. B. die in „Metropolis" benutzte Kathedrale. Sogar ein kleiner zoologischer Garten befindet sich in Neubabelsberg und natürlich sind auch alle nötigen Kanzleien, Kaufläden, Entwicklungsanlagen und Werkstätten vorhanden.
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Das Atelier in Staaken

Das Atelier in Staaken zeigt fast ebenso gewaltige Ausmaße. Es liegt 20 Minuten Autofahrt von Berlin, ist 260 Meter lang, 30 Meter hoch, war einst eine Zeppelinhalle und eignet sich für Filmaufnahmen vorzüglich. Es steht im Besitz der Filmwerke Staaken und wird auf Wunsch vermietet. Acht verschiedene Gesellschaften haben dort schon gleichzeitig mit vollem Apparat gearbeitet, ohne sich gegenseitig zu behindern; etwa 70 Filme werden dort im Jahre aufgenommen. Die Ateliergesellschaft stellt alles Material für Bauten, Arbeitskräfte, Lampen usw. bei - die Filmgesellschaft braucht nur ihre Darsteller mitzubringen und kann ohne weiteres zu drehen beginnen.
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