Die Welt des Films - Herbst 1927 - aus Sicht eines Engländers:
In diesem Buch aus London wird die internationale Entwicklung des Kino-Films bis zu den Anfängen des Ton-Films - diesmal nicht (nur) aus deutscher Sicht - vorgetragen. In einem weiteren Buch vom April 1927 von Denes von Mihaly (aus Berlin) wird eine ganz andere Sicht auf den Ton-Film verbreitet, die aber so nicht mehr stimmt. Nach dem März 1933 wurde dann die Geschichte des Ton-Films ebenfalls heftigst "verbogen", also nationalsozialistisch eingedeutscht. Darum sind die Ausführungen dieses Engländers Fawcett sehr hlfreich. Zwei deutsche Übersetzer hatten aber einiges "hinzugefügt". Die Einleitung beginnt hier.
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Die Filmindustrie in England (1927)
In Großbritannien war die Filmindustrie von allem Anfang an durch ungünstige klimatische Verhältnisse in ihrer Entwicklung gehindert; Nebel, Feuchtigkeit und Ruß beeinträchtigten nicht allein die Aufnahmen des Films, sondern auch dessen Verarbeitung.
Durch die technischen Fortschritte, besonders in den Beleuchtungsanlagen, sind diese Nachteile wohl teilweise beseitigt worden, doch vermochte man in England die junge Industrie trotz reichlichster zur Verfügung gestellter Geldmittel bisher nicht in befriedigender Weise zu entwickeln.
Anfangs ging noch alles gut. Vor Beginn des (ersten) Weltkrieges, als man eben die ersten Ateliers einzurichten begann, erzeugte Großbritannien, das ja an der Erfindung der Kinematographie, wie wir gesehen haben, namhaften Anteil genommen hatte, noch etwa 75% aller im Lande vorgeführten Filme.
Allein der Filmerzeugung haftete immer etwas Dilettantenhaftes an. Man stümperte so nebenbei als Ergänzung zum Theaterbetrieb in der Filmbranche umher und das Großkapital hielt sich von der Produktion ferne.
- Anmerkung : Betrachten Sie den nächsten Satz - wir schreiben 1927 und der Autor ist ein Engländer.
Auffallend ist, daß die englichen Film- Veteranen, die dem Geschäft seit 1903 angehören, in ihren Reihen keinen einzigen Juden aufweisen.
Und gerade diese Veteranen besorgten die undankbarste Arbeit; sie ergründeten die Bedingungen des heimischen Marktes; dachten aber selbst kaum an die ungeheuren Expansionsmöglichkeiten nach jeden bewohnten Winkel der Welt.
Doch dann kam der Krieg von 1914
Wäre der Krieg nicht im kritischen Moment gekommen, so hätte sich das englische Geschäft wahrscheinlich in seiner nationalen Eigenheit stetig und sicher weiter entwickeln können und dem britischen Film wäre vermutlich ein ebenso ansehnlicher Platz beschieden gewesen wie dem englischen Theater.
Die englischen Filme wären außerhalb der heimischen Inseln wohl ohne Schwierigkeit verkäuflich gewesen, weil sie ungewöhnlich und besonders gewirkt hätten. Nach dem Kriege gestaltete sich die Lage freilich viel ungünstiger, denn für Durchschnittsfilme fand man keinen Absatz und für Qualitätsfilme kein Geld. Auch hatten die Amerikaner inzwischen mit ihren pfiffigen, oberflächlichen Kindereien den englischen Publikumsgeschmack verzogen, zu einer Zeit, da er während des Krieges am leichtesten zu beeinflussen war.
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Hollywood machte es vor : anspruchslose gefällige Kost
Hierin erwies sich der Amerikaner als ungemein schlau: er wußte seine Produktion auf einem gewissen, nicht sehr hohen Niveau zu erhalten, das jedoch dem gedachten Zwecke vollkommen entsprach; er verstand es, dem Publikum eine anspruchslose gefällige Kost vorzusetzen und unter diesen Umständen sank die Frage, ob gute oder schlechte Filme zu drehen seien, zu sekundärer Bedeutung herab.
In Amerika nennt man diesen Trick „Filmgefühl" (Picture-sense), ein vorzüglich gewähltes Wort, um auszudrücken, daß jener, der es besitzt, die Launen und geheimen Wünsche des Publikums erkannt hat und zu erfüllen vermag.
Dies führte zur Entdeckung und Verwertung des marktgängigen Spielfilms und zu seiner überaus mühseligen Massenproduktion, eine Aufgabe, die wesentlich schwieriger zu bewältigen ist, als etwa die Massenherstellung von Automobilen.
In England hat man nie daran gedacht, die Vergnügungsbranche von diesem Gesichtspunkte aus zu betrachten und man hätte sich dort niemals träumen lassen, daß das Theater vom Kino überflügelt würde. Da sich nun Amerika mit aller Wucht des Weltfilmgeschäftes bemächtigte, hatte man in Großbritannien nichts dagegen einzuwenden, insolange nicht London als das dramatische Zentrum der beiden gleichsprachigen Nationen davon berührt wurde.
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Auch in England wollte "man" nur Geld verdienen
Auch jene englischen Geschäftsleute, die sich seit dem Kriege zahlreich am Filmgeschäft beteiligt haben, taten bisher wenig zur Verbreitung der englischen Filmproduktion, da sich ja durch Ankauf und Verleih amerikanischer Filme viel leichter und schneller Geld verdienen ließ.
Nach dem Waffenstillstand setzte wohl die Produktion in bescheidenem Maße wieder ein, doch waren die Erzeuger nicht imstande, dem heimischen Publikumsgeschmack, geschweige denn den Weltmarktbedürfnissen zu entsprechen; man drehte biblische Filme, Sportereignisse und alle möglichen uninteressanten Dinge, erzeugte Filme in die Hunderte, die aber niemand kaufte, da die Amerikaner fortfuhren, mit leichten Spielfilmen den Markt zu beherrschen.
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Furchtbare Verluste waren die Folge.
Es erübrigt sich zu sagen, daß die Amerikaner über ihren Erfolg in England angenehm überrascht waren, und als sie erkannt hatten, daß die britischen Verleiher aus den amerikanischen Filmen ansehnliche Profite zogen, schritten sie daran, ihren Zugriff auf den europäischen Markt noch mehr zu befestigen.
Die Paramount kündigte ihrem Verleiher und etablierte eine eigene Verleihanstalt in Wardour Street; die First National gründete eine englische Tochtergesellschaft (deren Kapital den Betrag von 100 Pfund niemals überstiegen hat) zum Vertrieb ihrer eigenen Filme; Sir William Jury, der Doyen des britischen Geschäftes, ließ sich zum Vertrieb der Metroerzeugnisse mit Marcus Loew in eine Interessengemeinschaft ein, die sich den Namen Jury-Metro-Goldwyn beilegte.
Die Versuchung, durch den Verleih amerikanischer Filme leichter zu Geld zu kommen, war für die meisten englischen Produzenten zu mächtig, und wenn sie auch nicht alle das Filmdrehen aufgaben, begann man es doch als nebensächlich zu betrachten.
In den unzulänglichen Ateliers wurden bloß fallweise kleinere, ausschließlich für den lokalen Bedarf bestimmte Filme hergestellt.
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Die Filme - auf dem europäischen Festland unverkäuflich .....
Der europäische Geschmack lehnte diese Produkte ab, ja selbst in den britischen Dominions waren sie kaum anzubringen.
Die Vorherrschaft Amerikas wurde stillschweigend anerkannt und amerikanische Methoden als unübertrefflich bewundert. Für den wöchentlichen Bedarf der Kinos waren immer weniger britische Filme erhältlich und solche von mittlerer Qualität (Programmfilme, wie sie genannt werden) kamen fast immer teurer zu stehen als die gleichwertige ausländische Ware.
Raffte man sich einmal auf, englische Filme in Schwung zu bringen und sich von dem amerikanischen Druck zu befreien, so geschah dies in unzulänglicher Weise und ohne System. Die britischen Filmleute konnten sich zu keiner geschlossenen Aktion finden und die einzelnen Abteilungen innerhalb der Branche befehdeten sich auf das heftigste.
Die Produzenten konnten mit den Forderungen der Zeit nicht Schritt halten, gute heimische Filme erschienen nur sporadisch auf dem Markt und die Verluste waren grauenhaft.
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...... und die Amerikaner pflegten ihre Dominanz
Die Amerikaner wären Narren gewesen, wenn sie, nach Eroberung des Filmmarktes, nicht alles zu seiner Erhaltung unternommen hätten. Die hierbei angewendeten Methoden sind einfach und probat; die besten Qualitätsfilme („super") werden als Vorspann benutzt, um den Schund an den Mann zu bringen.
Der amerikanische Verleiher spricht zum Kinobesitzer: „Sie wünschen ein Jahresprogramm ? Gut, dann nehmen Sie meinen ganzen Vorrat - ein Film pro Woche -, ich gebe es Ihnen billig. Paßt Ihnen das nicht, dann kann ich Ihnen die drei oder vier Schlager auch nicht ablassen; ich weiß ja, daß Ihnen gerade an diesen gelegen ist."
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Das amerikanische Blocksystem, in den USA bald verboten
Den hier geschilderten Vorgang nennt man Blocksystem; das „Blindbuchen" bedeutet nur noch einen weiteren Schritt in diesem Programm. Der amerikanische Verleiher schließt mit dem Kinobesitzer ab, indem er verspricht, die Filme zeitgerecht wöchentlich zu liefern und dieser schlägt ein, weil er fürchtet, sonst leer auszugehen.
Jeder Kinobesitzer wird die großen Kassafilme wie „Die zehn Gebote" oder „Ben Hur" blind beziehen - aber, um diese zu erhalten, muß er gewöhnlich auch soundsoviel Prozent zweitklassigen Schund ebenso blind mit in den Kauf nehmen.
Ende 1924 hatte die Filmtätigkeit in England nahezu ganz aufgehört; von den 8 größeren Ateliers waren 7 geschlossen, die Amerikaner überschwemmten das Land mit ihren Produkten und gewannen Unsummen (man spricht von einem Film, der in Großbritannien allein 3 Millionen Mark einspielte !) und während des Jahres 1925 waren 95% aller auf den britischen Inseln sowie 100% der in den Dominions gezeigten Filme amerikanischen Ursprungs.
Noch im Jahre 1927 betrug das Verhältnis weit über 80%. Die Leihgebühren, die jährlich von England an Amerika gezahlt werden mußten, werden auf wenigstens 30 Millionen Pfund geschätzt.
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Die Wiedergeburt des englischen Filmes 1926
Die Wiedergeburt des englischen Filmes 1926 ist eine der bemerkenswertesten Ereignisse auf dem Weltfilmmarkt. Ideelle und materielle Gründe wußten hier in kurzer Zeit Wandel zu schaffen.
Das große britische Weltreich konnte nicht hinter kleineren, in jeder Beziehung schwächeren kontinentalen Ländern (wie etwa Österreich) zurückstehen. Die Regierung ließ der aufblühenden heimischen Produktion in weitgehendem Maße ihre Förderung zuteil werden und dieses Interesse genügte, um auf die Produzenten stimulierend zu wirken.
Schon 1926 - ein Jahr vor Einbringung der Quotabill -, wurden 6 neue Filme vorgeführt, erregten Interesse und fanden Abnehmer. Die Quotabill selbst wurde unter dem Eindruck des deutschen Kontingentgesetzes im Sommer 1927 eingebracht.
Verleiher und Kinobesitzer wurden durch sie veranlaßt, einen gewissen Prozentsatz britischer Filme zu vertreiben und zu zeigen, und zwar im steigenden Verhältnis: von 5% im Jahre 1928 bis 25% im Jahre 1940.
Das „Blindbuchen" wurde durch dieses Gesetz untersagt; jeder in England zur Aufführung gelangende Film mußte vor Kontraktabschluß auf der Filmleinwand gezeigt und so zum Kaufe angeboten werden.
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Kooperation / Zusammenarbeit mit den Leuten auf dem Kontinent
Die schon früher fallweise zustande gekommene Zusammenarbeit englischer Filmindustrieller mit kontinentalen Produzenten hat überdies weitere Fortschritte gemacht. Die bedeutendste Produktionsgesellschaft, die British International Pictures Ltd, deren Richtlinien schon aus ihrem Firmentitel hervorgehen, hat bekanntlich mit der Südfilm-A. G. und der Sascha eine Gemeinschaftsproduktion eingerichtet und eingeweihte Kreise wissen von vielfacher Beteiligung englischen Kapitals an der kontinentalen Produktion zu erzählen.
Seit Anfang 1928 geht es los
Vollends seit Anfang 1928 zeigt die englische Filmindustrie, wie „Sunday Express" im Mai 1928 berichtet, eine außerordentliche Aktivität.
- Anmerkung : Das ist der erste Hinweis auf die Aktualität des Buches vom Mai 1928.
Nicht weniger als 40 neue Spielfilme, von denen mehr als die Hälfte außerordentlich gefiel, wurden in den letzten Monaten den Verleihern vorgeführt; weitere 26 sind fertiggestellt, 15 sind in Arbeit und 90 entworfen, davon sollen etwa 60 noch 1928 verkaufsbereit sein.
Dies ergäbe eine Jahresproduktion von rund 140 Filmen, doch bleibt abzuwarten, wie diese Massenerzeugung vom heimischen Publikum aufgenommen wird und ob sie sich ins Ausland verkaufen läßt.
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Jedenfalls ist aber der tote Punkt überwunden
Jedenfalls ist aber der tote Punkt überwunden und gegenwärtig befinden sich 25 Gesellschaften, darunter 11 größere Produktionsverbände, in mehreren vorzüglich eingerichteten Ateliers unter tüchtiger Leitung fieberhaft an der Arbeit.
Die bedeutendste Gesellschaft ist „British International Pictures", Präsident Maxwell, Generalmanager Dent, Produktionsleiter A. Hubrich. Die Firma hatte bis Juni 1928 bereits sechs größere Spielfilme herausgebraucht, darunter „Champagner", unter der Regie Alfred Hitchcocks mit Jean Bradin, Betty Balfour und Ferdinand von Alten; ein Film, der auch auf dem europäischen Kontinent zu sehen sein wird.
Auch der beliebte italienisch-amerikanische Filmhumorist Monty Banks hat dort eben sein neuestes Lustspiel fertiggestellt. Im Verbande der genannten Gesellschaft arbeiten noch „Burlington Films", die unter der Regie Victor Savilles einen großen Film „Tesha" mit Maria Corda fertiggestellt haben.
Besonders rührig zeigt sich auch der britische Gaumont-Verband. Von seinen vier Gesellschaften stellten „Gaumont" 5, „Gainsborough" 3, „Ideal" 3 und „W. and F." 3 Filme her. Gleichfalls in Verbindung mit Gaumont steht „British and Dominion Films", deren bedeutendstes Erzeugnis in diesem Jahre „Dawn", als Nurse Cavell-Film internationales politisches Aufsehen zu erregen vermochte.
Von anderen Gesellschaften sind erwähnenswert: „British In_ structional" (3), „First National-Pathe (4), „Archibald Nettlefold Production" (4), „British Filmcraft" (2), „British Lion", Hauptteilnehmer der bekannte Romancier Edgar Wallace, von dem heuer zwei Filmsujets gedreht wurden. Überdies bestehen noch mehrere kleinere Gesellschaften, die heuer je einen Film produziert haben.
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Auch die großen amerikanischen Produzenten drehen in England
Natürlich sind auch die großen amerikanischen Produzenten emsig bemüht, in England Filme herauszubringen, um den Quotabestimmungen zu entsprechen. So arbeitet „Archibald Nettlefold" für United Artists, „Welsh Pearson" für die Paramount, „British Instructional" für Fox und „First National-Pathe" für First National.
Auch innerhalb der britischen Filmbranche macht sich übrigens immer mehr eine Neigung zur Trustbildung bemerkbar. Die kräftigste Filmkombination in Großbritannien stellt heute die bereits erwähnte Gaumont-Gruppe dar. Ursprünglich eine französische Gründung, wurde die Firma Gaumont von den Brüdern Bromhead reorganisiert und nach Auszahlung der französischen Teilhaber mit einem ansehnlichen Kapital gegründet.
Heute umfaßt die Gaumontgruppe die Tätigkeit von vier Produktionsfirmen, und zwar „Gaumont", „Ideal", „Gainsborough" und „W. and F."; ferner drei Lichtspieltheaterbetriebe: „Gaumont-British", „Denman Trust" und „General Theatres Corporation", die insgesamt etwa 200 Kinotheater (darunter drei der bedeutendsten Westend-Theater) "kontrollieren". Die Gaumont steht übrigens auch mit der Ufa in einer gewissen Interessengemeinschaft.
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Der Beaverbrook-Konzern
An nächster Stelle ist der Beaverbrook-Konzern zu erwähnen. Lord Beaverbrook stammt aus Kanada und ist heute nicht nur allein der Eigentümer des „Daily Express" und des „Sunday Express", sondern beherrscht auch die „Provincial Cinema Theatres Ltd.", eine Gruppe von etwa 100 Lichtspieltheatern. Lord Beaverbrook ist auch Hauptaktionär der großen Verleihfirma „Pathe Freres Cinema", trotz ihres französischen Namens heute ein rein englisches Unternehmen, das mit der Londoner Filiale der amerikanischen Großproduzentin „First National" aufs engste verbunden ist.
In den Kinos der „P.C.T." sind mithin hauptsächlich Filme von Pathe und First National, manchmal auch solche von United Artists zu sehen.
Gaumont und Beaverbrook beherrschen also gemeinsam etwa 10% aller britischen Kinotheater, immerhin ein beachtenswerter Prozentsatz, der den selbständigen Kinobesitzern so bedrohlich erschien, daß sie sich zu einem großen Verband „Cinematograph Exhibitors Association" zusammenschlossen, dem heute 75% aller Lichtspieltheater auf den britischen Inseln angehören.
Der Zweck dieser Vertrustung war, mit den mächtigen amerikanischen Produktionsfirmen zu einem Abkommen zu gelangen und die Preise auf einem möglichst tiefen Niveau zu halten.
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Und beinahe hätten sie selbst Filme produziert
Beinahe wäre es innerhalb dieses Verbandes zur Gründung einer Produktionsgesellschaft gekommen; der an anderer Stelle hervorgehobene Idealzustand, daß nämlich der Theaterbesitzer seine eigenen Filme erzeugen solle, wäre damit erreicht gewesen; allein gegenseitiges Mißtrauen ließ diesen schönen Plan, vorderhand wenigstens, nicht ins Leben treten.
Die British International ist übrigens durch ihren Präsidenten, Mr. John Maxwell, an einer größeren Gruppe schottischer Lichtspieltheater und an der Verleihfirma Wardour-Films interessiert. Da diese erstgenannte Gesellschaft gegenwärtig reichlich Filme erzeugt, dürfte sie sich zur Sicherung des Absatzes für ihre erhöhte Produktion wohl bald auch um andere Lichtspieltheater umsehen.
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Der Amerikaner I. W. Schlesinger
Auch der Amerikaner I. W. Schlesinger, von dem bereits als Beherrscher der südafrikanischen Lichtspieltheater die Rede war, ist nach einem mißglückten Versuch, sich der „British International" zu bemächtigen, bemüht, für sein afrikanisches Absatzgebiet britische Filme sicherzustellen, um für den Fall eines Quotagesetzes in den Dominions gerüstet dazustehen.
Er versucht gegenwärtig, die „Phonofihn", eine ursprünglich für die Erzeugung sprechender Filme gegründete Gesellschaft, in die Höhe zu bringen.
Wie man sieht, hat auch in Großbritannien die Trustbildung Fortschritte gemacht, und es ist vielleicht nur eine Frage der Zeit, wie lange die selbständigen produzenten sowie die selbständigen Kinobesitzer sich der Umklammerung durch die Trusts entziehen können.
In Elstree, eine Stunde von London entfernt, ist ein kleines Hollywood entstanden. Die Britisch International hat hier ihr Produktionszemtrum errichtet und andere Gesellschaften haben sich angeschlossen. Acht Ateliers, nach dem Hangarsystem in ungeheuren Dimensionen angelegt und mit den neuesten Errungenschaften der Filmtechnik ausgerüstet, stehen dort zur Verfügung, so daß gleichzeitig viele Filme gedreht werden können. Durch besondere Vorrichtungen ist es gelungen, die Ateliers das ganze Jahr hindurch nebelfrei zu erhalten. Andere Studios befinden sich in Welwyn Garden City und in Wembley.
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Die Filmindustrie in Österreich (1927)
Unter den Nachfolgestaaten der ehemals mächtigen österreichisch-ungarischen Monarchie vermochte nur das kleine Österreich auf dem Weltfilmmarkt Geltung zu gewinnen. Weniger der Umfang seiner Industrie als vielmehr die ihren Erzeugnissen innewohnenden hohen Qualitäten haben dem bescheidenen Staate diese ansehnliche Stellung errungen.
Die österreichische Filmindustrie ist ungefähr 20 Jahre alt. Den Keim zu ihr pflanzten zwei bescheidene Photographen, ein Herr Kolm, den auch seine Gattin unterstützte, und dessen Gehilfe, der jetzige Regisseur J. Fleck, in den Jahren 1908 und 1909, als sie in ihrem kleinen Photographenatelier, aber hauptsächlich im Freien, Filme von 50 bis 100 Meter Länge zu drehen begannen.
Ihr erstes nennenswertes lebendes Bilddrama trug den Titel „Von Stufe zu Stufe"; der junge Schauspieler Heinz Hanus besorgte die Zusammen-Setzung und Ausführung.
Aus diesen bescheidenen Anfängen entstand 1912 die „Kunstfilm"-Gesellschaft, die bald auf die Erzeugung größerer Spielfilme überging und vorzugsweise heimische Sujets - Dichtungen Ludwig Anzengrubers - verfilmte.
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Alexander (Sascha) Kolowrat
Als der großzügigste Schöpfer und Organisator einer entwicklungsfähigen Filmindustrie in Österreich muß der leider zu früh verstorbene Alexander (Sascha) Kolowrat bezeichnet werden. Einem alten Grafengeschlechte entstammend, warf sich Kolowrat mit wahrem Feuereifer auf alle technischen Neuerungen; hatte ihn zunächst die Automobilbranche angezogen, so widmete er die späteren Jahre seines arbeitsreichen Lebens fast ausschließlich dem Film.
Er brachte als erster den Mut auf, mit größeren Mitteln an die Filmherstellung zu schreiten, gründete die „Sascha"-Gesellschaft und drehte unter anderen auch einen Film mit dem Volksschauspieler Girardi, dessen Künstlertum so der Nachwelt im Bilde erhalten blieb.
Knapp vor Ausbruch des (ersten) Weltkrieges hatte Kolowrat 1914 im Verein mit Meßter die „Sascha-Meßter" gegründet und drehte dann den ersten österreichischen Großfilm „Wien im Kriege"; ein Jahr später wurde mit dem Bau des heute noch in Betrieb befindlichen Sascha-Ateliers in Sievering begonnen, wo dann besonders große Ausstattungsfilme gedreht wurden.
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Es durften nur noch deutsche Filme eingeführt werden
Da sich die junge Industrie als lebensfähig erwies, während des Krieges überdies - mit Ausnahme von Deutschland - keine Filme aus dem Auslande eingeführt werden durften, entstanden bald andere Unternehmungen. Micofilm eröffnete später ihr in einem ehemaligen kaiserlichen Palmenhaus untergebrachtes, vorzüglich eingerichtetes Atelier zu Schönbrunn, und viele andere folgten.
Nach dem Kriege flaute wohl die Produktion etwas ab, allein schon 1919 setzte neuerdings Hochkonjunktur ein, etwa 30 Filmgesellschaften wurden gegründet und eine fieberhafte Tätigkeit setzte ein.
Auf der Hohen Warte entstand das Dreamland-Atelier, ferner das Astoria- und das Mondial-Atelier. Mit großem Kapitalaufwand wurde die Vita Film A. G. gegründet. Ursprünglich aus der „Kunstfilm" hervorgegangen, war diese Gesellschaft von der damals blühenden Depositenbank finanziert worden, die jedoch 1925 einen katastrophalen Zusammenbruch erfuhr.
Auf dem Rosenhügel bei Mauer wurde ein umfangreiches Gelände erworben und 1919 mit dem Bau eines Riesenateliers begonnen, das erst 1923 fertiggestellt werden konnte. In allen Ateliers herrschte emsige Tätigkeit, sämtliche Bühnen waren stets voll besetzt, die gesamte Wiener Schauspielerschaft defilierte vor der Kamera, massenhaft wurden Filme produziert. Bis zu 70 abendfüllende Laufbilder (Stummfilme) wurden damals jährlich gedreht, die Zahl der kurzen Lustspiele, der Landschafts-, Industrie- und Lehrfilme ging in die Hunderte.
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Beispiele österreichischer Stumm-Filme
Von den großen Ausstattungsfilmen der Sascha seien hier erwähnt: „Sodom und Gomorrha", „Prinz und Bettelknabe" (der erste Film, der nach Amerika verkauft wurde), „Der junge Medardus" nach dem Drama von Schnitzler, „Die Sklavenkönigin" und viele andere. Beim letztgenannten Film wurde gleichzeitig mit Cecil de Milles „Zehn Gebote" der Durchzug der Juden durchs Rote Meer in hervorragend technischer, wenn auch in einer von der amerikanischen abweichenden Lösung gedreht.
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Drei katastrophale Ereignisse - die Inflation in Deutschland
Nun traten aber drei Ereignisse ein, die fast mit einem Schlage diese blühende Industrie vernichteten. Im Herbst 1923 nahm die Inflation in Deutschland in so erschreckendem Maße zu, daß die entwertete Papiermark für die in Goldschillingen hergestellten österreichischen Filmprodukte nicht mehr an Zahlungsstatt genommen werden konnte; im Frühjahr 1924 verschlang der Wiener Börsenkrach nahezu alle bestehenden Produktionsgesellschaften und gleichzeitig nahm die Überflutung durch den amerikanischen Film ganz unheimliche Dimensionen an.
1923 waren in Wien noch 35 große Filme erzeugt worden; 1924 sinkt diese Zahl auf 16 und erreicht 1925 ihren tiefsten Stand mit 5 Filmen. Obwohl der Jahresbedarf der österreichischen Kinotheater 350 abendfüllende Spielfilme kaum übersteigt, wurden in diesen Katastrophenjahren über 2000 Filme frei eingeführt, alles drohte durch die transatlantische Flut ertränkt zu werden.
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Ein Kontingentierungsgesetz musste her
Da ergriffen die im Wiener „Filmbund" geeinigten künstlerischen und kunsttechnischen Mitarbeiter der Filmproduktion Österreichs die Initiative, um die vollständig brachliegende Industrie neu zu beleben. Der Anregung ihres Präsidenten Heinz Hanus folgend, trachteten sie bei der Regierung nach dem Vorbild Deutschlands ein Kontingentierungsgesetz zu erwirken.
Nach vielen Kämpfen und Überwindung zahlloser Schwierigkeiten gelang es dem Filmbund im Verein mit der Handels- und der Arbeiterkammer die Regierung zu einer Schutzbestimmung zu bewegen.
Die Einfuhrquote wurde mit 1:20 festgesetzt, d. h. für einen in Österreich hergestellten Film dürfen zwanzig ausländische Filme eingeführt werden. Die große volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Verfügung wird klar, wenn man erfährt, daß in den drei kritischen Jahren 8 bis 10 Millionen Schilling für fremde Filme aus dem Lande gingen und daß seit Bestand der Kontingentierung mehr als die Hälfte dieser Summe jährlich im Staate verbleibt.
Aber auch innerhalb der österreichischen Filmindustrie wirkte sich das Kontingent fruchtbringend aus: seit 1925 befindet sich die heimische Produktion wieder im Ansteigen.
Die rührige Hugo-Engel-Filmgesellschaft
Die rührige Hugo-Engel-Filmgesellschaft stellt im Rahmen ihrer „Max Neufeld-Produktion" fortlaufend Filme her, von denen manche, wie etwa „Der Balletterzherzog" im Ausland, besonders in Deutschland, großen Erfolg hatten. Auch Sascha, Pan und Ottol-Film brachten einige Zugstücke. Hans Otto zeigt im Verein mit Victor Micheluzzi rege Produktionstätigkeit; auch die Allianz-Film A. G. und die Listo Film Ges. gehören in die Reihen der produzierenden Firmen.
Die Vorteile der geschilderten Schutzbestimmungen haben auch mehrere ausländische Firmen veranlaßt, in Österreich Filme zu erzeugen, zumal da die Herstellungskosten eines Filmes hier um ungefähr 30% niedriger zu stehen kommen als in den Nachbarstaaten.
Der „Filmbund", der 1922 aus einem gesellschaftlichen Bedürfnis gegründet worden war, verwandelte sich alsbald in eine starke Interessenvertretung für die künstlerischen und kunsttechnischen Arbeitnehmer in wirtschaftlicher und sozialpolitischer Beziehung. Seine Organisation war das Vorbild für eine ähnliche Gründung in Berlin.
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Eine Statistik der Wiener Handelskammer
Über das Jahr 1927 seien einer Statistik der Wiener Handelskammer einige Zahlen entnommen:
Es wurden in diesem Zeitraum an abendfüllenden Spielfilmen nach Österreich eingeführt: Aus den Vereinigten Staaten 197, Deutschland 140, Frankreich 28, Dänemark 12, Rußland 14, Italien 2, Schweden, Tschechoslowakei und England je 1 Film, insgesamt also 396.
In demselben Zeitraum wurden in Österreich nur 15 Filme gegenüber 22 des Jahres 1926 hergestellt, doch bedeutet dies kaum einen Rückgang, weil mehr Filme mit inländischem Kapital gedreht wurden.
Die Qualität hat sich bedeutend gehoben, da 1926 mehrere Filme nur im Hinblick auf die Kontingentsprämie hergestellt wurden.
Das Jahr 1928 hat sich sehr vielversprechend angelassen und es steht zu erwarten, daß Wien in absehbarer Zeit den ihm unter den Filmzentren Europas gebührenden Platz einnehmen wird.
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Viele Regisseure und Darsteller aus Wien sind emigriert
Der internationale Film hat von Wien und Österreich viel empfangen. Ein Großteil der heute in Amerika und Deutschland wirkenden Regisseure und Darsteller stammt aus Wien oder hat hier begonnen, wurde hier entdeckt.
Aus Wiener Kultur, Kunst und Literatur haben alle Filmateliers der Welt Anregungen empfangen und heute noch ist Wien als Filmmilieu überaus beliebt. Die alte „Kaiserstadt" ist in Hunderten von Filmen verewigt worden, die nie versagende Lebensfreude, der Charme seiner Bewohner« die Schönheit seiner einzigartigen Umgebung fanden in aller Welt Anklang. Wien ist in der internationalen Filmwelt Mode geworden und wird es hoffentlich noch recht lange bleiben.
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Und hier ein bißchen Eingenwerbung, die so aber nie zutraf
Tatsächlich ist ja diese Stadt wie keine andere Europas geeignet, sich zu einem europäischen Hollywood zu entwickeln. Die wundervollen Baudenkmäler, zumal der Barockzeit, die unvergleichliche Schönheit der Wiener Landschaft, das nahe Hochgebirge und die hervorragend günstigen klimatischen Verhältnisse prädestinieren Wien geradezu zur Filmstadt.
Eine große Anzahl modernst eingerichteter Filmateliers mit einem ganzen Stabe trefflich geschulter Techniker und Kameraleute, sowie die geschicktesten Handwerker und Kunstgewerbler stehen zur Verfügung. Hierzu kommen noch die von der ganzen Welt geschätzten und anerkannten hohen Qualitäten der Wiener Künstlerschaft und das überall durchbrechende Talent auf allen Gebieten der Kunst.
Nennen wir einige Namen: Kortner, Elisabeth Bergner, Liane Haid, Paul Richter, Fryland, Maria Mindszenti, Homolka, Brausewetter, Stroheim, Fritz Lang, Joe May, Max Neufeld - lauter Wiener Kinder, zu denen sich noch Sternheim und die aus Ungarn stammenden Vilma Bänky, Lya de Putti, Maria Corda, Ellen Kürti, Alexander Korda, Värkonyi, Lucy Dorraine, Oskar Beregi, Agnes Eszerterhäzy, ja sogar die schöne Londonerin Lilian Harvey zählen lassen, die alle in Wien zu filmen begannen.
Aus einem Reservoir von nur sechs Millionen Menschen diese Fülle überragender Talente - wahrlich es muß etwas in der Wiener Atmosphäre liegen, das die Menschen ebenso wie zur Musik auch zum Film erzieht!
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Keine Nachfrage, warum die alle weggegangen waren
Es bedürfte nur etwas Mut von Seiten des Kapitals und auf dem alten kulturgetränkten Boden Wiens mit seiner unvergänglichen Anmut entstünde ein Filmparadies, ähnlich wie wir es in einem der früheren Kapitel zu schildern versuchten.
Eines steht fest: ein kräftiger Ausbau der Wiener Filmindustrie und die damit verbundene ungeheure propagandistische Wirkung werden dem kleinen Österreich bessere Dienste leisten, als alle übrigen Anpreisungsversuche durch die Fremden Verkehrsinstitute.
In anderen Ländern hat man dies schon längst erkannt, vielfach wird die Filmproduktion vom Staate selbst subventioniert und genießt in Steuerangelegenheiten die weitgehendste Unterstützung der Behörden. Vielleicht gelingt es diesen Zeilen, die maßgebenden Faktoren von Staat und Stadt zu einer wohlwollenderen Haltung zu bekehren.
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Die Filmindustrie in Rußland (1927)
In Sowjetrußland wird die gesamte Filmproduktion ausschließlich vom Staate besorgt. Sie verfolgt in erster Linie politische Propagandazwecke im In- und Ausland; die kommerzielle Verwertbarkeit eines Filmproduktes wird erst in zweiter Linie berücksichtigt. Schon Lenin hatte die Wichtigkeit des Films für die kommunistische Propaganda erkannt und die Direktiven für die Filmindustrie den Agi-tations- und Propagandaorganen der Zentralregierung übertragen.
Aus dieser bedenkenlosen und unbegrenzten Beistellung von staatlichen Mitteln für die Zwecke der Filmkunst läßt sich auch das hohe Niveau der Produktion ableiten. Im Gegensatz zum amerikanischen Film, dem man die Hetzjagd nach dem Dollar förmlich anmerkt, atmen die Russenfilme Geschlossenheit und ruhige Geduld aus. Zeit und Geld spielen eben keine Rolle - eine mißlungene Aufnahme wird so lange wiederholt, bis sie einwandfrei gelingt, koste es, was es wolle.
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Ein Grund für die großen Erfolge der Russenfilme
Ein besonderer Grund für die großen Erfolge der Russenfilme liegt auch darin, daß jede Scheu vor krassen Effekten entfällt. Das zaristische Scheusal oder die bürgerliche Kanaille werden immer und immer wieder so grausam und abstoßend wie möglich hingestellt, während der vortreffliche Proletarier ausnahmslos von Edelmut, Brüderlichkeit, Güte und Tapferkeit trieft.
Das sind vom ästhetischen Standpunkt aus Fehler der russischen Filmkunst, die aber auf empfängliche und einfache Gemüter ihre Wirkung selten verfehlen.
Trotz dieser Vorbehalte muß die russische Filmkunst als eine der hochstehendsten der Welt bezeichnet werden. Von der russischen Sprechbühne ausgehend, hat sie das Wirken Stanislawskis zur Voraussetzung, zeigt sich weich, fügsam und dennoch radikal. Hohes
schauspielerisches Können, geschärfter künstlerischer Blick verbinden sich hier mit orientalischem Schönheitsdurst zu Bildern von edelster Zartheit und packendster Kraft.
Zumal die Gestalten des Volkes, die Bewegungen der Massen, das psychologische Eingehen auf die feinsten Nuancen und ihre eindringliche Stimmungsmalerei sind unerreicht. Es ist fraglich, ob es in Amerika oder in Europa viele Regisseure vom Format eines Sergej Eisenstein oder Pudowkin gibt. Filme wie „Panzerkreuzer Potemkin", „Das Ende von St. Petersburg", „Mutter" u. a. gehören trotz ihres zum Teil naturalistisch krassen Inhaltes zu den hervorragendsten Erzeugnissen der Filmkunst überhaupt.
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Die Filmindustrie in anderen Ländern (1927)
Am auffallendsten war das nahezu völlige Erlahmen der Produktion in Frankreich, jenes Landes, das doch bei der Geburt der Kinematographie und in deren Kindheit die erste Rolle gespielt hatte.
Die Firmen „Pathe Freres" und „Gaumont" dürften noch in frischer Erinnerung stehen, beherrschten sie doch noch vor etwa 15 Jahren den europäischen Markt und leisteten sowohl auf dem Gebiete des Spielfilms als auch in der Lehrfilmerzeugung Vortreffliches.
Die Amerikanisierung der Pathe durch die First National sowie die Abwanderung der Gaumont nach England wirkten lähmend auf die französische Filmproduktion, die ihre Bedeutung heute vollständig eingebüßt hat und nicht allein von Amerika, sondern auch von Deutschland in den Schatten gestellt wurde.
Nur selten ist außerhalb Frankreichs ein französischer Film zu sehen, meist historische Dramen der „Societe Cineromans", die sich vorzugsweise mit der Herstellung großer Kostümfilme befaßt.
Immerhin stand Frankreich im Jahre 1927 nach Deutschland noch an zweiter Stelle in der europäischen Produktion. In Deutschland erschienenes französische Spielfilme, von denen jedoch nur wenige wie: „Der Schachspieler" und „Bonaparte" das Publikum zu erobern vermochten.
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Allein das waren Ausnahmen.
Die einst blühende französische Filmindustrie ist auf einen Bruchteil ihrer früheren Bedeutung herabgesunken, so daß man sich auch dort zum Schutze der heimischen Produktion durch gesetzgeberische Maßnahmen entschloß. Ein von Herriot zu Beginn der Jahres 1928 eingebrachter Gesetzentwurf verlangte die Einführung eines Kontingents im Verhältnis von 1:4; es sollten also 25% aller in Frankreich gezeigter Filme französischen Ursprungs sein.
Dieser Vorschlag erschien jedoch den amerikanischen Filmmagnaten so bedrohlich, daß sich der uns bereits bekannte Präsident des amerikanischen Filmverbandes, Mr. Will Hays, in eigener Person nach Europa bemühte und in längeren Konferenzen die Verhältnis zahl auf 1:7 reduzierte. Immerhin ist also der erste Schritt für ein neuerliches Erstarken der französischen Filmkunst geschehen.
Von den in Frankreich bekannten Produzenten, deren Erzeugnisse aber kaum außerhalb des Ursprungslandes zu sehen sind, seien außer der bedeutendsten - Cineromans - noch erwähnt: „Production Nathan", jährlich etwa acht bis zehn Filme, dann „Jean de Merly", „Production Markus", „Albatros" und „Gabriel Pascal".
Als weitere Beispiele vorzüglicher französischer Filmkunst aus früheren Jahren seien noch angeführt: Der Antikriegsfilm „J'accuse!" von Abel Gance, dem bedeutendsten Regisseur Frankreichs; ferner „Jocelyn" nach der berühmten epischen Dichtung Lamartines und das große Eisenbahnerdrama „La roue", gleichfalls inszeniert von Gance. Der aus Rußland stammende Iwan Mosjoukine, der jedoch gegenwärtig in Hollywood tätig ist, verdient hier noch als besonders tüchtiger Regisseur Erwähnung.
Von bedeutenderen Filmdarstellern seien hervorgehoben: Jacques Catelain, der in Wien den Rosenkavalier filmte, Edith Jehan, die im Schachspieler die Hauptrolle gab, und endlich die schöne Claude France, die im Vorjahr durch Selbstmord endete.
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Die Filmindustrie in Schweden (1927)
In den skandinavischen Ländern waren die Schweden wahre Pioniere des Qualitätsfilmes. Das Kapital stammte von den reichen Zündholzfabrikanten Stockholms und damit wurden Filme hergestellt, die an Schönheit kaum je übertroffen wurden - man denke an „Gösta Berling". Die Kunst der Schweden und der Deutschen zeigt verwandte Züge und es ist anzunehmen, daß sie viel voneinander gelernt haben. Regisseure und Darsteller werden vielfach ausgetauscht - Gösta Eckmann, der glänzende Darsteller des „Faust", ist beispielsweise Schwede.
Allein die Schweden verausgabten sich allzusehr im Qualitätsfilm; sie vergaßen, daß der materielle Erfolg beim Film auch auf Quantität basiert sein muß. Die Folge dieses Verkennens der Situation war ein Rückgang ihrer trefflichen Produktion und ein Überschwemmen des skandinavischen Marktes mit amerikanischen Filmen.
Die vorzüglichsten schwedischen Regisseure wie Victor Seaström (Sjöström) und Mauritz Stiller gingen nach Amerika.
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Die Filmindustrie in Dänemark (1927)
Auch den Dänen verdankt der Film viel. Asta Nielsen und ihr Gatte, der vorzügliche Regisseur Urban Gad, stammen von dort. Die „Nordisk Film" wußte bis zu ihrem katastrophalen Zusammenbruch im Jahre 1928 ihrer Produktion den Weltmarkt zu sichern. Heute ist von Filmen skandinavischen Ursprungs wenig mehr zu hören.
Die Filmindustrie in Italien (1927)
In Italien sind vor dem Kriege einige Superfilme gedreht worden: „Quo vadis", „Kampf um Rom", „Divina commedia" und andere wurden auf der ganzen Welt gespielt. Allein die großen Firmen wie Cines, Ambrosia, Pasquali verschwanden und heute kommt kaum je mehr ein italienischer Film über den Brenner.
Die italienische Regierung sah sich also auch dort gezwungen, um der heimischen Produktion eine geringe Stütze zu bieten, eine bescheidene Einfuhrsquote (1:10) festzusetzen. Neuerdings hat das Istituto nazionale Luce mit der Ufa einen Gemeinschaftsvertrag zur Produktion von Lehr- und Spielfilmen abgeschlossen, denen der Weltmarkt durch die Ufaleih gesichert werden soll.
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Die Filmindustrie in Rest-Europa (1927)
In den hier nicht erwähnten europäischen Ländern ruht die Filmerzeugung nahezu vollständig. In Ungarn, der Schweiz, der Tschechoslowakei und Spanien werden Lehrfilme, Wochenschauen und ähnliches, ab und zu mit ausländischer Unterstützung wohl auch ein Spielfilm gedreht, doch ist davon außerhalb der Heimatländer kaum je etwas zu sehen.
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Die Filmindustrie in Japan (1927)
Am erfolgreichsten wußte sich bisher Japan die amerikanische Filmflut vom Leibe zu halten und heute ist es der dortigen aufstrebenden Industrie gelungen, den ausländischen Film nahezu vollständig zu verdrängen.
Zahlreiche Produktionsgesellschaften erzeugen in 14 größeren Ateliers etwa 400 Filme im Jahr, mit denen der heimische Bedarf gedeckt ist. Es gibt heute in Japan wohl nur 850 Kinos, doch laufen auf etwa 2000 anderen Schaubühnen auch regelmäßig Filme; für den europäischen Geschmack sind diese japanischen Filme mit ihrer schwerfälligen Handlung und dem regelmäßigen unhappy end kaum geschaffen.
Immerhin versuchten die führenden amerikanischen Firmen, um den japanischen Markt nicht ganz zu verlieren, mit japanischen Schauspielern, im Lande selbst zu produzieren, ohne jedoch bisher besondere Erfolge aufzuweisen. Das japanische Kinopublikum lehnt übrigens gute abendländische Filme keineswegs ab. Der populärste Darsteller ist auch in Japan Chaplin und auch „Variete" wurde mit größtem Beifall aufgenommen.
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