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aus der FUNK-TECHNIK Nr. 19/1947 (1. Okt. Heft)
Das Editorial

Nr. 19 / 1947 - 2. JAHRGANG

Ohne Berlins Elektroindustrie ?
Betrachtungen zum Industrieplan der Westzonen

Der am 29. August bekanntgegebene Industrieplan für die beiden Westzonen Deutschlands bildet einen wichtigen Abschnitt in der wirtschaftlichen Entwicklung der Nachkriegszeit.

Bei der Ausarbeitung des Planes war bekanntlich der Gedanke maßgebend, innerhalb der Westzonen ein Industrieniveau aufrechtzuerhalten bzw. zu schaffen, das die Zonen in den Stand setzt, sich selbst zu erhalten und alles zu tun, was diesem Ziele dient. Dazu gehört insbesondere ein bestimmter Export sowie der notwendige Handel mit den anderen Teilen Deutschlands, die außerhalb des Industrieplans stehen.

Der „Außenhandel " mit den Zonen

Bei der Abschätzung dieses „Außenhandels" innerhalb der Grenzen Deutschlands wurde der Industriestand in den anderen Zonen berücksichtigt, der durch Demontagen sehr verringert worden ist. Ausdrücklich betont wurde dies in Bezug auf die elektrotechnische Industrie, die hauptsächlich in Berlin konzentriert war und hier durch Luftangriffe sowie Demontagen schwer gelitten hat. Die Großbetriebe hatten bis zum Ende des Krieges rund 40% ihrer Fabrikationsfläche mit ihren Einrichtungen verloren und büßten durch die Demontage, soweit die Werke in den später britisch, amerikanisch und französisch gewordenen Sektoren lagen, praktisch ihren gesamten Bestand an Maschinen, Prüffeldern, Laboratorien usw. sowie den größten Teil der Bestände an Rohstoffen, Halbfabrikaten usw. ein.

Die kleinen und mittleren Betriebe kamen in dieser Hinsicht wesentlich besser weg. Wenn es auch inzwischen gelungen ist, die Großbetriebe der westlichen Sektoren Berlins in Gang zu bringen, so müssen die Zahlen über die Höhe der Produktion doch sehr kritisch betrachtet werden. 1946 gingen schätzungsweise ungefähr 60% der Erzeugung in die beiden Westzonen. Die Berliner Elektroindustrie hat also einen wesentlichen Beitrag für die elektrische Ausstattung der Zonen geleistet.


Berlin im Vergleich zu den Zonen

In diesen (Zonen) selbst wurden 1936 für rund 800 Milionen Mark elektrotechnische Erzeugnisse aller Art hergestellt, wobei zu bemerken ist, daß der Industrieplan von einem Wert von 830 Millionen Mark ausgeht. Das ist ungefähr ebensoviel, wie die Berliner Betriebe lieferten. Wenn es auch 1936 in den Westzonen nicht so große und vielseitige Betriebe wie in Berlin gab, so muß doch gesagt werden, daß fast jeder Zweig mit guten und leistungsfähigen Firmen vertreten war.

Fabriken in Nürnberg, Mühlheim, Mannheim, Frankfurt a. M. usw. leisteten Bedeutendes im Großapparate- und Großmaschinenbau, wie z.B. bei Transformatoren, Gleichrichtern, Turbogeneratoren und Schaltanlagen. Elektrische Hausgeräte, Meßinstrumente, Zähler,.

Installationsmaterial, Motoren, Rundfunkgeräte, Kabel und Leitungen sowie elektromedizinische Ausrüstungen wurden in Unternehmen jeder Rangordnung hergestellt, wobei die Spezialisierung auf ein begrenztes Gebiet die Qualität hob. Im rheinisch-westfälischen Industriegebiet hatten die Berliner Großfirmen eine führende Stellung, weil sie sich schon seit jeher auf die Bedürfnisse der Bergwerks- und Hüttenindustrie eingestellt hatten. Große technische Büros hielten die Verbindung mit den Berliner Fabrikationsstätten aufrecht und studierten insbesondere die schwierigen Betriebsbedingungen der Industriezweige.

Beachtliche Wettbewerber in allen Teilen Deutschlands

Waren so im Laufe der Zeit der Elektroindustrie Berlins in allen Teilen Deutschlands beachtliche Wettbewerber erstanden, so konnte sie ihre führende und fast konkurrenzlose Stellung auf einigen Gebieten aufrechterhalten. Dazu gehörte insbesondere die Herstellung von Glühlampen normaler Gebrauchsspannung, die fast sämtlich in Berlin angefertigt wurden.

Ferner war die Industrie der Nachrichtentechnik in Berlin konzentriert. Abgesehen von einigen Spezialausführungen deckte z. B. die Reichspost ihren Bedarf an Telefonapparaten, Wählerämtern, Verstärkern, Fernschreibern usw. fast ausschließlich bei den Berliner Firmen. Der Bau von Rundfunksendern gehört ebenfalls zu den Berliner Spezialgebieten. Die Produktion von Rundfunkgeräten lag früher zu 44% in Berlin und zu 50% in der Ostzone, so daß auf die Westzonen nur 6% entfielen. Im Entwurf von Großanlagen nahm die Berliner Industrie ebenfalls, eine führende Stellung ein. Während des Krieges wurden zahlreiche Betriebsabteilungen der Großfirmen aus Berlin heraus verlagert und bildeten nach dem Zusammenbruch den Keim zu selbständigen Unternehmen.

Die Westzonen werden sehr gut wegkommen

Nach dem jetzigen Industrieplan sollen sie sämtlich bis auf drei nicht näher bezeichnete Betriebe erhalten bleiben und nicht demontiert werden. In dieser Hinsicht wird die Elektroindustrie der Westzonen überhaupt sehr gut wegkommen. Während nämlich mehrere Industriezweige einen Teil ihrer Produktionsmittel noch abgeben müssen, soll die Kapazität der Elektroindustrie in den Westzonen bis auf die erwähnten Ausnahmen erhalten bleiben.

Sie liegt um rund 50% über der von 1936 und kann jährlich eine Produktion von annähernd 1,3 Milliarden Mark, leisten. Das wären etwa 50% mehr als 1936. Darin liegt auch die Anerkennung dafür, daß die Elektroindustrie eine friedliche Industrie ist, ohne die ein Aufbau unmöglich ist.

Ohne Zweifel wird die Elektroindustrie der Westzonen in der Lage sein, einen großen Teil des Bedarfs zu decken, wenn es gelingt, die erwähnten Lücken zu schließen. Bei Glühlampen und Radiogeräten sind bereits erfolgversprechende Anfänge gemacht worden, die meistens in verlagerten Betrieben ihren Ursprung haben. Auch Fernschreiber werden bereits in den Westzonen gebaut, während bei der übrigen Nachrichtentechnik erst Anfänge zu erkennen sind.

Was bleibt für Berlin übrig ?

Bergwerksausrüstung elektrischer Art wird zunächst noch aus Berlin bezogen werden müssen, während das Problem der schweren Maschinen noch nicht gelöst ist. Ob die Berliner Industrie demnächst ihre Arbeit wieder auf diesem Teilgebiet aufnehmen kann und wird, ist zunächst noch nicht geklärt.

Für Berlin ergibt sich insbesondere die Frage, ob der neue Industrieplan seiner eigenen Elektroindustrie noch Entwicklungsmöglichkeiten läßt, oder ob er die Grundlage einer „Elektro-Autarkie" der Westzonen bildet. Es wurde ausgeführt, daß schon bis 1936 ein erheblicher Teil der Elektroproduktion außerhalb Berlins entstand, ohne daß die Entwicklung der Berliner Industrie dadurch behindert wurde. Im Gegenteil, die Auswanderung der Elektrotechnik aus Berlin wurde von den Berliner Betrieben gefördert, weil es unmöglich war, die Betriebe in Berlin dem wachsenden Bedarf entsprechend zu vergrößern.

Die Kapazitätsvergrößerung um fast 50% in den Westzonen ist zwar sehr beachtlich, reicht aber doch nicht aus, um den Bedarf gerade während des Wiederaufbaus der Industrie zu decken, vom sonstigen Aufbaubedarf bei Wohnungen ganz zu schweigen. Die Berliner Elektroindustrie wird dabei helfen müssen. Dank ihrer großen Tradition und ihres Bestandes an Fachleuten wird sie ihre führende Stellung aufrechterhalten können. G. H. N


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