Und wieder Neuland und Schwierigkeiten
Doch, wie soll nun so eine im Laboratorium zu drehende Szene aussehen? Wieder Neuland und Schwierigkeiten! Die Frage geeigneter Tonfilmsujets tauchte auf!
Wir brüteten hin und her. Schließlich fanden wir u. a. einige Grotesk-Schauspieler, eine ellenlange Tante und einen dicken, mopsartigen Pykniker.
Der Sketch dazu war bald ausgebrütet. Er hieß: »Piefkes Geburtstag« und karikierte eine Geburtstagsfeier bei einem braven sächsischen Spießer. Nach dem üblichen »Gegratuliere«, nach Klaviergeklimper und einem seelenvollen Lied der baumlangen Hausfrau endete er schließlich damit, daß der Jubilar, vom Stativ des hinzugekommenen Geburtstagsfotografen ins löbliche Hinterteil gestochen, mit dem Gesicht in die mit dicker Schlagsahne überzogene Geburtstagstorte fiel. Also durchaus ein grotesker FilmstofF, wie er damals vom Publikum gewünscht und gelobt wurde.
Auch von diesem, im gleichen Raum, in dem die Erfindung gemacht wurde, gedrehten Film haben sich einige Streifen erhalten; der Kuriosität halber füge ich einen bei (Abb. 50).
Meine ganze Familie wirkte mit. Unsere erstgeborene fünfjährige Tochter Gerda mußte dem Helden des Stückes mit einem Blumensträußchen in der Hand zurufen : »Ich gratuliere Dir, Onkel Piefke« und wurde damit zum ersten kindlichen Tonfilmstar.
Mutter Gisela, meine Frau, aber mußte das Eiweiß unserer letzten in Mecklenburg gesetzwidrig erstandenen Hühnereier zu der Schlagsahne des Geburtstagskuchens verarbeiten, der, bis die Szene »stand«, leider mehrmals benötigt wurde.
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Dieser Sketsch war ein voller Erfolg
Dieser Sketsch, vorgeführt im gleichen Raum, in dem er aufgenommen war, gefiel unserem Privatpublikum außerordentlich gut. Er bewies, daß uns auch die Aufnahme »richtiger« Filmszenen geglückt war. Mein künstlerisches Gewissen verbot mir aber, ihn zu häufig unseren Freunden und Bekannten vorzuführen.
Mittlerweile war in der Köpenicker Straße im Berliner Osten eine Werkstätte, die zugleich auch als Vorführungsraum benutzt werden konnte, hinzugekommen. Die Apparaturen waren weiter verbessert.
Wir fanden, daß es jetzt an der Zeit sei, einmal Filme in einem »richtigen« Atelier zu drehen und in einem »richtigen« Kino vorzuführen. Das Atelier war bald gefunden; ein Stummfilm-Atelier im Dachgeschoß eines Hauses in der Friedrichstraße.
Aber die Akustik! Eigentlich ein unbrauchbarer Raum! Ihn dämpfen mit einer Reihe von Teppichen? Dafür war kein Geld vorhanden! Schließlich entdeckte ich, daß es in Berlin »Kartoffelsackverleihanstalten« gab. Schalldämpfung durch Kartoffelsäcke! Billige Geschichte! Gesagt, getan!
Bald hing der ganze Raum voll Kartoffelsäcke. Der Geruch war freilich nicht besonders angenehm. Wie gut, daß wir nur den Ton- und nicht auch den Geruchsfilm erfunden hatten!
Auf alle Fälle war das Atelier dadurch akustisch brauchbar geworden. Jetzt störten nur noch benachbarte Fabriktuten oder die pfeifenden Lokomotiven der Stadtbahn den Gang der Dinge.
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Ein Blick in unser Tonfilmatelier
Die Abb. 51 zeigt einen Ausschnitt des so gedämpften Tonfilmateliers, über den Aufnahmeapparat (Abb. 45) wurde vorläufig ein schallisolierender Kasten gestülpt, um die Apparategeräusche von der Szene fernzuhalten. Beim Einlegen der Filme wurde die obere Hälfte mit einem Flaschenzug hochgezogen.
Kathodophon und Verstärker sind rechts davon zu sehen, ebenso die in einem Kasten befindliche, aus achthundert Taschenlampen-Trockenelementen aufgebaute Hochspannungsbatterie für das Endverstärkerrohr und die Ultrafrequenzlampe. Im Hintergrund verdecken die erwähnten schallschluckenden Kartoffelsäcke die Aufnahmeszene.
In diesem Atelier in der Friedrichstraße konnte nun frisch-fröhlich aufgenommen werden. Ein Zweistundenprogramm, das wir für die bevorstehende Premiere benötigten, war zu schaffen! Alle nur denkbaren Lautquellen sollten darin vertreten sein, um dem Zuhörer die universale Brauchbarkeit unserer Erfindung zu demonstrieren.
Sprache, Gesang, alle Instrumente von der Drehorgel bis zum Streichtrio, Lustspiel und Drama wurden aufgeboten, kurz, jedem sollte auch künstlerisch etwas geboten werden. Es war nicht leicht, so ververschiedene Sujets ausfindig zu machen, aufzunehmen und zu einem passenden Premierenprogramm zusammenzufassen. Doch es gelang, wie man aus der Abb. 52, die das Originalprogramm zeigt, sehen kann.
Die Entwicklung unserer Negative sowie die Herstellung der Positivfilme ließen wir von der schon erwähnten Firma Karl Geyer nach unseren Vorschriften unter unserer Aufsicht durchführen.
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Noch ein Vorwort zu unseren Tonfilmaufnahmen
Doch bevor ich von unserer ersten »öffentlichen Tonfilmpremiere« berichte, noch ein paar Worte über die Tonfilmaufnahmen und -wiedergaben, die sich später noch anschlossen.
1923 hatten wir uns den Sitzungssaal der Zahnärzte - den sogen. Schubertsaal - am Nollendorfplatz in Berlin gemietet und dort eine regelrechte Tonfilm-Produktions- und Tonfilmvorführungsanlage errichtet.
Geliehene Kartoffelsäcke zur Verbesserung der Raumakustik waren jetzt, nachdem ausländische Mittel hinzugekommen waren, nicht mehr nötig. Die Abb. 53 zeigt eine Aufnahme dieses Schubertsaal-Ateliers.
Eine große russische Sängerin schmettert ihr Lied ins Kathodophon. Hier schluckten schon Teppiche und samtene Vorhänge den überflüssigen Schall. In diesem Atelier, und zwar auf dem Parkettboden des Sitzungssaales des Verbandes der deutschen Zahnärzte, wurde der Film »Das Leben auf dem Dorfe« gedreht.
Zu der dörflichen Szene erforderte dieser außer den Landleuten vor allem auch Tiere: Schafe, Hunde, Hühner und natürlich auch einen echten Misthaufen. Es bereitete einige Schwierigkeiten, den mißtrauischen Hausverwalter zu einer Zustimmung zu überreden, auf dem vornehmen zahnärztlichen Parkettboden diese Dorfszene mit ihren nicht immer stubenreinen Akteuren von unserem inzwischen hinzugekommenen Regisseur WALTER DÖRRY aufbauen und filmen zu lassen.
Dieser Film, später »Hühnerhof-Film« benannt, sollte vor allem zeigen, daß man nicht nur Instrumente und die Sprache des Menschen, sondern auch die Laute der Tiere phonografieren kann. Nichts schien mir auch überzeugender, als einen zu jedem Dorf gehörenden krähenden Hahn aufzunehmen, um besonders die damals viel erörterte Synchronität zu demonstrieren. Der Hahn und die dazugehörende Hühnerschar waren in einem Berliner Vorort bald gefunden.
Noch ein Probem beim Tonfilm : Wann kräht der Hahn ?
Das eigentliche Problem - dem freilich ein echter Stummfilmregisseur nicht gewachsen war - bestand darin, den Gockel dann zum Krähen zu bringen, wenn der Aufnahmefilm ablief. Ich wußte bald Rat.
Die Eindrücke meiner auf einem Bauerndorf zugebrachten Jugend kamen mir zu Hilfe. Wann kräht ein Gockel bestimmt? Morgens, wenn die Sonne aufgeht, wenn der Hühnerstall geöffnet wird, wenn er einen Misthaufen erblickt und seine Damen voll Stolz von seiner männlichen Bedeutung überzeugen will. Die Regiefolgerung war nun naheliegend.
Ich ließ Hahn und Hühner in ihrem provisorischen Stall tagelang im Dunkeln. Bei der Aufnahme erstrahlte unter dem Licht der Scheinwerfer der Misthaufen im »Morgenlicht«. Hahn und Hennen, dem dunklen Stall entwichen, ließen sich, während die Aufnahmeapparate schon surrten, vom Sitzungssaal, von Beleuchtern, Regisseuren, Erfindern und Zuschauern nicht im geringsten stören, sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als nach dem duftenden Haufen zu laufen.
Dort erstieg - Glück über Glück - der Herr Gockel die Spitze des Haufens und krähte, krähte, krähte unentwegt; ja der Kameramann GUIDO SEEBER fand sogar noch Zeit zum Objektivwechsel und zu einer besonders schönen »Großeinstellung«.
Von diesem besonders schönen »Hühnerhoffilm« ist noch eine, auf das heutige Film-Normalformat umkopierte, allerdings durch Ausschnitte filmischer Raritätensammler in der eigentlichen Hühnerszene stark gekürzte Filmrolle vorhanden, die ich gelegentlich meines Vortrages in Bad Ems am 8. Oktober 1953 vorführte.
DR. ECKART, Präsident des Deutschen Filmklubs - kommentiert
Wie dieser Film sich heute nach dreißig Jahren noch anhört, geht wohl am besten aus folgenden, einem Brief von DR. ECKART, dem Präsidenten des Deutschen Filmklubs, entnommenen Sätzen hervor:
- »Man war überrascht über die Qualität und die Nuancierung des Tones, ob es sich um die Wiedergabe von Geräuschen oder aber um das gesprochene Wort und das gesungene Lied handelt. Wenn man diesen Film heute hört, dann möchte man mancher Tonaufnahme neuester Filme raten, dieses Beispiel sich täglich vorzuführen, ehe man im Atelier wieder versucht, einen Tonfilm herzustellen.«
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»Tonfilm-Premiere« am 17. September 1922
Doch nun zurück zu unserer ersten öffentlichen »Tonfilm-Premiere«. Der große Tag nahte heran - Sonntag, der 17. September 1922, vormittags 1/2 12 Uhr - sollte in dem Kinopalast »Alhambra« am Kurfürstendamm die Welturaufführung des Triergon-Tonfilmes vonstattengehen.
Die Filmkopien lagen parat und waren in unserem größeren Vorführungsraum in der Köpenicker Straße erprobt worden. In unserem Uraufführungskino mit tausend Plätzen - inzwischen leider auch durch Bomben zerstört - konnten wir mit unseren Apparaten aber erst zwei Tage vorher mit Probevorführungen beginnen.
Eine neue Sorge tauchte auf: Wird die Lautstärke, das erzielbare Schallvolumen ausreichen, diesen großen Raum zu füllen? Schon beim leeren Saal war unsere Schallwiedergabe zu schwach, wie sollte es erst bei gefülltem Saal werden? - Nach unserer aller Ansicht konnte die Situation nur gerettet werden durch Vergrößerung der Ausgangsleistung unseres Verstärkers, was durch behelfsmäßiges Parallelschalten einer zweiten Endverstärkerröhre möglich gewesen wäre.
Aber eine zweite Endverstärkerröhre, wie sie Abb. 14a zeigt, fehlte; woher sie nehmen? In dieser prekären Situation entschloß sich MASSOLLE, mit seinen Männern in der Köpenicker Straße ein solches Ding in Tag- und Nachtarbeit bis zum Vorführungsbeginn herzustellen.
Gesagt, getan! Freitag abend wurde damit begonnen: Glimmerscheiben gestanzt, Gitterrahmen angefertigt und mit Draht bewickelt, Anodenbleche gebogen, Einschmelzstutzen gemacht, das System darauf montiert und in einen Glasballon eingeschmolzen, an die Vakuumpumpe angesetzt, erwärmt, evakuiert, bis die letzten an den Metallen haftenden Gasspuren entfernt waren, gemessen, abgeschmolzen und schließlich gesockelt.
Tatsächlich, am Sonntag vormittags - das Premierenpublikum füllte schon das Foyer - kam ein Bote mit dem kostbaren Ding angefegt. Die Röhre wurde in die vorbereitete Fassung eingesetzt - zum Probieren des geänderten Verstärkers war der sich füllenden Plätze wegen keine Zeit mehr -.
Der Film lief an, die Beschallung des Raumes war gut und ausreichend und, wieder Glück über Glück, das erste unter unendlichen Mühen apparate- wie filmmäßig von uns zusammengezauberte Zweistunden-Programm lief ohne jede Panne ab. -
Ich glaube, der Angstschweiß stand uns noch auf der Stirn, als wir, überlegene Ruhe heuchelnd, den überreichen Beifall des begeisterten Premierenpublikums, die Gratulationen unserer Bekannten, entgegennahmen.
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Die Schauspielerin ROSA LICHTENSTEIN spricht im Film
Diese denkwürdige erste öffentliche Vorführung des ersten kompletten Tonfilm -Programmes begann damit, daß als Großaufnahme der Kopf der Schauspielerin ROSA LICHTENSTEIN erschien und diese einen Prolog von FRITZ BÖHME sprach.
Der Text dieses sinnvollen und visionären Prologs blieb erhalten; er hat folgenden Wortlaut:
Ich bin der erste Gruß aus neuem Land!
Vom stummen Bild fand ich den Weg.
Erlöst ist mein Schweigen.
Aus dem Reigen, dem Auf und Nieder an flimmernder Wand
hallt nun der Geist auch als Klingen und Sprache wider.
Kunstvoll in Dauer gebannt waren im Bilde schon
der flüchtigste Blick, das Beben der Hand.
Es gab kein Vergehen:
Gestern konnte immer wieder als Heute erstehen.
Doch halb war das Werk: Es fehlte der Ton.
Fremde Musik war Ersatz für eigenen Klang.
Und aus lautlosem Wandeln, aus Gebärden und Handeln
sich die stumme Frage entrann:
Wann endlich, wann rührt unsre Lippe ein Zauberstab?
Und es hallte zurück: Trag dein Geschick, stumme Maske I
Dein Tanzen wird treiben erborgter Laut.
Stumm wird bleiben die Kunst,
die auf rollenden Streifen Menschendichtung nahe zum Greifen,
Menschenschicksal, verflossenes, wiedererbaut!
Doch der Entscheid war zu früh.
In Arbeit und Müh ist es gelungen:
Siehe, du Zweifler, nun ist das Wort aus dem Bilde erklungen;
gestern gesprochen, heute noch jung und voll Leben,
in Laut, in Gebärde, in atmender Kraft allen Zeiten gegeben!
Und so spricht dir dies Werk, das ein Ganzes dir gibt:
Bewahre, was würdig und wert.
Was du verehrt im Wechsel der Zeit und geliebt,
Menschen und Dinge und Spieler und Spiel,
was dich begeisterte, was dir gefiel,
Leben, das flüchtig sonst schwand, kommt wieder zu dir
als tönender Laut, als sichtbar Gewand:
ist an vielen Orten zugleich,
spendet die Gaben, die ehmals gegeben,
sich nun über die Stunde des Gebens erheben.
Licht und Ton, die schwingenden Wellen
nun nicht mehr im Verrauschen zerschellen.
Und mein Bild, das dein staunendes Auge erblickt,
spricht dir als ersten Gruß aus dem neuen Land:
Sieh, es ist nun geglückt, daß ich den Weg zum Leben fand!
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Die vollendete Synchronität der Lippenbewegung
Die akustisch gute, wenn auch nicht übermäßig laute Wiedergabe und vor allem die vollendete Synchronität zwischen Lippenbewegung und Schallvorgang mußten alle Anwesenden davon überzeugen, daß sich in dieser Stunde in der Geschichte der Kinematographie etwas Außerordentliches ereignet hatte, daß zur optischen Dimension des Filmes nun auch die akustische hinzugetreten war.
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Eine kleine Blütenlese der Urteile
Es wird Ihnen, lieber Leser, heute (in 1954) sicher genau so viel Spaß machen wie mir, eine kleine Blütenlese der Urteile unserer damaligen Zeitgenossen, in hunderten von Zeitungsausschnitten erhalten geblieben, vorgelegt zu bekommen.
Vorweg ist zu sagen, daß das große Publikum und die Techniker restlos begeistert waren, die Filmleute sauersüße Mienen machten, die Filmindustriellen und Kinobesitzer aber begreiflicherweise den Tonfilm ablehnten.
Einige charakteristische Presseurteile seien hier auszugsweise wiedergegeben; nur das gerecht und sachlich wertende Urteil der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 18. September 1922 sei des geschichtlichen Interesses wegen als Photokopie (Abb. 54) beigefügt.
Nun die Ansichten der angesehensten Berliner Blätter jener Zeit:
Berliner Tageblatt 19. September 1922
..... Trotzdem aber konnte man keinen Augenblick im Zweifel sein, hier etwas grundsätzlich Neuem, Großartigem und Vielversprechendem gegenüberzustehen, das geeignet ist, der Anfang einer weit- und tiefgehenden Entwicklung zu sein ..... - ..... in nicht allzuferner Zeit wird auch in den Kinoateliers nur noch der sprachbeherrschende, der echte Künstler, Herrscher sein. - Artur Fürst
Berliner Börsen Curier 19.September 1922
..... Der sprechende Film ist die phänomenale Erfindung eines Geistes, der sich gerade durch seine letzte Vervollkommnung wieder aufhebt, der seinen ganzen Reichtum nur darauf verwendet, um gegen sich selbst tödliche Waffen zu schmieden. - Herbert Ihering
Neue Berliner Zeitung 18. September 1922
..... Was die Bedeutung der Ton-Bild-Verknüpfung für den Spielfilm und seine künstlerische Entwicklung betrifft, so bestätigt auch diese neue Erfindung, daß aus einer Vereinigung der beiden in ihren Ausdrucksformen grundverschiedenen Kunstarten, selbst wenn die Technik ideal vollendet sein sollte, kein künstlerisches Produkt hervorgehen kann ..... - A.
Berliner Lokalanzeiger 25.September 1922 (der Universumfilm A.G. nahestehend)
..... Es muß offen ausgesprochen werden, daß eine Revolutionierung der Lichtspielkunst, eine Umstellung von dieser Erfindung nicht in Frage kommt. Der sprechende Film als abendfüllender Ersatz unserer Stummfilme ist etwas, was scharf und energisch abzulehnen ist ..... - -ar-
Berliner Börsenzeitung 18.September 1922
..... Inwieweit aber wirklich dem Sprechfilm die Zukunft gehört, bleibt abzuwarten. Man darf nicht vergessen, daß der sprechende Film seine Internationalität verliert, er wird immer auf kleinere Werke beschränkt bleiben müssen, da Großfilme nur auf dem Weltmarkt amortisiert werden können. - D.O.
Die Lichtbildbühne 23.September 1922
..... Die Filmkunst darf den akustischen Film nie beachten; denn des künstlerischen Films Wesenheit und Hauptstärke liegt - in seiner Stummheit ..... - Heinrich Fraenkel
Die Zeitschrift: Der »Lichtspielbesitzer«
..... ist überzeugt, daß für den normalen Spielfilm die Erfindung von keinerlei Einfluß sein wird.
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Anmerkung - und wie sie sich geirrt hatten
Wie man sieht, gehen die Ansichten von der begeisterten Lobpreisung der Laien bis zur völligen Ablehnung der am Stummfilm geschäftlich interessierten Kreise.
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Wie geht es weiter ?
Was sollte nun aber praktisch mit der Erfindung und den Erfindern geschehen? Das war die bange Frage, die uns beunruhigte. Hing doch auch unsere ganze wirtschaftliche Existenz von der Auswertung des Erfindungskomplexes ab!
Unter den kritischen Urteilen erschien uns aber besonders eines sehr ernst und des Nachdenkens wert zu sein. Der sprechende Film war im Gegensatz zum Stummfilm aus simplen Sprachgründen nicht mehr international verwertbar, und größere Filme rentieren sich ja bekanntlich nur, wenn sie in fast allen Ländern ausgewertet werden können. An diese zweifellos beträchtliche Schwierigkeit hatten wir drei Techniker nicht gedacht.
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Mein Patent DRP. 441 108 vom 7. September 1923
Aber: »Was der Verstand der Verständ'gen nicht sieht, das findet in Einfalt ein kindlich Gemüt«. Meine Frau Gisela war es, die hier einen guten Gedanken hatte und ihn mir einmal abends auf der Straße auf dem Nachhauseweg von einem Kinobesuch offenbarte.
Sie schlug vor, die Sprachschwierigkeiten dadurch zu überwinden, daß zukünftig von jeder Bildtonfilmszene im Atelier hintereinander Aufnahmen in mehreren Idiomen, in den hauptsächlichsten Kultursprachen gemacht werden sollten; d. h. je nach dem Sprachgebiet, in welchem der zu drehende Film später laufen soll, wären von der gleichen Szene entweder von den gleichen oder von neu hinzugenommenen, das betreffende Idiom beherrschenden Schauspielern zusätzliche Aufnahmen in den in Frage kommenden weiteren Sprachen zu machen.
Auf diese Art entstünde dann in einfachster Weise gleichzeitig und verhältnismäßig billig mit dem Film in der Originalsprache eine oder mehrere anderssprachige »Versionen«. Ihr Einfall, von mir dem Patentamt richtig serviert, führte zu dem DRP. 441 108 vom 7. September 1923.
Dieses Patent, in der Filmindustrie unter dem Namen »Gisela«-Patent bekannt, bekam beträchtliche filmische und wirtschaftliche Bedeutung. Ich glaube, daß die uns seinerzeit aus der geschäftlichen Auswertung dieser Idee zufließenden Mittel größer waren als alle Einkommen, die mir meine jahrelange, intensive technische Tonfilmarbeit einbrachte.
Gegenwärtig werden die geschilderten Sprachschwierigkeiten vorwiegend durch die komplizierten Methoden der »Nachsynchronisation« überwunden. Von besonderen Sprechern werden nachträglich den Mundbewegungen des Schauspielers angepaßte Tonaufnahmen in der gewünschten Sprache vorgenommen. Seinerzeit und viele Jahre lang war aber der Vorschlag meiner Frau das weitaus Einfachste. Dem Vernehmen nach wird dieses Verfahren neuerdings in Amerika wieder angewendet.
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