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Zum Verständnis der Bedeutung des Kinos in den 50er Jahren.

Großer Andrang um 1959

von Gert Redlich in 2013 - In den Besucher-Statistiken der Nachkriegsjahre ab 1946 bis etwa 1960 zeichnet sich ein ganz extremes "Auf" und (dann auch ein extremes) "Ab" einer kulturellen Einrichtung ab. - Die Zahl der neu eröffneten Kinos stieg damals steil an und natürlich stiegen auch die Kinobesuche an - auf über 850 Millionen Besucher pro Jahr und fielen dann aber auf weniger als 100 Millionen zum Ende der 1950er Jahre.

Welche Begleiterscheinungen dieser Jahre führten zu diesem Boom ?
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Aus dem Leben des (UFA-) Kinotechnikers Gerhard Redlich

Bei der späten Zeitzeugenbefragung des 92jährigen Vaters des Autors Gert Redlich kamen zwischen den Zeilen so manche Denkanstöße heraus.

Mein Vater baute viele Kinos auf beiden Seiten der Mosel, von Trier "ganz unten "angefangen bis "hoch" nach Koblenz. Und eine ganze Menge dieser Kinos wurden in den ganz frühen 50er Jahren auch im bis zu 20 Kilometer von der Mosel entfernten Hinterland errichtet.

Vater Redlich erzählte, daß in fast jeder größeren Scheune oder einem Pferdestall oder einem Tanzsaal oder der Turnhalle ein "neues" Kino gebaut oder "eingebaut" wurde.

Viele dieser Kinos waren sehr hart bzw. eng kalkuliert, im Umgangsdeutsch sagt man "auf Kante genäht". Eigentlich konnten die sich nie rechnen, dafür gab es zu wenige Einwohner im direkten Umfeld. Denn schon 20 Kilometer weiter oder sogar noch näher dran gab es bereits das nächste "Turnhallen"-Kino.
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Das Dorf . . . und der Tellerrand . . .

Irgendwann gabs auch Strom

Blicken wir zurück in die Zeit vor dem 2. Weltkrieg und auch kurz danach. Der normale Bewohner auf dem Land hatte vielleicht die lokale Zeitung, eher ein Blättchen - eine Art Gazette, - und vielleicht (vor dem Krieg) schon (s)einen Volksempfänger - und danach hatte er ihn vielleicht noch - und er hatte die Nachbarn, um sich irgendwie über sein Umfeld zu informieren.

Ansonsten gab es nur die Arbeit, die Arbeit und nochmals die Arbeit. Urlaub kannten dort auf dem Land in der tiefsten Provinz die Wenigsten. Auch von dem Leben in den Städten oder gar den deutschen Metropolen wußte nur der Dorflehrer und vielleicht noch der Pfarrer zu berichten.

Und wenn der Pfarrer oder der Priester solch einer Gemeinde
einmal in seinem Leben nach Rom fuhr, war es im Dorf jahrelang das Gesprächsthema Nummer eins. Telefon war damals sowieso selten, es waren wenige Anschlüsse in den Gemeinden und vor allem, es war teuer.
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Bereits ein normales Breitbildformat 1:1.88 mit Lichtton

Meine damals 82 jährige Nachbarin Frau Frieda Fritz hier in Wiesbaden- Bierstadt Vorort erzählte mir noch um 1974 ganz stolz, sie würde sogar 2 mal im Jahr "in die Stadt" fahren. Die Stadt - gemeint war Wiesbaden Innenstadt - war damals mit der Straßenbahn etwa 3 km von Bierstadt entfernt, und das ist auch heute noch so. Es war also ein richtiges Erlebnis, "in die Stadt" zu fahren. In den Dörfern an der Mosel muß es noch seltener gewesen sein, mal nach Koblenz oder Trier zu "dürfen" oder zu können. Es war in solch einem kleinen Ort eigentlich immer "tote Hose" - außer bei der Kirchweih oder der Kerb. Und dann kam endlich "das Kino" mit der Wochenschau.
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Und dann kam das Kino - die große weite Welt - mitten ins Dorf.

Fast jede Gaststätte hatte ein Kino im Saal
Die 1955er Filme haben alle einen Rotstich

Auf einer anderen Seite hier im Web habe ich geschrieben, das Kino war nach dem verlorenen 2. Weltkrieg das Haus der Träume und der Phanatasien.

War im 3.Reich das Kino eine reine Propaganda- veranstaltung mit geduldetem Vergnügungseffekt, wandelte es sich nach dem Krieg zum 2 stündigen zwanglosen Vergnügen mit Informationseffekt durch die Wochenschauen. Endlich konnte man mal einen Blick in die anderen Ecken der Welt werfen und das sogar fast 52 mal im Jahr.

Jetzt hatte man die große weite Welt mitten im Dorf. Nicht alle Kinos - aber viele der etwas größeren Kinos mit über 200 Plätzen - hatten nach 1954 dann auch die Cinemascope Technik mit dem damals gigantischen supertollen Breitbild nachgerüstet und in diesen Kinos wurde nach der normalen Film-Werbung (Langnese- und HB Männchen Werbung usw.) im sogenannten 4:3 Postkartenformat sehr oft auch der ca. 5 Minuten lange sehr beeindruckende Zigaretten-

Werbetrailer von Peter Stuyvesant

gezeigt.
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Und dieser Cinemascope Trailer war sehr beeindruckend.

Ein Hubschrauber fliegt des Nachts über die die ganze superbreite Cinemascope Leinwand (1 : 2.55) füllende Silhuette des New Yorker Lichtermeers und suggeriert so den "Duft der großen weiten Welt". Das war der Slogan auf den Kippen dieses Herstellers.

Ich habe es erlebt, daß die Zuschauer geschlossen aufgestanden waren und frenetischen Beifall geklatscht hatten, als diese Zigaretten-Werbung zuende ging. Vielleicht hatten sie ja gedacht, das wäre schon der Beginn des Hauptfilms.

Noch heute muß ich mir selbst zugestehen, dieser beeindruckende Werbefilm in atemberaubender Cinemascope Technik war damals so gut gemacht, daß mir als 16-jährigem der Rücken kribbelte - wie bei dem Udo Jürgens Lied "Ich war noch niemals in New York".
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