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Ein Artikel aus einem Buch von 1984

Aus dem Buch

Eine Frankfurter Kino-Chronik 1984

haben wir einige Artikel, die direkt mit unseren Themen in Verbindung stehen, ausgewählt.
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Das Jahr 1932 (Herbert Stettner)
Eine Tagung und was danach kam

Für die Frankfurter Kinobesitzer gab es im Jahr 1932 ein wichtiges Ereignis: der »Reichsverband Deutscher Lichtspieltheaterbesitzer« lud für die Zeit vom 23. bis 26. Mai seine Mitglieder zur »Reichs-Verbandstagung« in das Hotel Bristol am Frankfurter Hauptbahnhof ein.

Die Wirtschaftskrise hatte bedrohliche Ausmaße angenommen. Im Februar 1932 zählte man 6 Millionen Arbeitslose. Die Tariflöhne waren um rund 20% gesunken. Seit dem 24. April 1932 stellte die NSDAP die stärkste Fraktion im Preußischen Landtag.

Der wirtschaftliche Niedergang hatte längst auch die Filmbranche ergriffen. Waren 1929 noch 145 Spielfilme neu im Verleihangebot, so waren es 1932 nur noch 108. Auch die Frankfurter Kinos bekamen die Krise zu spüren. Man zählte 1932 fünfzehn Konkurse. Die noch bestehenden 44 Kinos hatten einen schweren Stand.

Fast nur Militärschwänke in den Kinos

Generalfeldmarschall von Hindenburg war am 10. April 1932 wieder zum Reichspräsidenten gewählt worden und unter den »Kino-Schlagern der Saison« findet man in diesem Jahr vor allem Militärschwänke, wie »Mutter der Kompagnie«, »Ja, treu ist die Soldatenliebe«, »Schön ist die Manöverzeit« und »Der Stolz der 3. Kompagnie«. Neben »Panzerkreuzer Emden« und »Der Choral von Leuthen« steht einsam auch ein Antikriegsfilm, wie »Die andere Seite«.

Die wirtschaftliche Krise und die politischen Ängste

In Frankfurt hatten damals 22 deutsche und ausländische Filmverleiher ihre Niederlassungen. Die wirtschaftliche Krise und die politischen Ängste kamen deutlich in den Grußbotschaften zum Ausdruck, die der Kinobesitzer-Tagung in Frankfurt gewidmet wurden.

Ludwig Scheer, der Präsident des Reichsverbandes Deutscher Lichtspieltheaterbesitzer, richtete in der Tagungs-Festschrift aufrüttelnde Worte an die Mitglieder. »Laßt Euch durch nichts abhalten!«, heißt es in seinem Aufruf, „Stellt alle Sorgen in die Ecke, kommt nach Frankfurt und lernt, wie man mit allen Schwierigkeiten fertig werden kann, wenn man muß. Laßt Euch von dem Optimismus der Hessen und Hessen-Nassauer anstecken, von dem leichteren süddeutschen Auffangen und Abwehren der auf Euch liegenden Schwierigkeiten!«

Tendenziell sehr unterschiedliche Vorträge von 1932

Robert Matter, der Vorsitzende des gastgebenden hessischen Landesverbandes, schwelgte in seinem Grußwort: »Der Hessische und Hessen-Nassauische Verband zählt mit zu den größten, aktivsten und am straffsten organisierten Lichtspieltheaterbesitzer-Verbänden in Deutschland. Seine Mitglieder sind ziel- und standesbewußt und pflegen Solidarität und Kollegialität.«

Matter wies auch auf das gerade im Gange befindliche Goethejahr hin.

Ludwig Klietzsch, der Vorsitzende der »Spitzenorganisation der Deutschen Filmwirtschaft«, meinte in seiner Botschaft: »Das notleidende Volk braucht den Film, um seine Sorgen vergessen zu können und neuen Lebensmut zu schöpfen.«

Höchst kritische Worte waren von Dr. Karl Altheim zu lesen, dem Vertreter des Frankfurter Magistrats. Dieser Wirtschaftsfachmann meinte, die Kinokrise sei nicht mit »altbekannten Schmalztenören mit neuen Schlagern« zu bewältigen und auch nicht mit den »Serien sattsam genossener Kasernenhöfe«. Der Sozialdemokrat Altheim warnte die Kinobranche: »Die Zeit des Erfolgs der konfektionierten Durchschnittsfilme ist vorbei«, und er riet: »Die Produktion nehme die jungen Kräfte der Kollektive, die anonyme Masse des Volkes in den Film hinein.«

Die Warnungen vor "Fehlentwicklungen" gab es schon

Hermann Rosenfeld, Leiter des »Heros-Filmverleihs«, mahnte: »Jeder schwere Kampf zeitigt gefährliche Momente, zwingt in Hast und Eile nach Auswegen zu suchen und leider öfters mit verkehrten Mitteln zur Linderung der Not zu greifen.«

Er warnte vor »Hysterie« und »falschen« Wegen. Die Diskussionen während der Frankfurter Verbandstagung waren ganz von den erheblichen Einnahmerückgängen an den Kinokassen geprägt, die eine Folge der Massenarbeitslosigkeit und der stark gesunkenen Kaufkraft waren.

Die Politik der Notverordnungen und der wachsenden Steuerlasten standen im Mittelpunkt der Erörterungen. Auch an den Entscheidungen der Filmzensur wurde Kritik geübt. Während die liberal Orientierten unter den Kinobesitzern für mehr Freiheit und Unabhängigkeit in der Branche eintraten, propagierten »nationale« Kreise »Geschlossenheit«, »Einigkeit« und »Willen zur Tat«.

Das braune Gedankengut war deutlich zu hören

Wie dieser »Wille zur Tat« zu verstehen war, hatten die Nazis durch ihre im Frühjahr 1932 gegründeten »Nationalsozialistischen Verbandszellen Deutscher Lichtspieltheaterbesitzer« verkünden lassen.

In den »Richtlinien« dieser NS-Organisation wurde zur »Gesundung« des Gewerbes »die Ausschaltung der Juden und des jüdischen Geistes aus der Filmkunst und Filmwirtschaft« gefordert. Die »Säuberung« des Films von »undeutschen Elementen« wurde als Allheilmittel gepriesen, mit dem man das Kino zum »Kulturgut des ganzen Volkes« machen werde.

An die »deutschbewußten« Kinobesitzer richteten die Nazis 1932 den Aufruf »Uns kann kein Putsch- und Kriegsgestammel, keine Lügenflut der Rotationssynagogen irre machen. Vorwärts zum Aufstieg durch Adolf Hitler!«

Die Nationalsozialisten aquirierten geschickt neue Mitglieder

In diesem Sinne agitierten die NS-Zellenmitglieder auch auf der Frankfurter Kinobesitzertagung. Ihre Haßtiraden richteten sich gegen »auf Pazifismus eingestellte jüdische Machwerke« und die »Verächtlichmachung deutschen Soldatentums«, Das »volkszersetzende Bestreben gewisser Kreise« sollte unterbunden werden.

Die Nazis bemühten sich, als »Sachwalter« des »unterdrückten Mittelstandes« zu erscheinen, dem ihr »Führer« ganz besonders zugeneigt sei. Neue Mitglieder für ihre »Zellen« warben sie mit dem Versprechen, jeder könne in ihre Reihen eintreten, »ohne daß er sein Kino zu politisieren brauche«. Im Frankfurter Hotel Bristol kam es zu stürmischen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf einer der Hauptwortführer der Nazis von der Delegiertensitzung ausgeschlossen wurde.
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Bereits 1932 merkwürdige neue Verordnungen

Auch wenn die Nazis bei der Frankfurter Tagung nur eine Minderheit bildeten, gab es längst regierungsamtliche Signale, die sie als Ermutigung empfinden konnten. Der Hauptausschuß des Preußischen Landtags hatte z. B. 1932 bereits einen Antrag der NSDAP angenommen, der eine listenmäßige Zusammenstellung aller in staatlichen Kultureinrichtungen beschäftigten Ausländer und Juden forderte.

In diese »Erfassung« waren auch alle im Kulturbereich Tätigen einzubeziehen, die ihre deutsche Staatsbürgerschaft erst nach 1914 erworben hatten.

Und es gab 1932 bereits eine »Reichsfilmstelle der NSDAP«

Nach dem Ausschluß eines ihrer Hauptagitatoren von der Frankfurter Tagung zogen sich die NSDAP-Mitglieder zu Beratungen im eigenen Kreis zurück. Auf dem Laufenden gehalten wurden sie von Robert Matter, dem Vorsitzenden des hessischen Landesverbandes der Kinobesitzer, dem Gastgeber der Reichsverbandstagung, der sich auf die Seite der Nazis geschlagen hatte.

Mit ihren Provokationen fanden die braunen Kinofunktionäre in Frankfurt offenbar doch Zuneigung, denn sie verkündeten hinterher, daß sich zahlreiche Kinobesitzer den NS-Zellen angeschlossen hätten. Die »Reichsfilmstelle der NSDAP« brüstete sich »Die Frankfurter Verbandstagung hatte einen durchschlagenden Erfolg für uns«.
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Erste Anzeichen von Gewalt gegen Andersdenkende

Daß dieses »Durchschlagen« ganz wörtlich zu nehmen war, zeigte ein Vorfall während der Frankfurter Tagung. In einem Lokal in der Nähe der Kaiserstraße begegneten sich eines Abends Hermann Rosenfeld, der Direktor des Heros-Filmverleihs und der NS-Reichsfilmstellen- Funktionär Carl Neumann. Der Jude Rosenfeld sagte zu dem Nazi: »Ich verstehe nicht, Neumann, daß ein so vernünftiger Mensch wie Sie einer derartigen Bewegung angehören kann.« Die Antwort des Braunen war ein Kinnhaken.

Der "Staatsstreich" vom 20. Juli 1932

Wenige Tage nach der Frankfurter Kinobesitzer-Konferenz am 1. Juni 1932 wurde Franz von Papen Reichskanzler. Am 20. Juli 1932 wurde die demokratische preußische Regierung durch einen Staatsstreich beseitigt. Der Zentrumspolitiker von Papen arbeitete Hitler zielstrebig in die Hände.

Auch in Frankfurt wuchs der Einfluß der Nazis beträchtlich. 1929 hatten sie nur 9 Sitze im Stadtparlament, im März 1933 erreichten sie 42 Sitze (47,9 %).

Gleich im März 1933 - ging die NS Diktatur los

Am 13. März 1933 umstellten SA und SS das Frankfurter Rathaus. Die Polizei drang in den Römer ein und nahm Mitglieder des Magistrats in »Schutzhaft«.

Für die neuen Machthaber war es eine »Hauptveranlassung«, auch »aus dem Filmleben alles auszuschalten, was rein mentalitätsmäßig und rassenmäßig« ihrem Denken »nicht folgen konnte«.

Sie handelten rasch und verkündeten: »Die Ausschaltung der nichtarischen Künstler konnte 1933 verhältnismäßig schnell vonstatten gehen.« Auch in Frankfurt schlugen sie zu, wo sich politischer Widerstand regte.

Der 26jährige Filmvorführer Kurt Isaac wurde 1934 zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt. Im KZ Dachau haben sie ihn ermordet.

Fritz Wagner, ein der KPD angehöriger Filmvorführer, erhielt 1935 wegen seiner Widerstandsarbeit 3 Jahre Zuchthaus.

Den Filmkaufmann und Regimegegner Walter Hammer verurteilte man 1943 zu einem Jahr und neun Monaten Zuchthaus. Hinterher steckte man ihn in das berüchtigte Strafbataillon 999.

Nach dem Krieg war Walter Hammer Verleihchef bei Metro-Goldwyn-Mayer in Frankfurt am Main.

Else Schneider, eine der SPD angehörende Filmoperateurin, wurde als Widerstandskämpferin 1943 zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt.
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  • Anmerkung : Konträr und unverständlich dann genau das Gegenteil :

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Der einstige Leiter der Außenstelle Frankfurt der Reichsfilmkammer wurde nach dem Krieg Leiter des Filmreferats bei einer Bundesbehörde in Frankfurt am Main.
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von Herbert Stettner in 1984
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Quellenhinweis

Festschrift zur Tagung des Reichsverbandes Deutscher Lichtspiel-Theater-Besitzer, Landesverband der Lichtspiel-Theater-Besitzer (Hrsg.), Frankfurt am Main, 1932.

Filmtheaterführung, Zweiter Band, Vorträge des zweiten Schulungsjahres, Fachschule der Filmtheaterbesitzer (Hrsg.), Berlin, 1936.

Carl Neumann, Curt Belling, Hans-Walther Betz, Film-»Kunst«-Film-Kohn - Film-Korruption, Berlin, 1937.

Partei und Film, Mitteilungsblatt der Gaufilmstelle Hessen-Nassau der NSDAP (Hrsg.), versch. Folgen, Frankfurt am Main, 1938.

Zwischen Römer und Revolution, SPD-Unterbezirk Frankfurt (Hrsg.), Frankfurt am Main, 1969.

Barbara Mausbach-Bromberger, Arbeiterwiderstand in Frankfurt am Main gegen den Faschismus 1933 - 1945, Frankfurt, 1976.
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