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Eine Frankfurter Kino-Chronik aus dem Jahr 1984

Der Titel ist etwas unscharf formuliert, fast schon mißverständlich, denn es geht um die Entwicklung des Films und des Kinos mit Bezug auf den Anteil Frankfurts an dieser Entwicklung. In der Einleitung beschreibt Herbert Stettner, der Koordinator von über 60 Beiträgen, was er damit bezweckt hatte. Ein paar ausgewählte Artikel finden Sie bei uns hier im Museum.

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Vorwort

Zur Geschichte des Films existiert eine umfangreiche und ständig wachsende Literatur. Sie beschreibt weltweit die filmhistorischen Entwicklungen, schildert nationale Bereiche, analysiert wichtige Zeitabschnitte, untersucht Filmgattungen, dokumentiert Werke bedeutender Filmschöpfer, aber auch Stilrichtungen und Schulen; sie zeigt das Kino in seinen politischen, ästhetischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interdependenzen.

Jüngere zusammenfassende Darstellungen wie die von Friedrich P. Kahlenberg in dem Band »Kultur« der von Wolfgang Benz herausgegebenen Geschichte der Bundesrepublik stellen die Hauptlinien der bundesrepublikanischen Entwicklung dar :

Wie zunächst eine starke personelle Kontinuität nach 1945 und die »Überläufer«, also die schon vor 1945 abgedrehten, aber dann erst fertiggestellten Filme, das Substrat einer Aera von Heimat- und Schicksalsfilmen wurden, denen gegenüber die Verarbeitung jüngster deutscher Geschichte und die realitätsgerechte Darstellung des aktuellen Geschehens eine nur mäßige Chance hatten.

Die Filmförderung

Ferner: Wie die Filmförderung sich weitgehend auf Wirtschaftsförderung konzentrierte, und wie dann aus dem tiefsten Niedergang bundesdeutscher Filmproduktion über den Kurzfilm, über den langen Dokumentarfilm und schließlich über das »Oberhausener Manifest« von 1962 das »Wunder« des »Jungen Deutschen Films« entstand, das nun auch schon in die Jahre gekommen ist: jenes lebendige, vielgestaltige Filmschaffen von einer Qualität und sinnlichen Kraft, von der man vorher nur träumen konnte.

Aber sooft in solchen Darstellungen einmal von »Filmkultur« als einer auf Ort, Zeit und Publikum bezogenen Größe die Rede ist, werden allenfalls die kommunalen Kinos angeführt. Wie das Kino als adäquates Kommunikationszentrum insbesondere der Jüngeren für die Wahrnehmung von sozialer Realität und für die Diskussion zeitgenössischer Wertvorstellungen denn wirklich an der lokalen Basis funktioniert, das hat bisher aber niemand begreifbar gemacht.

Die hier nun von Herbert Stettner herausgegebene Frankfurter Kinochronik ist dem Film im kleinräumigen Bereich einer Stadt auf der Spur. Diese kommunale Kinogeschichte geht davon aus, daß der Film erst lebendig wird, wenn seine Bilder mit ihrem jeweiligen Publikum an einem konkreten Ort zusammentreffen.

Was ist Kino wirklich ?

Film ist eben keine abstrakte Sache, sondern ein Medium im dialektischen Prozeß zwischen Autoren, Vermittlern und Publikum. Filmgestalter und Kinogänger denken und handeln bzw. reagieren unter konkreten Umfeldbedingungen, wobei den Empfindungen, Meinungen und Rezeptionshaltungen des Publikums auch und gerade unter den spezifischen lokalen Gegebenheiten eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt.

Kino, das war und bleibt das Erlebnis von Menschen in ganz unterschiedlichen Daseinssituationen, mitgeformt von den jeweiligen Erwartungen und Reaktionsweisen; wirksam mitgestaltet auch durch Einflußnahme auf Kinoprogramme, durch Aktivitäten von Besucherorganisationen und Bildungseinrichtungen und zunehmend auch durch selbständige Produktionsversuche im lokalen Bereich.

Filmkritik und Filmpublizistik

Filmkritik und Filmpublizistik, das Bemühen der am Film interessierten örtlichen Institutionen und Initiativen, aber auch mancherlei andere filmferne oder hautnahe lokale Faktoren prägen und verändern die filmkulturelle Situation einer Stadt. Im Zuge des wachsenden Interesses an unserer Vergangenheit beobachten wir eine zunehmende Hinwendung zu den geschichtlichen Entwicklungen in »kleinen« Bereichen, in Städten, Stadtteilen, Vereinen, gemeinnützigen Organisationen, Betrieben, Berufssparten, örtlichen Gewerkschaften und Parteigliederungen usw.

Da liegt es nahe, auch der Entwicklung von Kino in einer Stadt und dessen Beitrag zur Urbanität nachzuspüren. Wie kaum ein anderes Massenmedium zuvor hat der Film Meinungen, Empfindungen und Träume von Generationen tiefgreifend mitgeformt, aber auch extensiver als Literatur oder die bildenden und darstellenden Künste.

Die Idee zu einer Frankfurter Kinochronik

Die Idee zu einer Frankfurter Kinochronik kam von Herbert Stettner und Willi Vöbel, sie entwickelten gemeinsam die Grundgedanken.

Herbert Stettner entwarf die Konzeption, wählte die Autoren aus und betreute die Herausgabe des Buches, dessen Produktion beim Frankfurter Eichborn Verlag in guten Händen lag und von der Georg und Franziska Speyer'schen HochschulStiftung finanziell ermöglicht wurde.

In den Beiträgen von 63 Autoren wird in der filmkulturellen Entwicklung gleichzeitig ein Jahrhundert Frankfurter Stadtgeschichte wieder lebendig. Dabei wird deutlich, wie das Medium Film das Leben der Menschen in Frankfurt am Main mitgeformt hat und wie umgekehrt alltägliche Ereignisse den Film in Frankfurt in dieser Zeit beeinflußt haben.

Dabei drängen alle wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Bereiche ins Blickfeld. Es wird deutlich, daß die Mainmetropole zwar niemals wie Berlin oder München eine Stadt der Filmproduktion gewesen ist, wie sie gleichwohl aber auf vielfältige Weise für die Entwicklung des Kinos immer impulsgebend war und auch geblieben ist.

Frankfurts Bedeutung für den Film

Frankfurts Bedeutung für den Film liegt vor allem in der kritischen journalistischen Beschäftigung und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Medium Film. Während Frankfurter Geschichtswerke aus politischer, wirtschaftlicher und kunstbezogener Perspektive schon Legion sind, wird mit der Chronik »Kino in der Stadt« erstmals der Versuch unternommen, ein Kapitel kommunaler Zeithistorie vor dem Hintergrund eines modernen Massenmediums sichtbar und erklärbar zu machen: Kino und Film als Konstituens eines sozialen Zusammenhanges, beide nicht in Luxusfunktionen, sondern als Lebensnotwendigkeit.

Herausgeber und Autoren haben eine möglichst umfassende Dokumentation angestrebt und weitgehend auch erreicht. Manche Zeitabschnitte und mancherlei Bereiche und Aktionsgebiete konnten freilich nur im Ansatz erfaßt werden, weil eine vollständige Aufarbeitung des Gesamtkomplexes den Rahmen des Buches gesprengt hätte.

Der Erforschung und Dokumentierung etwa des hiesigen Kinobetriebs der Nazizeit, der Erstellung einer umfassenden Programm-Historiographie der Frankfurter Kinos und einer Beschreibung der sich aktuell in Frankfurt entwickelnden Filmemacher-Szene müssen künftige Bemühungen gelten.

Wie geht es weiter mit angedeuteten Themen ?

Beste Voraussetzungen dafür bietet das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt am Main, das zusammen mit dem Deutschen Institut für Filmkunde im selben Haus am Schaumainkai das größte Film-Dokumentationszentrum in der Bundesrepublik ist und für die Filmforschung ideale Voraussetzungen hat und damit auch die Gewähr dafür bietet, daß die begonnene kommunale Frankfurter Kino-Chronik Kontinuität findet. Mit diesem Anfang wurde ein solider Grundstein gelegt, auf dem sich gut bauen läßt.

Herbert Stettner verdient besondere Anerkennung für seine dreijährige, mühevolle editorische Arbeit. Ein ganz besonderer Dank gebührt den Autoren, denn nur durch ihre hilfreichen Beiträge konnte das Werk gelingen.

Zu wünschen bleibt nur noch ein möglichst breiter Vertrieb dieser Chronik sowie deren kritische Auswertung und Nutzung für die weitere Entfaltung von Filmkultur nicht nur in Frankfurt am Main.

Hilmar Hoffmann (Frankfurt am Main 1984)

Wir haben hier nur ausgewählte Artikel aufgenommen.

Die Links zu den Seiten folgen hier, denn einige (z.B. das DRA = Deutsche Rundfunk-Archiv) sind themenbedingt auch im Hifi-Museum zu finden.

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