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Eduard Rheins Buch über sein Leben (1990)

Der langjährige Chefredakteur der HÖRZU schreibt über sein Leben, seine Jugend, seine Zeit in Berlin bis 1945, den Wiederanfang 1946 und die Zeit im Springer-Verlag in Hamburg. So sind es fast 480 Seiten, bei uns im Fernsehmuseum etwa 120 Kapitel, in denen so gut wie alle "Größen" dieser Zeit vorkommen. Und er schreibt als 90jähriger rückblickend über die Zeit und sich selbst. Darum lesen Sie hier natürlich seine Sicht der Ereignisse bzw. "seinen Blick" teilweise durch die "rosarote Brille". Das sollte man beachten und verstehen. Die Inhaltsübersicht finden Sie hier.

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Kapitel 75
1947 - Das erste Jahr, das schwerste Jahr

Nach den fröhlichen Weihnachten viel Glück im neuen Jahr? Es schien so. Der Start war gelungen, die Zeitschrift wurde uns aus den Händen gerissen, und die nötigen Papierrollen für weitere Hefte waren unterwegs. Was konnte uns nun noch passieren?

Alles! Das Jahr 1947 wurde das schrecklichste in der Geschichte von HÖR ZU. Es war nicht der Hunger, nicht menschliches Versagen, nicht Hilflosigkeit oder mangelnde Hilfsbereitschaft, es war nicht einmal die beängstigend wachsende Geldentwertung - entscheidend war die grausame Kälte, die zu immer neuen Gewaltanstrengungen zwang.

Schon die erste Nummer des neuen Jahres konnte nur in einem Umfang von zwölf Seiten erscheinen - und ohne Farbe:

»Die katastrophale Lage der Kohlen- und Stromzufuhr zwingt uns zu Kürzungen. Hoffentlich können wir Ihnen HÖR ZU nächste Woche wieder farbig auf den Tisch legen.« - Dabei hatten wir die farbige Sechzehn-Seiten-Nummer schon druckfertig vorbereitet.

Alle Arbeit umsonst.

In höchster Eile eine völlig neue Ausgabe zaubern ... Dann wieder zwölf Seiten und farbig. Dann Heft 5 mit zwölf Seiten, aber nur schwarz. Auf der Titelseite - sehr zugkräftig - ein Meisterporträt von Evelyn Künneke mit einem sündigsüßen, steinerweichenden Blick. Sogar die braven Soldiers klebten Evelyns aufregendes Foto in ihre Spinde ...

Rin in de Kartoffeln - raus aus de Kartoffeln! - Heft 6 wieder farbig.
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1947 - Dann zweimal überhaupt keine HÖR ZU.

»Frost und mangelhafte Stromversorgung haben die Maschinen stillgelegt. Wir bitten um Nachsicht...«

Das folgende Heft - zwölf Seiten - berichtete sehr Wichtiges für die Weiterentwicklung des Rundfunks: Dr. Ing. Werner Nestel wurde vom englischen Kontrolloffizier in sein Amt als technischer Direktor des NWDR eingeführt.

Erfolg mit der Erinnerung an die alten (Musik-) Zeiten

In diesem Heft startete ich die Serie: >Wo sie blieben - und was sie trieben.< Beginn mit Benjamino Gigli. Dann Zarah Leander, Marlene Dietrich, Lilian Harvey, Pola Negri, Paul Hörbiger, Olga Tschechowa ...

Diese Serie wurde jahrelang von unseren Lesern mit brennendem Interesse verfolgt, denn keiner wußte, was aus den Lieblingen von Film, Funk und Bühne geworden war. Lebten sie noch, oder lagen sie unter Trümmern begraben? Hatten sie sich - wie Tauber und einige andere - ins Ausland retten können? Wurden sie in der Ostzone (die russisch besetzte Zone) festgehalten? Und was war aus dem ungarischen Operettenkomponisten Emmerich Kalman geworden, dessen Werke man verbrannt und dessen Melodien man verboten hatte? Was aus dem Ungarn Paul Abraham?

Sie alle aufzustöbern kostete sehr viel Zeit und Mühe; wir waren immer gleichzeitig hinter fünf oder sechs verlorengegangenen Stars her.

Will war unser Ansporn für ein Übermaß an Selbstdisziplin

Das katastrophale Hin und Her: mal acht, mal sechzehn Seiten, mal in Farbe, mal schwarz, mal braun, bleibt das ganze Jahr. Bei acht Seiten müssen wir sogar das rechte Viertel der Titelseite mit Text belegen. Ein sorgfältiges Disponieren ist unmöglich. Was in dieser Zeit an vorbereiteter Arbeit weggeworfen und in fliegender Hast neu geschaffen werden mußte, ist unbeschreiblich.

Meine Mitarbeiter werfen mehr als einmal verzweifelt das Tuch: »Unmöglich - unmöglich!«

Ein Wort für feige Herzen! Oft habe ich nachts frierend in der Druckerei gestanden und den Setzern den neuen Text in die Maschine diktiert. Ohne Wills Hilfe und ein Übermaß an Selbstdisziplin hätte auch ich aufgeben müssen. Trotzdem brachte HÖR ZU immer wieder zugkräftige Titelseiten; dafür sorgte Will.

Kapitel 76
Hamburg - Johnsallee, Tel 444444

Der technische Direktor des NWDR, Dr. Werner Nestel, kündigte seinen Besuch an. Und den bereitete ich liebevoll vor. Zunächst einmal hatte ich dafür gesorgt, daß alle Redakteure anwesend und zwei Zeichner zu Besprechungen in der Redaktion waren - >auf daß das Haus voll werde<.

Nestels Schreck saß tief

Nestel prallte zurück. - »Was, hier in diesem ...« - »Ja, sprechen Sie's nur aus: In diesem Saustall machen wir HÖR ZU. Und das schon über ein Jahr lang.«
»Unglaublich!«

»Die Engländer haben sich die größte Mühe gegeben, ein zerfallendes Haus in der Johnsallee für uns freizuboxen. Leider ohne jeden Erfolg. Die Bürokratie ist dagegen.«

Nestel hielt sich nicht lange in unserem Tanzsaal auf: »Ich finde die Zustände, unter denen Sie hier leben und arbeiten müssen, skandalös. Können Sie mir das Haus in der Johnsallee zeigen?« - »Es liegt ganz in der Nähe.«
Wir gingen hin.

Direktor Nestel setzte sich kräftig für uns ein

Nestel besah sich die ehemalige Villa kopfschüttelnd von allen Seiten. - »Das ist tatsächlich eine Ruine; aber wenn Sie den Mut und die ungeheure Mühe aufbringen wollen, sie instand zu setzen - werde ich nichts unversucht lassen, sie den Bürokraten zu entreißen, und heute noch mit dem Bürgermeister sprechen. Die Stadt sollte doch froh sein, daß Sie sich überhaupt bereit gefunden haben, nach Hamburg zu kommen, um hier aus dem Nichts eine Rundfunkzeitung zu machen.«

Nestel sprach zunächst mit dem Bürgermeister, holte sich dessen grundsätzliche Zustimmung und kämpfte dann mit der ihm eigenen Zähigkeit gegen die zuständigen Beamten, die tausendundein Bedenken hatten. Was den noblen Engländern nicht gelungen war, erreichte er überraschend schnell.
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Sie können einziehen, sobald Sie wollen!

Drei Tage später rief er an: »Sie können einziehen, sobald Sie wollen!« Kaum zu glauben! Das Haus wurde uns >vorübergehend< gegen eine monatlich zu zahlende Anerkennungsgebühr freigegeben.
Gleichzeitig mußte natürlich ein verzwickter Papierkrieg mit dem nicht auffindbaren Eigentümer bzw. dessen verschollenen Erben angelassen werden. Eine aussichtslose Sache, der sich Moische sofort mit ganzem Einsatz widmete.

Der Zustand der ehemaligen Villa war einfach trostlos. Regen und Schnee, Frost und Wind hatten wegen des beschädigten Dachs und der zerbrochenen Fenster schwere Schäden angerichtet.

Im Souterrain des Hauses saß noch der alte Hausmeister Streichahn mit seiner Frau und fror. Er war glücklich, daß das Haus in Ordnung gebracht werden und er wieder eine >Herrschaft< bekommen sollte.

Johnsallee Ecke Rothenbaumchaussee

Die >Johnsallee<, wie wir das Haus von Anfang an genannt hatten, stand auf einem Eckgrundstück an der zur Rothenbaumchaussee führenden Johnsallee und der Feldbrunnenstraße. Der Hauseingang lag in der Feldbrunnenstraße. In ihr - schräg gegenüber - befand sich das zuständige Polizeirevier. Ein besonderer Glücksfall, denn wir standen dadurch gewissermaßen unter Polizeischutz. Die Beamten waren von Anfang an bemüht, uns zu helfen, und haben mitunter selber mit Hand angelegt, damit in >ihrem< Revier ein Schandfleck beseitigt werden konnte.

Immer half eine Packung Navy Cut - die Zigarettenwährung

Sie beschafften uns Dachdecker, Glaser, Tischler, die zwar nur ausbessern konnten, aber gegen Zigaretten und eine Büchse Cor-ned-beef oder Milchpulver und Kakao manches anschleppten, was sonst nirgends aufzutreiben war. Für fünfzig heile Dachziegel aus Trümmergrundstücken zahlten wir nicht nur 200 Mark, sondern auch und vor allem eine Packung Navy Cut - die Zigarettenwährung stand damals hoch im Kurs.

Die Mark war in den Keller gerutscht. Sie galt offiziell 0,30 Dollar, ihr Kaufwert lag aber nur bei 0,01 Dollar. Ich hatte schon eine Inflation miterlitten und erwartete kein Wunder. Jetzt konnte nur eine Währungsreform Abhilfe schaffen, und daß sie nun nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, stand für mich fest. Bis dahin mußte durchgehalten werden.

Die beispiellose Geschicklichkeit von Moische Covents

An einen zügigen Umzug war natürlich nicht zu denken. Will mußte zunächst einen Plan des Hauses aufnehmen, damit ich über Sekretariat, Redaktions- und Wohnräume disponieren konnte.

Die Wohnung in Hochparterre und ersten Stock hatte die Behörde nur widerstrebend für gewerbliche Zwecke freigegeben; der von Regen und Wind besonders schwer beschädigte, praktisch zunächst unbewohnbare zweite Stock durfte der Wohnungs-Bewirtschaftung nicht entzogen werden und wurde deshalb Will, meiner Wirtschafterin und mir >vorübergehend< als Notunterkunft zugeteilt, obwohl wir noch nicht einmal eine Zuzugsgenehmigung hatten. Alles Aufgaben für Moische Covents, der im Umgang mit Instanzen eine beispiellose Geschicklichkeit zeigte.

Noch eine Zweitwährung - Rundfunkröhren und Meßinstrumente

Ich hatte ihm gesagt, daß ich in meinen Kisten eine große Zahl der verschiedensten Rundfunkröhren, Meßinstrumente und dergleichen aus meinem Labor mitgebracht hatte und einen Teil davon als Tauschobjekte gegen einfache Büromöbel anbieten könnte.

Knapp eine Woche später hatte er den idealen Tauschpartner gefunden: die - Bundesbahn! Sie suchte dringend Verstärker- und Gleichrichterröhren sowie Meßinstrumente und war bereit, dafür in ihren Tischlerwerkstätten schlichte, ungeheizte und unlackierte Arbeitstische, Stühle und Schränke anfertigen zu lassen.

Zwölf funkelnagelneue Tische, vierundzwanzig Stühle

Das Tauschgeschäft war schnell abgewickelt. Wie Moische die Werte gegeneinander ausgewogen hat, weiß der Himmel. Auf jeden Fall fand ich eines Tages zwölf funkelnagelneue Tische, vierundzwanzig Stühle und sechs zweitürige Schränke in einem großen, leergefegten Raum der Johnsallee, lud meine Mitarbeiter zur Besichtigung ein, sah strahlende Gesichter und konnte sie kaum bremsen, der qualvollen Enge am Harvestehuderweg zu entfliehen und in - >menschenwürdige<, wenn auch noch so bescheidene Arbeitsräume umzuziehen. Sie schleppten den ganzen Tag über wie die Umzugsarbeiter ihren Bürokram in die Johnsallee, richteten sich nach meinem Plan >wohnlich< ein und bemerkten erst in letzter Sekunde, daß es auch dort kalt war und daß das Allernotwendigste fehlte: das Telefon.

Das Allernotwendigste fehlte: unser Telefon

Jetzt wurde die Post bestürmt. Die schaffte es, daß unser Anschluß schon am nächsten Tag in der Johnsallee lag. Die nicht immer hochwohllöbliche Presse hatte offenbar gewisse Vorrechte. Im Krieg hatte man so was eine hohe Dringlichkeitsstufe genannt.

An Drähtchen angelötete Glühbirnen

Lampen gab es nicht; nicht einmal Lampenfassungen. Ich lötete die Glühbirnen also einfach an die aus der Decke ragenden Leitungsdrähte. Von dort haben sie ihr spärliches Licht verstrahlt, bis eines Tages ihre tausend garantierten Lebensstunden abgelaufen waren; immer war anderes wichtiger und dringender gewesen als Beleuchtungskörper ...

Die Zentralheizung musste wieder laufen - und die Kohlen ?

Nun brauchten wir nur noch - in hellen Arbeitsräumen an nackten Tischen auf nackten Stühlen sitzend - zu frieren. Und das war doch schon was.
Das Haus hatte Zentralheizung. Ich ging in den Keller und sah sie mir an. Bis auf ein paar unwesentliche Kleinigkeiten schien sie in Ordnung zu sein. Ich ließ sie füllen, stellte fest, daß sie wasserdicht war, und bestellte einen Fachmann. Er fand, daß doch noch einiges zu machen sei; ich winkte mit Zigaretten und anderen Tauschobjekten und erreichte, daß die Heizung zwei Tage später betriebsbereit war. Das kostete den Verlag zwar über tausend Mark, aber mich - was viel schwerer wog - ein ganzes Care-Paket (für das mein Bruder nur zwanzig Dollar gezahlt hatte).

Kohlen aus dem Funkhaus

Jetzt war ein Besuch beim NWDR-Direktor Wirths fällig, jetzt mußte er helfen - und er half, von unserer immer wieder schwindsüchtigen HÖR ZU begeistert: Er ließ kurz darauf einen kleinen Teil der fürs Funkhaus bestimmten Kohlen in die Johnsallee umleiten. Herr Streichahn heizte uns sparsam ein - und die Temperatur wurde wenigstens erträglich.

Ein richtiges eigenes Redaktionshaus

Jetzt waren wir endlich in unserem Redaktionshaus! Ich druckte im Impressum sofort voll Stolz die neue Anschrift: Hamburg 13, Feldbrunnenstraße 47, und die heißerkämpfte neue Telefonnummer 44 4444.

Will blieb bei seiner hübschen ledigen Berlinerin, die ihr leichtes Mißtrauen gegen ihn schon längst abgebaut und ihm inzwischen für eine lächerlich kleine Miete und einige nahrhafte Schätze aus den USA ein unbenutztes Zimmer ihrer Wohnung überlassen hatte.

Unfreiwillige Putztage in Haus und Garten

Als hätte es das Schicksal in seinem unerschöpflichen Ratschluß besonders gut mit uns gemeint, sorgte es dafür, daß zwei Wochen später hintereinander zwei Hefte ausfallen mußten. Weshalb, weiß ich nicht mehr, obwohl ich in HÖR ZU Feiertage dafür verantwortlich gemacht habe.
Die freie Zeit nutzten alle gemeinsam, um unsere ehemalige Villa, so gut es ging, herauszuputzen.

Zwei gärtnerisch veranlagte Mitarbeiter beschäftigten sich im Vorgarten, hackten, harkten und pflanzten wie die Teufel. Da war kein Kloß, der ruhenblieb. Man trieb die Erde gar durchs Sieb.

Noch grünte und blühte es nicht, aber es sah schmuck aus, so wie das neue briefbogengroße Messing(!)- Schild HÖRZU-REDAKTION neben dem Hauseingang.

Dann zog auch in ein - unters Dach

Meinen eigenen Umzug mit den Kisten wagte ich erst, als das Dach in Ordnung gebracht, die Böden repariert, Glasscheiben in die öden Fensterhöhlen gesetzt und die Wände in einer silbergrauen Kalkfarbe vornehm gestrichen worden waren. Ich hatte eine schöngeschnittene, reichlich große Wohnung - ein Zimmer wurde später zweckentfremdet zum Labor -, ein Uraltsofa, eine Hängelampe mit emailliertem Blechschirm ... und sonst gar nichts.

Aber der Weg zu L'Arronge (unser Stammlokal) war nun wesentlich kürzer...

Eine glückliche Ära begann

Daß mit dem Umzug in die Johnsallee eine neue, fast möchte ich sagen, glückliche Ära begann, lag bestimmt nicht nur daran, daß wir besser untergebracht waren: Es lag was in der Luft ... Was nur? Die Kinder sangen eines Tages: »Der Frühling naht mit Brausen ...« War es das?

Freude und Dankbarkeit aus dem Mund Springers

Als es langsam wärmer wurde, rief Springer mich ab und zu an, um mich mit seinem schwarzen VW zu einer kurzen Spazierfahrt abzuholen. Er fuhr meist die Elbchaussee hinunter bis zu dem kleinen Park, der ehemals Privatbesitz gewesen war. Meist sprach er mir dann immer wieder seine Freude und Dankbarkeit aus und entschuldigte sich, daß er mir gerade in der schwersten Zeit am wenigstens habe helfen können.

Ausgeträumte Träume von Axel Springer

Seine Tenorträume hatten sich zwar in Dunst aufgelöst, doch wir sangen und summten Melodien aus tausend und einer Operette von Offenbach über Millöcker, alle Sträuße, Jarno, Zeller, Lehar, Kalman, Abraham und Künneke bis zu Nicks >Kleinem Hofkonzert<. Das waren kurze Intermezzi, in denen er und ich die Gegenwart vergessen konnten und fast so etwas wie Freundschaft zwischen uns entstand.

Im Grunde bin ich alles andere als ein Altonaer

Bei einem dieser Spaziergänge sagte Springer unvermittelt: »Ihre Vornamen Eduard Rudolf sind fast zu schön, um wahr zu sein.«
»Nicht schöner als Axel!«
»Diesen sinnigen Vornamen verdanke ich einem Irrtum meiner Mutter. Für ihren Sohn hatte sie sich natürlich königliche Vornamen ausgesucht: Alexander und Cäsar, Axel hielt sie für eine Kurzform von Alexander.«
»Wieso hielt?«
»Sehn Sie, so ist auch meine sonst sehr gebildete Mutter hereingefallen. Alex klang ihr zu vulgär, also ließ sie Axel ins Taufregi-ster eintragen. Als sie später erfuhr, daß Axel ein schlichter dänischer Vorname ist und mit Alexander dem Großen nichts gemein hat, war es gottseidank zu spät.«
Ich war damals froh, an einen so lebensbejahenden Verleger geraten zu sein. Und an einen so unternehmungslustigen. Er hatte eine ganze Anzahl verlegerischer Pläne, und von ihnen sprach er immer wieder. Dabei wirkte seine starke Vorliebe für alles Englische, auch in Kleidung und Möbeln, zuweilen irritierend oder sogar arrogant.
»Sie müssen wissen, daß ich im Grunde alles andere als ein Altonaer bin!«

Springer hatte da seit langem eine Idee - eine BILD-Zeitung

Seltsamerweise war es vor allem der DAILY MIRROR, der ihm imponierte, eine ebenso interessante wie verblüffende Nuance. Ich kannte diese englische Tageszeitung nicht, wußte nur, daß sie ein leichtgeschürztes Boulevardblättchen im Stil des ehemaligen TEMPO war.

»Eine solche Zeitung mochte ich eines Tages herausgeben. Ein Blatt für fünf Pfennige, das aber - vom bisherigen Stil aller Tageszeitungen abweichend - nur Bilder mit langen Bildunterschriften bringen soll, also eine echte Tages-Illustrierte.«
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Ich war skeptisch

Er glühte vor Begeisterung für diesen Plan und konnte nicht fassen, daß ich ihn für undurchführbar erklärte.

»Woher wollen Sie nur diese vielen hochaktuellen Fotos nehmen? So viele fotografisch erfaßte oder erfaßbare Ereignisse gibt es doch gar nicht.«
»Ja, heute!« erwiderte er. »Aber in zwei, drei Jahren wird es sie geben. Ich werde ein ganzes Heer von Bildberichtern in aller Welt für mich arbeiten lassen!«

Als ich eines Tages mit Voß darüber sprach, schüttelte er gutmütig lächelnd den Kopf: »Nur langsam mit die jungen Pferde! Ich weiß, das ist eine Lieblingsidee von ihm, aber ehe wir solche Experimente wagen, wollen wir erst einmal daran denken, eine solide Hamburger Tageszeitung herauszugeben.«

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