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Eduard Rheins Buch über sein Leben (1990)

Der langjährige Chefredakteur der HÖRZU schreibt über sein Leben, seine Jugend, seine Zeit in Berlin bis 1945, den Wiederanfang 1946 und die Zeit im Springer-Verlag in Hamburg. So sind es fast 480 Seiten, bei uns im Fernsehmuseum etwa 120 Kapitel, in denen so gut wie alle "Größen" dieser Zeit vorkommen. Und er schreibt als 90jähriger rückblickend über die Zeit und sich selbst. Darum lesen Sie hier natürlich seine Sicht der Ereignisse bzw. "seinen Blick" teilweise durch die "rosarote Brille". Das sollte man beachten und verstehen. Die Inhaltsübersicht finden Sie hier.

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Kapitel 50
Das Totenhaupt

Erst nach etlichen Wochen erschien in unserer Redaktion ein Mann in SS-Uniform, am Käppi die sattsam bekannte und sattsam gehaßte Totenkopf-Blechmarke. Er war etwa dreißig, mittelgroß und sah sehr gut aus - kein Bangemachertyp.

Er hatte sich angemeldet. Kapeller hatte uns alle in sein Zimmer geladen, und dann trat mit ruhig-festem Schritt der Mann ein, der zwar nicht als Redakteur tätig sein, wohl aber ein wachsames Auge darauf haben sollte, daß bei uns nicht quergeschossen wurde. Dafür hatte er die Verantwortung.

Guten Tag »Totenhaupt.«

Als er eintrat, schlug er ordnungsgemäß die Hacken zusammen und sagte: »Totenhaupt.«

Er sagte das korrekt, aber nicht schneidig drohend, ja eher freundlich, so daß ich ein kurzes, befreites Lachen nicht unterdrücken konnte. Alle sahen mich entsetzt an, der schwarze Mann böse. »Mit Ihnen möchte ich mich nachher unter vier Augen unterhalten.« Alle witterten Schlimmes. Kapeller wurde blaß. Er sah mich schon hinausgeschmissen oder gar verhaftet.

Ich ahnte kein Unheil

Nur ich ahnte kein Unheil; mir war dieser Mann sympathisch. Er sagte, daß er und seine Eltern die SIEBEN TAGE regelmäßig gekauft hätten, daß er also über unsere Arbeit bestens unterrichtet sei. Das war tröstlich, denn politisch hatten wir uns nie hervorgetan, wohl aber den Rundfunk und sein Programm stets kritisch unter die Lupe genommen. Allen voran der Herr Chefredakteur.

Kap atmete ein wenig auf, warf mir aber besorgt-warnende Blicke zu, denn das angedrohte Gespräch unter vier Augen und mein rheinisches Temperament machten ihm Sorge.

Unser "Gespräch"

Als die Einführung unseres Aufsehers beendet war, ging ich sorglos in mein Zimmer, doch der schwarze Mann kam gleich hinterher und schloß die Tür hinter sich.

»Weshalb haben Sie gekichert, als ich mich vorstellte?«

»Nun ja - Totenhaupt statt Totenkopf - der Ausdruck war mir neu. Haupt statt Kopf, das fand ich einfach zu geschwollen.«

Er musterte mich eine Zeitlang mißtrauisch, und ich dachte - gleich wird er explodieren. Statt dessen sagte er ganz ruhig: »Als ich mich vorstellte, habe ich meinen Namen genannt.«

»Und?«
»Haben Sie mich nicht verstanden?«
»Doch, aber...«
»Ich heiße Wolfgang Totenhaupt.«
»Wie? Was? - Sie heißen tatsächlich ...?« Ich konnte es nicht fassen.

Also ein Mißverständnis.

Er sah mir wohl an, daß ich aufs höchste überrascht war, griff sich einen Stuhl und sagte gelassen: »Sie gestatten?«
Das alles war so seltsam, daß ich ihn wortlos anstarrte. »Mein Name kam Ihnen also lächerlich vor?«
»Keineswegs - ich wußte doch nicht...«
»Schon gut! Also ein Mißverständnis.«
»... das ich sehr bedaure und wohl nur zu verstehen ist, weil Sie einem der Totenkopfverbände angehören.«
»Können Sie sich vorstellen, daß man mich einem solchen Verband zugeteilt hat, weil ich unglücklicherweise so heiße?«

Glücklich schien er nicht

Er sah mir wohl an, daß ich aufs höchste überrascht war, griff sich einen Stuhl und sagte gelassen: »Sie gestatten?«
Das alles war so seltsam, daß ich ihn wortlos anstarrte. »Mein Name kam Ihnen also lächerlich vor?«
»Keineswegs - ich wußte doch nicht...«
»Schon gut! Also ein Mißverständnis.«
»... das ich sehr bedaure und wohl nur zu verstehen ist, weil Sie einem der Totenkopfverbände angehören.«
»Können Sie sich vorstellen, daß man mich einem solchen Verband zugeteilt hat, weil ich unglücklicherweise so heiße?«

Aber ich hatte eine brilliante Idee

Ich nicke schweigend. Er sieht sich um, findet wohl nicht so recht, was er nun sagen oder mit welchen Worten er sich nun verabschieden soll.
»Vielleicht können Sie sich aber vorstellen, wie ein Mensch unter einem solchen Namen mitunter zu leiden hat.«

Der Mann, der da vor mir saß, war plötzlich wie verwandelt. Ich sah nicht mehr die verhaßte Uniform, ich sah nur noch den Menschen.
Plötzlich kam mir ein Einfall: »Aber warum ändern Sie Ihren Namen denn nicht?«
»Soll ich mich künftig etwa Schmitz oder Schulze nennen?«

»Keineswegs, aber Sie brauchen in Ihrem Namen doch nur einen einzigen Buchstaben zu ändern - und er ist plötzlich im Sinne Ihrer Partei der schönste Name, den man sich denken kann.«
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Aus Totenhaupt würde Gotenhaupt - genial

Er senkte den Kopf und sah mich von unten her halb mißtrauisch, halb erwartungsvoll an.
»Ersetzen Sie das T durch ein G - nennen Sie sich Gotenhaupt.«

»Gotenhaupt - Wolfgang Gotenhaupt«, flüsterte er vor sich hin, »Wolfgang Gotenhaupt« - als könne er es nicht fassen. Ich sah förmlich, was in seinem Kopf vorging. Dann sagte er leise:
»Gotenhaupt. - Ja! Eine geniale Idee! - Das werde ich Ihnen nie vergessen!«

Beinahe heimlich Freunde geworden ...

Er saß oder lief nun nicht ständig in unserer Redaktion herum. Aber wenn Umbruch war, dann las er sorgfältig Zeile für Zeile wie unter einem Zwang. Beanstandet hat er nie ein Wort.

Zu mir war er nach unserm Gespräch nicht etwa, wie Sie vermuten könnten, besonders freundlich oder zuvorkommend. Dieser Mann wußte, daß er mir in einem Notfall nur helfen konnte, wenn man an seiner kritischen Einstellung zur ganzen Redaktion nichts änderte. Doch waren wir - fast möchte ich sagen - heimlich Freunde geworden ...

Eine unsichtbare schützende Hand von oben

Schon einen Monat nach unserem Gespräch teilte er der Redaktion mit, daß sein Name durch eine >kleine Korrektur< geändert worden sei. Heute glaube ich, daß mir dieser Mann oft heimlich beigestanden, vielleicht sogar das Leben gerettet hat. Immer, wenn alle Angestellten des Hauses zu irgendwelchen öffentlichen Reden Hitlers, zu Veranstaltungen oder zum Spalierbilden befohlen wurden, hatte er für mich einen Auftrag, der mich davon befreite.

»Sie bleiben in der Redaktion. Wenn irgendwo auch nur der kleinste Fehler gemacht wird, haben Sie mir das sofort zu melden ...« - Es wurde nie ein Fehler gemacht; dazu war die ganze satanische Organisation zu gut gedrillt.

Durch ihn blieb ich von allem, was Nazi hieß, verschont. Kurz vor Kriegsende kam er dann plötzlich nicht mehr in die Redaktion. Ich habe nie wieder von ihm gehört.

Kapitel 51
Leben und Überleben (im 3. Reich)

Man hat mich oft gefragt, wie es denn zu erklären sei, daß ich während der ganzen Nazizeit nicht in irgendeiner Naziorganisation gewesen bin und sogar im >Deutschen Verlag< als Journalist an hervorragender Stelle arbeiten konnte.

Nun, die Maschenenge des Nazinetzes wird von vielen, die diese Zeit nicht miterlebt haben, oft überschätzt. Es gab Hunderttausende, die hindurchschlüpfen konnten. Ich weiß von Gegnern Hitlers, die im Ullstein-Haus vor den Nazis versteckt worden sind, nach dem Motto: Unter der Straßenlaterne ist es am dunkelsten.
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Unter der Straßenlaterne ist es am dunkelsten.

Hier nur zwei Beispiele aus meiner unmittelbaren (!) Nachbarschaft:
Eines Tages zog im Zimmer nebenan ein Mann ein, der mir bekannt vorkam, obwohl ich ihm noch nie begegnet war. Wenn wir uns zufällig begegneten, grüßten wir uns stumm, dabei hatte ich aber das Gefühl, daß er nicht angesprochen werden wollte.

Erst als Kapeller mir seinen Namen anvertraute, wußte ich, wo ich ihn früher ab und zu gesehen hatte: in unsern "SIEBEN TAGEN". Es war der gleich nach der Machtübernahme von den Nazis abgesetzte Intendant des Breslauer Senders Friedrich Bischof, der Verfasser der Romane >Die Goldenen Schlösser< und >Der Wassermann<. Sein Name stand nicht an der Tür seines Zimmers, so daß man annehmen mußte, er gehöre zu unserer Redaktion.

Dr. Roeseler hatte ihn dort versteckt. Mit Erfolg:
1946 wurde er Intendant des Südwestfunks Baden-Baden, einer der besten Intendanten, die der deutsche Rundfunk je gehabt hat. Er wurde hoch geehrt und erhielt 1965 die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik: den Stern zum Großen Bundesverdienstkreuz.

Noch einer bei uns auf Tauchstation

Und noch jemand war bei uns auf Tauchstation gegangen: Er saß in einem winzigen Kabäuschen der Redaktion und bekam sein Gehalt, obwohl er für die SIEBEN TAGE nichts zu tun hatte. Er hieß Jochen Klepper. Ein feiner, stiller, immer etwas verängstigt wirkender Mann meines Alters. Er hatte Theologie studiert. Mit seinem Roman >Der Kahn der fröhlichen Leute< hatte er einen großen Erfolg gehabt. Nun schrieb er für den Verlag ein Buch über den Vater Friedrichs des Großen.

»Was, über diesen fiesen Kerl, der seinen >effeminierten< Sohn gezwungen hat, durch das Fenstergitter seiner Gefängniszelle die Hinrichtung seines geliebten Freundes Kaue mit anzusehen?« entrüstete ich mich. »Auftrag des Buchverlages«, sagte Klepper - mehr nicht. Doch eines Tages kam er nicht mehr. Ich fragte Kapeller - er schüttelte schweigend den Kopf.

Erst viel später erfuhren wir die schreckliche Wahrheit: Er war mit seiner jüdischen Frau und seinen zwei Kindern 1942 in den Tod gegangen, als er erfahren hatte, daß seine Frau am nächsten Morgen in ein Konzentrationslager gebracht werden sollte. Sein Grab liegt auf dem Berliner Friedhof ganz dicht bei dem Grab Axel Springers.

92,1% "der Deutschen" stimmten für Hitler

Ich könnte hier ein gutes Dutzend derartiger Fälle erzählen, doch diese beiden, aus meiner unmittelbarsten Nähe, mögen genügen. Schon in der ersten von den Nationalsozialisten bestimmten Reichstagswahl gingen 95,3% aller Stimmberechtigten zu den Urnen. 92,1% von ihnen stimmten für die NSDAP. Die übrigen Stimmen waren ungültig. So der amtliche Bericht.

Eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes

Egal, ob dieses schwindelerregende Ergebnis Schwindel ist oder der Wahrheit entspricht - es offenbart eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes. Ist es Schwindel, dann dokumentiert es, daß wir einer Verbrecherbande ausgeliefert waren, die selbst vor den frechsten Fälschungen nicht zurückschreckte; entsprach es dagegen der Wahrheit, dann Gnade uns der Himmel!

Muß nicht jeder irre werden an sich und an allem, was man ihn bisher gelehrt hat, wenn Hitlers grölende Kolonnen mit der Zeit eine stolze Nation unter ihre Stiefel zwingen können? Was kann da der einzelne noch tun? Passiven Widerstand zu leisten ist lebensgefährlich.

Und Hitler hatte es vorher alles genau vorhergesagt

Dabei hatte Hitler alles, was er plante, schon mehrere Jahre vorher in seinem Buch >Mein Kampf< als seinen >unerschütterlichen Entschluß< verkündet. Spinnereien - hat man wohl damals gedacht. Wenn dieser Narr eines Tages wirklich die Wucht der Verantwortung auf seinen Schultern fühlte, würde er schon zur Besinnung kommen.

  • Anmerkung : Das Buch von Hitler kam bereits im Juli 1925 raus und jeder konnte es kaufen. Später ab 1933 mußte es (fast) jeder kaufen (und auch lesen). Die Paralellen in 2015 zur Entwicklung in der Türkei, zu Ungarn und jetzt sogar zu Polen sind aufrüttelnd. Fängt das alles schon wieder an - durch die Hintertür ?

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Konzentrationslager waren Vernichtungslager

Er kam nicht zur Besinnung. Er zog die Schraube des Terrors langsam immer stärker an. Sichtbar wurde Hitlers Brutalität schon in den ersten Wochen. Den Bau von Konzentrationslagern hatte er öffentlich bekanntgegeben. "Konzentriert" würden dort einige Zeit - so hieß es - politische Gegner.

Daß sie in Wirklichkeit als Vernichtungslager für politische Gegner, Strafgefangene und sogar harmlose Homosexuelle gedacht waren, erfuhr man gerüchteweise erst mit der Zeit. Und eines Tages sogar, daß auch Juden in Konzentrationslager eingesperrt würden.

Hitlers Sündenböcke - die Juden

In ihnen hatte Hitler offenbar den Sündenbock gefunden, dem er alles aufbürden konnte, was sich in den vergangenen Jahren unter einer zu schwachen Regierung angesammelt hatte, und den er dann - mit dem Fluch aller auf dem Rücken - in die Wüste jagen, das heißt in seinen Konzentrationslagern vernichten konnte.

Gerüchte verbreiten war lebensgefährlich

Gerüchte. Sie weiterzugeben war lebensgefährlich. In mir hat sich alles dagegen gesträubt, sie zu glauben. Oder habe ich - wie so viele - nur nichts sehen, nichts hören, nicht darüber sprechen wollen?

Und ich - in diesen 12 Jahren ?

Ich habe mir diese Frage oft gestellt und stelle sie mir in dieser Stunde wieder: Selbst als einer meiner Freunde, ein dreiundzwanzigjähriger blonder Berliner, eines Tages spurlos verschwand, ahnte ich noch nicht, was hinter den Stacheldrähten der KZs geschah ...

Das ist schwer zu glauben, weil man heute ja weiß, was wirklich geschehen ist. Doch damals gab es noch den falschen Glanz des Regimes und ein kunterbuntes Bündel unwägbarer, einander oft widersprechender Gerüchte und trügerischer Hoffnungen.

Hitlers Rassengesetze von 1935

Doch als Hitler auf dem Parteitag in Nürnberg seine Gesetze zur >Reinhaltung deutschen Blutes< verkündete, alle Juden zu Bürgern zweiter Klasse erklärte - und nur noch von jüdischem Untermenschentum sprach -, bekam ich Angst. Wer jetzt nicht begriffen hatte, würde nie begreifen.

Wir mußten Ahnenpässe beibringen. Für Kirchen und Gemeinden eine unheimliche Flut von Arbeit. Bis zu den Ur-Ur-Großeltern verfolgte ich den Stammbaum beider Familien. Aber dann habe ich diesen >Ahnenpaß< seltsamerweise nie irgendeiner Instanz vorlegen müssen. Möglich, daß die Zugehörigkeit zum >Deutschen Verlag< schon Garantie genug war.

Kapitel 52
Künneke entjudifiziert

In dieser turbulenten Zeit erhielt Künneke die märchenhaft klingende Mitteilung, daß die Staatsoper "Unter den Linden" ein neues Werk von ihm bringen wolle. Und zwar als Festvorstellung in der Silvesternacht 1933/34. Eine solche Ehrung Künnekes in diesen spannungsgeladenen Tagen? Nein - das konnte nur ein Irrtum sein. Oder hatte da mein Kollege Edwin von der Null heimlich gewirkt?

Es war kein Irrtum. Das Werk hieß >Die große Sünderin<. Die von Göring empfohlenen Autoren waren Katharina Stoll und Hermann Roemmer. Bukowiecky, der Leiter des angesehenen Musikverlages, hatte Künneke das Buch persönlich gebracht.

Daß das Buch nichts taugte, sah er nicht

»Die Autoren verlangen, daß das Werk nicht im Allegro-Verlag erscheint. Sie wissen, weshalb?« Künneke wußte es. Er erhielt einen großzügigen Honorarvorschuß und ging sofort an die Arbeit. Daß das Buch nichts taugte, sah er nicht, denn das sah er nie. Er sah nur Szene für Szene und in jeder nur die Möglichkeit, sie in Musik umzusetzen.

Eine wilde zusammengewürfelte Story

Hauptfigur ist die abenteuerlustige, seit 1707 verwitwete Herzogin Sibylle von Baden-Baden.

Und der Mann, zu dem sie diesmal leidenschaftlich entbrennt, ist der Rittmeister Friedrich von der Trenck, der in allem, was er sagt und singt und tut, kein anderer sein kann als der erst 1726 geborene, also zur Zeit der Handlung erst neunzehnjährige Ordonnanzoffizier Friedrichs des Großen, der mit Friedrichs Schwester Amalie ein unerwünschtes Verhältnis gehabt hat, wegen des Verdachtes verräterischer Verbindungen verhaftet und später auf die Festung Glatz gebracht worden ist.

Er entkommt ein Jahr später und führt ein wildes Abenteurer- und Vagabundenleben, bis er 1794 in Paris - von Robespierre zum Tode verurteilt - mit dem Fallbeil enthauptet wird.

Nun kann man zwar in einer Operette auch einmal sieben gerade sein lassen, aber zwei historische Personen, die sich im Leben nie gesehen haben, in einer Oper zu verkuppeln - und einen ausgesprochenen Schurken zum Helden zu stilisieren, das ging zu weit.
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Der Presse aufgefallen - nichts wird geändert

Irgendein Pressemann merkte den Anachronismus und schlug Alarm. Zu spät. Zu ändern war nichts mehr. Und so verfiel man in letzter Minute auf die Notlösung, den Trenck ... Schrenk zu nennen. Der Sinn wurde zum Unsinn.

Soviel zur Vorgeschichte des Musikdramas. Ob es als Oper oder Operette plakatiert werden sollte, war nun eine Frage für sich.
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Künneke wußte, was das für ihn bedeutete

Künneke wußte, was dieser ehrenvolle Auftrag für ihn und seine Zukunft bedeutete. Er vertiefte sich so in seine Arbeit, daß er auch mit mir nur sehr selten darüber sprach. Es gab Tage, an denen er nur vor seinen riesigen Partiturbogen saß, ohne von seiner Umgebung Notiz zu nehmen. Er hörte nicht, was um ihn herum vorging, aber er hörte jedes Instrument der filigranhaft durchkomponierten Partitur in dem großen Orchester. Und die Staatsoper tat alles, um diesem Werk eine ehrenvolle Uraufführung zu sichern.

Tiana Lemnitz und Helge Roswaenge wurden für die Hauptrollen verpflichtet, Gesamtausstattung Benno von Arent, ehemaliger Bühnenbildner, aber längst zu den Nazis übergewechselt und Gestalter aller Prunkauftritte seines >Führers<.

Durch einen Beschluß von höchster Stelle

Ein glanzvoller Silvesterabend. Künneke wurde stürmisch gefeiert. Seine Frau Katharina saß in einer Seitenloge; man nahm es aufatmend zur Kenntnis. Dies leidige Thema war also - wie bei Franz Lehar - durch einen Beschluß von höchster Stelle endgültig abgeräumt.

  • Anmerkung : Wie früher bereits erwähnt, war die Mutter seiner Frau Jüdin und lebte mit im Haus. Damit war seine Frau Halbjüdin und im Prinzip schon im KZ.


Künnekes Freundin Renate Hirth hatte in ihrem brennenden Ehrgeiz davon geträumt, an diesem Abend an Künnekes Seite erscheinen zu können, und warf ihm in einer grandiosen Heulszene vor, sich um diese einmalige Gelegenheit, ihr den >gebührenden< Platz an seiner Seite zu sichern, nicht bemüht zu haben.

Künnekes Antwort - wie so oft in seinem Leben: »Die Verhältnisse waren stärker als ich ...« - Ein Kämpfer ist er nie gewesen.
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Nur noch einmal aufgeführt

Die Kritiker zeigten leichte Zurückhaltung. Sie würdigten wohl den glanzvollen Stil der Komposition - aber das Buch, das zwischen Oper und Operette hilflos dahertänzelnde Buch . . . . . .

Weshalb hat man Künneke nicht ein Buch zu einer lustigen Oper wie Smetanas Verkaufter Braut oder Lortzings Waffenschmied gegeben? Dann hätte man ein Werk von Ewigkeitswert erwarten können, aber mit diesem dilettantischen Schinken konnte die so wünschenswerte Wiederaufwertung Künnekes nicht gelingen.

Das Werk wurde nur noch einmal aufgeführt. Der finanzielle Erfolg blieb aus.

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