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Eduard Rheins Buch über sein Leben (1990)

Der langjährige Chefredakteur der HÖRZU schreibt über sein Leben, seine Jugend, seine Zeit in Berlin bis 1945, den Wiederanfang 1946 und die Zeit im Springer-Verlag in Hamburg. So sind es fast 480 Seiten, bei uns im Fernsehmuseum etwa 120 Kapitel, in denen so gut wie alle "Größen" dieser Zeit vorkommen. Und er schreibt als 90jähriger rückblickend über die Zeit und sich selbst. Darum lesen Sie hier natürlich seine Sicht der Ereignisse bzw. "seinen Blick" teilweise durch die "rosarote Brille". Das sollte man beachten und verstehen. Die Inhaltsübersicht finden Sie hier.

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Kapitel 90
Frühjahr 1949 - Die Welle der Freude

Der kurze, aber heftige Wirbel um die Ultrakurzwelle war inzwischen abgeebbt - und vergessen. Die Entwicklung war in sachliche Bahnen gelenkt. Industrie und Handel hatten begriffen, daß die Zukunft des Rundfunks nur mit dieser neuen Technik gesichert werden konnte, und brachten die ersten Vorsatzgeräte auf den Markt.

Ich selber berichtete nach dem alarmierenden Fanfarenstoß nur noch kurz und sachlich, aber konsequent über ihre technischen Vorzüge und die praktische Weiterentwicklung. Und schloß dann mit der Meldung:

»Am 30. April 1949 wird die Ultrakurzwelle ihren Betrieb aufnehmen
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UKW wird der Verkaufsschlager des Jahres 1950

Ich wußte - und inzwischen hatte das auch der Handel begriffen: UKW würde einen neuen Boom einleiten, sich durchsetzen und den Hörern einen völlig störungsfreien, ungetrübten Empfang ermöglichen: Die Welle der Freude.

Unter dieser Marke trat UKW in die Öffentlichkeit. Der Handel unterstützte den Start nun mit allen Mitteln. UKW wird der Verkaufsschlager des Jahres.

Zwanzig Jahre eines zähen Kampfes lagen nun hinter mir. Zwanzig Jahre? Unglaubhaft! In der hoch angesehenen Fachzeitschrift FERNSEHEN hatte ich damals einen leidenschaftlichen Appell an den Reichspostminister gerichtet.

Der Aufsatz hat weltweites Aufsehen erregt und mir neben Zustimmung auch reichlichen Widerspruch aus den Reihen der ewig Gestrigen eingetragen.

Dr. Nestel für den Kampf um UKW ausgezeichnet

Nun erhielten Dr. Nestel und ich vom Bundespräsidenten für unseren Kampf um die Ultrakurzwelle das > Große Bundesverdienstkreuze Und die Rundfunkhändler entsandten eine Kommission, die mir ihren Dank für meinen >mutigen< Einsatz aussprechen sollte ...

Graf Westarp aber gratulierte mir mit einem Vers von Wilhelm Busch: »Wie macht ein Orden selbstbewußt auf einer stolzgeschwellten Brust!«

Und dem Zusatz: »Da haben Sie mal wieder recht behalten, aber Sie denken immer zu weit voraus und sagen das dann auch noch zwei Jahre zu früh!«

Die Geschichte mit "Die todsündige Fleischeslust"

Als die Ultrakurzwelle endlich im Äther ist, ruft mich Herr Szimmetat an.
»Was steht in HÖR ZU über Paderborn?«
»Nicht ein Wort.«
»Das verstehe ich nicht, denn seit das neue Heft auf dem Markt ist, können wir uns vor Nachbestellungen nicht retten. Nach Paderborn haben wir bis heute schon viermal soviel Exemplare liefern müssen wie sonst.« Ich verstand das auch nicht. Was war da wohl passiert?

Nun, irgendein gschamiger schwarzgekleideter Diener seines Herrn hatte von der Kanzel herunter gegen unsere >schamlose< Titelseite gewettert, die die todsündige Fleischeslust auch noch als >Welle der Freude< zu preisen wage.

Seine frommen Schäfchen aber hatten sich - kaum daß sie seiner Donnerwetterpredigt entronnen - schleunigst auf das lästerliche Heft gestürzt ... statt einen weiten Bogen drum herum zu gehn. Das Titelbild zeigte Sieger und Siegerin eines Schönheitswettbewerbs in viel zu spießerhaften Badeanzügen am Strand. Und daneben - die >Welle der Freude< verbreitend - ein Radio.

Viele gottgläubige Paderborner aber, die HÖR ZU bis dahin nur aus der Ferne gekannt hatten, wurden dadurch zu Abonnenten ... Szimmetat rieb sich schmunzelnd die Hände.

Kapitel 91
Tonbandgeräte für jedermann

Auch eine andere Technik hatte sich inzwischen - anfangs ziemlich unauffällig - entwickelt, die von Jahr zu Jahr größere Bedeutung erlangen und schließlich infolge meiner schonungslosen Drängelei zu einem technischen Instrument von fundamentaler Bedeutung werden sollte: die magnetische Aufzeichnung elektrischer Impulse.

In der magnetischen Tonaufzeichnung waren unsere Rundfunktechniker mit ihren Magnetophonen allen turmhoch überlegen. Ihre nur sechs Millimeter breiten, hauchdünnen Bänder liefen in den Funkhäusern mit einer Geschwindigkeit von 76 Zentimetern pro Sekunde durch die Maschinen und wurden zu festen, freitragenden Wickeln aufgespult.

Endlich ein Gerät mit 38cm pro Sekunde

76cm pro Sekunde, das bedingte stabile Maschinen. Kein Wunder, daß man in den Funkhäusern darüber nachdachte, ob es nicht möglich sei, mit geringeren Bandgeschwindigkeiten auszukommen. Man versuchte es mit anderen Schaltungen, anders beschichteten Magnetbändern, anderen Aufzeichnungs- und Wiedergabeköpfen.

Das Ergebnis war ein beim Sender Hamburg entwickeltes tragbares Reportage-Magnetophon, das in den Höhen zwar etliches zu wünschen übrigließ, dafür aber mit einer Bandgeschwindigkeit von 38cm pro Sekunde auskam. Eine ausgezeichnete Lösung für Reportagen - aber nicht für das große Endziel: das Tonbandgerät für jedermann.

Halbiert die Bandgeschwindigkeiten!

Ich sah damals nicht ein, weshalb es nicht möglich sein sollte, auf dem nun beschrittenen Weg erheblich weiterzukommen, und forderte die Entwicklungsingenieure in einem aufsehenerregenden Leitartikel auf: "Halbiert die Bandgeschwindigkeiten!"

Das war die zündende Parole. Was das hieß, verstanden nicht nur die Techniker, sondern auch die Kaufleute der Fabrikanten: Hier wurde ein Markt von ungeheuerlichen Dimensionen sichtbar. Halbiert die Bandgeschwindigkeiten - das wurde zum Leitmotiv der weiteren Entwicklung. Der geforderte Wettlauf begann ...

Kein Wunder, daß nun schon bald die ersten hervorragend arbeitenden Heim-Tonbandgeräte mit 19 und 9,5 cm Bandgeschwindigkeit auf dem Markt erschienen. Aber dabei blieb es nicht.
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Eines Tages war man bei 4cm pro Sekunde

Halbiert die Bandgeschwindigkeiten! Die Spulen mit dem rotbraunen Band wurden immer kleiner. Und dann war man eines Tages bei 4 cm pro Sekunde. Nun ließen sich die Bänder in kleine, glasklare Kassetten verpacken, die sie nicht nur schützten, sondern auch automatisch umspulten.

Heute kriechen die Bänder mit 2 cm pro Sekunde durch die Maschinchen und liefern eine Tonqualität, die nichts mehr zu wünschen übrigläßt.

Das Magnetband halbieren . . . .

»Wie wäre es denn, wenn man nun auch noch die Breite der Bänder halbierte?« frage ich eines Tages dreist.
Doch die Techniker sagten nein, das Spiel war zu gewagt: Das würden die reinsten Schnürsenkel.

Gut - aber man könnte doch wenigstens versuchen, mit der halben Bandbreite auszukommen, also zwei Spuren nebeneinander zu legen. Dann bekäme man doppelt soviel auf jedes Band. Und wenn man die Spuren dann noch einmal halbierte...

Unmöglich ? nein . . .

Es war schließlich nur noch eine Frage der technischen Präzision. Heute zeichnen wir zweimal zwei Spuren für Stereo-Aufnahmen auf das nur 6mm breite Bändchen, das inzwischen so dünn geworden ist, daß mehr als doppelt soviel Meter in jede Kassette gehen. Vier Stunden Stereomusik und mehr.

Weiß der Kuckuck . . . bei SABA

Tonbandgeräte für jedermann. Die Industrie hatte ihr neues gigantisches Arbeitsfeld gefunden und fing an, es zu beackern.
Telefunken, Philips, Grundig, Saba.

Saba - das waren die Schwarzwälder, die sich so gerne damit schmückten, daß sie aus der Uhrmacherindustrie hervorgegangen waren ... als ob die primitive >Präzision< ihrer Kuckucksuhren auch nur im geringsten zu vergleichen wäre mit der Präzision, die sie nun schon längst beherrschten. Aber man nahm ihnen diese Propagandaphrase lächelnd ab, obwohl ihre Gehäuse immer wieder den Eindruck erweckten, als wollten die Schwarzwälder ihre Geräte am liebsten mit je einem Kuckuck schmücken.

Weiß der Kuckuck - modernste Technik in >traditionellen< Gehäusen? - ich fand das nicht gut.

Saba-Geräte vom Geschmack offenbar für die Neger

Und da ich August Schwer, den Gründer der Saba gut kannte, konnte ich es mir nicht verkneifen, ihm eines Tages zu schreiben, wo es denn in Europa die für Europäer gebauten Geräte seiner Firma zu kaufen gäbe. Ich sähe überall nur Saba-Geräte, die offenbar für die Neger geschmückt würden.

Monatelanges Schweigen. Sollte der alte, liebenswerte Chef des Hauses, der mich ab und zu besucht hatte, wenn er zur Funkausstellung in Berlin gewesen war, ein offenes Wort nicht vertragen? - Undenkbar!

Das eleganteste, modernste Tonbandgerät - von SABA

Da erschienen an einem sonnigen Herbstmorgen zwei junge Herren mit einem großen Karton in der Redaktion und baten, mir im Auftrage von Herrn Schwer ein neues Gerät vorstellen zu dürfen.

Sie packten aus - und ich traute meinen Augen nicht: Vor mir stand das eleganteste, modernste Tonbandgerät, das je gebaut worden ist, ein Traumgerät.

Klare Linien statt fettbäuchig gerundeter Kurven, ein Preßstoffgehäuse in hellem Grau, große weinrote Bedienungsknöpfe und irgendwo diskret die Marke Saba.

Was war in der Zwischenzeit passiert?

Nach dem Eintreffen meines Briefes hatte der Alte in einem Tobsuchtsanfall alle Techniker und Kaufleute der Firma zusammengetrommelt und ihnen meinen Brief vorgelesen.

»Gehäuse für die Neger - das muß ich mir sagen lassen! Aber der Rhein hat leider recht. Das wird geändert - und zwar sofort!«

Man hatte einen der besten Formgestalter aus Stuttgart kommen lassen, und der hatte ihnen schon wenige Wochen später das Modell des neuen Tonbandgerätes vorgestellt...

Max Grundig - >Der Welt größte Tonbandgerätefabrik<

Max Grundig hatte sich als einer der ersten auf das zukunftsträchtige Arbeitsfeld gewagt und in wenigen Jahren solche Verkaufserfolge erzielt, daß die vorhandenen Arbeitsplätze nicht mehr reichten. Er kaufte eine nahe gelegene Fabrikhalle, errichtete dort >Der Welt größte Tonbandgerätefabrik< und lud die gesamte Presse mit berechtigtem Stolz zur Besichtigung nach Fürth.

Die Achillesferse der Tonbandgeräte - der Hörkopf

Tonbandgeräte haben eine Achillesferse. Das ist der kleine Hörkopf, an dem die dünnen Bänder vorbeigezogen werden. Er ist wie eine hochempfindliche offene Wunde, denn der haarfeine Schlitz, der die zarten magnetischen Tonbandaufzeichnungen in edle elektrische Schwingungen zurückverwandeln soll, befindet sich in unmittelbarer Nähe von Motoren und Transformatoren, die ihre ordinären magnetischen Wechselfelder mit brutaler Rücksichtslosigkeit verstreuen und in dem Hörkopf einen geradezu satanischen Brumm erzeugen, der alles andere übertönt.

Was kann man gegen das Brummen tun?

Man kann den Hörkopf mit einer briefmarkengroßen Klappe aus Spezialeisen abschirmen. So hat das die AEG schon bei den ersten Magnetophonen gemacht und Telefunken bei seinen Heimgeräten.

Man kann aber auch nach dem Grundsatz, Brumm läßt sich durch Gegenbrumm auslöschen, irgendwo in dem magnetischen Störfeld eine kleine Spule mit wenigen Windungen befestigen und den von ihr aufgenommenen Brumm - richtig gepolt - in den Verstärker einschleusen. Das funktioniert auf Anhieb, aber in der Praxis nicht so, daß nicht doch ein kleiner Restbrumm bliebe.

Und sie brummten immer noch

Und der ist es, der mich schon bei der Erprobung der ersten Grundig-Geräte zu der Feststellung zwang, sie brummten leider wie die Hummeln. Max Grundig wußte das. Wir hatten schon wiederholt darüber gesprochen, aber sein Entwicklungschef war wohl von der viel billigeren und einfacheren Spulenlösung nicht abzubringen.

So lagen die Dinge, als Max Grundig mit uns auf das stattliche Gebäude losmarschierte und uns verriet, daß sie vorher eine Schuhfabrik beherbergt hatte.
»Aha, dann sollen dort also künftig Ihre Brummstiebel fabriziert werden«, flüsterte ich ihm zu.

Wenn Max Grundig sauer war

Grundig erstarrte einen Augenblick und brummte dann stärker als seine wildeste Hummel: »In dieser Angelegenheit werden Sie von mir hören.« - »Wenn das ohne die leidigen 50 Hertz geht, sollte mich das freuen.« - Zwei Wochen später konnte ich über das Thema die Klappe halten, denn auf meinem Tisch stand ein schmuckes Gerät mit der leider etwas teureren ... Klappe aus Mu-Metall.

Max Grundig hatte "wieder einmal" mit der Faust auf den Tisch geschlagen.
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