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VII. DAS ELEKTRISCHE »FERN KONZERT«

Die Erfindung der Verstärkerröhre hat nicht nur, wie wir wissen, den Tonfilm möglich gemacht, sondern auch die drahtlose Telegrafie, das Radio. Etwa um dieselbe Zeit, als wir in Wilmersdorf die Grundlagen des Tonfilms schufen oder vielleicht auch einige Jahre später, experimentierte man im Voxhaus am Potsdamer Platz in Berlin mit drahtloser Telegrafie für den Publikumsgebrauch. Allerdings noch mit recht unzureichenden Ergebnissen.

Wir hofften, auch dieser Entwicklung einen Anstoß geben zu können. Wir hatten ein gutes Mikrophon, das Kathodophon, außerdem interessante Schaltungen für die Frequenzmodulation von Hochfrequenzströmen. Die Qualität unserer direkt aufgenommenen und wiedergegebenen klanglichen Darbietungen - also ohne das Medium Film dazwischen - war besonders dank der Statophone wirklich schon ganz hervorragend.

Nachdem die Filmindustrie wenig Interesse an unseren Tonfilmarbeiten zeigte, versuchten wir, das Interesse der elektrotechnischen Industrie durch ein »Fernkonzert«, wie wir damals eine elektrische Musikübertragung nannten, auf unsere Erfindung hinzulenken.
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Das erste »Fernkonzert« am 4. Mai 1923

Abb. 55 Die drei Erfinder mit ihren elektrostatischen Lautsprechern nach dem »Fernkonzert« am 4. Mai 1923 in der Hochschule für Musik in Berlin-Charlottenburg

Das erste »Fernkonzert« fand am 4. Mai 1923 in der Hochschule für Musik in Berlin-Charlottenburg statt. Die Schallvorgänge wurden nicht per Hochfrequenz, sondern per Draht übertragen. Die Musiker saßen vor dem Kathodophon in einem vom großen Vorführungssaal etwas entfernten kleinen Raum der Hochschule.

Die Wiedergabe erfolgte durch fünf Glimmerplatten-Statophone, die unterhalb des Orgelspieltisches aufgestellt waren. Die Abb. 55 zeigt diese fünf Statophone mitsamt den drei Erfindern.

Eine Zeitungskritik der Berliner Morgenpost vom 5. Mai 1923 hat sich erhalten. Ich gebe dieselbe hier im Faksimile wieder (Abb. 56). Sicherlich werden viele Radiomänner von heute schmunzeln und Spaß an der Beurteilung der Möglichkeiten des Radios durch die Sachverständigen von vor drei Jahrzehnten haben .....

Als Enthusiasten, die wir damals noch waren, glaubten wir, daß nunmehr auf diesem Gebiet der Erfolg winken müsse, den die Filmindustrie uns versagte. Hier war, so schien es uns, alle Verwirklichung nur eine Frage der Herstellung elektrischer Apparate, die von den großen Berliner Elektrokonzernen AEG, Siemens, Lorenz leicht vorgenommen werden konnte. Diese Firmen, so meinten wir, müßten ein starkes Interesse für unsere Erfindungen zeigen. Das Umgekehrte war leider auch hier der Fall.
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Und wieder eine Ablehnung

Abb, 56 Fotokopie eines Artikels der Berliner Morgenpost vom 5. Mai 1923 über das erste »Fernkonzert«

Zur Charakterisierung der Zeitsituation will ich noch eine kurze Unterhaltung wiedergeben, die ich mit dem damaligen Generaldirektor einer der großen Elektrofirmen, der auch unsere Arbeiten mitfinanzierte, hatte.

Ich regte bei ihm an, doch unsere Schaltungen und Lautsprecher für den Bau von Empfangseinrichtungen für drahtlose Telegrafie - heutzutage würden wir Radioapparate sagen - zu verwenden. Ich schwärmte ihm vor, welch ein phantastisches Geschäft dies werden müßte, wenn jedes Haus sich so eine Empfangsanlage für drahtlose Telegrafie anschaffen würde, etwas, was sozusagen effektiv eingetreten ist.

Der aufmerksam zuhörende Generaldirektor klopfte mir väterlich auf die Schulter und sagte wohlwollend etwa folgendes:

»Mein lieber, kleiner Vogt, Sie mögen ein tüchtiger Erfinder sein, aber vom Geschäft verstehen Sie so gut wie nichts. Ich gebe zu, daß solch eine Empfangsanlage, wie Sie dieselbe schildern, als Fabrikationsobjekt meine Firma schon interessieren, wahrscheinlich auch bei Gasthäusern usw. einen guten Absatz finden würde, wenn von irgendwoher Musik geliefert wird. Hier nun, lieber Freund Vogt, hat die Sache ihren Pferdefuß. Die akustischen Veranstaltungen auf der Sendestation werden viel Geld kosten. Durch die Antennen werden diese »Musikströme« beim Dach hinausgeschickt. Empfangen kann sie jeder, denn die drahtlosen Wellen breiten sich ja nach überall hin aus. Wer wird für etwas, was frei wie Luft und Licht in sein Haus dringt, gutes Geld aufwenden? Deswegen, lieber junger Freund, ist das Ganze ein Phantasieobjekt und geschäftlich nicht durchführbar.«

Damit war ich "entlassen". Von maßgebender Seite war das Urteil über die »Fernkonzerte« gesprochen worden. Wir waren wieder um eine Illusion ärmer.
Ein paar Jahre später löste allerdings Staatssekretär HANS BREDOW mit Hilfe der Post durch Rundfunkgesetz und -gebühren diese Seite des Problems. Damit war auch in Deutschland die Bahn frei für die großen Unternehmungen der Rundfunksender und der Radioindustrie.
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VIII. DAS GESCHÄFTLICHE GESCHEHEN
(Ausstieg bei Seibt)

Das bisher Gesagte dürfte vorwiegend das Interesse der Techniker und der Männer vom Film gefunden haben. In diesem Kapitel soll die geschäftliche Seite der Erfindung behandelt, der Wirtschaftler und Kaufmann angesprochen, die Finanzierung und Auswertung erörtert werden.

Im planmäßigen technischen Schaffen der Erfinder löste ein Erfolg den anderen ab. Geschäftlich gesehen war die Riesenarbeit für die drei Männer ein glatter Mißerfolg. Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild:

Seit 1913 Ingenieur bei der Firma Dr. Seibt hatte ich mir durch meine Arbeiten auf dem Gebiete der Erdtelegrafie, der Radiopeilung und ähnliches eine Position geschaffen und etwas Geld erspart. Diese Mittel erlaubten uns, nach dem Ausscheiden bei Seibt freiberuflich das Problem zu bedenken, eine Zeitlang mit unseren Familien zu leben, unsere Tonfilmgedanken in einer Reihe von Patentanmeldungen niederzulegen.
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Weiter ging es mit der Firma C. Lorenz A. G.

Zur Weiterfinanzierung fanden wir in den Direktoren der Firma C. Lorenz A. G. eine Geldgebergruppe. Mit ihnen zusammen gründeten wir am 2. Juli 1919 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, das »Laboratorium für Kinematographie« in Berlin.

Die Geldgeber stellten 125.000 Mark zur Verfügung. Am Gewinn waren sie und die Erfindergruppe zu je 50% beteiligt. Die in der Nachkriegszeit im Schwunge befindliche Papiergelddruckerei entwertete die Mark und damit diese Mittel zusehends.

Trotz größter Sparsamkeit reichten sie nicht aus; es waren immer neue Einschüsse der Kapitalisten notwendig. Am 3. Juni 1920 wurde der Geldgeberanteil auf 325.000 Mark, am 30. September 1920 auf 445.000 Mark und am 18. November 1920 auf 960.000 Mark erhöht.

Der Anteil der Erfinder ging, trotzdem ihnen auch mein Freund Dr. FRITZ EISNER Geld zur Mitbeteiligung geliehen hatte, sukzessive herunter und betrug am 18. Novemder 1920 nur noch 32%.

Am 18. April 1921 - fünfter Vertragsnachtrag - war das eingebrachte Kapital schon auf 1.665.000 Mark angewachsen und die Beteiligung der Erfinder auf 28% gesunken.

Am 13. Oktober 1921 erhielt das Laboratorium von der Firma C. Lorenz ein Darlehen von 300.000 Mark. Nach dem sechsten Vertragsnachtrag (10. Januar 1922) betrug das Kapital schon 3.000.000 Mark, der Anteil der drei Erfinder dagegen nur noch 25%, d.h. für jeden 8 172%.

Am 20. April 1922 gab die Geldgebergruppe dem »Laboratorium für Kinematographie« ein neues Darlehen von 450.000 Mark und am 6. Oktober 1922 ein weiteres von 6.750.000 Mark. Das Gewinnbeteiligungsverhältnis von 75:25 blieb bestehen.
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Es war die Zeit der Inflationslawine ......

Abb, 57 Verschrottete Triergon-Projektoren

.... die Zeit, in der ein Pfund Butter Hunderttausende und mehr kostete. Das Denken in Geld war in dieser Zeit der deutschen Assignatenwirtschaft allmählich sinnlos geworden.

Die geschäftliche Verwertung der Erfindung oblag den Direktoren der Firma C. Lorenz. In der Generalversammlung am 24. November 1922 berichtete der Generaldirektor dieser Firma, daß in der (finanziellen) Auswertung des Films keinerlei Fortschritte gemacht worden seien.

Die Filmgesellschaften hätten gegenüber der Erfindung eine feindliche Einstellung eingenommen und die großen Elektrokonzerne seien demzufolge auch nicht an der Sache interessiert.

Das war eine wahre Hiobsbotschaft für die Erfinder. Die Verwertung der Patente für elektrische Zwecke, also außerhalb des Films, hatte sich die Firma C. Lorenz für die gegebenen Darlehen gesichert. Die Fortsetzung unseres Lebenswerks war in Frage gestellt.
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Der Schweizer Musikwissenschaftler DR. ERICH FISCHER

Diese Notlage besprach ich mit meinem Bekannten, dem Schweizer Musikwissenschaftler DR. ERICH FISCHER, der uns beim Aussuchen filmischer Sujets beriet. Beim nächsten Besuch in Zürich sprach er mit seinem Onkel, dem Rechtsanwalt DR. ARTHUR CURTI, über die Triergon-Erfindung und ihre Möglichkeiten. Dieser begeisterte sich für das Projekt und ließ die Geldgebergruppe wissen, daß er bereit sei, den ganzen Erfindungskomplex zu erwerben.

Am 5. Juni 1923 fand eine Gesellschaftersitzung des »Laboratoriums für Kinematographie« statt, in der beschlossen wurde, den gesamten Erfindungskomplex mit allen Apparaturen, den In- und Auslandspatenten usw. gegen eine Zahlung von 1.000.000 Schweizer Franken und Gewährung einer Beteiligung von 10% an den Bruttoeinnahmen an eine von DR. CURTI in der Schweiz zu gründende TRIERGON AG. zu übertragen.

Was blieb uns nach Lage der Sache übrig, als auch zuzustimmen. Ein entsprechender Vertrag wurde abgeschlossen. Am Tage danach beauftragte DR. CURTI die Erfinder mit der Fortsetzung der Arbeiten und schloß mit ihnen Anstellungsverträge mit einem Monatsgehalt von je 1.000 Schweizer Franken und einer Beteiligung von 3 x 3 1/2% an den Bruttoeinnahmen der neuen Gesellschaft, allerdings mit Ausnahme der Einnahmen aus den eigentlichen Bildtonfilmen.
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Auch DR. CURTI kam in eine Notlage

Jedoch bereits nach einem halben Jahr wuchsen die Ausgaben DR. CURTI über den Kopf; er löste am 20. Januar 1924 die bisherige Vereinbarung mit den drei Erfindern durch Gewährung einer Beteiligung von insgesamt 20% an seinem persönlichen Reingewinn aus der Verwertung unter der Bedingung ab, daß sie ihre Arbeiten in Berlin weiterführten und hierfür die Mittel verwendeten, die ihnen durch ihren kleinen Anteil an dem Patentverkaufserlös zugeflossen waren.

Dieser hatte nach Abzug von Unterbeteiligungen, Kapitalrückzahlungen und Tilgung persönlicher Schulden etwa 50 bis 60.000 Reichsmark pro Kopf betragen. So mußten die Erfinder also trotz Abtretung ihrer gesamten Patentrechte einen großen Teil ihrer geringen Mittel für die Fortsetzung der Entwicklungsarbeit und Herstellung von Filmen im Interesse der Erwerber der Rechte verwenden.

Dieser groteske Zustand hielt einige Monate an. Es war kein Wunder, daß die unklaren Rechtsverhältnisse Mißstimmung zwischen den Erfindern und der inzwischen gegründeten deutschen Triergon-Betriebsgesellschaft zur Folge hatten.

Schließlich erfolgte am 29. Mai 1924 eine weitere »Bereinigung« in der Weise, daß den Erfindern für ihre bisherigen Leistungen unter Aufhebung der Verträge mit DR. CURTI eine Beteiligung von 2% am Aktienkapital (2.000.000 Schweizer Franken) der Schweizer Tri-Ergon-Gesellschaft in Zürich überlassen, ein Monatshonorar von 1.500 Schweizer Franken gewährt und die vertragliche Zusicherung gegeben wurde, ihre Namen in allen sprechenden Filmen, Veröffentlichungen etc. der Gesellschaft zu nennen.
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1925 - Die Universum Film AG. (Ufa) sollte Tonfilme machen

Die Schweizer Tri-Ergon AG. trat 1925 an die Universum Film AG. (Ufa) in Berlin heran - mit dem Ansuchen, Tonfilme herzustellen. Es wurde mit ihr ein Lizenzvertrag geschlossen. Die Ufa drehte einen Tonfilm: »Das Mädchen mit den Schwefelhölzern«.

Dieser Film wurde aus einer Reihe von organisatorischen, regiemäßigen, technischen und persönlichen Gründen ein technischer Mißerfolg, der dazu führte, daß die Ufa diesen Lizenzvertrag 1926 kündigte und sich damit am sprechenden Film zunächst desinteressierte.

Nach diesem Fehlschlag kam es zu Vorwürfen und unliebsamen Auseinandersetzungen zwischen allen Beteiligten. Ich faßte damals den für mich außerordentlich schicksalsschweren Entschluß, mich infolge dieser geschäftlich so verfahrenen Situation definitiv an einer Weiterarbeit am Tonfilm zu desinteressieren. Ich stellte mich auf eigene Füße.

Vorerst Beratung der Klangfilmgesellschaft Berlin

Nach einer längeren Beratungszeit im Forschungslaboratorium der AEG, in dem die technischen Grundlagen für die spätere Klangfilmgesellschaft, eine Gemeinschaftsgründung der Firmen AEG und Siemens, geschaffen wurden, gründete ich eine eigene Firma und begann - von nun ab mein eigener Herr - nach harten Anfangszeiten mich erfolgreich mit Problemen der aufkommenden Radioindustrie, der Pulvermetallurgie und der Akkumulatorentechnik zu beschäftigen.

Damals schien es, als habe der tönende Film endgültig ausgespielt, jedenfalls zunächst in Deutschland, wo der weitblickende Wirtschaftler und Organisator fehlte, der die enormen geschäftlichen Chancen sah, die in den Erfindungen der drei Männer steckten.

Aber es kam bald anders. der Erfolg hieß »Singing Fool«

In Amerika hatten die führenden Leute der vor Zahlungsschwierigkeiten stehenden Filmfirma »Warner Brothers« die Chancen erkannt, die die Elektroakustik für die Herstellung verbesserter Schallplatten geschaffen hatte.

In Verbindung mit einem amerikanischen Elektrokonzern stellten sie die »Vitaphone«-Filme her, Tonfilme, bei welchen der Ton zum Bildfilm von einer riesigen (40cm) Schallplatte, mit komplizierten Vorrichtungen angetrieben, geliefert und über Verstärker und Lautsprecher übertragen wurde.

Der erste dieser Filme hieß »Singing Fool« mit dem Jazzsänger AL JOLSON und war ein Riesenerfolg in Amerika. Er ebnete dort die öffentliche Meinung für den tönenden Film.

Der Filmindustrielle WILLIAM FOX witterte diese neue Geschäftschance, die die Fortschritte der Tonwiedergabetechnik eröffnet hatten, und hatte nichts Eiligeres zu tun, als von der enttäuschten und geldlich darniederliegenden Tri-Ergon-Gesellschaft in Zürich gegen Barzahlung von 200.000 Schweizer Franken und ein kleines Aktienpaket seiner neu zu gründenden amerikanischen Gesellschaft die gesamten amerikanischen, auf den Lichttonfilm sich beziehenden Triergon-Patente zu erwerben.

Diese Einnahme versetzte die Züricher Tri-Ergon AG. in die Lage, ihre letzte gegenüber dem »Laboratorium für Kinematographie« noch bestehende Verpflichtung zur Vergütung von 10% ihrer Bruttoeinnahmen gegen eine einmalige Zahlung von 100.000 Reichsmark abzulösen. Dies geschah am 8. Juni 1928.

Auf die drei Erfinder entfielen zusammen 21.026 Reichsmark. Dies war der letzte Betrag, der ihnen aus ihrer gemeinsamen Arbeit noch zufloß. Zugleich bedeutete dieser Tag auch das Ende der Erfinder-Geldgeber-Interessengemeinschaft. Die eigentliche Erfindergemeinschaft »Triergon« war schon 1925 aufgelöst worden. - Was weiter geschah, gehört eigentlich nicht mehr zum Thema.
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Nur soviel sei zur abrundenden Beurteilung noch erwähnt:

Die amerikanischen Erfolge, insbesondere auch der Film »Singing Fool«, der in Berlin 1928 auftauchte, zwang die deutschen Filmgrößen, ihr Urteil über den sprechenden Film innerhalb sehr kurzer Zeit zu revidieren.

Am 13. August 1928 wurde mit einem Kapital von 12.000.000 Reichsmark die Tonbildsyndikat AG (Tobis) in Berlin gegründet, in die von den Schweizern die Triergon-Patente eingebracht wurden.

MASSOLLE wurde technischer Direktor des Unternehmens. Kurz danach, am 8. Oktober 1928, gründeten die Firmen AEG und Siemens die Klangfilm GmbH.

Am 3. März 1929 vereinigten sich Tobis und Klangfllm zu einer Art Interessengemeinschaft (es war ein beinahe kriminelles Syndikat), in welcher die Tobis die Vergabe von Lizenzen an den Filmhersteller und die Klangfilm die Herstellung der erforderlichen Apparaturen übernahm. Der Patentkrieg mit den außerdeutschen Firmen, insbesondere mit den Amerikanern, wurde am 22. Juli 1930 in Paris durch eine regionale Aufteilung der Arbeitsgebiete beigelegt.

Nichts dokumentiert den für uns Erfinder so unglücklichen wirtschaftlichen Ausgang dieser langen, erfolgreichen technischen Arbeit wohl so anschaulich als die Aufnahme eines Schrotthaufens von Teilen der von uns einmal mit aller Liebe geschaffenen Apparaturen (Abb. 57), die ich einmal in Berlin-Mariendorf machte.

Lediglich am 31. März 1934 sah man die drei Erfinder noch einmal gemeinsam beieinander, als ihnen in einer Sitzung der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft die von OSKAR MESSTER gestiftete Meßter-Medaille überreicht wurde.

Ein zweites Mal, am 21. Mai 1954 finden wir, wie schon früher erwähnt, zwei von ihnen - MASSOLLE und VOGT - gelegentlich der Anbringung einer Erinnerungstafel an dem mittlerweile wiederaufgebauten Hause Nr. 49 in der Babelsbergerstraße noch einmal zusammen(Abb.58); der Dritte, DR. ENGL, war leider schon 1943 in Amerika verstorben.
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IX. EIN PAAR SCHLUSSWORTE

Wenn ich nach mehr als drei Jahrzehnten beim Schreiben dieser Zeilen das damalige Geschehen erneut vor meinem inneren Auge vorüberziehen lasse, bleibe ich durchaus frohgestimmt, hadere in keiner Weise mit meinem Schicksal. Im Gegenteil!

Die Zusammenhänge sind deutlicher geworden, die eingetretenen Folgen sind mit bestimmten Ursachen eng verkettet. Es ist auch bei dem beschriebenen Erfindungsgeschehen, wenn man so will, recht folgerichtig zugegangen.

Da war zunächst die Nachkriegsgeldentwertung, die die Beteiligungsquoten der Erfinder laufend verschlechterte. Dann die begreifliche Ablehnung ihrer Neuerung von filmindustrieller Seite. Ging das Stummfilmgeschäft damals nicht ausgezeichnet?

Wozu alles umkrempeln, Kinomusiker entlassen, andersartige Filme machen, neue singende Stars gewinnen, Aufnahmeräume umändern, Kinotheaterbesitzern neue Projektoren aufzwingen?

Wozu eine solche Aufregung? »Wahre Filmkunst ist stumm und wird stumm bleiben« sagten 1922 die Propheten der Filmzunft.

Niemand konnte bei der geschilderten Einstellung der Filmleute es der elektrotechnischen und der Apparateindustrie zumuten, neue Vorführungsapparate, Verstärker und Lautsprecher für den Tonfilm herzustellen, wenn die Filmindustrie selbst sich nicht bereit zeigte, Tonfilme zu drehen.

Und konnte man von drei harmlosen jungen Erfindern, einem alten eigenwilligen Generaldirektor, einem sich mit Zivilprozessen abgebenden Rechtsanwalt die Qualitäten verlangen, die erforderlich waren, um einen solchen Erfindungskomplex von hunderten von Patenten im richtigen Zeitpunkt technisch und geschäftlich erfolgreich zu verwerten? Sicherlich nicht.

Diese Tatsachen, richtig beschaut, führen zu der freilich späten Einsicht, daß es so kommen mußte, wie es kam; nutzlos also, deswegen mit dem Schicksal zu hadern!

Es waren 3 Jahrzehnte meines Lebens

Abb, 58 Die beiden überlebenden Erfinder Massolle (links) und Vogt (rechts) in Berlin-Wilmersdorf, vor dem Hause ihrer früheren Erfindertätigkeit, Babelsbergerstraße49, gelegentlich der Anbringung einer Erinnerungstafel. In der Mitte Prof. Dr. Narath von der Technischen Universität Berlin

Vorhanden aber ist der erarbeitete technische Fortschritt, ist die Erfindung, im Laufe von drei Jahrzehnten immer besser und publikumsgefälliger geworden durch die unsichtbare Kleinarbeit zahlloser Techniker und Filmmänner.

Der Stummfilm ist inzwischen ganz aus dem Kino verschwunden. Der Tonfilm ist, ebenso wie die Zeitungen und der Rundfunk, aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Seine Handlungen, Dramen und Spaße unterhalten, ergötzen und beglücken Woche für Woche die Menschen unserer Zeit.

Welchen Umfang hat er seit jenen Tagen angenommen! 1938 gab es in Deutschland 5.000 Filmtheater. 1952 verfügen die westdeutschen Kinos über etwa 1.500.000 Plätze. 642.000.000 Menschen besuchten 1953 im deutschen Bundesgebiet einschließlich Berlin die Filmtheater; jeder Bewohner geht also 19mal im Jahr ins Kino, über eine halbe Milliarde DM fließen jährlich in die Kassen der Lichtspieltheater. Welch eine Industrie, welch ein Menschen-Beeindruckungsmittel, welch eine Menschen-Bildungsmöglichkeit wäre dies!

Und noch immer wird das Zauberwerk Film weiter vervollkommnet. Der Sprache und Musik folgte die Farbe; das körperliche Sehen der Bilder ist schon vor der Tür. Vielleicht erleben wir noch eines Tages, daß uns Rosendüfte bezaubern, salzige Meeresluft uns in unseren Kinostühlen kühl umflutet. Schon dringt über Fernsehen und Radioapparat der Tonfilm sogar in unser Heim. Man sieht kein Ende in diesem Bemühen um Naturtreue, Bequemlichkeit und technische Perfektion.

Wo aber bleibt in dieser sich mehr und mehr technifizierenden Welt der Mensch? Wird er mehr und mehr Diener, Sklave seiner Mechaniken und Apparaturen werden?

Macht ihn ihr Lärm, ihr Lichtgeflimmer nicht täglich ärmer, leerer, freud- und heimatloser in seinem eigenen Innern, rauben ihm diese gefährlichen Dinge nicht gerade das, was er letztlich am meisten bedarf: Besinnlichkeit, Träume und innere Bilder, tiefes Wissen um sich und die Welt, Menschenwürde und Persönlichkeit?

Sicher ist es so und begreiflich, daß allen kulturell und geistig sich verantwortlich Fühlenden ein tiefes Mißtrauen den technischen Fortschritten und den Erfindern gegenüber eigen ist. Auch meine Seele ist in dieser Hinsicht gespalten.

Und doch wage ich zu hoffen, daß einmal eine Zeit kommen wird, in der der Mensch die »Diktatur« seiner Geräte und Institutionen, die Hysterie unserer Tage überwachsen haben wird, in der er einsieht, daß kein Äußerliches, keine Vitamine und kein Patentrezept sein tiefes Sehnen nach Glück erfüllen, in der er gelernt haben wird, seine technischen Geschöpfe höheren Lebenszielen unterzuordnen und er begriffen haben wird, daß unser tiefstes Glücksempfinden nur aus dem Wechselspiel von tätigem Schaffen zum Wohle aller und stillen Stunden der Muse, des Nachdenkens und des Sinnierens über Leben und Dasein quillt.

Danke für Ihre Geduld und Ihr Verständnis.

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