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Über die Blütezeit der Filmstadt Wiesbaden

Unter dem Titel "Rote Rosen und weißer Flieder" wurde 1995 eine begleitende "Retro"-Broschüre aus der Vergangenheit und der kurzen Episode Wiesbadens als Filmstadt erstellt. Eigentlich als Katalog zu einer Ausstellung gedacht, werden doch viele Tatsachen, Einzelheiten und Vorkommnisse der Wiesbadener Studios, der damals in Wiesbaden gedrehten Filmen und von den Wiesbadener Kinos bis Anfang der 1970er aufgezählt. Hier geht es zum Anfang.

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1953 - Der Flieder erblüht - der erste Spielfilm 1953

Der erste Spielfilm, der 1953 Unter den Eichen entsteht, ist die Großproduktion DER LETZTE WALZER. Dieser Operettenfilm führt erstmals das Paar Eva Bartok / Curd Jürgens zusammen, eine Kombination, die im Anschluß auch jenseits der Leinwand immer wieder für Skandale sorgt.

"Im Atelier bietet sich ein farbenprächtiges Bild: Die Uniformen der Garde des Zaren, die Roben der Damen, die Fräcke der Herren, kurz, ein großer Ball der Gesellschaft Petersburgs von 1914. " (52)

Weniger beeindruckt ist die Fachwelt von Hauptdarsteller Curd Jürgens: "Er geht durch den 'Letzten Walzer' wie einer, der am Abend vorher zuviel getrunken hat und nicht die geringste Ahnung hat, worum es eigentlich geht ... Manchmal hat man das Gefühl, als habe er nicht einmal das Drehbuch gelesen; und das kann man ihm auch nachfühlen!" (53).

Die beiden Münchner Produzenten Carlton und Eichberg beginnen die Dreharbeiten zu diesem Film in München, siedeln aber im April 1953 zur Fertigstellung nach Wiesbaden über.
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Die Carlton will das AFIFA-Studio kaufen .......

Offensichtlich findet die Carlton Gefallen am AFIFA-Studio, denn am 15. April 1953 übermittelt man zusammen mit dem damals beherrschenden deutschen Verleih Gloria noch vor Inkrafttreten der Lex-UFI ein Kaufangebot in Höhe von 5 Millionen DM für die Berliner und Wiesbadener AFIFA-Studios.

Der Gesamtwert früherer Schätzungen für beide Ateliers in Höhe von 10 Millionen DM ist laut Carlton unrealistisch, da die Technik überaltert sei und man wohl in Kürze komplett auf 3-D umrüsten müsse, da dies das System der Zukunft sei (!).

Andererseits würde sich die Carlton verpflichten, jährlich mindestens 2.000 Kopien herzustellen und pro Jahr rund 15 Spielfilme allein im Wiesbadener Studio zu verwirklichen. Da die Carlton die AFIFA-Anlagen zum großen Teil über Steuervergünstigungen finanzieren möchte, winkt das Bundesfinanzministerium ab, zumal soeben die Steuerreform verabschiedet wurde, die einen Abbau steuerlicher Vergünstigungen vorsieht. (54)
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Es geht nur noch um Bürgschaften und ums Geld

Zur gleichen Zeit macht eine Produzentengruppe um Heinrich Jonens Meteor den Vorschlag, für ganzjährige Belegung des Studios zu sorgen, wenn dafür die finanzielle Unterstützung des Landes Hessen gewonnen werden kann.

Als wesentlichen Vorteil ihres Angebots führt die Meteor an, durch kurz vor Abschluß stehende Verhandlungen mit Italien über deutsch-italienische Coproduktionen für zusätzliche Studiobelegung sorgen zu können. Doch erst zwei Jahre später wird der Vorschlag der Jonen-Gruppe aufgegriffen, als es für eine Rettungsaktion schon zu spät ist.

Im März 1953 beschließt die Bundesregierung die Fortsetzung der Bürgschaftsaktion auf drei Jahre mit einem Volumen von zunächst 60 Millionen DM.
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Bürgschaften ab jetzt bevorzugt für Großfirmen

Gebürgt wird für Einzelprojekte nur noch im Sonderfall, stattdessen werden vorrangig Sammelbürgschaften für eine Staffel von mehreren Filmen vergeben, womit das Verlustrisiko bei einzelnen "Kassenflops" abgepuffert werden soll.

Diese Vorgehensweise bevorzugt eindeutig Großfirmen, da kleinere Hersteller kaum mehr als einen Film pro Jahr fertigzustellen in der Lage sind. Vergeben werden die Bürgschaften ab jetzt von der neugegründeten Bürgschaftsgesellschaft für Filmkredite in Frankfurt, die "durch Hebung der Wirtschaftlichkeit und durch Qualitätsverbesserung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Filmproduktionen auf dem deutschen und internationalen Markt" (55) steigern soll. Die zweite Bürgschaftsaktion beginnt im September 1953.

1953 - Die Westra-Film in der Albrecht-Dürer-Straße

Nur einen einzigen Film realisiert die Wiesbadener Westra-Film, die ihren Sitz 1953 in der Albrecht-Dürer-Straße 37 nimmt. Im Sommer des Jahres entsteht nicht in Wiesbaden, sondern in München die Großproduktion ... UND IMMER LOCKT DIE SÜNDE.

Die rührselige story um ein Mädchen, das durch Zufall zum Zirkus kommt und dort Karriere macht, wird in deutscher und englischer Fassung mit dem Gespann Jürgens/Bartok in den Hauptrollen verfilmt.

Partner der Westra in dieser ersten deutsch-amerikanischen Spielfilm-Coproduktion der Nachkriegszeit ist die US-Firma King Brothers.
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1953 - WEG OHNE UMKEHR

Ebenfalls in Coproduktion (hier mit der Kölner Occident-Film) realisiert die neugegründete Trans-Rhein im Sommer 1953 in Wiesbaden ihren ersten Spielfilm WEG OHNE UMKEHR, der neben anderen Auszeichnungen 1954 den Bundes-filmpreis erhält.

Erzählt wird die Geschichte eines Russen, der nach vielen inneren Konflikten vom Ostteil Berlins in den Westsektor flüchtet. Neben Außenaufnahmen in Mainz ("die westdeutsche Stadt, die als einzige noch filmgerechtes Trümmerchaos und Möglichkeiten zu realistischen Häusersprengungen bietet" (56)), entstehen Unter den Eichen unter Leitung der Filmarchitekten Alfred Bütow und Ernst Schomer beklemmende Nachkriegs-Ruinenlandschaften.

Verarbeitet der Film auch viele Klischees des Kalten Krieges, so sind seine Vorzüge doch augenfällig: "Zum Beispiel Phrasenlosigkeit. Ein politischer Film, der ohne ideologisches Eifern auskommt, ganz ohne jeden Propagandaschwall, ist selten.

Oder: politische Fairness. Das ist noch seltener: ein westlicher Film, in dem die Russen keine Bösewichter sind" (57). Im Mai 1955 erhält Vicas' Film den Henrietta-Preis der Auslandskritiker Hollywoods und startet immerhin in vier New Yorker Kinos.
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1953 - ein drastischer Produktionsanstieg samt Farbfilm

Im Sommer 1953 vermeldet die AFIFA einen drastischen Produktionsanstieg im Bereich der Auftrags- und Wirtschaftsfilme, nachdem die Werbefilmherstellung bereits seit geraumer Zeit floriert. In einer Pressemitteilung verweist man besonders auf die Möglichkeit, diese Filme in Farbe herstellen zu können. (58)

Das wohl kurioseste Werk dieser Art war im Frühjahr 1953 im Auftrage der Firma Persil entstanden. FRAUEN, FILME, FERNSEHFUNK ist ein abendfüllender Film über moderne Waschmethoden, der eine Spielfilm-Rahmenhandlung mit Einblendungen von Szenen alter UFA-Klassiker der dreißiger und vierziger Jahre anreichert. Der Film läuft in der Folge nicht nur, wie vorgesehen, in Matinees, sondern auch im regulären Programm großer Filmtheater.
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September 1953 - Romy Schneider und Götz George

Zwei Weltkarrieren nehmen mit Hans Deppes WENN DER WEISSE FLIEDER WIEDER BLÜHT ihren Anfang. Zusammen mit ihrer ehrgeizigen Mutter Magda steht Romy Schneider nach Abschluß der Atelierarbeit in Berlin ab 8. September 1953 in Wiesbaden und im Rheingau für Außenaufnahmen vor der Kamera. Gemeinsam mit ihr debütiert auch Götz George in dieser Produktion.

Der Revuefilm, heute Synonym für den deutschen Nachkriegsfilm der fünfziger Jahre schlechthin, verwendet "Heimatpostkartenansichten aus Wiesbaden und dem Rheintal" (59) als Hintergrund für eine bittersüße Liebesgeschichte zwischen einem gefeierten Sänger und der Besitzerin eines Modesalons.
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Bürgschaftsgeber Bayern bestimmt den Drehort

JONNY RETTET NEBRADOR, eine Meteor-Produktion, entsteht im September 1953 in Geiselgasteig und nicht wie geplant in Wiesbaden. Damit kommen die Produzenten den Wünschen des Bürgschaftsgebers Bayern nach. Hans Albers rettet in einer Doppelrolle als Globetrotter Jonny das phantastische Land Nebrador, indem er als Double eines gefürchteten Generals agiert.

DER VETTER AUS DINGSDA

Statt der Meteor-Produktion ziehen zwei auswärtige Firmen ins Wiesbadener Studio. Im August 1953 beginnt die Berliner Central-Europa die Verfilmung der Künnecke-Operette DER VETTER AUS DINGSDA, im Oktober dreht die" Münchner König-Film Unter den Eichen DIE KLEINE STADT WILL SCHLAFEN GEHN, einen Krimi, der in Limburg an der Lahn spielt und die Auswirkungen eines Postraubes auf die Bevölkerung schildert.

1953/54 - STAATSANWÄLTIN CORDA

Zum "Dreigroschen-Comeback des einstmals heroischen Karl Ritter" (60) wird STAATSANWÄLTIN CORDA, der zur Jahreswende 1953/54 in Wiesbaden entsteht.

Ritter, der während des Dritten Reiches Propaganda-Machwerke wie STUKAS und GPU gedreht hatte und 1948 nach Argentinien übergesiedelt war, findet damit den Einstieg in den deutschen Nachkriegsfilm. Ritter freut sich laut Pressebericht vor allem über eine Regiearbeit "ohne die Diktatur der Verleiher"\ (61).

Die Produktionsfirma Bühne und Film, zu dieser Zeit noch in Herne /Westfalen ansässig, gehört übrigens Karl Schulz, dem späteren Käufer der AFIFA, der das Produktionsgelände ab 1959 unter dem Namen Taunus-Film weiterführen wird.

Am 30. September zieht die Bundesregierung eine vorläufige Bilanz ihrer bisherigen Bürgschaftspolitik, wonach seit Sommer 1950 insgesamt 82 Spielfilme und 11 Kurzfilme mit einer Summe von insgesamt 22 Millionen DM verbürgt wurden. Davon wurden 10 Millionen DM eingespielt, 12 Millionen sind noch offen.
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1954 - Produktionsboom

Zu Jahresbeginn 1954 beklagt der Produzent Hans Abich (Filmaufbau Göttingen) die "Filmprovinz Deutschland", womit er die Aktivitäten der vielen Produzenten und Ateliers treffend beschreibt:

"Überall im deutschen Film sind wir Provinz geworden. Film verträgt Provinz viel schlechter als Theater, das zu einem Teil schon immer davon gelebt hat. Seit 1945 hat man den Föderalismus beklatscht und den Zentralismus gescholten. In diesen Jahren haben wir die Vereinzelung gepflegt, da wir der Gesamtheit entraten mußten. Niemand hat sich über den Schwächezustand der deutschen Filmwirtschaft unter der Anwendung alliierter Vorschriften wundern können. Aber gar zu eifrig hat man jüngst den sogenannten Staatsdirigismus an die Wand gemalt, wo natürliche und notwendige Entwicklungen zur Konzentrierung zu bemerken waren ... Die Art von Provinz, die wir meinen, ist nicht Erfüllung von Eigenart, sondern Betriebsamkeit vieler Einzelner, die im Grunde alle das Gleiche tun und sich dabei mehr, als es unserer gegenwärtigen Konstitution gut tut, abnützen müssen" (62).
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1954 - ROSEN AUS DEM SÜDEN

Den Reigen der Wiesbadener Filmproduktionen des Jahres 1954 eröffnet Viktor von Struve mit dem Revuefilm ROSEN AUS DEM SÜDEN unter dem genreerfahrenen Regisseur Franz Antel ("Franz Antel schlägt eine neue Unterhaltungsschlacht" (63)).

Im Wiesbadener Studio witzelt von Struve mit Schauspieler Oskar Sima: "'Ein schöner Hut, Herr Sima' - Darauf Sima: 'Den kauf ich Ihnen ab, Herr von Struve. Sie kennen doch die alte UFA-Relation: Ein Drittel des Einkaufspreises \ Entgegnet Viktor von Struve trocken: 'Nein, ich kenne nur den neuen Bürgschaftspreis - die Hälfte!' Im Hintergrund hört man Sima nach einem Kognak rufen..." (64).

Die Von-Struve-Filmproduktion hatte nach dem bundesverbürgten MANN MEINES LEBENS, der schon Anfang 1954 in Bendestorf entsteht, mit ROSEN AUS DEM SÜDEN, verbürgt durch Bund und Land Hessen, bereits den zweiten Film im laufenden Jahr produziert.

Die Eva-Filmproduktion in der Adelheidstraße 22/24

Für einmal ist das Atelier Wiesbaden derart ausgelastet, daß man in Behelfsräume ausweichen muß. Zeitgleich mit ROSEN AUS DEM SÜDEN geht ROSEN-RESLI der Eva-Filmproduktion nach Wiesbaden ins Studio. Die Eva-Film (Geschäftsführer Paul Hans Fritsch) gründet sich 1954 in Wiesbaden, nimmt ihren Sitz zunächst auf dem Filmgelände Unter den Eichen und zieht später in die Adelheidstraße 22/24.

ROSEN-RESLI entsteht wegen der akuten Raumnot im Behelfsatelier Winzerhaus in Wiesbaden-Frauenstein und in einer Rosenzucht in Wiesbaden-Biebrich: "Da die Interieurs des Films nur aus kleinen Zimmern bestehen, und die AFIFA-Ateliers in Wiesbaden nicht zur Verfügung standen, gehen die Aufnahmen auch in dem Behelfsatelier flott vonstatten" (65).

Die Titelrolle in der Verfilmung des Johanna-Spyri-Stoffes übernimmt die damals 8-jährige Christine Kaufmann, die bereits in STAATSANWÄLTIN CORDA zu sehen war.

Der erste "Dreiländerfilm" ORIENTEXPRESS

Heinrich Jonen, den Wiesbadener Produzenten-Kollegen meist eine Nasenlänge voraus, verwirklicht im Februar 1954 einen langgehegten Traum. Zusammen mit der römischen Fono-Film und der französischen Sirius beginnt er die Dreharbeiten 'Die kleine Stadt will schlafen gehn" zum ersten "Dreiländerfilm" nach 1945, an dem eine deutsche Firma beteiligt ist: ORIENTEXPRESS.

Der Film beschreibt die Begegnungen einiger Großstädter, deren Fahrt mit dem Orientexpress durch eine Lawine unterbrochen wird, mit einheimischen Dorfbewohnern, bei denen die Zuginsassen für einige Tage untergebracht werden.

Den Dreharbeiten in der Nähe von Cortina d'Ampezzo und den anschließenden Studioaufnahmen in der Cinecitta in Rom gehen lange und schwierige Verhandlungen Jonens mit Italien und Frankreich voraus.

Zumindest die Stabliste kann sich letztlich sehen lassen: Regie führt Roberto Rossellini, in den Hauptrollen sind Curd Jürgens, Eva Bartok und Folco Lulli zu sehen. Die Kritik wirft dem Großprojekt allerdings einen erheblichen Mangel an Tempo und Spannung vor.
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Die Reprivatisierung der ehemaligen UFA geht 1954 weiter

Um die 1953 beschlossene Reprivatisierung der ehemaligen UFA zu vollenden, werden am 12. Februar 1954 in Wiesbaden für die ehemaligen UFA-Komplexe Universum, Bavaria und AFTFA wieder Aufsichtsräte gewählt.

Die jeweiligen Vorsitzenden dieser Aufsichtsräte fungieren zugleich als Abwickler, die die einzelnen Konzernteile in die Hände geeigneter Käufer überführen sollen.

Im März 1954 verlegt der Produzent Hans Domnick, dessen Filmgesellschaft bisher in Göttingen ansässig war, seinen Hauptsitz nach Wiesbaden ins "Haus der Mode" in der Großen Burgstraße.

Domnicks Hauptaugenmerk gilt dem gehobenen Unterhaltungsfilm, so inszenierte er Anfang der fünfziger Jahre u.a. mehrere Curt-Goetz-Adaptionen. In der Folgezeit wird er vor allem im Bereich des abendfüllenden Dokumentarfilms eine beherrschende Rolle spielen.
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Hier steht es : "in der kurzen Blütezeit der Filmstadt Wiesbaden"

Mitten in der kurzen Blütezeit der Filmstadt Wiesbaden warnt das Wiesbadener Tagblatt am 25. Februar 1954 vor der schweren Gefahr, die der Stadt als Standort der Filmproduktion drohe.

Die Zeitung sieht hierfür vor allem im Desinteresse der Stadt Wiesbaden die Ursache. So habe man keinerlei Reaktion gezeigt, als der prestigeträchtige Verband deutscher Filmproduzenten sein Büro in der Landeshauptstadt kürzlich aufgab, um gen München und Berlin zu ziehen.

Weiterhin wird die geringe Bürgschaftsfreudigkeit des Landes Hessen kritisiert, die verpaßte Chance, die Filmfestspiele nach Wiesbaden zu holen, und der schleppende Ausbau des Schlosses Biebrich als Zentrum für filmwirtschaftliche Verbände und Institutionen.

Immerhin wird lobend erwähnt, daß die Stadt zu diesem Zeitpunkt DM 120.000,- für die Renovierung der Räumlichkeiten des Deutschen Instituts für Filmkunde und der Filmbewertungsstelle bereitstellen will.
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Der deutsche FIlm braucht eine "echte Volkszensur"

Zum ersten Male in der Geschichte der BRD widmet sich der Bundestag am 2. April 1954 in einer sechsstündigen Debatte dem deutschen Film.

Thema ist auch hier die Stagnation der deutschen Filmindustrie, konkreter Anlaß sind die Äußerungen des Familienministers Würmeling, der den deutschen Unterhaltungsfilm für die Gefährdung von Ehe und Familie mitverantwortlich macht und im Januar eine "echte Volkszensur" fordert.

In der Debatte wird schließlich jeglicher Staatszensur eine Absage erteilt und die Arbeit der FSK ausdrücklich gelobt. Später erhält Würmeling eine Rüge vom Bundeskanzler persönlich.

Offen indes bleibt am 2. April die Frage, in welchem Maße in Zukunft bei der Vergabe von Bundesbürgschaften "staatspolitische Grundsätze " besonders berücksichtigt werden sollen. (66)
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Es gibt einen Produktionsboom "Unter den Eichen"

Der Produktionsboom Unter den Eichen hält zunächst an. Nach dem großen Erfolg von WEG OHNE UMKEHR, der inzwischen in zehn Länder verkauft wurde, beginnt die Trans-Rhein in Coproduktion mit der französischen Madeleine-Film am 20. Mai 1954 in Wiesbaden den Film DAS ZWEITE LEBEN.
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DAS ZWEITE LEBEN.

In der Verfilmung des Stückes von Jean Giraudoux führt erneut Victor Vicas Regie. Die story erzählt von einem französischen Soldaten, der sein Gedächtnis verliert und in einem deutschen Lazarett unerkannt wieder aufwacht.

DAS ZWEITE LEBEN ist der erste Teil einer sogenannten "Pärchen-Produktion", in deren Verlauf zunächst von beiden Firmen in Zusammenarbeit ein Film in Deutschland realisiert wird, der finanziell zu 70% vom deutschen und 30% vom französischen Partner getragen wird.

Beim zweiten, in Frankreich zu produzierenden Film, soll das Verhältnis umgekehrt sein. Auf diese Weise kann die Trans-Rhein den Film ohne Bürgschaftshilfe, die den Drehplan verschleppt hätte, realisieren.

Der Journalist Bert Reisfeld, der die Dreharbeiten in Wiesbaden und im Kloster Eberbach besucht, ist euphorisch:

"Eine kleine Unterhaltung mit den Darstellern Bernhard Wicki und Gert Fröbe klärt mich schließlich über die in Hollywood völlig unbekannten Probleme der Coproduktion auf. Beide Sprachen werden hier von allen Beteiligten gesprochen und verstanden, was in Hollywood undenkbar ist. Der Gedanke drängt sich auf, daß man Menschen, die künstlerisch zusammengearbeitet haben und Gelegenheit hatten, einander so kennenzulernen ... in Zukunft wohl nie mehr kriegerische Ideen verkaufen kann. Nicht nur künstlerisch, ja auch politisch scheint hier in Europa ein sensationeller Schritt nach vorne getan worden zu sein, von dem wir in den Vereinigten Staaten noch herzlich wenig wissen" (67).
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Curt Oertel dreht in den USA "NEUE WELT"

Fast zwei Jahre dreht Curt Oertel in den Vereinigten Staaten an seinem abendfüllenden Film NEUE WELT, der zur Uraufführung anläßlich der Filmfestspiele in Berlin am 29. Juni 1954 fertiggestellt werden kann.

Der Dokumentarfilm mit dem Untertitel "Vom Wigwam zum Wolkenkratzer" beschreibt die Architekturgeschichte der USA.
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Das "Wunderkind" Christine Kaufmann in DER SCHWEIGENDE ENGEL

Ihre bereits dritte Filmrolle in einer Wiesbadener Produktion spielt das "Wunderkind" Christine Kaufmann in DER SCHWEIGENDE ENGEL, einem Ballettfilm, mit dem die Eva-Film im Juli 1954 ins Wiesbadener Studio geht.

Mit dabei auch der 11-jährige Michael Gebühr, Sohn des bei den Dreharbeiten zu ROSEN-RESLI in Wiesbaden verstorbenen Otto Gebühr.

Regisseur Harald Reinl verpflichtet für den Film außerdem zwei Wiesbadener Abiturientinnen, die zu internationalen Stars werden sollen: Karin Dor und Ingeborg Schöner.

Die Dreharbeiten im Wiesbadener Opernhaus drohen, angesichts zahlreicher Kinderstars, im Chaos zu versinken: "Auf der Bühne: Zwanzig kleine Ballett-Ratten in schwarzroten Trikots.

Produktionsleiter Oscar Marion windet sich durch ein Knäuel aus Menschen und Kabeln. Dazwischen wirft jemand unvermittelt seine Hände auf, markiert Oper. Und singt. Eigene Werke aus eigener Kehle. Dann wechselt er von Wagnerscher Schule auf bayerischen Jodler ... Der singende Held im Strassenanzug ist Dr. Harald Reinl. Der Film, den er regiert, heißt 'Der schweigende Engel'" (68).
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FRAUEN UM RICHARD WAGNER von William Dieterle

Auch FRAUEN UM RICHARD WAGNER von William Dieterle, der seit 1930 in Hollywood tätig ist, nutzt im Herbst 1954 für die opulente filmische Biographie über den Musiker das Ambiente des Wiesbadener Opernhauses. Die US-Firma Republic läßt im Staatstheater eigens Szenen der "Tannhäuser"-Uraufführung von 1865 in Paris glanzvolle und tumultöse Auferstehung feiern.

John Brahm und "DIE GOLDENE PEST"

Nach Dieterle gastiert im Herbst 1954 in Wiesbaden ein weiterer deutscher Regisseur mit Hollywood-Karriere: der 1933 aus Nazi-Deutschland emigrierte John Brahm.

Seine erste Arbeit in der alten Heimat wird DIE GOLDENE PEST, eine Produktion der Occident-Film aus Köln. Der Film erzählt die Geschichte eines deutschstämmigen US-Soldaten, der nach seinem Einsatz im Korea-Krieg in die Pfälzer Heimat seiner Vorfahren kommt und dort mit der verworrenen, verstörten Welt des besetzten Nachkriegsdeutschlands konfrontiert wird.

Unter den Eichen entsteht diese Welt, die das Aufeinandertreffen bodenständiger Tradition mit amerikanischem way-of-life widerspiegelt. Die Architekten Alfred Bütow und Paul Köster haben einen kompletten Vergnügungspark errichtet inklusive einer Schlammschlachtarena für Damenringkämpfe:

"Es würde jedem Rummelplatz zur Zierde gereichen. Im Innern, zwischen Schießständen, Theken, Bars und Schlafkabinen, ist auf einer Empore eine Radrennbahn errichtet. Die Räder laufen auf Rollen, die mit Tachometern verbunden sind. Wintertraining für Radamateure? Keine Spur! Schnelle Rädchen für leichte Mädchen. Billige Unterhaltung einer aus den Fugen geratenen Welt" (69).
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Karl Ritter und BALL DER NATIONEN

Während der Emigrant John Brahm in der AFIFA arbeitet, realisiert der Starregisseur des Dritten Reiches Karl Ritter seinen zweiten Film in Wiesbaden:

BALL DER NATIONEN wird produziert von Karl Schulz' Bühne und Film, die bald von Herne in Büroräume Unter den Eichen wechseln wird. Der Versöhnungsfilm, der eine internationale Konferenz mit happy-end schildert, weil sich alle Supermächte ohnehin längst gegenseitig ausspioniert haben, hat Starbesetzung inklusive Zsa Zsa Gabor, Claudine Dupuis und Chris Howland zu bieten.

In einer Nebenrolle ist Kurt Weyrauch, der Begründer der Wiesbadener "Komödie am Park" (ehem. "Das Kleine Theater") zu sehen.

Bei Außendrehs vor dem Kurhaus steht das Wiesbadener Fan-Publikum Kopf: "Vor der Seitentür des Kurhauses steht ständig eine Gruppe von autogrammhungrigen Mädchen. Die vorübergehenden Jungen interessieren sich mehr für den schokoladebraunen Mercedes 300, der Zsa Zsa Gabor zur Verfügung steht" (70).
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1954 war das erste Film-Boom-Jahr für Wiesbaden

Zum Ende des Film-Boom-Jahres 1954 gründet sich in Wiesbaden die Wega-Film mit Sitz in der Friedrichstraße 40. Geschäftsführerin ist Maria Osten-Sacken, die zuvor bereits an der Gründung der Eva-Film beteiligt war. Eine weiteres Büro der Wega wird zur gleichen Zeit in München eröffnet. Hochgestecktes Ziel der Firma ist die Herstellung von Spiel-. Kultur-, Dokumentär-, Fernseh- und Reklamefilmen.

Im Dezember 1954 beginnt John Brahm mit VOM HIMMEL GEFALLEN in der AFIFA seine zweite Arbeit in Deutschland. Der stargespickte Film (Joseph Cotten, der während der Dreharbeiten sogar von Alfred Hitchcock besucht wird, Eva Bartok, Rene Deltgen und Gert Fröbe) hat ein völkerversöhnendes Thema:

Ein amerikanisches Baby, das hilflos auf dem Gelände der US-Botschaft eines kommunistischen Landes gefunden wird, erhält dort Asyl. Gedreht wird zugleich in einer deutschen und einer englischen Sprachfassung, was im Studio zu Verwicklungen führt:

"Als wir Wiesbadens Atelier Unter den Eichen betreten, rennt die volksdemokratische Kinderschwester Eva, wie von (monopolkapitalistischen) Furien gehetzt, durch einen riesigen von Alfred Bütow und Ernst Schomer mit kalter Pracht ausgestatteten Ballsaal, stürmt die Treppe zum Obergeschoß hinauf und ist verschwunden. Atemlos (denn sie hat das schon ein halbes Dutzend Male gemacht, erst für die deutsche, dann für die amerikanische Fassung)" (71).
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Ende 1954 - 80% Auslastung der AFIFA-Ateliers

Um die Jahreswende 1954/55 inszeniert die Von-Struve-Film im Atelier Göttingen ein remake des bereits 1931 verfilmten Bühnenschwanks DIE SPANISCHE FLIEGE in Coproduktion mit der Hamburger Deutsche Spielfilm GmbH.

Ende 1954 weist AFIFA-Atelierleiter Richard Steppacher eine positive Bilanz vor. 80% Auslastung kann gemeldet werden durch insgesamt 8 Spielfilme und zahlreiche Auftragsproduktionen:

"Das Jahr 1954 wurde für den inneren Ausbau genutzt. Die Atelieranlagen wurden verbessert und ausgeweitet... Die Tonaufnahme wurde technisch vervollkommnet, die Tischlerei vergrößert. Erhebliche Mittel sind für die Erweiterung des Straßennetzes in dem 85.000 qm großen Freigelände investiert. Mit Rücksicht auf die Farbfilmproduktion wurde die Stromleistung erhöht. Die Stärke der Belegschaft schwankt zwischen 130 und 160 Köpfen. Die weitere Entwicklung, insbesondere eine Ausweitung der Atelierkapazität ... hängt ganz vom Ausgang der Ufi-Reprivatisierung ab.

Einen Steinwurf weiter, im Kopierwerk der AFIFA, vervollständigt Dr. Karl August Klatte den optimistischen Eindruck über die Wiesbadener AFIFA-Betriebe. Das Kopierwerk, seit einem halben Jahr um eine Schmalfilmabteilung erweitert, ist durchweg ausgelastet. Bei Spitzenanfall werden eine Million Meter im Monat ausgeliefert. Mit Stolz weist Dr. Klatte auf die durchgeführte Modernisierung der Anlagen: erhöhte Entwicklungsgeschwindigkeit der Maschinen und erhebliche optische Verbesserungen. Mit seiner Belegschaft von 100 Köpfen geht das Kopierwerk gut gerüstet in ein neues Arbeitsjahr" (72).

Um die steigende Nachfrage befriedigen zu können, etabliert sich in Wiesbaden ein "Komparsenreservoir" von etwa 1.000 Statisten, das sich bei Produzenten steigender Beliebtheit erfreut.

Laut SPIO-Statistik geht 1954 jeder Bundesbürger vierzehnmal ins Kino, somit einmal mehr als im Jahr zuvor. Die deutsche Spielfilmproduktion steigt von 104 auf 107. Dennoch werden keine Zugewinne für die Filmindustrie verzeichnet, da die Filmtheater insgesamt größer geworden sind und der Anteil der US-Produktionen auf dem deutschen Kinomarkt weiter zunimmt.
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1955 - Hessen stützt das Wiesbadener Studio

Neben den eigenen Produktionen leistet die AFIFA immer wieder technische Unterstützung bei Filmprojekten, die in der weiteren Umgebung realisiert werden.

1953 gewährte man diese Hilfe der Capitol-Film, die für ihre Produktion DIE STÄRKERE Außenaufnahmen in Büdingen machte, im gleichen Jahr leistete man auch Schützenhilfe in Bad Neustadt, als dort der Film CHRISTINA entstand.

Direkt in Wiesbaden entstehen im Januar 1955 zahlreiche Szenen für EIN MANN VERGISST DIE LIEBE. Am Drehort findet sich auch bei Nachtaufnahmen eine große Zahl von Schaulustigen ein, um Hauptdarsteller Willy Birgel in Aktion zu bewundern.
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Die Gerüchte um den Verkauf der Wiesbadner Studios gehen weiter

Die Wiesbadener Studios, denen nun schon seit 1949 der Verkauf droht, erhalten im Februar 1955 anläßlich des fünfjährigen Dienstjubiläums des Atelierleiters Richard Steppacher Besuch aus Berlin.

Das UFA/AFIFA-Vorstandsmitglied Lothar C. Wilke beschwört im Rahmen einer Festrede inmitten aller Ungewißheiten die enge Verbindung zwischen den Atelierkomplexen Berlin und Wiesbaden und weist damit alle kursierenden Gerüchte zurück, beim UFA-Verkauf würde das Atelier Wiesbaden nun doch als "Einzelstück" gehandelt.

Auch bei einer Pressekonferenz kurze Zeit später in Berlin betont Wilke, daß Berlin niemals auf den Atelierteil in Wiesbaden verzichten könne.
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1955 - Die Bürgschaften funktionieren nicht langfristig

Am 17. Januar 1955 beschließt die Bundesregierung, die Bürgschaften für deutsche Filmproduktionen Ende des Jahres auslaufen zu lassen, obwohl im September 1954 das Volumen der Bürgschaften noch von 60 auf 75 Millionen DM erhöht wurde.

Die nun beginnende Debatte um neue Förderungsmaßnahmen zielt von Beginn an auf ein Prämiensystem hin: "Zur Begründung des Bürgschaftsstops verlautet aus dem Bundeswirtschaftsministerium und aus dem Bundesfinanzministerium, daß die allgemeine Wirtschaftslage, die Zahl der in diesem Jahr bereits fertiggestellten deutschen Filme, die intensive Atelierbelegung und der Umfang der Verleihankündigungen für 1955/56 Bundesbürgschaften nicht mehr erforderlich machten" (73).

Insgeheim war dies das Eingeständnis, daß die Bürgschaften nicht in der Lage waren, den deutschen Film langfristig zu stützen:

"'Je teurer ein Film, desto höher der Gewinn!'. Der Verlust wird vom Staat getragen werden. Die Produktion steigert sich infolgedessen. Der Markt wird überschwemmt, die Filme können sich nicht amortisieren. Für den Export sind sie auch nicht geeignet" (74).

Das Land Niedersachsen akzeptiert die hohen Verluste

Das Land Niedersachsen, das seinerseits eigentlich einen Stop der Landesbürgschaften aufgrund der hohen Verluste durchsetzen wollte, genehmigt nach Rückzug des Bundes eiligst weitere 3,4 Millionen DM aus Sorge um die einheimischen Studios.

Mai 1955 : wie die UFI entflochten werden solle

Im Mai 1955 legt UFI-Liquidator Elmendorff die Entflechtungspläne dar und betont, daß die Wiesbadener AFIFA-Betriebe nun endgültig vom Berliner Komplex getrennt verkauft werden, da das UFI-Gesetz einem Käufer lediglich gestattet, maximal ein Atelier zu erwerben.

Das Studio Wiesbaden betrachte man demnach als komplett eigenständiges Unternehmen. In Berlin befürchtet man durch die Trennung ("alliierter als die Alliierten ") Nachteile für beide Standorte, vor allem aber die Abwanderung eines Teils der Filmproduktion aus Berlin und als Folge dessen den Verlust von Arbeitsplätzen.

CDU und SPD bringen gemeinsam im Berliner Abgeordnetenhaus einen Dringlichkeitsantrag ein, um den Berliner Senat zu Schritten gegen die Entscheidung des Liquidators zu bewegen. Kurz darauf bestätigt das Bundesjustizministerium jedoch die Rechtmäßigkeit der Trennung.
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Der 3. Eva-Film - DER SCHWEIGENDE ENGEL

Mit SOLANGE DU LEBST beginnt die Eva-Film im Juni 1955 nach den Kassenerfolgen ROSEN-RESLI und DER SCHWEIGENDE ENGEL ihre dritte Produktion in Wiesbaden: "Der Film ... von Harald Reinl... läßt Eindeutigkeiten nicht vermissen, obwohl sein Thema wenig mit der aktuellen Gegenwart und nichts mit der deutschen Spaltung zu tun hat: hier rettet eine Parteigängerin Francos im spanischen Bürgerkrieg einen abgestürzten Flieger der faschistischen Legion Condor; die Denunziation der Internationalen Brigaden, insbesondere der in ihnen organisierten Kommunisten, ist das Leitmotiv des Films" (75).

Ein Welle der Empörung geht durch die Presse, als der Film bei der Filmbewertungsstelle Wiesbaden das Prädikat "wertvoll" erhält. Der Mißerfolg dieses Films, der nahezu eine Million DM Produktionskosten verschlingt, führt zum Konkurs der Eva-Film am 24. Januar 1956. Immerhin hatte die Firma alle ihre Projekte frei finanziert, also ohne Bürgschaftsgelder.
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1955 - Die Deutsche-Mondial dreht ROSENMONTAG

Der zweite Film des Jahres 1955, der in Wiesbaden entsteht und von der Berliner Deutsche-Mondial produziert wird, heißt ROSENMONTAG und ist (der AFIFA-Situation angemessen!) eine Gesellschaftstragödie.

Das Regiedebut von Willy Birgel erzählt von einem jungen Leutnant, der um die Jahrhundertwende aus Liebe zu einer jungen Blumenbinderin auf seine Karriere verzichtet. Als die junge Frau von seiner vermeintlichen Untreue erfährt, tötet sie sich.

Für das rührselige Melodram rekonstruieren die Architekten Fritz Maurischat und Theo Zwierski den gesamten Marktplatz Rastatts auf dem AFIFA-Gelände: "Der Grund: in Rastatt spielen zahlreiche Szenen des Films, die man am Ort selbst kaum in Ruhe hätte drehen können. Nur einige Massenszenen des großen Zapfenstreichs sind dort entstanden, alles übrige wird in Wiesbaden in der Halle oder im Freien gedreht" (76).

Der Wiesbadener Heinrich Jonen dreht in den CCC Studios

Heinrich Jonen gibt mit der Produktion ICH WAR EIN HÄSSLICHES MÄDCHEN im Sommer 1955 ein Gastspiel im Spandauer Atelier der CCC-Film. Wolfgang Liebeneiner inszeniert die zähe Komödie nach dem Pygmalion-Stoff mit Sonja Ziemann, Dieter Borsche und Karlheinz Böhm in den Hauptrollen.

Amerikanischer Humor ? DER MAJOR UND DIE STIERE

Im Juli 1955 beginnen in Wiesbaden die Dreharbeiten für DER MAJOR UND DIE STIERE, eine Coproduktion der Bühne und Film und der Frankfurter Allianz. Der harmlose Schwank erzählt in Episoden die Erlebnisse amerikanischer Besatzer in der bayerischen Provinz in den letzten Kriegstagen.

Vor allem die auf reeducation versessenen Amerikaner sind Mittelpunkt verhaltenen Spottes. Anläßlich der Außenaufnahmen in Weilbach bekommen die anwesenden Journalisten einen Vorgeschmack auf die Art des im Film verbreiteten Humors: "Mit quietschenden Bremsen hält ein echter US-Jeep vor dem Gatter. Ein nicht ganz so echter US-Major steigt aus, gefolgt von einem Lasso-schwingenden Sergeanten, einem deutschen Burschen und seinem Mädel. Der Major stutzt: 'That's Adolf?', fragt er gedehnt. Verständliche Überraschung. Denn Adolf ist nicht etwa jener mit dem Barte, sondern ein ganz mächtig ausgewachsener Dorfbulle, den die Amis zähmen sollen. Okay, box, werden das schon schaffen, diese tüchtigen Yankees" (77).
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Oktober 1955 - es soll wieder hessische Bürgschaften geben

Die seit geraumer Zeit laufenden Verhandlungen um Ersatzbürgschaften durch das Land Hessen zur Stützung der AFIFA-Ateliers - von Heinrich Jonen bereits 1953 angeregt - nähern sich im Oktober 1955 einem positiven Ergebnis.

Die vier Produktionsfirmen Greven, CEO (beide mit Filialen in Wiesbaden), Meteor und Taunus/Bühne und Film (Karl Schulz) haben sich zusammengefunden, um gemeinsam eine Staffel von vier Filmen in Wiesbaden herzustellen. Für diese Viererstaffel soll Hessen mit 1,2 Millionen DM bürgen.

Schon im November 1955, noch bevor Hessen eine endgültige Zusage macht und um die Verhandlungen zu beschleunigen, entsteht Unter den Eichen der erste Film der Staffel, das Caterina-Valente-Vehikel BONJOUR KATHRIN.

Silvio Francesco, Peter Alexander, die 30 Geigen des NWDR-Hausorchesters, Musik von Kurt Edelhagen und ein Choreograph aus den USA sorgen für perfekten Schmelz der fünfziger. BONJOUR KATHRIN kann später erfolgreich ins deutschsprachige Ausland und in die Benelux-Länder verkauft werden.
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Wiesbaden schmückt sich mit politischer Prominenz

Anläßlich der Dreharbeiten zieht es besorgte politische Prominenz aus Hessen ins AFIFA-Studio, um sich vor Ort von der Leistungsfähigkeit der Studios zu überzeugen, unter ihnen Ministerpräsident Dr. Georg-August Zinn, OB Mix und Vertreter der Filmindustrie.

Wenige Tage später, sicherlich noch unter dem Eindruck von Caterinas
Charme, bewilligt Hessen die in Aussicht gestellte Bürgschaft: "Die Verbürgung ist ... kein Politikum. Sie ist vielmehr eine wirtschaftliche Förderungsmaßnahme zugunsten der Landeshauptstadt und damit Hessens.

Für den künftigen Erwerber der Ateliers im Rahmen der UFI-Entflechtung und einer sich im Zusammenhang damit möglicherweise entwickelnden Produktions- und Verleihgruppe ist das AFIFA-Objekt jedenfalls interessanter geworden. Auch die Stadt Wiesbaden, der das Ateliergelände gehört, kann in Zukunft besser Hilfestellung geben. Es ist also zu hoffen, daß es Hessen gelingen wird, eine nicht unwichtige Rolle bei der Gesundung des deutschen Films zu spielen" (78).
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Die angepeilte Gesundung des deutschen Films

Die Chancen, dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, scheinen gering. Soeben gründet Heinrich Jonen eigens eine Meteor-Berlin, um dort das mit 1,8 Millionen DM verbürgte Großprojekt STRESEMANN (genannt Stresenauer) zu drehen und nicht, wie geplant, in Wiesbaden. (79)

Weder Meteor noch andere in Wiesbaden ansässige Filmfirmen planen Spielfilme in der AFIFA für 1956. Das Projekt Karl Ritters, einen großen Film über Werner von Siemens zu drehen, kommt nie zustande.

Auch die soeben nach Wiesbaden umgesiedelte Domnick-Film dreht MEINE 16 SÖHNE in Bremen und Berlin, knüpft aber mit dem völkerverbindenden Thema des Films wenigstens an Wiesbadener Traditionen an - Thema :

Als bei einem Musikwettbewerb nichtdeutsche Teilnehmer ausgeschlossen werden sollen, drohen die deutschen Teilnehmer mit Boykott. Um ein Eklat zu vermeiden, läßt man schließlich alle Bewerber zu.
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"Blick in die Welt" rettet das Jahr 1956

Am eifrigsten sind 1955 die diversen Kurz- und Dokumentarfilm- Hersteller in Wiesbaden, wie die Oertel-Filmstudiengesellschaft, die Melophon und die Skalden-Film. Auch der später berühmte Haro Senft dreht mit der Boheme-Film in Wiesbaden.

Wichtig für das Kopierwerk der AFIFA bleibt weiterhin die Arbeit für das Wochenschauprogramm "Blick in die Welt". Immerhin ist 1955 der Zentralverband der Filmtheater von Düsseldorf nach Wiesbaden umgezogen, und neuerdings hat der Verband der deutschen Filmclubs in Wiesbaden seinen Sitz.
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1956 - Die Privatisierung des Wiesbadener Studios: Abwickler contra AFIFA Teil 1

Die Veräußerung des UFA-Imperiums nimmt 1956 konkrete Formen an. Am 16. Februar wird der Verkauf des Bavaria-Filmgeländes an ein Konsortium, bestehend aus Süddeutscher Bank, Agfa, Commerzbank, Schorcht-Filmverleih und NDF, bekanntgegeben.

Bayerns Wirtschaftsminister Bezold versichert in diesem Zusammenhang, daß sich die bayerische Staatsregierung auch nach der Privatisierung des größten Unternehmens der bayerischen Filmwirtschaft im Hinblick auf bestehende und weitere finanzielle Förderung entgegenkommend zeigen wird. Bereits laufende Bürgschaften Bayerns würden auf die neue Bavaria übertragen.
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Und die Wiesbadener AFIFA-Ateliers ??

Die Privatisierung des Wiesbadener AFIFA-Ateliers, die sich über die nächsten drei Jahre hinziehen wird und die Spielfilmproduktion fast zum Erliegen kommen läßt, beginnt mit einer ersten Transaktion am 28. Juni.

Karl Schulz (Taunus-Film, Bühne und Film) erwirbt von der Stadt Wiesbaden für DM 318.000,- das Grundstück, auf dem sich die AFIFA-Atelierbauten befinden.

Am 2. Juli macht die Taunus-Film gegenüber den UFI-Abwicklern ein Kaufangebot für die Studioanlagen. Der Bund hat einen Kaufpreis von 2,1 Millionen DM ausgeboten (angsetzt), das Angebot der Taunus liegt bei DM 500.000,-. Die erhebliche Differenz wird mit notwendigen Investitionen begründet, die dringend vorgenommen werden müßten, um den Betrieb wettbewerbsfähig zu halten.

Die UFI-Liquidatoren, die außer diesem Angebot kein weiteres erhalten, lehnen mit Hinweis auf die Diskrepanz zwischen Nennwert und Gebot ab. Man wartet auf höhere Angebote, auch als die Taunus signalisiert, bis auf ca. 80% des Nennwertes hochzugehen.
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Die Gerüchteküche kocht - Wiesbaden soll platt gemacht werden

In Zusammenhang mit der Zögerlichkeit der Abwickler gehen Gerüchte um, man wolle Wiesbaden als Produktionsstätte sterben lassen:

"Es gibt einflußreiche Kreise, die eine Stillegung Wiesbadens befürworten. Sie begründen diesen Plan mit der Gefahr einer Überkapazität und mangelnder Eignung Wiesbadens als Filmstadt" (80).

Die Stadt Wiesbaden zeigt sich jedoch weiter interessiert am Atelier - schließlich hat sie nicht zuletzt den Ateliergrund deshalb so rasch an die Taunus verkauft, um die Vorhaben der Taunus gegenüber der UFI zu forcieren.
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Von jetzt an wurde nur noch gepokert

Bis Ende des Jahres bleiben die UFI-Liquidatoren bei ihrer Ablehnung des Angebotes der Taunus-Film. Auch betont die UFI ausdrücklich, daß man sich durch den bereits getätigten Grundstücksverkauf, der ja de facto keinen anderen Konkurrenten zuläßt, nicht unter Druck setzen lassen werde.

Nicht nur die Querelen um den Studioverkauf tragen indes zur neuerlichen Produktionspause bei: "Wirtschaftliche Gründe, die sich auch andererorts auswirkten, zwangen Wiesbaden zu einem zeitlich begrenzten Produktionsstop. Im wesentlichen machte sich hier der Ausfall der Bundesbürgschaften bemerkbar" (81).
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Die Finanzierungen von Produktionen blieben aus

Ein geplanter Anschlußfilm der Greven-Produktion nach BONJOUR KATHRIN kann nicht finanziert werden. Auch der Start zum zweiten Film der von Hessen verbürgten Vierer-Staffel zur vorläufigen Stützung der AFIFA, der Spielfilm DANY, BITTE SCHREIBEN SIE, verzögert sich, da kurzfristig die eigentliche Hauptdarstellerin Marianne Koch gegen Sonja Ziemann ausgetauscht werden muß. Erst im März 1956 geht es ins Wiesbadener Atelier.

Die Münchner CEO-Film (Carl Opitz) inszeniert die Komödie um eine Sekretärin, die nach vielen Irrungen und Wirrungen ihren Chef heiratet, jetzt mit dem zugkräftigen Leinwand-Paar Sonja Ziemann und Rudolf Prack ("Zie-Prack").

Die UFA-"Liquidatoren" spielen ein merkwürdiges Spiel

Mit der Universum-Film und der UFA-Theater AG kann im April 1956 der zweite Komplex der UFA verkauft werden. Für insgesamt 12,5 Millionen DM erwirbt ihn ein Bankenkonsortium. Obwohl höhere Angebote des Gloria-Filmverleihs und des Mosaik-Kopierwerkes vorliegen, geben die Liquidatoren dem Konsortium den Zuschlag, da hier langfristig die größte Kapitalkraft erwartet wird. Mosaik-Geschäftsführer Ernst Wolff tritt kurz darauf in den Vorstand der Taunus-Film ein und verhandelt nun gemeinsam mit Hans Schulz über den Kauf der Wiesbadener AFIFA.

Die Hassia-Film dreht "KÜSS MICH NOCH EINMAL"

Die neugegründete Wiesbadener Hassia-Film mit Sitz Unter den Eichen (Geschäftsführer ist wie bei Eva-Film Paul Hans Fritsch) beginnt am 29. Mai 1956 nach über zweimonatiger Atelierpause bei der AFIFA mit den Dreharbeiten zu ihrem ersten (und einzigen) Werk, dem Revuefilm KÜSS MICH NOCH EINMAL.

Mit einem bandscheibengeschädigten Silvio Francesco und Topsy Küppers in den Hauptrollen soll an den Erfolg von BONJOUR KATHRIN angeknüpft werden, in Nebenrollen sind Wolfgang Neuss und Chris Howland zu sehen.

"Regisseur Helmut Weiß hat gerade die Aufnahmehalle in eine fashionable Bar verwandeln lassen ... in der ... das schmissige Tanzorchester Hazy Osterwald alle Posaunen-, Saxophon-, Klarinetten- und Schlagzeug-Register zieht, während Silvio Francesco hier in dem wohl schwersten artistischen Part seines Films mit einem tänzerisch eleganten Sprung vom Kapellen-Podium herunterzuspringen, strahlend zu singen, zu tanzen und mit einer Klarinette zu jonglieren hat." (82) Mit im Ensemble ist auch die inzwischen an der Uni Frankfurt Germanistik studierende Ingeborg Schöner.
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Luis Trenker dreht in Wiesbaden "VON DER LIEBE BESIEGT"

Das Filmgelände Unter den Eichen erstrahlt für kurze Zeit im Zermatt-Glanz, als im Oktober 1956 die Meteor-Film mit VON DER LIEBE BESIEGT ihren letzten Film in Wiesbaden dreht. Hauptrolle und Regie des Bergfilms liegen in den Händen des Haudegens Luis Trenker, der, während die Atelieraufnahmen bereits in vollem Gange sind, noch im Zermatt zu Außendrehs weilt.

In Wiesbaden entstehen derweil entsprechende, stilechte Bauten: "Unter den zünftigen Gestalten, die wir vor Ernst W. Kalinkes Kamera entdecken, waren auch zwei waschechte Zermatter Bergführer. Sie gehören ebenso wie der unverwüstliche Umberto Sacripanti, der in fast jedem Trenker-Film mitspielte, zu Trenkers 'Privatgefolge'. Sie stehen auch zum ersten Male vor der Filmkamera, haben sich aber sofort an das neue Milieu gewöhnt und fühlen sich in Wiesbaden sehr wohl, weil es rundherum Wald und Berge gibt" (83).
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Der allmähliche Niedergang der Filmstadt Wiesbaden beginnt

Dieses Wohlgefühl empfindet die Wiesbadener Wega-Film offensichtlich nicht. Der allmähliche Niedergang der Filmstadt Wiesbaden findet auch im Exodus der hier ansässigen Produzenten Ausdruck. Die Wega, die eine Niederlassung in München hat, stellt in dortigen Studios beide Filme des Jahres 1956 her. In den Hauptrollen jeweils Christine Kaufmann: EIN HERZ SCHLÄGT FÜR ERIKA (Christine als Waisenmädchen, das eine gute Adoptivmutter findet) und DIE STIMME DER SEHNSUCHT (Christine als Waisenmädchen, das die Eheprobleme eines Tenors behebt).
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Und wieder wird um die AFIFA weiter gepokert

Die Berliner Handelsgesellschaft, die in Verhandlungen mit verschiedenen Industriefirmen und Markenartikelherstellern steht, meldet laut UFI-Liquidatoren im November 1956 Interesse am Kauf der Wiesbadener AFIFA-Ateliers an. Auch die Wochenschau-Produktion sei eingeschlossen.

Die Planung der Interessenten sieht vor, in Wiesbaden zukünftig in eigener Regie verstärkt Werbe- und Industriefilme zu drehen sowie eine kleine Anzahl von Spielfilmen.

Die Liquidatoren unterrichten die Stadt Wiesbaden von dem Angebot, die daraufhin erwägt, den Grund Unter den Eichen von der Taunus wiederzuerwerben, um beim Verkauf den notwendigen Handlungsspielraum zu haben.

Nur 4 Filme in 1956

Die Wiesbadener Studios beschließen unterdessen das Produktionsjahr 1956 mit vier Filmen. Außer der Hassia-Produktion gehören alle zur Staffel, die das Land Hessen verbürgt hat. In Friedberger Hilfsateliers dreht die Frankfurter Produktionsfirma Wolf Schmidt zwei Folgen der Familie-Hesselbach-Reihe, die von der AFIFA technisch unterstützt werden. Weitere Produktionen konnten im folgenden für die AFIFA nicht gewonnen werden, vor allem aufgrund der unsicheren Situation des Ateliers, aber auch aufgrund der ausbleibenden Bundesbürgschaften. Immerhin werden im gleichen Zeitraum in Geiselgasteig 28 Filme gedreht, in Hamburg zwölf und in Göttingen sieben.
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Ein Prämiensystem anstelle der Bürgschaften

Nachdem an die Stelle der Bürgschaften ein Prämiensystem getreten war, tagt vom 11. bis 14. Februar 1957 im Schloß Biebrich die Jury, bestehend aus zehn fachkundigen Persönlichkeiten, die über die Vergabe der Prämien zu entscheiden hat.

Insgesamt ist ein Gesamtbetrag von DM 600.000,- für Kulturfilme vorgesehen, die im Jahr 1956 eine FSK-Freigabe erhalten haben bzw. von der FBW bewertet worden sind. Schwarz-weiß-Filme sollen mit DM 10.000,-, bei "internationalem Rang" mit DM 15.000,- prämiiert werden, Farbfilme mit DM 15.000,- (20.000,-).

'Zwei Herzen voller Seligkeit'

Beim Nervenarzt wird alles gut: 'Zwei Herzen voller Seligkeit'
Karl Schulz' Bühne und Film produziert im "ach so lange starlosen Wiesbadener Studio" (84) im Februar 1957 den vierten und letzten Film der "Hessen-Vierer Staffel": ZWEI HERZEN VOLLER SEELIGKEIT, ein Lustspiel um einen Nervenarzt und eine irrtümlich für eine Kleptomanin gehaltene junge Frau.

Unter der Überschrift "Beim Nervenarzt wird alles gut" erscheint ein Drehbericht in der Filmwoche: "Der ganze Umfang der Seligkeit wird einem sogleich beim Betreten des Ateliers deutlich. Die Playback-Maschine ertönt mit der Schmeichelstimme von Waltraut Haas: '-hm, hm, hm, denn es erblüht ein neuer Morgen und bringt das große Glück!'

In einem krankenhausähnlichen Interieur, das Alfred Bütow mit aparter Gediegenheit ausgestattet hat, wirbeln Haas und Hoven vor Ernst Kalinkes zügiger Kamera in einer Was-sich-liebt-das-neckt-sich-Szene tanzend und singend umeinander, wobei sich der gewandte Adrian auf Weisung des Regisseurs J.A.Holman einigermaßen irr benimmt" (85).
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1957 - Hans Domnick dreht TRAUMSTRASSE DER WELT in USA

Der Wiesbadener Produzent Hans Domnick bricht am 23.April 1957 nach Los Angeles auf, dem Startpunkt seiner Filmreise TRAUMSTRASSE DER WELT, die ihn auf dem Pan American Highway von Alaska zum Panama-Kanal führen wird.

Erst im März 1958 werden die Dreharbeiten abgeschlossen, im Herbst des gleichen Jahres entwickelt sich der Film zum Publikumsmagnet, der immer wieder auch in Anwesenheit des Regisseurs aufgeführt wird. 1962 entsteht eine Fortsetzung des Films.

Ein gutes Arbeitsklima Unter den Eichen

Vom guten Arbeitsklima Unter den Eichen weiß immerhin Hans Söhnker zu berichten, der die Hauptrolle in der Boulevardkomödie MAMA RÄUMT AUF übernimmt. Anfang Mai 1957 dreht die Düsseldorfer Greven-Film mit Regisseur Axel von Ambesser den zweiten und letzten Film des Jahres in Wiesbadens Atelier.
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Interesse am Rückkauf des Grundstücks Unter den Eichen

Im Mai 1957 bekundet die Stadt Wiesbaden ihr deutliches Interesse am Rückkauf des Grundstücks Unter den Eichen, da sich keine Einigung zwischen Taunus und UFI-Liquidatoren abzeichnet und die Stadt offensichtlich die Möglichkeit sieht, das Grundstück samt Atelier an die Käufergruppe der Industrieunternehmen zu veräußern.
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Und schon wieder wird gepokert

Schwierigkeiten entstehen, als die Stadt auf einer Rückkaufklausel besteht, die angeblich 1956 zwischen Taunus und Wiesbaden festgelegt wurde, die aber, wie sich jetzt herausstellt, nicht ausdrücklich im Vertrag erwähnt wird.

Als die Taunus juristisch als der Eigentümer bestätigt wird, schlägt das Gericht einen Vergleich vor. Nachträglich soll eine Klausel in den Vertrag aufgenommen werden, die ein Rückkaufrecht nach drei Jahren bei NichtVeräußerung der Anlagen garantiert.

Mittlerweile bestehen erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit anderer Angebote für das Wiesbadener Studio, dennoch wird das Kaufansinnen der Taunus beharrlich ignoriert: "Die Abwickler des bundeseigen gewordenen Filmvermögens haben ... jedoch abgelehnt, weil sie bestrebt sind, der neu entstandenen UFA und Bavaria keine Konkurrenz entstehen zu lassen ... Die Abwickler haben bezeichnenderweise nicht einmal den Preis genannt, den sie für die Anlage haben wollen ... Die Taunus-Film GmbH hat den Magistrat mehrfach davon unterrichtet, daß keine anderen Interessenten vorhanden seien, sondern daß einige unseriöse Geschäftemacher unbefugt den Namen großer Firmen und Verbände mißbraucht haben, um Luftofferten zu machen. Gleichwohl hat er geglaubt, der Taunus-Film durch einen Prozeß das erworbene Gelände streitig machen zu sollen. Seitdem ruht der Atelierbetrieb wieder" (86).
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1957 - Abwickler contra AFIFA Teil 2

Die privatisierten Bavaria und UFA schließen das erste Betriebsjahr mit leichtem Verlust ab. Auch für Wiesbaden sieht die Bilanz des Jahres 1957 düster aus, obwohl die Stadt dem Vergleich des Gerichtes über die Dreijahresklausel im Dezember 1957 zustimmt:

"Eine Regelung der Besitzverhältnisse bei Grund und Boden darf 1958 erwartet werden. ... Unterdessen ergibt sich für die schattige Wirklichkeit der Ateliers, die unter Eichen stehen, die Aufgabe, mit ausbalancierter Bilanz zu arbeiten.

Die letzte Vierer-Staffel der Hessen-Bürgschaft hatte für 1957 noch einen einzigen Film übrig; der andere war frei finanziert. Dabei blieb es. Ohne Finanzierungshilfe keine Spielfilme, ohne Regelung des Verkaufs kein Gespräch über Finanzierungshilfen. Das Studio selbst hat keine Ambitionen, durch verschwenderische Atelier-Kredite dem Risiko das Hallentor zu öffnen.

Man konzentriert sich daher auf Gäste aus der Werbe- und Industriefilm-Produktion. Das gut ausgelastete Kopierwerk bietet eine weitere Einnahmequelle. Eingeschränkt wurde die Atelier-Belegschaft lediglich um jenen Teil, der auf Spielfilm-Belange spezialisiert ist. Es bereitet jedoch keine Schwierigkeiten, diese Mitarbeiter im Bedarfsfall wieder zurückzurufen ... " (87).
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1958/59 - Die AFIFA wird zur Taunus

Im Juli 1958 signalisiert der UFI-Liquidationsausschuß die "grundsätzliche" Bereitschaft, wieder über einen Verkauf der Studios an die Taunus-Film zu verhandeln, nachdem man kurzfristig erwogen hat, die Studios mangels weiterer, finanzkräftigerer Interessenten völlig stillzulegen.

Vor dieser letzten Konsequenz jedoch schrecken die Liquidatoren zurück, "da alle Beteiligten die politischen und filmwirtschaftlichen Konsequenzen vermeiden wollen und allgemeinen Ärger für den Fall eines solchen Beschlusses befürchteten ... " (88).

Das Angebot der Taunus ist wieder genehm, auch besteht man nun plötzlich nicht mehr auf dem Kaufpreis von ca. 2 Millionen DM, sondern ist bereit, beträchtlich niedriger zu gehen, um den Verkauf möglichst schnell zu tätigen.
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Sommer 1958 - Der letzte Spielfilm im AFIFA-Atelier

Im Sommer 1958 entsteht mit KÜSSE, DIE TÖTEN der letzte Spielfilm im AFIFA-Atelier. Regisseur Peter Jacob inszeniert das wirre Sittendrama aus dem Pfälzer "Remmi-demmi-Milieu" (89) als frühen, wenn auch harmlosen Ausflug in die Pornowelle. Zentrale Szenen des Films werden ausgerechnet in der seit längerem ungenutzten Atelierkantine gedreht.
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Querelen bezüglich der Zahlungsmodalitäten

Nach diversen Querelen bezüglich der Zahlungsmodalitäten wird der Verkauf des AFIFA-Ateliers an die Taunus-Film im April 1959 perfekt.

Mit Unterstützung eines Bankenkonsortiums kauft die Taunus Film das Atelier für DM 425.000,- unter Übernahme weiterer Verpflichtungen in Höhe von DM 400.000,- und bestätigt, daß der Atelierbetrieb wie gehabt weitergeführt werden wird.

Der Verbleib von "Blick in die Welt", die bereits nach einem neuen Standort in München Ausschau hält, ist ebenso gesichert wie die Auslastung der Kopier- und Synchronstudios. Auch möchte man eine Reihe von Spielfilmprojekten realisieren.

Im August 1958 werden vorsorglich Kündigungen vor allem an Bühnenarbeiter ausgesprochen, allerdings mit der Aussicht, diese nach dem Verkauf wieder einzustellen.

Nach schier endloser Zeit ist nun die Taunus-Film Eigentümer der Ateliers Unter den Eichen, doch die Fachpresse hat düstere Vorahnungen: "Die Stillegung und der permanente Kündigungszustand haben dem Atelierbetrieb geschadet. Nicht nur in materieller und organisatorischer Weise, etwa weil manche gute Fachkraft abgewandert ist, sondern fast noch mehr in psychologischer Hinsicht. Man traut Wiesbaden in weiten Filmkreisen nichts mehr zu ... Die neuen Herren stehen vor keiner leichten Aufgabe" (90).
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Quellen und Verweise

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  1. (1) vgl. Georg Roeber und Gerhard Jacoby, Handbuch der filmwirtschaftlichen Medienbereiche, München 1972. S. 85
  2. (2) Die Lizenzpflicht entfällt erst ab dem 2 1.9.49.
  3. (3) Roeber, Jacoby, S. 88
  4. (4) vgl. Peter Pleyer, Deutscher Nachkriegsfilm 1946-1948, Münster 1965, S. 41
  5. (5) Lexikon des internationalen Films, Reinbek bei Hamburg 1987, S. 3025
  6. (6) Der neue Film (DnF), Heft 1, 21.5.47
  7. (7) DnF, 26, 20.9.48
  8. (8) Roeber, Jacoby, S. 44
  9. (9) ibid. S. 93
  10. (10) vgl. Kalender Wiesbadener Geschichtswerkstatt
  11. (11) vgl. DnF, 14, 10.5.49
  12. (12) vgl. DnF, 24, 11.6.51
  13. (13) DnF, 14, 10.5.49
  14. (14) ibid.
  15. (15) ibid.
  16. (16) vgl. Roeber, Jacoby, S. 151-156
  17. (17) Wilfried Bredow und Rolf Zurek (Hg.), Film und Gesellschaft in Deutschland. Dokumente und Materialien, Hamburg 1975, S. 274
  18. (18) DnF, 19, 10.7.49
  19. (19) DnF, 10,6.5.50
  20. (20) DnF, 38/39, 24.12.49
  21. (21)DnF, 5, 30.1.50
  22. (22) DnF, 15,3.4.50
  23. (23) DnF, 39, 25.9.50
  24. (24) Filmecho (FE). Nr. 10. 1.4.50
  25. (25) Lexikon des internationalen Films, S. 3891
  26. (26) DnF, 27, 3.7.50
  27. (27) DnF, 30, 24.7.50
  28. (28) Filmwoche (FW), 40, 7.10.50
  29. (29) ibid.
  30. (30) Lexikon des internationalen Films, S. 1305
  31. (31) Filmblätter (FB). 31. 4.8.50
  32. (32) FB, 40, 6.10.50
  33. (33) DnF, 43, 23.10.50
  34. (34) Roeber. Jacoby, S. 152
  35. (35) FB, 47, 24.11.50
  36. (36) DnF. 27. 2.7.51
  37. (37) Matias Bleckman, Harry Piel. In: Cinegraph-Lexikon zum deutschsprachigen Film, Hg. Hans-Michael Bock, Hamburg 1984
  38. (38) Wiesbadener Tagblatt (WT), 3.10.51
  39. (39) Roeber. Jacoby. S. 156
  40. (40) FE, Nr. 46. 17.11.51
  41. (41) Christa Bandermann und Joe Hembus. Klassiker des deutschen Tonfilms 1930-1960. München 1980, S.222
  42. (42) DnF. 62. 17.12.51
  43. (43) DnF, 64, 24.12.51
  44. (44) DnF. 10,4.2.54
  45. (45) DnF, 85.3.11.52
  46. (46) DnF. 49. 30.6.52
  47. (47) DnF, 72, 18.9.52
  48. (48) ibid.
  49. (49) FE, Nr. 49, 6.12.52
  50. (50) DnF, 68, 4.9.52
  51. (51) DnF, 84, 30.10.52
  52. (52) FE, Nr. 19,9.5.53
  53. (53) Curt Riess, Das gab*s nur einmal. Hamburg 1958, S. 141
  54. (54) DnF, 30, 18.5.53
  55. (55) Bredow, Zurek, S. 296
  56. (56) FW, 33, 22.8.53
  57. (57) Gunter Groll, Süddeutsche Zeitung, 27.3.54
  58. (58) DnF, 67, 31.8.53
  59. (59) Lexikon des internationalen Films, S. 4247
  60. (60) Klassiker des deutschen Tonfilms 1930-1960, S. 238
  61. (61) Wiesbadener Kurier. 31.12.54
  62. (62) DnF, 1, 1.1.54
  63. (63) DnF, 14, 18.2.54
  64. (64) ibid.
  65. (65) FE, 10, 13.3.54
  66. (66) DnF, 28, 8.4.54
  67. (67) DnF. 48. 17.6.54
  68. (68)DnF, 65. 18.8.54
  69. (69)DnF, 79,4.10.54
  70. (70)FE, Nr. 40, 2.10.54
  71. (71)DnF, 102/103. 24.12.54
  72. (72) ibid.
  73. (73) DnF, 76. 26.9.55
  74. (74) Klassiker des deutschen Tonfilms 1930-1960, S. 259
  75. (75) Klaus Kreimeier. Kino und Filmindustrie in der BRD. Ideologieproduktion und Klassenwirklichkeit nach 1945. Kronberg/Ts. 1973, S. 99
  76. (76) DnF. 63. 11.8.55
  77. (77) DnF. 67. 25.8.55
  78. (78) DnF, 98, 12.12.55
  79. (79) Stresemann war der letzte Bürgschaftsfilm überhaupt
  80. (80) DnF. 64. 13.8.56
  81. (81) FW, 10,3.3.56
  82. (82) FW, 26a. 27.6.56
  83. (83) FW, 45, 3.11.56
  84. (84) FW, 7. 9.2.54
  85. (85) ibid.
  86. (86) WT, 6.9.57
  87. (87) DnF. 103/104. 24.12.57
  88. (88) FW, 29, 19.7.58
  89. (89) FW. 29. 19.7.57
  90. (90) FW, 5, 31.1.59

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