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Über die Blütezeit der Filmstadt Wiesbaden

Unter dem Titel "Rote Rosen und weißer Flieder" wurde 1995 eine begleitende "Retro"-Broschüre aus der Vergangenheit und der kurzen Episode Wiesbadens als Filmstadt erstellt. Eigentlich als Katalog zu einer Ausstellung gedacht, werden doch viele Tatsachen, Einzelheiten und Vorkommnisse der Wiesbadener Studios, der damals in Wiesbaden gedrehten Filmen und von den Wiesbadener Kinos bis Anfang der 1970er aufgezählt. Hier geht es zum Anfang.

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Das vierblättrige Fachblatt

Die Filmfachpresse in Wiesbaden - von Norbert Wiesner

"Wir kamen von Süden und Noorrden" - sang damals die Leander, noch ahnungslos, daß einmal ein Wunder geschieht. Wiesbaden wurde nach dem Krieg zum organisatorischen Eierkopf der Filmwirtschaft. Und genau eben aus München und Hamburg zogen zwei Fachverlage - klein, aber fein - 1950 in die "Weltkurstadt", Filmweltkurstadt.

Dies ist die Geschichte von zwei, "beziehungsweise" von vier Fachzeitungen. Weil alle aber mal einzeln angefangen haben, zunächst ein Blick auf die beiden Wiesbadener Unternehmen:

Das "Film-Echo" und "Der neue Film".

Obwohl höchst unterschiedlich in Natur und Statur, wurden beide Verleger auf den gleichen Vornamen getauft: der Horst Axtmann und der Horst G. Feldt. Und alle ihre Hunde hießen Axel. Damit genug der Gemeinsamkeiten.

Der eine Horst und der andere Horst legten Wert auf angemessene Distanz. Die "Vereinigung auf Umwegen" verlief dementsprechend kompliziert - wahrlich unerwartet und schon gar nicht plötzlich.

1947 im März: Film-Echo Nr. 1 erscheint in Hamburg als offizielles Organ des Wirtschaftsverbandes der Filmtheater (Britische Zone), Halbmonatsschrift "für die gesamte Filmindustrie".

Der erste "Hauptschriftleiter" heißt Alfred Merwick, der zweite Hannes Steffen, der dritte Horst Axtmann. Mittlerweile war aus dem Hauptschriftleiter der Chefredakteur geworden. Sprach-Erneuerung fand nicht nur im Impressum statt.
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Der neue Film in München

Außerdem erstmals auf der Bildfläche: Der neue Film in München. Die Neue Filmwoche fing schon 1946 in Baden-Baden an, und die Filmblätter folgten 1948 in Berlin. In jeder Westzone gab's also eine Filmfachzeitung, für West-Berlin noch eine dazu. Die filmpublizistische Ära der kommenden Bundesrepublik begann.

1950 Ende April in Wiesbaden:

Gründung des Zentralverbandes der Deutschen Filmtheater, das Film-Echo wurde gleichzeitig zum offiziellen Organ bestimmt, Verlegung von Hamburg nach Wiesbaden. Domizil der ersten Jahre: das ehemalige Hotel Nizza auf der Frankfurter Straße 28, in der auch der Zentralverband sein Büro hatte.

Als Drucker wurde Erwin Chmielorz auserkoren, der Teilhaber späterer Jahre. Ab 1955 befand sich das Film-Echo dann bis 1964 auf der Taunusstraße 75.

Illustre Gäste schleppte der Verleih damals in Horst Axtmanns Büro-Veranda. Alfred Hitchcock mit Frau zum Beispiel.
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1964 also Umzug in die Wilhelmstraße 42

Die Wilhelmstraße 42, eine erste Adresse mit betörendem Ausblick und betäubendem Geräuschpegel. Das ging so bis 1991. als sich die Gelegenheit ergab, in das dahinter liegende ehemalige Tagblatt-Haus, Marktplatz 13 (neben dem Caligari Kino - ehemals UFA im Park), abzuwandern - auf eigenen Grund der Erben von Erwin Chmielorz, des Ehepaares Werner Augsburger und Frau Karin, geb. Chmielorz.

Jetzt blickt man aus dem Redaktionsfenster auf den Mittelbau, in welchem früher die Druckmaschinen standen. Sie rattern seit 1975 in Wiesbaden Nordenstadt.
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Nochmal zurück zum Anfang der sechziger Jahre:

Aus "taktischen Gründen", wie es Horst Axtmann mal formulierte, erfolgte im Februar 1962 eine Verpachtung des Film-Echos an die Neue Verlags-Gesellschaft, die NVG, Herausgeberin der Filmwoche in Karlsruhe.

Der Titel Filmecho/Filmwoche war geboren - am 1. Februar 1962. Bereits am 30. September 1963 endete die wenig erquickliche Liaison. Horst Axtmann und Erwin Chmielorz gründeten den eigenen Verlag, den neuen Träger der Zeitung.
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1946 - Der "Zugewinn" ......

Der "Zugewinn" selbst hat eine nicht eben belanglose Geschichte: 1946 erscheint in Baden-Baden das Heft 1 der Presse-Kreation "Die Neue Filmwoche", später als "Illustrierte Filmwoche".

Dann endgültiger Titel: "Die Filmwoche". - In einer anderen Quelle ("Wissen Sie noch ?" - von Horst G. Feldt herausgegeben) weist Hans H. Wiemuth, Pseudonym des langjährigen Filmwoche-Chefredakteurs Hans Wiese, nach, daß bereits im Herbst 1945 die Filmwoche als "Mitteilungsblatt für die Theaterbesitzer der französischen Zone" begann.

Gründer: Marcel Colin-Reval (jener aus der Zigaretten-Industrie, dem die Wochenschau "Blick in die Welt" gehörte), Carl Opitz (dessen CEO später auch in Wiesbaden Filme drehte) und Hans von Rosenthal.
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1953 - Umzug nach Karlsruhe

1953 jedenfalls zieht die Filmwoche von Baden-Baden nach Karlsruhe unter das Dach der Neuen Verlags-Gesellschaft (NVG) von Karl Fritz. Es folgt die Zeit der glanzvollen "Bambi"-Verleihungen in der proppevollen Schwarzwaldhalle, wobei man nicht vergessen darf, daß der Verlag mit den Publikumszeitschriften Freundin und Film-Revue ein paar Leser mehr hinter sich hatte als mit dem Fachblatt Filmwoche. Gestiftet hatte diesen Preis übrigens schon Carl Opitz.

Als Karl Fritz sich 1962 zur Ruhe setzt, geht die NVG an seinen Freund Franz Burda nach Offenburg. Der Senator nimmt die Freundin und die Film-Revue (die er nicht lange weiterleben läßt), zeigt aber angesichts der vom Fernseh-Boom gebeutelten Kinos kein Interesse an einem Filmfachblatt.

Dies ist der Augenblick, als der Pachtvertrag mit dem Film-Echo beendet und der Titel Filmwoche vom Verlag Axtmann erworben wird - wie oben schon angesprochen.
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1967 - die "Filmblätter" (aus Berlin)

Zu dieser Zeit gab's noch die Filmblätter in Berlin. Aber auch in diesem Fall kündigte sich bald eine Veränderung an.

Die Filmblätter wurden 1967 von Filmecho/Filmwoche gekauft, liefen zwei Jahre "eigenständig" weiter, bis man sich 1969 für eine Fusion entschied:

Der Titel: "Filmecho/Filmwoche" vereinigt mit "Filmblätter". Bis zur Fusion stand im Untertitel: "vereinigt mit 'Der neue Film'". Man war's aber weiterhin, nunmehr als das eigentlich vierblättrige Fachblatt.

Robert G. Scheuer hatte die Filmblätter am 1. April 1948 in Berlin gegründet. Scheuer kam von der Technik her - ein studierter Ingenieur ( "Das 'Echo' war immer mein heftigster Konkurrent", bekannte er mal in einer Jubelnummer des Film-Echos). Heute könnte man ihn einen Seiten-Einsteiger in die Fachpresse nennen.

Der neue Film - Fachorgan für die Filmindustrie

Zur Chronik von 'Der neue Film - Fachorgan für die Filmindustrie', im Mai 1947 wurde die erste Ausgabe im ehemaligen Luftschutzbunker der Süddeutschen Zeitung umbrochen.

Ab 1. April 1950 residierten Verlag und Redaktion im Schloß Biebrich. Damals war Leiter der Redaktion jener Dr. Helmut Müller, der jüngst in Filmecho/ Filmwoche zum Kinogeburtstag die Serie "60 Jahre im Film " geschrieben hat.

Nebst Hanna Frost, der Lebensgefährtin von HGF (Horst G. Feldt) und verdienten Ersten Dame des Hauses und der Redaktion, gehörte Ernst Erich Strassl in den fünfziger Jahren zu den - selten langjährigen - Nachfolgern von Dr. Helmut Müller.

Strassl kam nach einem Abstecher zur Columbia-Bavaria, der damals vereinigten Verleihfirma in München, nach Wiesbaden zurück und holte sich Meriten als PR-Mann der SPIO.

Bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres leitete er die Filmabteilung der BASF und - aktivierte sofort in sich wieder den Redakteur - 50 Sonderausgaben "Industriefilm-Szene" gestaltete er bei Filmecho/Filmwoche.

Der Sonderteil für den Spezialbereich läuft heute unter dem aktualisierten Titel "Film & Video in der Wirtschaft".
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Wiesb- Biebrich - der Nabel filmischer Organisation in Deutschland

Auch der Autor dieser Zeilen (Norbert Wiesner) war, angesichts von gut sechs Jahren Redaktions-Zugehörigkeit, fast schon ein Dauerbrenner des Fachblatts im Biebricher Schloß - mit SPIO, FSK, FBW und Deutschem Institut für Filmkunde (als Nachfolger der Sammlung von Hanns-Wilhelm Lavies) der Nabel filmischer Organisation in Deutschland.

Horst G. Feldt starb 1981 im Alter von 76 Jahren. Hanna Frost war ihm schon 1974 vorausgegangen. Es gibt Indizien dafür, daß ihr Zerwürfnis dem Blatt den Todesstoß versetzt hat.

Erinnert sei daran, daß Hanna Frost nach der Trennung von HGF immerhin zwei Jahre lang Sachbearbeiterin beim Film-Echo war und dann fast zehn Jahre die Informationsabteilung des Deutschen Instituts für Filmkunde leitete.
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1964 - die "Goldene Leinwand"

Von Filmecho/Filmwoche gehen insbesondere zwei Initiativen über den Bereich der reinen Print-Information hinaus: Die 1964 ins Leben gerufene "Goldene Leinwand" für Filme, die innerhalb eines Jahres mehr als 3 Millionen Besucher erreichen.

Mitstifter dieser Auszeichnung ist der Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF), wie sich der frühere - siehe oben - Zentralverband nennt, seitdem das Zweite Deutsche Fernsehen das Kürzel kurzerhand für sich in Anspruch genommen hat. Mittlerweile konnten weit mehr als 200 Filme die "Goldene Leinwand" erhalten, ein beachtlicher Teil davon bekam noch einen Stern dazu, weil sogar 6 Millionen überschritten wurden.

Die Initiative Nr. 2

Initiative Nr. 2 ist eine auf langen Vorläufern aus der frühen Film-Echo-Zeit entwickelte Marktbeobachtung. Abgesehen von dem fachinternen Info-Wert mündete sie - gegen jahrelangen Widerstand nicht nur des Verleihs, sondern auch ängstlich zugeknöpfter Kinobesitzer - in Veröffentlichungen von Hitlisten mit harten Zahlen.

Heute eine Selbstverständlichkeit, doch seinerzeit ein Kampf gegen die Windmühlen der Branche, bei dem Filmecho/Filmwoche einen kräftigen Mitstreiter in Manfred Ewert, dem Wiesbadener Platzhirsch, fand.
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"Goldene Leinwand" und "Bambi" und "Kassenschimmel"

Apropos "Goldene Leinwand" : Filmpreise waren auch von den anderen Fachzeitungen zu Zeiten ihres Eigendaseins vergeben worden, und der schon erwähnte "Bambi" lebt ja immer noch.

Das Wiesbaden-Erzeugnis "Der neue Film" hatte ab 1952 einen "Nachwuchspreis" mehrere Jahre lang von den Theaterbesitzern per Abstimmung ermitteln lassen. Maria Schell und Dieter Borsche belegten beim erstenmal den ersten Platz. Verleger Feldt wollte dem damals in Deutschland klar dominierenden "Bambi", made in Karlsruhe, etwas Handfestes entgegensetzen, auch dem Berliner Filmblätter-Porzellan, dem "Kassenschimmel".

Die Preisträger konnten sich was Brauchbares wünschen. Lilo Pulver erbat sich für ihren neuen Wagen einen Satz Weißwandreifen. Sie galten als unheimlich chic. Die Räder wurden Lilo auf der Bühne des großen Kurhaus-Saales zugerollt.

Später ersetzten die Trophäen "Silberne Maske" und "Goldene Maske" die wohl doch etwas arg banalen Sachpreise.
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Konkurrenz kommt auf - "Blickpunkt: Film"

Nach Jahren des Monopols auf dem Fachpresse-Sektor trat 1976 ein Mitbewerber auf den Plan: Blickpunkt: Film (mittlerweile in München). Eine Herausforderung, aber auch ein gutes Argument für die Redaktion, wenn die Firmenspitze mehr als sparsam sein wollte. Oder will.

"Hundert Jahre Kino" heißt's in diesem Jahr (1995). "Fünfzig Jahre Film-Echo-Fachblatt" heißt es in zwei Jahren (1997).
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