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HANS VOGT • DIE ERFINDUNG DES TONFILMS

Ein Rückblick auf die Arbeiten der Erfindergemeinschaft ENGL - MASSOLLE - VOGT - von Dr. h.c. Hans Vogt - 25.9.1890 Wurlitz bei Rehau (Oberfranken), † 4.12.1979 Erlau bei Passau
Sechster Privatdruck Juni 1955
GISELA VOGT gewidmet - DER TREUEN KAMERADIN MEINES LEBENS - 1926 (?) Gisela N. N. († 1967)

Dieses Exemplar trägt die Nummer 155
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INHALTSVERZEICHNIS

    Einführung
I.   Zur Geschichte des stummen Films
II.   Die Geburt der Tonfilmidee
III.   Die Gründung des »Triergon«
IV.   Das Problem und seine prinzipielle Lösung
V.   Einzelaufgaben
  a) Schallaufnahme
  b) Verstärkerröhren und Verstärkerschaltungen
  c) Lichtquellen für die Tonaufzeichnungen
  d) Fotoelektrische Zelle für die Filmwiedergabe
  e) Das optische Abbildungssystem
  f) Der fotografische Prozeß
  g) Schallwiedergabeapparate
  h) Aufnahme- und Wiedergabeapparaturen
VI.   Die ersten Töne, Vorführungen und Urteile
VII.   Das elektrische »Fernkonzert«
VIII.   Das geschäftliche Geschehen
IX.   Ein paar Schlußworte
    Literaturverzeichnis und Verzeichnis der Abbildungen

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EINFÜHRUNG

1954 - Überall in der technisierten Welt strömen heutzutage Woche für Woche Millionen von Menschen in die Lichtspieltheater, in ihre Kinos. - Die weiße, die tönende Wand dieser Säle führt ihnen nicht nur die letzten Weltneuigkeiten, Werbe- und lehrhafte Filme vor. Der Film von einem wunderschönen Fräulein und einem tollkühnen Mannsbild, die sich beide schließlich und endlich in die Arme sinken, ist den meisten Besuchern das Wichtigste; er enthebt sie dem Einerlei ihres Arbeitstages, führt sie für Stunden in das Reich schöner Jllusionen, in eine Traumwelt, die sie selbst nicht zu träumen vermögen, in den Himmel ihrer geheimen Wünsche.

Das Kino, ungeboren noch zu Beginn dieses Jahrhunderts, befriedigt in modernster Weise Urbedürfnisse des Menschen. Vollständiger als das Radio, billiger als das Auto, mannigfaltiger als die Theaterbühne sättigt das Kino den Erlebnishunger unserer Zeitgenossen. Ich glaube, es gibt in manchen Großstädten Straßen, in denen es ebensoviele Lichtbildtheater als Bäckereiläden gibt. Panem et circensis gilt auch für unsere Zeit.

Wie war dies möglich, wie kam dieses Instrument Film zustande? Wie wurde aus einer harmlosen mechanisch-optischen Spielerei allmählich ein Unterhaltungsmittel von solch gigantischem Ausmaß ?
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Meine Intention

Es ist nicht meine Absicht, hier in diesen Zeilen eine Monographie des Kinematografen zu schreiben. Andere konnten und können das sicher besser als ich. Aber über ein Ereignis, das sich vor mehr als drei Jahrzehnten zutrug, an welchem auch ich nicht ganz unbeteiligt bin, möchte ich Ihnen hier berichten.

Ich will Ihnen erzählen, wie der sprechende Film geboren wurde, wie dem seinerzeit noch stummen fotografischen Reihenbild Sprache und Musik gegeben wurde, wie der nur optischen Dimension des reinen Bildfilmes auch die akustische hinzugefügt wurde.

Es sind mehrere Gründe, die mich veranlassen dies zu tun, das Geschehen in jener Zeit in einem kleinen Buch der Nachwelt zu überliefern. Da ist zuerst ein akuter Anlaß.

Mein Vortrag am 5. November 1953 in Bad Ems an der Lahn

Am 5. November 1953 sprach ich gelegentlich der V. Jahrestagung des internationalen Filmklubs in Bad Ems über die Erfindung des Tonfilms.

Vortragsinhalt, Lichtbilder und schließlich der vorgeführte, aus jenen Zeiten erhalten gebliebene Tonfilm »Das Leben auf dem Dorfe« waren für meine Hörer eine ganz große Überraschung, und vielen der Tagungsteilnehmer mußte ich versprechen, das Vorgetragene und Gezeigte doch nicht dem Vergessen anheimfallen zu lassen.

Ich erfülle mit dieser Veröffentlichung die gegebene Zusage und bin sicher, daß das Vorliegende inhaltlich weit vollständiger ist, als der seinerzeitige kurze Lichtbildervortrag es sein konnte.
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Zum Zweiten

Zum Zweiten möchte ich mit diesem Bericht gewisse Publizitätsversäumnisse der Erfinder gutmachen und unter Verwendung des glücklicherweise erhalten gebliebenen reichen dokumentarischen Materials den Nachweis führen, daß der Lichttonfilm in seiner heute (in 1955) noch gültigen Gestalt schon im Jahre 1922 vorlag und von drei Filmaußenseitern (ENGL, MASSOLLE, VOGT) in Deutschland geschaffen wurde.

Da das große Publikum gewöhnlich glaubt, der Tonfilm sei 1928 von Amerika mit dem Film »Singing fool« zu uns gekommen und die internationale Fachliteratur über die Erfindung des sprechenden Films wenig oder garnichts Richtiges enthält, scheinen mir die nachfolgenden Feststellungen sowohl im Interesse der Erfinder, als auch der historischen Wahrheit vonnöten zu sein.

Damit interessierte ausländische Kreise, besonders Schriftsteller, Museumsleiter, Bearbeiter von Lexica, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, sich ohne große Mühe ein ungefähres zusammenfassendes Bild jener Arbeiten machen können, füge ich kurze Inhaltsangaben in den wichtigsten Sprachen mit Hinweisen auf die mitgegebenen Fotos bei.
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Zum Dritten

Und da ist noch ein Drittes, wert, erwähnt und festgehalten zu werden. Wir wissen, daß die großen technischen Erfindungen, die in hohem Maße unseren Lebensstil mitbestimmen, wie etwa Dampfmaschine, Dynamo, Automobil, Flugzeug, Rundfunk und neuerdings das Fernsehen, fast immer jahrzehntelang die Arbeit zahlloser meist anonymer Techniker erfordern, die Verbesserung um Verbesserung darzubringen, bis sie ihre praktische Brauchbarkeit, ihren Reifezustand erreicht haben und zu Selbstverständlichkeiten unseres Daseins geworden sind.

Ganz anders war dies beim Tonfilm.

Er tritt als eine fertige Leistung vor uns hin, als das technisch perfekte Werk einer kleinen Gemeinschaft. Und dies, obwohl er ein sehr komplexes Gebilde ist, bestehend aus einer großen Anzahl damals nicht vorhandener, also neu zu schaffender technischer Einzelheiten.

In den nachfolgenden Zeilen wie Bildern können wir nacherlebend teilnehmen, wie gewissermaßen aus dem Nichts heraus - eine Elektroakustik gab es damals kaum - allerdings einer klaren und richtigen Grundidee folgend, rasch Teil um Teil unter den Händen der Erfinder entstand und innerhalb von ein paar Jahren die bedeutende Erfindung, der Lichttonfilm, als ein Fertiges, Brauchbares, Reifes vor den erstaunten Mitmenschen steht.

An dieser letzten Feststellung ändert auch nichts die Tatsache, daß im Laufe der vergangenen Jahrzehnte Verbesserungen, die die Technik auf anderen Gebieten machte, dem Tonfilm zugefügt wurden, wie etwa der das Rauschen des Films vermindernde sogenannte »Noiseless-Effekt«, der Ersatz der statischen Lautsprecher durch dynamische, die Verwendung von Lichtrelais u. a. m.

Das Technische und das Menschliche in dieem Buch

Der Inhalt des kleinen Buches ist primär natürlich technisch. Aber als ein authentischer und in seinem Rahmen möglichst vollständiger und nicht nur die Fachleute angehender Beitrag zur Geschichte der menschlichen Technik soll auch auf die interessanten Nebenumstände eingegangen werden, die fast immer mit dem Werden großer Erfindungen und ihrer Urheber zusammenhängen und einen breiteren Leserkreis interessieren.

Es soll also auf die Zeit, in der die Erfindung entstand, auf das Menschliche, oft allzu Menschliche ihrer Urheber, auf die Finanzierung, Patentierung, die Besitzverhältnisse, auf den ersten glänzenden Erfolg, das Drama ihrer Auswertung und ihr schließliches Wirksamwerden in der großen Öffentlichkeit auch eingegangen werden.

Dabei wird es möglich sein, manche Urteile über Menschen und Umstände
aufrichtiger und ungehemmter als vor drei Jahrzehnten zu fällen - ein auch die Farbigkeit des Stoffes verbessernder Vorteil solch später Berichte. Auch wird eine wahrheitsgetreue Schilderung des Geschehens den Autor zwingen, manchmal mehr, als ihm lieb ist, pro domo zu sprechen; der freundliche Leser möge das über die eigene Person zu Erwähnende als vom Ganzen her erforderlich verstehen und die dahinter zu vermutende hohe Meinung von der eigenen Tüchtigkeit milde beurteilen.
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Für Sie habe ich dieses Büchlein geschrieben

Besonders gern würde ich das Werkchen in den Händen der Fachleute, der Tonfilm- und Radiomänner von heute sehen, jener Männer, die in der heutigen Elektroakustik "weben" und von ihr leben. Ich glaube, gerade für sie müßte ein Blick in die Früh- und Pionierzeit ihres inzwischen hochdifferenzierten Fachgebietes sehr interessant sein; sind doch sie vor allem in der Lage, unsere technischen Leistungen richtig zu beurteilen. Ich bin sicher, daß von ihnen keine schlechten Urteile gefällt werden.

Aber auch bei den Jung-Ingenieuren würde ich diese Geschichte gern sehen. Unser technischer Nachwuchs, in den heutigen technischen Bildungsstätten mehr und mehr auf Spezialistentum und rasches Geldverdienen gedrillt, müßte, so glaube ich, einen Heidenspaß an dieser Geschichte von den drei jungen Burschen haben, die in traurigen Zeiten in einem Kohlenkeller eine Sache in Angriff nahmen und, das Tollste, auch erfolgreich durchführten, an die, damals wie heute, millionenschwere Weltunternehmen nur sehr zögernd herangehen würden.

Ich bin auch sicher, sie entnehmen meiner gut dokumentierten Schilderung, daß zum technischen Erfolg nicht nur fachmännisches Wissen sondern in wahrscheinlich noch stärkerem Maße Phantasie - und zwar wirklichkeitsnahe Phantasie -, der Blick fürs Ganze, der Mut der Jugend und Durchhaltekraft gehören.

Wenn schließlich dieser Bericht auch in die Hände alter, noch lebender Freunde, Mitarbeiter, Helfer oder Kritiker aus jenen aufgeregten Zeitläuften des Auftauchens der ersten akustischen Filme gelangen sollte und sie meine Arbeit als eine redliche, den Tatsachen gerecht werdende Beschreibung der wesentlichsten Vorgänge jener Tage beurteilen würden, wäre dies die schönste Anerkennung für mein Bemühen.

Zum Schluß noch meinen Dank all denen, die am Zustandekommen dieses kleinen Buches beteiligt sind.

Erlau bei Passau, Ende 1954
Hans Vogt
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