IV. DAS PROBLEM UND SEINE PRINZIPIELLE LÖSUNG
Das Praktischste im Leben ist eine gute und klare Theorie, sagte mir einmal ein alter Freund. Auch wir verschafften uns in zähem Ringen mit dem Stoff und auch im Ringen miteinander eine solche.
Folgende Leitgedanken legten wir unseren Arbeiten zugrunde:
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- 1. Als Schallträger muß der gleiche Film dienen, der auch das Bild trägt.
- 2. Der Schall muß fotografisch aufgenommen und durch fotografische Prozesse vervielfältigt werden.
- 3. Alle erforderlichen Einrichtungen für die Schallaufnahme, -Verstärkung, -Übertragung, -fixierung, -kopierung und -wiedergabe dürfen den Orginal-schalleindruck nicht deformieren.
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Nur von einer Erfüllung dieser erwähnten drei Bedingungen konnte man eine naturgetreue und synchron mit dem Bildvorgang ablaufende Schallwiedergabe erwarten.
Die Bedeutung dieser Überlegung und die Begriffe
Um die Bedeutung dieser Überlegung den Nichttechnikern verständlich zu machen, möchte ich folgendes erwähnen: Als Schall bezeichnen wir räumlich sich ausbreitende Druckschwankungen der Luft; die zeitliche Folge derselben bestimmt die Tonhöhe, die bewegte Luftmenge die Lautstärke.
Das Ohr eines jungen Menschen hört bis zu 20.000 Schwingungen pro Sekunde, dieser Ton entspricht etwa dem Zirpen einer Grille. Töne unter 16 Schwingungen in der Sekunde nimmt das Ohr nicht mehr wahr.
Die Schalldruckfolgen - Sprache, Geräusche, Musik - Mischungen von hohen und tiefen Tönen dürfen bei ihrer Aufnahme, Übertragung und Wiedergabe keine Veränderung ihrer Gestalt erfahren, etwa in dem Sinne, daß einzelne Töne verstärkt hervortreten (Resonanzen) oder, daß die Form der einzelnen Schallschwingungen (Amplituden) selbst verändert wird.
Ich hoffe, daß dieser kurze allgemeine Hinweis zum Verständnis des Vorhergehenden wie Nachfolgenden beitragen wird; mittlerweile (1954) sind ja doch Schallübertragungsvorgänge durch die Elektroakustik und Radiotechnik in hohem Maße Allgemeingut geworden; ein breiteres Eingehen auf dieselben dürfte sich hier somit erübrigen.
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Mein Erfindertagebuch vom Oktober 1918 - die Aufnahme
Die Aufzeichnung vom 30. Oktober 1918 aus meinem Erfindertagebuch, Abb. 4a und 4b, enthält bereits einige der wesentlichen, diesen Anforderungen entsprechende Merkmale: eine schalldruckempfindliche, leuchtende Gasstrecke (Quecksilberdampflampe) für die Aufnahme und eine fotoelektrische Zelle (Kaliumzelle) samt Verstärkerröhre für die Wiedergabe.
In der Abb. 5 ist der Aufnahme-, in der Abb. 6 der Wiedergabevorgang eines »Bildtonfilms« prinzipiell und schematisch, wie sie die Innehaltung der oben erwähnten drei Forderungen etwa verlangt, dargestellt.
Zum Verständnis dieser Abbildungen sei auch nur kurz folgendes erwähnt: Der Film bewegt sich bei dem Aufnahmevorgang (Abb.5) ruckweise an der Stelle B vorbei und nimmt dort die von der Szene ausgehenden Lichteindrücke, das »Bild«, zerlegt in eine Anzahl »Teilbilder«, auf. An der zweiten, tiefer liegenden Projektionsstelle T wird der »Ton« als schmale Lichtlinie seitlich vom Bild aufgezeichnet.
Der von der Szene ausgehende Schall modifiziert durch das Mikrophon K einen elektrischen Strom, dessen Änderungen im Verstärker I verstärkt und einer Gasentladungslampe L zugeführt werden. Der von dieser Lampe ausgehende Lichtstrom ändert sich somit im Rhythmus der Schallvorgänge und wird durch ein Linsensystem auf dem sich jetzt gleichmäßig weiter bewegenden Film an der Stelle T als schmaler Schwärzungsstreifen in Form feiner, unregelmäßiger Sprossen abgebildet.
Zwischen den Projektionsstellen B und T ist eine Schleife zu dem Zwecke eingeschaltet, die ruckweise Bewegung des Filmes an der oberen »Bildabbildungsstelle« in eine stetige an der unteren »Tonabbildungsstelle« zu verwandeln.
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Die Wiedergabe
Bei der Wiedergabe des, inzwischen durch Umkopierung hergestellten positiven »Bildtonfilms«, die Abb. 6 veranschaulicht, verläuft der Prozeß umgekehrt. An der Stelle B werden die Szenenbilder des sich dort ebenfalls ruckweise bewegenden Positivbildfilmes durchleuchtet und vermittels eines Objektives an die Projektionsfläche geworfen. Weiter unten wird durch eine andere Lichtquelle die "Sprossenschrift" der Tonaufzeichnung gleichfalls durchleuchtet.
Das, entsprechend der jeweiligen Durchlässigkeit einer Sprosse der gleichmäßig vorübergleitenden Filmaufzeichnung, sich ändernde Licht, fällt in eine fotoelektrische Zelle, die in Übereinstimmung mit den einfallenden Lichtmengen Elektronenströme auf einen Verstärker II gibt, der diese Ströme entsprechend vervielfacht und schließlich dem Lautsprecher unterhalb der Projektionswand zuführt.
Das sind, in einfacher Weise dargestellt, die prinzipiellen Vorgänge bei der Aufnahme und Wiedergabe sprechender Filme, wie sie von Triergon angegeben wurden und heute noch gelten.
Das war die Theorie
Nachdem der »rote Faden« der klaren Theorie gefunden und das Problem in eine Reihe von Teilaufgaben aufgegliedert war, mußte es nun an die Schaffung dieser einzelnen Organe gehen. Es galt, die Götter um gute Einfälle zu bitten und sich dann der Mühen, des Schweißes und der Arbeit vieler Nachtstunden nicht verdrießen zu lassen, um ihre eventuellen Gnadengeschenke in eine metallene, gläserne oder filmische Wirklichkeit zu übertragen.
Entsprechend dem, vom alten Edison angegebenen Rezept : Was ist eine Erfindung?
1 Prozent Inspiration,
99 Prozent Transpiration.
Daß es bei der Verteilung der Inspirations- wie der Transpirationsquoten
zwischen den drei Männern mit so unterschiedlichen Charakteren oft in echt
westdemokratischer Weise zu lebhaften Auseinandersetzungen kam, ist begreiflich und verzeihlich. Kein Einziger von ihnen konnte sich rühmen, alle erfinderischen Qualitäten: Zielstrebigkeit, technisches und handwerkliches Können, Fleiß, umfängliches Sachwissen und Sinn für die Wirklichkeit gepaart mit Phantasie zu besitzen.
Alle diese Eigenschaften waren aber erforderlich, sollte das Werk gelingen. Nachträglich betrachtet, war der Streit über die rangliche Bedeutung dieser Eigenschaften, der ihre Besitzer oft erregte, ebenso witzlos, wie der Hader in jener altbekannten Fabel, den einmal die Glieder des menschlichen Leibes untereinander und mit dem Kopf über die besondere Wichtigkeit jedes einzelnen Organes führten. Das Gedeihen des Werkes war das Entscheidende und diesem Gedanken unterordneten sich die Drei in den ersten Jahren ihres Zusammenseins bedenkenlos.
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V. EINZELAUFGABEN
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V - a) Schallaufnahme - das »Kathodophon«
Nun gilt es technische Einzelheiten zu schildern, das Werden derselben zu verfolgen, zu sehen, wie sie sich später zum sinnvollen Ganzen vereinigen.
Da war es zunächst notwendig, die Schallwellen einzufangen. Die Kohlemikrophone, die zur damaligen Zeit vorwiegend in den Telefonapparaten der Post verwendet wurden, waren hierfür nicht geeignet. Diese hatten ein zu »schmales Frequenzband«, zeigten störendes Rauschen. Es mußten andere Wege gegangen werden.
Ich kam am 9. Juni 1919 auf den Gedanken, von der ionisierten Oberfläche eines an der freien Luft glühenden Körpers vermittels einer nah herangebrachten geladenen Sonde einen elektrischen Strom abzuleiten.
Würde man dann in diesen Spalt, zwischen Glühkörper und Sonde, so folgerte ich, Schallwellen hineinleiten, d. h. dort Luftdruckschwankungen erzeugen, so müßte der Strom der vom Glühkörper abfließenden elektrischen Elementarteilchen im Rhytmus des Schalles trägheitslos eine Änderung erfahren.
Gedacht - getan! Groß war die Freude, als die schnell zusammengebastelte Versuchsanordnung: glühender Nernststift als Kathode, flache, dem Nernststift räumlich stark genäherte Schalltrichterdüse als Anode, eine Anodenbatteriespannung zwischen den beiden, nicht nur das Fließen eines schwachen Stromes durch die erhitzte Luftschicht ergab, sondern auch das in den Trichter Hineingesprochene klangrein und nebengeräuschfrei in das im Nebenraum befindliche Kontrolltelefon übertrug.
Allgemeine Begeisterung! - Die nur bei besonderen Anlässen in Anspruch genommene Flasche des »Erfindertrankes« wurde herumgereicht. In der anschließenden Taufe wurde das neue Mikrophon zuerst »Ionophon« genannt, weil beschleunigte oder gebremste Ionen die Ursache des neuen Effektes waren.
Aus Warenzeichengründen - das Wort »Ionophon« war bereits bekannt — bekam es später den Namen »Kathodophon«. Patentiert wurde die Erfindung in Deutschland unter der Nummer 350 500 am 3. August 1919.
Wie es funktioniert
Das Schema gemäß Abb. 7 zeigt den Technikern unter den Lesern die prinzipielle Anordnung dieses originellen Dinges. Die Kathode K bestand aus einem hochfeuerfesten keramischen Material (z. B. Magnesia), um das ein mit Barium- oder Kaliumoxyd bedecktes Platinbändchen gewickelt war. Diese diente als Ionenquelle.
In einem Abstand von wenigen Zehntel Millimetern von K befand sich die Anode A, als Spitze eines kleinen Trichters ausgebildet. Die Kathode wurde von der Batterie B geheizt. Zwischen A und K lag über ein Potentiometer P die einstellbare Spannung einer Anodenbatterie von einigen hundert Volt.
Durch die auftretenden Schalldruckschwankungen wurde der Ionenfluß zwischen K und A moduliert, es traten Stromänderungen im Schallrhythmus auf, die sich an dem Kopplungswiderstand W4 als Spannungsschwankungen bemerkbar machten und über den Kondensator C1 dem Gitter der ersten Verstärkerröhre zugeführt wurden.
Die Abb. 8 zeigt eine praktische Ausführung des Kathodophons. Die Anode ist eine konische, am vorderen Ende flachgedrückte Düse. Rückseitig ist dieselbe mit dem Schallaufnahmetrichter isoliert verbunden. Die Empfindlichkeit der den Kathodenbelag bildenden Erdalkalioxyde gegenüber der Luftfeuchtigkeit machten es erforderlich, daß die Kathoden bei Nichtgebrauch in verschlossenen, wasserdampffreien Büchsen aufbewahrt werden mußten; auch dieserhalb ist die Glühkathode auf einer ansteckbaren Brücke befestigt.
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Das Kathodophon - ein brauchbares Qualitätsmikrophon
Eine Stromspannungs-Charakteristik des Kathodophons zeigt Abb. 9, ermittelt bei einem Kathoden-Anodenabstand von etwa 0,15 mm. Dieser Abstand war übrigens auch kritisch für die Frequenzabhängigkeit des Kathodophons. Ein zu großer Abstand benachteiligte die Übertragung der hohen Frequenzen. Zu enge Abstände bzw. Ungleichmäßigkeiten in der Kathodenoberfläche bewirkten einen unregelmäßigen Stromfluß und damit eine allgemeine Verschlechterung der Tonqualität.
Trotz dieser Nachteile: Empfindlichkeit gegenüber feuchter Luft, zu enger Abstand, Frequenzabhängigkeit und nicht einfacher Bedienung hat sich das Kathodophon seinerzeit doch als ein brauchbares Qualitätsmikrophon bewährt.
Eine besondere Tücke hatten allerdings unsere Modelle, sie teilten an Unkundige bei Berührung elektrische Schläge aus. Auch einer der Erfinder, Dr. ENGL, bekam einmal einige hundert Volt an seine Nasenspitze, als er den Zustand der Kathode mit seinem unbebrillten »Lupenauge« - er war stark kurzsichtig - kontrollierend, zu nahe an das Ding herankam.
Immerhin sind fast alle Aufnahmen der Triergon-Tonfilme mit dem Kathodophon gemacht. Wie die letzte Vorführung in Bad Ems gezeigt hat, ist die Tonqualität des vor 30 Jahren gedrehten Filmes: »Das Leben auf dem Dorfe« fast ebenso gut, wie die mancher unserer heutigen, freilich nicht erstklassigen Tonfilme.
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Es geht weiter - das Kondensator-Mikrophon
Wir sind aber bei diesem Mikrophon nicht stehen geblieben. Wir entwickelten parallel dazu Kondensatormikrophone, die später bei Außenaufnahmen benützt wurden. Abb. 10 zeigt ein solches. Es bestand aus einer in einen Metallring gespannten dünnen Glimmer-Membrane, die auf der einen Seite mit einem Silberbelag versehen war.
Die Gegenelektrode - in der Figur das kleinere Gebilde rechts vom größeren - war durchlöchert und auf der Rückseite der Membrane angeordnet. Durch die auf die Membrane auftreffenden Schallschwingungen wurden Änderungen der an dem System liegenden Spannung im Schallrhythmus herbeigeführt.
Das elektrostatische Mikrophon in etwas veränderter Ausführung ist heutzutage neben dem Kristallmikrophon wohl das gebräuchlichste Mikrophon im Rundfunk- und im Tonfilmatelier und in seiner Wirkungsweise allgemein bekannt, so daß ich mir ein näheres Eingehen hierauf auch schenken kann. Das Kondensator-Mikrophon wurde m. E. 1917 von dem Amerikaner E. C. WENTE angegeben.
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V. EINZELAUFGABEN
b) Verstärkerröhren und Verstärkerschaltungen
Nun sind aber die Spannungsschwankungen, die solche Mikrophone liefern, geradezu winzig. Sie liegen maximal bei etwa 0,01 Volt. Sie bedürfen deshalb der Verstärkung, um kräftige Wirkungen auszuüben.
Hierfür verwendet man die Verstärkerröhren (wir schreiben noch 1954 - der Transistor war noch ganz neu), die auch die Einführung des Rundfunks ermöglichten und nun - wenigstens äußerlich - jetzt allgemein bekannt sind.
Sie sind recht komplizierte Gebilde. Aus einem in einem luftleeren Glasgefäß eingeschmolzenen Glühdraht - der Kathode - fließen bei angelegter Anodenspannung durch den luftleeren Raum Elektronenströme zur Anode.
Diese Anodenströme werden durch, an eine dritte Elektrode, das Gitter, angelegte, Steuerspannung, also ohne Leistungsverbrauch in ihrer Stärke reguliert. Diese »wattlos« erfolgende Änderung derGitterspannung bewirkteinegroßeÄnderung des Anodenstromes, also eine Verstärkung. Ganz einfach ist ihre Wirkungsweise etwa zu vergleichen mit dem Auf- und Zudrehen eines Dampfventils, womit ein Maschinenwärter mit geringer Muskelanstrengung die gewaltige Wirkung einer Dampfturbine steuert.
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Die ersten Verstärkerröhren im Jahr 1919 waren schwach
Als wir 1919 mit unseren Arbeiten begannen, war es mit den Verstärkerröhren noch recht schwach bestellt. Zwar waren sie bereits erfunden und - wie ich glaube - unabhängig voneinander durch LEE DE FOREST in Amerika und R. von LIEBEN in Österreich, aber ihre praktische Brauchbarkeit, ihre Verstärkerwirkung, war noch recht gering.
Lediglich für militärische Zwecke versuchte man sie am Schluß des Krieges einzusetzen. Die ersten, aus Kriegsbeständen erworbenen Röhren, eigneten sich aber infolge ihrer geringen Spannungsverstärkerwirkung für unsere Zwecke gar nicht.
Da es uns an technischem Mut und an der frischen Unbekümmertheit der Jugend nicht fehlte, griffen wir auch dieses Problem an. Das war freilich nicht einfach. Glücklicherweise hatte Dr. ENGL Erfahrungen in der Vakuumtechnik. Es dauerte nicht allzulange, dann war das schon erwähnte Kohlenkeller- Hochvakuum- Laboratorium mit Glasbläserei, Vakuumpumpen, Heizöfen und Glasbläsertisch eingerichtet.
Abb. 3 zeigt eine Aufnahme dieser geheimnisvollen Werkstatt. Unter der hochgezogenen Ofenhaube sieht man, an die Vakuumleitung angeschmolzen, mehrere Verstärkerröhren, die dort tagelang geglüht und evakuiert werden mußten, um die an den inneren Glaswänden und an den Metallflächen der Elektroden anhaftenden Gase zu entfernen.
Getterstoffe, die heutzutage diese Gasschluckerei im Laufe von Sekunden vollbringen, kannte man zur damaligen Zeit noch nicht. Manchmal wurde auch die Heiztemperatur der Glasballone um ein geringes überschritten. Das Glas wurde dann weich, eine »Implosion« war die Folge und statt einer zum Abschmelzen reifen Verstärkerröhre fand man nur noch einen wirren Batzen von Glas und Metall vor. Die Arbeit von Tagen und Wochen war vernichtet.
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Die fruchtbare Arbeit im »Kohlenkeller«
Trotz dieser nicht seltenen Nackenschläge war es aber immer wieder erstaunlich, wieviel fruchtbare Arbeit im »Kohlenkeller« trotzdem geleistet wurde. Ich möchte hier festhalten, daß vorallem MASSOLLE es war, der im Aufbau der verschiedenartigsten Elektrodenanordnungen und der Erfassung ihrer Eigenschaften durch zahllose Messungen und Kurven unermüdlich werkte und dadurch die Entwicklung des Verstärkerrohres von den kümmerlichen Anfängen der Drei-Elektrodensysteme bis zum Fünf-Elektrodensystem besonders gefördert hat.
Es genügte uns nämlich nicht - dies sei hauptsächlich für die Techniker unter meinen Lesern erwähnt - nur gute Drei-Elektroden-Verstärkerröhren zu entwickeln. Wir versuchten, die Verstärkerleistung pro Rohr in jeder möglichen Weise zu steigern, beispielsweise dadurch, daß wir um ein- und dieselbe Kathode drei Verstärkungssysteme herumbauten.
Sehr bald erwies sich dieser Weg aber wegen der gegenseitigen Einwirkungen der Systeme aufeinander als nicht gangbar. Es wurden dann Verstärkerröhren mit sogenannten Elektronen-Ziehgittern entwickelt, die eine erhöhte Elektronenmenge aus der Kathode heraussaugen sollten. Sehr bald wurde auch zwischen dem Steuergitter und der Anode ein viertes Gitter eingefügt, das sogenannte »Schutzgitter«, um den verstärkungsmäßig nachteiligen »Durchgriff« der wechselnden Anodenspannungen auf das Steuergitter zu reduzieren.
Besonders diese Anordnungen, die auch bei all unseren modernen Verstärkerröhren vorhanden sind, erwiesen sich als besonders wichtig für die Herstellung von Spannungsverstärkerröhren, wie wir sie für unsere mit Widerstandskopplung arbeitenden Verstärkerschaltungen benötigten.
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Eigentlich war unser Team viel zu klein
Es hat sich nachher allerdings gezeigt, daß diese Röhrenkonstruktionen von den Siemenslaboratorien, insbesondere DR. SCHOTTKY, gleichfalls und zwar zu nur wenig früheren Terminen angegeben worden waren, so daß Erfindungsrechte hieraus nicht resultieren konnten.
Das Gefühl aber, aus eigener Kraft und mit eigener Erfindungsgabe die so schwierigen Vorgänge im Innern einer Verstärkerröhre erkannt und technisch brauchbare Lösungen gefunden zu haben, stärkte das Vertrauen des Einzelnen zu unserem gemeinsamen Können und ließ in kritischen Lagen den Mut der drei Männer nicht sinken.
Da man damals auch die Oxydkathode noch nicht kannte und wir sowohl für die Aufnahme wie für die Wiedergabe Endröhren mit einer Anodenleistung von etwa 10 bis 15 Watt benötigten, gingen wir daran, die Oberflächen runder Wolframfäden, die wir als Kathoden benutzten, zu vergrößern.
Zu diesem Zweck wurde eine »Wolframfaden-Hämmermaschine« gebaut, die aus runden Drähten Wolframbänder machte, die dann, in Röhrensysteme eingebaut, stärkere Elektronenströme abgaben. Später war allerdings die Oxydkathode erfunden worden - die Wolframdrähte der Kathoden wurden mit einem Oxyd der Erdalkalimetallgruppe überzogen - wodurch sich auch ohne »Hämmermaschine« eine beträchtliche Steigerung ihrer Emission ergab.
Noch später, etwa von 1924 ab, entschlossen wir uns dann, da wir ja keine Verstärkerröhrenfabrikanten, sondern nur Tonfilmerfinder werden wollten, unsere Verstärkerröhren bei der Firma Siemens & Halske bauen zu lassen.
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Unsere Röhren-Erfahrungen
An Hand einiger Bilder von Verstärkerröhrenmodellen soll nun die obenerwähnte Entwicklung belegt werden. Ich glaube, daß diese Dokumente besonders für die Radiotechniker und Rundfunkmänner unter meinen Lesern interessant sein können, insofern, als sie zeigen, wie auch bei uns schon sehr brauchbare Verstärkerröhren entstanden.
Die Abb. l1 zeigt einige unserer Anfangsmodelle, wobei bei den ersten drei der Glühfaden in der Mitte angebracht war und Steuergitter und Drahtgeflecht-Anode seitlich flächenhaft davor. Die fehlende Fläche der Anode, die großen Parallelkapazitäten dieser Systeme ließen uns aber bald von dieser Entwicklung abkommen.
Bei den Typen 6, 7, 8 der Abb. 12 und bei den Typen 10 und 11 der Abb. 13 waren wir schon zum Kästchensystem - bei welchen die Elektroden durch zwei Glimmerblättchen gehalten wurden - übergegangen. Der Prototyp 9 zeigt ein Verstärkerrohr, bei welchem um eine Kathode mehrere Steuergitter und Anoden angeordnet waren.
Auch dieser Weg wurde infolge nachteiliger gegenseitiger Beeinflussung verlassen. Die Entwicklung blieb schließlich stehen bei dem Verstärkerrohr, das die Abb. 14a zeigt. Um den zentrisch angebrachten Heizdraht, gehalten durch Glimmerblättchen, sind konzentrisch die verschiedenen »Gitter«, — Drahtspiralen, auf dünne Metallrahmen gewickelt, sowie die »Anode«, - ein Zylinderchen aus dünnem Wolframblech, - angeordnet.
Die Stromspannungs-Charakteristik dieses Triergon-Verstärkerrohres sowie seine Hauptdaten gehen aus dem Kurvenblatt Abb. 14 b hervor. Dieses Rohr ließen wir uns, wie schon erwähnt, später nach unseren Angaben von der Firma Siemens & Halske herstellen. Die Abb. 15 zeigt dieses Modell, das mit mehr glastechnischem Geschick hergestellt worden ist und ab 1924 in den Triergon-Apparaturen verwendet wurde.
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Unsere geräuschfreien Hochohmwiderstände
Für die Kopplung der Röhren untereinander, wie die Kopplung derselben mit dem Mikrophon oder der Fotozelle benötigten wir geräuschfreie Hochohmwiderstände.
Sie waren damals nicht, wie heute, für ein paar Pfennige in allen Radiogeschäften zu haben; wir waren gezwungen, uns auch diese selbst herzustellen. Die Abb. 16 zeigt einige dieser Dinger. Wir stellten sie durch elektrische Zerstäubung von Metallen in Glasröhren her. Ich mühte mich sehr lange mit ihnen ab, um die erforderlichen Widerstandswerte geräuschfrei zu erzielen. Wieviel Sorgen haben uns jungen Röhrenbauern oft die noch vorhandenen Gasreste in den Röhren bereitet, die alle Kennlinien fälschten und die die merkwürdigsten, uns zunächst nicht erklärlichen Unstetigkeiten in dem Verlauf der Stromspannungskurve verursachten !
Wie oft brannten überhitzte Kathodenfäden durch! Ich glaube, nur ältere Röhrentechniker sind in der Lage, diese Schwierigkeiten richtig zu beurteilen und die Mühen zu ermessen, die damals aufgebracht werden mußten, um zu praktisch brauchbaren Verstärkerröhren zu kommen.
Hing doch davon aller Erfolg, das Erreichen unseres Zieles, dem wir uns mit Haut und Haaren verschworen hatten, das Zustandekommen des Tonfilmes ab.
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Ein Vergleich mit der Großindustrie sei erlaubt
Vielleicht ist für viele meiner Leser der Hinweis interessant, daß etwa zur gleichen Zeit, in der in den Laboratorien der großen elektrotechnischen Weltfirmen mit einem Riesenaufwand an Mitteln und Menschen die Verstärkerröhre zu einem technisch brauchbaren Instrument entwickelt wurde, die gleiche Arbeit mit annähernd gleich guten Ergebnissen - wie die beigegebenen Fotos und die stattgefundenen Tonfilmvorführungen bestätigen — von uns drei Tonfilm-Erfindem in einem Kohlenkeller in Berlin geleistet wurde. Dabei wirkte noch erschwerend, daß gleichzeitig auch noch eine Reihe anderer, nicht minder schwierige Probleme, mit gelöst werden mußten.
Um eine Verstärkerröhre zu betätigen, bedarf es einer besonderen Schaltung und zwar sowohl für die einzelne Röhre als auch für die Verbindung mehrerer Röhren zu einem Verstärker. Wir wissen dies ja alles vom Radioempfänger her, der heutzutage in jeder Wohnung steht.
Auch diese Schaltungen mußten die eingangs erwähnten Bedingungen erfüllen, d. h. in keiner Weise den ursprünglichen Charakter der elektrischen Wechselströme deformieren. Wir wählten seinerzeit hierfür eine Widerstandsschaltung, d. h. eine Schaltung, bei welcher die Kopplung der einzelnen Röhren über Hochohmwiderstände, nicht über Transformatoren geschieht.
Bei dem damaligen noch unzulänglichen Stand des Transformatorbaues hätte die Verwendung von Transformatoren eine starke Verzerrung des Frequenzganges hervorgerufen. Die dafür benutzte Schaltung, die übrigens auch für die Wiedergabe benutzt wurde, zeigt Abb. 17. Diese Schaltung wurde von uns sowohl für die Aufnahme wie für die Wiedergabe verwendet.
Im Falle der Aufnahme konnte entweder das Kathodophon oder das Kondensatormikrophon benützt werden; bei der Wiedergabe wurde an derselben Stelle die Fotozelle angeschaltet. Dies war dadurch möglich, da all diese Organe eine regelbare hohe Anodenspannung benötigten.
Im Anodenkreis der Endverstärkerröhre wurde bei der Aufnahme die Ultrafrequenzlampe eingeschaltet, außerdem parallel zu einem Kopplungswiderstand ein elektrostatischer Lautsprecher für Kontrollzwecke.
Sollte die Schaltung aber für die Wiedergabe dienen, wurde die Ultrafrequenzlampe einfach herausgenommen und über einen entsprechend bemessenen Kopplungswiderstand die elektrostatischen Lautsprecher angebracht.
Einen fertigen Aufnahmeverstärker mit dem Kathodophon, drei Röhren, eine Glimmröhre mit langer Kathode als Aussteuerungsanzeiger zeigt die Abb. 18 mit meiner Wenigkeit als Bedienungsmann.
Wie der Fachmann dem Bild entnehmen kann, haben wir damals schon »Aussteuerungsanzeiger« verwendet; die Länge des in der Gehrke'schen Glimmlichtröhre auftretenden kathodischen Glimmlichtes war uns ein Maßstab für den maximal zulässigen und einstellbaren Verstärkungseffekt. Neben dem Kontrolltelefon war diese Glimmlampe das geeignete Mittel, die richtige »Aussteuerung« der Aufzeichnungslampe einzuregulieren, d. h. zu verhüten, daß die Schwärzungen des Negativfilms weder zu schwach noch zu stark wurden.
Zu schwache Lichteindrücke ergeben auch zu schwache, kaum über dem »Grundrauschen« des Tonfilms wahrzunehmende Töne; zu starke bedingen Verzerrungen der Amplitude, einen hohen »Klirrfaktor« würde man heutzutage sagen, unreine Tonwiedergabe.
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