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Erinnerungen von Manfred Hemmerling (2002) Kapitel 1 - 18

überarbeitet von Gert Redlich im Nov. 2015 - Bei meinem Besuch bei den Pensionären von Radio Bremen im Sept. 2015 legte Nick Kröger dieses Buch auf den Tisch, weil Herr Hemmerling an dem Zeitzeugengespräch leider nicht mehr teilnehmen konnte. Manfred Hemmerling ist wenige Tage vorher am 19. Sept. 2015 im Krankenhaus verstorben. Nach dem groben Durchlesen noch im Hotel in Bremen stand der Entschluß fest, die 260 Seiten der Erinnerungen an 40 Jahre im Rundfunk (bei Radio Bremen) einem erheblich breiteren Publikum vorzulegen.
Um das Ganze lesefreundlich zu gestalten, sind von mir weitere Überschriften zur Trennung von Lese-Blöcken eingefügt worden und natürlich auch Kommentare und Verlinkungen und weitere Bilder, die den jüngeren Lesern einiges besser veranschaulichen.
Das Inhaltsverzeichnis ist auf eine eigene Seite ausgelagert.

Kapitel 7
Über die Aufzeichnungstechnik der 1950er Jahre

Erst noch mal zurück zur Filmaufzeichnung, FAZ. Ende der 1950er Jahre. Um Fernsehbilder überhaupt speichern zu können (die MAZ-Technik kam gerade in Mode), wurde das Bild von einem Monitor abgefilmt, von einem sehr kleinen Bildschirm mit extrem hoher Helligkeit.

Die FAZ Technik detailiert . . . .

Wegen unterschiedlicher Bildwechsel (25 Bilder/sec beim Film, 50 Bilder/sec im Fernsehbild), konnte nur ein Halbbild aufgenommen. Da ein Fernsehbild mit 625 Zeilen aus zwei Halbbildern mit je 312 Zeilen besteht, die ineinander verschachtelt werden, blieb beim FAZ-Verfahren nur ein Halbbild (also 312 Zeilen) übrig. Dadurch entstand natürlich ein Verlust an vertikaler Bildschärfe. Zusätzlich mußten die verbleibenden Zeilen des Bildes verwischt (gewobbelt) werden, um die leeren Zeilenzwischenräume aufzufüllen. Folglich ging noch mehr an Bildschärfe verloren.

Wirklich jedesmal neu, die Justage der FAZ

Vor jeder Aufzeichnung mußte daher das Zeilenraster der FAZ entsprechend eingestellt werden. Dazu wurde ein spezielles Mikroskop in den Strahlengang geschoben, um die Zeilenstruktur zu erkennen und diese mit der erforderlichen Einstellung zu "verwischen". Die dabei notwendigen Turnübungen (man mußte sich vertikal vor dem Okular rasch auf und ab bewegen, um das beste Ergebnis zu erzielen) haben gewiß zu unserer Beweglichkeit beigetragen, aber auch dafür gesorgt, daß wir von der Strahlenenergie nicht konstant durchleuchtet wurden!

Jede Filmaufnahme, das gilt grundsätzlich, erfordert die richtige Belichtung der aufzunehmenden Szene, soll die Wiedergabe als Bild oder Film annähernd dem Original entsprechen. Bevor ich eine längere Abhandlung über Bildkontrast und Helligkeit schreibe, nur soviel: Die Bilder von Orthikon-Kameras boten diese Voraussetzungen nur unzureichend! Zumal meistens noch ein Rauschen (wie feines Schneetreiben) über dem Bild lag und deshalb für eine Filmaufzeichung eher ungeeignet waren.

1962 - die Einführung der Magnetischen Aufzeichnung (MAZ)

Erst nach Einführung der "Magnetischen Aufzeichnung" (MAZ) wurde es problemlos möglich, Bilder mit einem geringen "Szenenkontrast" auch richtig wiederzugeben. (Aufzeichnen läßt sich bekanntlich alles, erst bei der Wiedergabe zeigen sich die Mängel.)

Bei der MAZ werden Bildsignale, wie schon der Name verrät, magnetisch aufgezeichnet, quasi eingefroren, und damit entfiel das Problem "Belichtung" und "Entwicklung".
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Die FAZ, die Regisseure und deren Phantasie

Jeder Regisseur wollte natürlich die beim Lesen eines Werkes in der Phantasie sich einstellenden Stimmungsbilder auch irgendwie auf dem Fernseher darstellen, aber mancher war dann oft nicht bereit, die Regeln, die zu diesem Ergebnis geführt hätten, zu akzeptieren. So kamen Szenenbilder zur FAZ, deren Kontrast und Helligkeit auf dem Monitor anscheinend ausreichten, aber zum Belichten eines Filmbildes ungenügend waren. Hinzu kam der prinzipielle Verlust an Bildschärfe der FAZ. "In seinem Garten liebt Don Perlimplin Beiisa" ist ein solches Beispiel! Oswald Döpke, der als Regisseur die Produktion fürs Fernsehen inszeniert hatte, geriet völlig aus der Fassung, als er später das Ergebnis sah.

Und dann wog die FAZ Maschine ca. 6 Zentner

Selbstverständlich sind in der damaligen Zeit, unter Bedingungen wie sie eben vorhanden waren, jedoch viele Filmaufzeichnungen entstanden, deren Bildqualität auch noch heute verblüfft. Jeder Amateur, der die Bildqualität moderner Kamerarecorder kennt (die zudem in eine Jackentasche passen und in Farbe und Ton aufzeichnen), kann sich gar nicht vorstellen, welch Aufwand damals betrieben werden mußte, um Fernsehbilder, dazu noch in Schwarzweiß und in einer deutlich geringeren Qualität, zu speichern.

Eine komplette Filmaufzeichnung bestand aus drei großen Schränken, zusätzlich noch die Magnetfilmgeräte zur Tonaufnahme. Insgesamt mehr als 6 Zentner! Früher galt als Faustregel für Bildgeräte: 1 Kg kostet etwa 1.000 DM.

Und da gab es recht oft Krach

Auch bei Live-Sendungen, die aus dramaturgischen Gründen ein dunkles Stimmungsbild vermitteln sollten, gab es dieselben Schwierigkeiten. Denn die ersten FS-Empfanger waren ohne eine sogenannte "Schwarzhaltung", so daß bei dunklen Szenen, die keinerlei Weiß im Bild enthielten, die Bildröhre des Fernsehers nicht dunkel blieb, sondern automatisch heller wurde und dadurch den Bildeindruck verfälschte.

Bei den Proben zu einer Art Magazinsendung (den Titel habe ich vergessen), kam es einen Tag vor der Sendung zu einem Eklat zwischen dem Regisseur Ule Eidt und dem Bildingenieur Werner Vogel. Die Bilder aus dem Studio, mit Norbert Mai als Moderator, waren Herrn Eidt eher zu "sonnig", er wollte eine dem Thema angepaßte, düstere Stimmung. Ausleuchtung und Dekoration boten diese Voraussetzungen nicht oder nur teilweise.

Ule Eidt kam vom NDR und war gewohnt, wie er sagte, daß man seinen Forderungen dort widerspruchslos nachkam. Werner Vogel wollte aber keinen "Negerkampf im Tunnel", wie man damals derartige Bilder nannte, verantworten. Damit war der Krach vorprogrammiert.

Wenn das Faß überlaüft . . . .

Einen Tag vor der Live-Sendung zerstritten sich die beiden endgültig. Werner Vogel hatte heftige Magenschmerzen und kam nicht zum Dienst. Obgleich Beiträge von MAZ und Film zugespielt werden mußten, die ich zu überwachen hatte, bat mich Herr Gloose (Chef-Ing.), die Aufgabe von Werner Vogel mit zu übernehmen.

Gut geschummelt ist halb gewonnen

In der Regie herrschte eine gereizte Stimmung, als ich die Vorschau-Monitore kontrollieren wollte. "Sind schon alle nach dem Testbild eingestellt worden", rief man mir ungnädig zu. Aber in solchen Situationen bin ich beharrlich! Ich regelte alle Monitore um eine knappe Graustufe dunkler und Ule Eidt rief aus: "Warum nicht gleich so, das sind genau die Bilder, die ich für diese Sendung verlangt habe"!

Alle Vorurteile ausgestanden

Ich bin mir sicher, daß auch unsere Zuschauer stimmungsvolle Bilder gesehen haben, da es auf den Vorschaumonitoren nur um eine geringfügige Absenkung der Helligkeit gegangen war, die aber ausgereicht hatte, um die Vorurteile der Regie zu beheben. Trotzdem verlief die Sendung sehr hektisch für mich, da ich ständig zwischen der Kamerakontrolle, MAZ und dem Filmgeber hin- und herpendeln mußte.

Als Bildingenieur in der Bildregie - das war unnormal

Als kurze Zeit danach Oswald Döpke den Einakter von T. Williams "Porträt einer Madonna" (mit Käthe Gold, Volker Lechtenbrink, Karl-Georg Saebisch, u.a.) produzierte, mußte ich nochmals als Bildingenieur die Produktion übernehmen, da Werner Vogel noch immer krank war. Es war für mich eine ziemliche Herausforderung, denn das Vertrauen von Herrn Döpke in die Bildtechnik war nach Don Perlimplin gänzlich dahin.

Ich saß bei den Proben und der nachfolgenden Aufzeichnung in der Bildregie (was unüblich war und danach auch nicht mehr wiederholt wurde), mit einem speziellen Kontrollmonitor und einer separaten Sprechverbindung zur Kamerakontrolle.

Der eigentliche Vorteil bestand darin, daß ich unmittelbar die Absichten der Regie erfassen und diese sofort bildtechnisch umsetzen lassen konnte.

Erste MAZ Produktionen

Daß die Produktion zur höchsten Zufriedenheit der Regie gelang und Oswald Döpke sich fast euphorisch bei mir für die Bilder bedankte, hatte aber noch zwei weitere Gründe. Die Aufzeichnung erfolgte auf MAZ! und nicht (wie zuvor beschrieben) auf Film, und für die Lichtgestaltung war ein angenehmer Partner (Heinz Böhme), ein exzellenter Fachmann, dabei. Bei der MAZ wird das Bild- und Tonsignal auf einem ca. 50mm (2-Zoll) breiten Band magnetisch gespeichert und nicht wie bei der FAZ als Fernsehbild auf Film belichtet. Wer sich mit "Kennlinien" auskennt, versteht die Schwierigkeiten der analogen optischen Speicherung!
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MAZ Bänder mechanisch schneiden - das geht

Bei einer quasi Live-Aufzeichnung (also ohne Unterbrechung) war die Spannung bei allen Beteiligten sehr hoch. Denn jeder Abbruch der Aufzeichnung und die Fortsetzung hätte zu Abschnitten geführt. Diese Abschnitte hätten "mechanisch" (also Band zerschneiden) aneinander geschnitten werden müssen, was zu jener Zeit stets ein großes Risiko war.

Da die Bild-und Tonsignale auf einem Band gemeinsam, aber auf getrennten Spuren, der Ton (bei der 2-Zoll-MAZ), jedoch ca. 0,6 Sekunden später, als das Bild aufgezeichnet wird, konnte ein Schnitt stets nur an einer technisch möglichen, inhaltlich aber nicht immer günstigen Stelle erfolgen. Mit der heutigen Schneidetechnik, bei bandlosen Systemen, man denke nur an die "Avid-Systeme", würde man darüber kein Wort mehr verlieren.

Ein Mikrofon im Bild, wie schlimm

Trotz aller Euphorien gab es dann doch noch einen "Wermutstropfen"! Bei der zweiten Ansicht des MAZ-Bandes wurde ein Mikrofon entdeckt, das mal kurz am oberen Bildrand auftauchte. Der Ton-Kollege hatte die "Angel" nicht rechtzeitig zurückgezogen. Zur Kontrolle stand ihm auch nur ein winziges Bild (der sogenannte Postkarten-Monitor) zur Verfügung, auf dem ein Mikrofon dieser Größe ohnehin nur wie ein Bleistift wirkte, auf dem größeren Fernsehbild sah Oswald Döpke darin aber ein Problem.

Wir hatten damals nur eine MAZ

Sicherheitshalber sollte der Schnitt (denn wir hatten nur eine MAZ und konnten noch keine Kopie von dem Band erstellen) beim NDR in Hamburg erfolgen; er gelang zu aller Zufriedenheit.

Wenn Herr Döpke der versierten NDR-Dame, Marion von Eseebeck, beim Schnitt und der Behandlung unseres Bandes zugeschaut hätte, dann wäre er gewiß erneut höchst beunruhigt gewesen.

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