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Will Tremper war 16 Jahre alt, als der 2. Weltkrieg zuende ging.

In seiner Biografie von 1993 beschreibt Will Tremper, wie er als überzeugter Hitlerjunge die Zeit ab 1939 erlebt hatte und was davon bei ihm unauslösch- lich im Kopf hängen geblieben war. Und er erzählt von seinen Erlebnissen in Berlin unter den Bomben. Lesenswert ist dazu auch "Als Berlin brannte" (Hans-Georg von Studnitz). Der Zusammenhang schließt sich über die Curt Riess'sche Biografie "BERLIN 1945-1953" und dessen beide dicken Film-Bücher, in der der Name Tremper aber nicht genannt wird. Will Tremper hingegen schreibt daher sehr genüsslich über "die anderen Seiten" bekannter Personen aus Politik und Film - natürlich auch über Curt Riess. Die einführende Seite steht hier.

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»Deutschland, deine Sternchen«

Die Enttäuschung war groß, als ich sah, daß Henri Nannen nicht mich allein, sondern noch etwa zwanzig Mitarbeiter aus der Redaktion eingeladen hatte: Er feierte am ersten Weihnachtsfeiertag, dem 25. Dezember, seinen Geburtstag mit einem Umtrunk in seinem weißen Haus in Wellingsbüttel.

An diesem Morgen wurde auf Teufel komm raus palavert, die das ganze Jahr über mit nichts als dem »Stern« beschäftigten Männer zeigten ihre privaten Seiten.

So erzählte Günter Dahl eine bewegende Geschichte von Maria Perschy, dem Wiener Filmsternchen, das ihn am Abend zuvor, dem Heiligen, aus einer trostlosen Pension am Hafen angerufen hatte, um ihm Gottes Segen aufs Haupt zu wünschen und »Dank für das schöne Titelbild« zu sagen, und so weiter.

»Das arme Kind!« sagte Günter. »Ich nahm eine Flasche«, und dabei wischte er sich schon eine Träne aus dem Auge, »verabschiedete mich von Frau und Kind und fuhr durch Eis und Schnee«, wir hielten den Atem an, »in den Hafen. Und«, er hatte so eine unnachahmliche Art, Kunstpausen zu machen, »da habe ich ihr« - nicht doch!? - »ein frohes Fest gewünscht«, und vielleicht hat er mit ihr auch noch »Stille Nacht« gesungen.

In das ergriffene Schweigen der hartgesottenen Männer platzte ich mit meiner Sucht, alles besser zu wissen: »Da hat sie dich aber schön hereingelegt, Günter! Das Luder hat doch bis vorgestern mit ihrem Regisseur noch im >Bellevue< ein gepflegtes Doppelzimmer geteilt - und nur, weil die Ehefrau aus München angereist ist, mußte sie schnell in die billige Pension umziehen - und am zweiten Januar wird sie wieder zurückkehren zu ihrem Liebhaber!«
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Nannen befahl allen - nur noch wahre Geschichten zu schreiben

Da schlug Henri Nannen auf den Tisch und rief: »Nun hört sich aber alles auf! In Zukunft will ich nur noch die wahren Geschichten im »Stern« lesen und keine PR mehr! Tremper, Sie schreiben mir zwölf Teile, wie es wirklich zugeht beim Film!«

Die Idee also zu meiner Schicksalsserie, über die soviel Unfug zusammengeredet worden ist in der Branche, hat einwandfrei Henri Nannen gehabt; das muß einmal richtiggestellt werden.
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Jetzt also zu meiner Schicksalsserie und dem Erfolg

Und als sie ein halbes Jahr später im »Stern« begann, da hatte Nannen die Sturheit, sie immer weiter, immer weiter laufen zu lassen. Denn der enorme Erfolg, der den »Stern« endgültig von seinem Konkurrenten »Quick« befreite - die Münchner bewegten sich in ihrer Auflage in den ersten zehn Jahren gleich mit den Hamburgern - lag nur zum geringen Teil in meiner respektlosen Schreibe und dem glänzenden Material meiner Rechercheure.

Er lag vor allen Dingen daran, daß Nannen nach der 12. Fortsetzung, als sich noch keine Auflagensteigerung abzeichnete, trotzdem »mehr« haben wollte.
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In de 40. Woche gings dann endlich los, aber gewaltig los

Auch nach der 20. Woche gab es noch keine »stürmische Auflagenentwicklung«, wie es so schön heißt - aber nach der 30. Woche lag die »Quick« auf einmal nicht mehr zufällig um 40- oder 60.000 hinter dem »Stern«, sondern ganz schön konstant.

In der 40. Woche zog die Auflage um mehr als hunderttausend vor der »Quick« davon, in der 50. Woche waren es schon über zweihunderttausend, und als ich in der 56. Woche endgültig den Griffel fallen ließ, waren wir der Konkurenz definitiv um dreihunderttausend Exemplare wöchentlich davongeeilt, eine Distanzierung, von der sich die »Quick« nie wieder erholt hat.
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Was lehrte uns das?

Auch die aufregendste Illustriertenserie braucht unendlich lange Zeit, um Kreise unter den Lesern und immer weitere unter potentiellen Lesern zu ziehen. Nannen war stur genug, nur sein eigenes Interesse als Gradmesser gelten zu lassen.

»Was mich aufregt«, sagte er immer wieder, »regt auch den Leser auf!« Hätten wir damals schon eine Marktforschung gehabt, wäre die Serie nach 20 Folgen abgebrochen worden, denn Leser, nach ihren Interessen befragt, antworten nur zu gern: »Klatsch mag ich nicht - der Leitartikel ist es!«

Henri Nannen pfiff darauf - und legte sich flugs einen »weißen Kragen« um, indem er einen erzkonservativen Kommentator einlud, jede Woche im »Stern« zu schreiben - »über was Sie wollen! Niemand wird Ihnen hineinreden!«
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Der Kommentator hieß William S. Schlamm .....

Das war William S. Schlamm, einer der engsten Mitarbeiter des TIME-LIFE-Verlegers Henry R. Luce, ein früherer Österreicher, den es heimzog zu Tafelspitz und Marillenknödeln.

Schlamm schrieb, wie Hans Habe, eine ebenso spitze wie elegante Feder und hatte in Zürich ein Buch über die »Grenzen des Wachstums« herausgebracht, von dem Henri Nannen fasziniert war. Er druckte es in Auszügen und behielt den Autor als Kommentator.
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Ein Kommentar ging über mich - ein totaler Verriß

Und einen der ersten Kommentare, die William S. Schlamm im »Stern« schrieb, schrieb er über mich und die Serie »Deutschland, deine Sternchen«, die weiter vorne im Blatt zu lesen war: »Sternchen, dein Deutschland?« höhnte der Schubiack und begann:

»Wie so viele tausend andere Leser des Stern warte ich mit kaum kontrollierbarer Spannung jede Woche auf die nächste Fortsetzung der faszinierenden Serie Deutschland, deine Sternchen<- aber vielleicht aus nicht ganz denselben Gründen.

Was mich an dieser Serie fasziniert, ist, daß sie gar nicht aufhört. Und zwar hört sie deswegen nie auf, weil jede Woche derselbe Tatbestand enthüllt wird - nämlich ein Mädchen. Die Redaktion und die Leser des Stern können sich seit etwa einem Jahr von der Erschütterung über drei Entdeckungen einfach nicht erholen:

  • 1. Mädchen sind anders und rundlicher gebaut als Männer,
  • 2. gar viele Mädchen treiben es, und zwar bunt,
  • 3. und es hört nicht auf, und es hört nicht auf.«

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Vier volle Spalten auf einer halben »Stern«-Seite

Auf vier Spalten einer halben »Stern«-Seite versuchte er den Lesern, meine Serie madig zu machen (»Wird die Wiederholung nicht allmählich langweilig?«) und gleichzeitig dem Chefredakteur zu suggerieren, daß »eine ernsthafte Illustrierte kaum einen erheblichen Teil des kaufkräftigen Marktes verliert, wenn sie sich aus ganzem Herzen auch anderen Gebieten der Natur- und Geisteswissenschaft zuwendet. Nun höre ich aber, daß keine Serie im Stern jemals größere Leserzustimmung fand als "Deutschland, deine Sternchen.

Woran das wohl liegen mag? Doch kaum an der nun schon etwas stereotyp gewordenen Enthüllung, daß junge Filmschauspielerinnen nicht weniger verführbar sind als junge Bauerntöchter ...«
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Die Leser sollten viel mehr Brehms >Tierleben< lesen

Er hatte überhaupt nicht begriffen, daß es um die Innenansicht eines nicht unwesentlichen Teils der Filmindustrie ging und plagte sich mit Witzeleien ab - »Die Leser sollten sich aufregenderer Lektüre zuwenden - zum Beispiel Brehms >Tierleben<« -, doch zum Schluß fiel dem alten Epigonen eines Karl Kraus dann doch noch jene Wendung ein, die ihn immer wieder lesenswert machte - und die, wie zufällig Vorgriff und beschrieb, was des »Sterns« Schicksal in den sechziger und siebziger Jahren werden sollte:

»Denn das ist der unentrinnbare Preis für die unausgesetzte Befriedigung seichter Gelüste - die böse, die trostlose Langweile. Für unsere Generation haben die Philosophen kein treffenderes Beziehungswort gefunden als >ennui< - Langeweile. Und das ist aber auch die Generation, die alles für statthaft, nichts für unerlaubt und fast alles für druckreif hält. Es ist eine maßlose und also eine übersättigte Generation.

Ist das dein Deutschland, >Sternchen<? Dann ist es aber ein armes Deutschland - eines, das sich gräßlich langweilt. Und was aus Völkern wird, die sich langweilen, sollten wir nachgerade wissen. Ich bin, trotz aller Enthüllungen, für die Filmsternchen. Das Leben scheint ihnen noch wenigstens Spaß zu machen.«
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W. S. Schlamm ging nach kurzer Zeit zur »Welt am Sonntag«

Nannen schrieb im selben Heft 51/1960 in seinem »Lieber Stern<-Leser« den großzügigen Satz: »Und selbst wenn er uns angreift, wie in diesem Heft auf Seite 55, wollen wir ihm nicht das Wort verweigern - Herzlichst Ihr...«, um sich in der Redaktionskonferenz kräftig lustig zu machen über den Mann, der »mit Kanonen auf Spatzen schießt«.

Kein Wunder, daß William S. Schlamm nach kurzer »Stern«-Zeit bei der »Welt am Sonntag« landete, bei der er jahrelang die Entwicklung des »Stern« von einer aufregend gemachten Illustrierten zum radikalen linken Kampfblatt mit ätzendem Sarkasmus kommentierte.

Natürlich war er längst »out of this world«, der gute Schlamm, wie ich schon bei unserem ersten Zusammentreffen in München feststellen konnte, als ich ihn ins Opernespresso einlud und er statt dessen die Feldherrnhalle vorschlug - ich hatte noch nie bemerkt, daß es in dieser problembeladenen Stätte ein Cafehaus gab.

Martin Holst: Tremper! Wir haben alle Prozesse gewonnen !

Der nette alte »Stern«-Justitiar Martin Holst vom Ballindamm drückte mir Anfang 1960 bewegt die Hand und meinte: »An Ihnen habe ich den Glauben an die Gerechtigkeit verloren, Tremper! Wir haben alle Prozesse gewonnen!«

Das hatten wir meinen beiden Rechercheuren zu verdanken, die ein Jahr lang eine immer schwieriger werdende Arbeit leisteten, denn welche Sternchen wollten noch mit dem »Stern« reden?

Das waren die beiden Herren Gerd Heidemann, heute schlicht bekannt als »Hitler-Tagebuch-Fälscher«, was er niemals war, und Wolfgang Rademann, der spätere »Traumschiff«- und »Schwarz-waldklinik«-Produzent des ZDF.
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Noch eine fast vergessene Story von Heidemann

Von Heidemanns sanfter Art der Recherche, seinen leisen, höflichen Auftritten, seiner tödlichen Hartnäckigkeit war schon die Rede. Ein Beispiel fällt mir gerade ein, in dem sich alle seine Talente gebündelt spiegeln: Das Filmsternchen Susanne Cramer, aus Frankfurt stammend, befand sich in Südamerika, war aber bereits im Heft angekündigt, und Gerd fuhr auf Verdacht an den Main - und ließ vier Tage lang nichts mehr von sich hören.

Das war ungewöhnlich und alarmierte die Redaktion, bis sich herausstellte, daß schiere Mutterliebe den Reporter in Frankfurt/M. gefangenhielt. Gerd hatte die Mutter Susanne Cramers aufgetan, an ihrer Tür geklingelt und, als sie öffnete, den ältesten seiner Tricks ausgespielt: Er sei neu beim »Stern«, und man habe ihn zu einem Interview mit der Tochter geschickt; aber wenn er keines bekomme, fürchte er, seine Probezeit nicht bestanden zu haben. Dazu muß man sich seine scheue, verlegene Art vorstellen, die himmelblauen Augen, die sich auf Kommando feuchten können - kurz:

Mutter Cramer bittet Heidemann herein, läßt sich seine (beinahe echte) Lebensgeschichte erzählen, stellt fest, daß er fremd in Frankfurt ist und auch noch keine Unterkunft hat, läßt ihn auf dem Sofa nächtigen und backt ihm seinen Lieblingskuchen, kocht ihm seine Lieblingsspeisen und liest ihm dabei die intimsten Briefe ihrer Tochter aus Mar del Plata vor, wo sie sich auf den Filmfestspielen herumtreibt.

So erfuhr Ehemann Helmut Lohner aus dem »Stern«, daß seine Susanne wieder schwanger war - die längst in Heidemann verliebte Mutter hatte ihm sogar erlaubt, die Briefe zu fotografieren.
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Seine Schwäche hatte: Er konnte selbst nicht schreiben!

Also, das war Gerd Heidemann, wie er im Buche stand. Ein Kerl, der nur eine Schwäche hatte: Er konnte selbst nicht schreiben! Vorgesetzte wie Nannen und Löhde hatten ihn mit ihrem Standardbefehl »Ich will alles wissen!« vollkommen verdorben, er schrieb tatsächlich alles auf, obwohl er den Sinn für das Eigentliche nie verloren hatte, schrieb wie Kraut und Rüben hintereinanderweg Wesentliches und Unwesentliches nieder und überließ es den Autoren, das für sie Notwendige herauszufischen. Ich hatte mich, durch die Erfahrung mit Löhde, seinem unendlichen Geschreibsel auf rotem Papier nie ausgesetzt, sondern redete nur mit Gerd, denn im Reden war er der geborene Dramaturg.

»Hab' begriffen!« rief ich und jagte ihn davon, wenn er mit seinem dicken Leitzordner nach seinem mündlichen Bericht noch »dokumentieren« wollte. Seine enttäuschten, traurigen Augen werde ich nie vergessen. Und ich gehe so weit zu behaupten, daß Gerd Heidemanns Manko ihm noch bei ganz anderen Sachen zum Verhängnis wurde.
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Guter Wolfgang Rademann

Mein anderer Rechercheur, Wolfgang Rademann, war ein hungriger Reporter in Ost-Berlin gewesen, als er meinem Freund, dem »Halbstarken«-Filmkomponisten Martin Böttcher, in den DEFA-Ateliers von Johannisthal über den Weg lief.

Zufällig begegnete ich Martin Böttcher im Parkhotel Zellermayer, und er erzählte mir von dem »tüchtigen Jungen«, den er in Ost-Berlin getroffen hatte.

Rademann arbeite bereits für dieses oder jenes westliche Blatt, wolle aber nur nach West-Berlin umsiedeln, wenn er einen festen Job habe.
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Der berüchtigte Schreib-Kollege Will Tremper

Daraus machte der »Spiegel«-Redakteur Peter Stolle 25 Jahre später: Ende der 1950er Jahre wurde dem journalistischen Wiesel der Osten zu eng. In West-Berlin, in einer Hotel-Suite, traf er einen Bruder im Geist, den berüchtigten Schreib-Kollegen Will Tremper. »Wie ein Playboy«, erinnert sich Rademann verträumt, »lag der im weißen Morgenmantel, 37 Zeitungen um sich herum, zwei Telephone und vier Weiber.«

Dem sozialistischen Wolf gang gingen die Augen über: »Mensch, so is det im Westen.« Tremper vermittelte ihn an die Boulevard-»BZ«, dort wuchsen die Fundamente des Rademannschen Welt- und Menschenbildes.

Was mir an Rademann gefiel, das war sein steter Drang nach oben. Der Junge war sich für nichts zu schade und kannte keinen Feierabend, keinen Sonntag. In kürzester Zeit wurde er der schärfste Konkurrent für Gerd Heidemann. Im Zwei-Wochen-Rhythmus schleppten sie haarsträubendes Material über die »Sternchen« an.

Nach und nach lernte Wolfgang Rademann so alle Größen der Filmbranche kennen, und Leute wie Peter Alexander und Ulli Palmer und Anneliese Rothenberger stellten schnell fest, daß er nicht nur der beste PR-Mann für sie war, sondern auch noch Ideen für Spezialitäten-Shows sprühte; der Rest ist TV-Historie.
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Dieter Bochow mußte am Ende für mich einspringen

Nach der schauerlich langen »Sternchen«-Serie hatte ich mich ein bißchen nach Kampen beurlaubt, und der »Stern« druckte eine Serie über Fernsehansagerinnen.

Das schien aber gleich schiefzugehen, denn Nannen holte mich zurück. Ich schrieb unter dem Namen des Originalautors weiter, und schon entwickelte »Sir Henri«, im Stil schlechter Filmverleiher, den Plan einer Fortsetzungsserie über Schlagersängerinnen, »Deutschland, deine Stimmchen«, der dann, wie selbstverständlich, »Deutschland, deine Mode« und »Deutschland, deine Sonstnochwas« folgen könnten.

Doch ich hatte keine Lust mehr und legte ihn herein, indem ich meinen Freund Dieter Bochow einfliegen ließ. Dieter war, auf meinen Fersen, bereits nach München gezogen und schrieb für die »Revue«, was ich mir vor dem »Stern« eingehandelt hatte, und nun setzte ich ihn ins »Bellevue« und ließ ihn »Deutschland, deine Stimmchen« intonieren. Mit seinem Papageientalent konnte er Hemingway wie Thomas Mann nachahmen, warum nicht auch Petronius?
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»Dabei wollten wir nie Kinder!«

Eine Geschichte aus dieser Zeit und dieser Serie verdient der Erinnerung, und das ist die der beiden berühmtesten jungen Schlagerstars der fünfziger Jahre, der damals 16jährigen Cornelia Froboess (»Pack die Badehose ein«) und des 20jährigen Peter Kraus (»Sugar Baby«).

Vater Gerhard Froboess, ein Tonmeister der TOBIS und Komponist, gestand mir in weinseliger Laune, daß er seine Frau Margarethe im Krisenjahr 1943 vor dem Arbeitseinsatz in der Rüstungsindustrie gerettet hat, weil er das Kleingedruckte in der Goebbels-Anordnung las: »Mit Ausnahme von schwangeren Frauen...«

Gerhard küßte mit feuchten Augen die Gema-Abrechnungen seiner einzigen Tochter, die ihn als Komponisten zum Millionär gemacht hatte, und gestand: »Dabei wollten wir nie Kinder!« Die »kleine Cornelia«, aus der ein ernstzunehmender Star der Münchner Kammerspiele geworden ist, machte ihn dafür zum dreifachen Großvater.

Auch Fred Kraus, der in den fünfziger Jahren das erste Espresso am Münchner Maximiliansplatz eröffnete, gestand mir etwas: »Im Sommer 1938, nach dem Anschluß ans >Großdeutsche Reich<, sollte ich Soldat der deutschen Wehrmacht werden (Fred Kraus war Österreicher, seit 1938 »Ostmärker«). Da habe ich das Kleingedruckte gelesen: >Mit Ausnahme werdender Väter<, und meine Gattin ins Schlafzimmer gebeten.«

Das Ergebnis, Sohn Peter, brilliert heute noch, als über 50jähriger, auf der Rock-'n'-Roll-Bühne.
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Mit Dieter Bochow hatte ich Henri Nannen überlistet

Ich nahm Dieter Bochow natürlich auch mit nach Berlin, als ich meinen ersten eigenen Film an der Havel drehte, und Nannen schickte einen Fotografen und sagte fassungslos vor der Redaktion: »Da hat der Tremper, als er in Hamburg saß, immer zu spät geliefert - und jetzt, wo er bis zu seinem dicken Bauch im Wasser steht, kriege ich seine Folgen schon drei Tage vor dem Termin!«

Es war mir ein Genuß, ihm bald darauf zu eröffnen, daß der gewisse Bochow, den ich ihm so lange schon wie Sauerbier angeboten hatte, nicht nur die »Stimmchen«, sondern auch die folgende »Mode«-Serie geschrieben hatte, ohne daß es einer merkte.

Dann habe ich auch noch geheiratet ....... kommt weiter unten

Und dann habe ich ja auch noch geheiratet, nicht in Hamburg, sondern in Berlin natürlich. Aber in Hamburg fand ich die Frau, und zwar durch Wolfgang Menge, der dann auch Trauzeuge spielte.

Ich saß in der Wohnung, die mir der »Stern« in Pöseldorf vermittelt hatte, hackte auf der Schreibmaschine herum und gab das Geld mit vollen Händen für die Möblierung aus. Ada Bierich mit ihrem Einrichtungshaus in der Milchstraße nebenan bewunderte meinen Sinn für das absolut Teuerste, das mir schon immer als das Vernünftigste erschienen war.

Ihr Miller Chair in rotem Leder, der die damals sagenhafte Summe von 1500 DM kostete, ist heute für 5000 nicht mehr zu haben, und auch mein 3000-Mark-Schreibtisch erfüllt in München heute noch auf das angenehmste seinen Zweck - als Hilde Knef sich zehn Jahre später den gleichen kaufte, kostete er schon 12.000 Mark.
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Anfang 1959 hatte ich eine 90.000-Mark-Steuer Nachzahlung an der Backe

Um die Jahreswende 1958/59 hatte mich die Steuer mit einer 90.000-Mark-Nachzahlung am Wickel. Ich platzte in eine Redaktionskonferenz Nannens und rief: »Adieu! Es war' so schön gewesen! Aber heute abend noch nehme ich den Nachtzug nach Genf und komme nie mehr in dieses beschissene Land zurück!«

Nannen beruhigte mich, von wegen: »Da wird sich doch eine Lösung finden lassen!« Und die sah dann so aus, daß der Verlag das Geld vorstreckte, um eine Pfändung meiner schönen neuen Wohnung abzuwenden, aber mich dadurch um so fester an sich band.

Die wochenlangen Verhandlungen über eine Rückzahlung in Raten durch den bleichen, magenkranken Buchhalter wuchsen sich zu einer endlosen Farce aus, die der Chefredakteur eines Tages mit den Worten beendete: »Vergessen wir das Scheißgeld!«
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Der Überraschungsbesuch von Nannen und Gerd Bucerius

Dem war freilich ein Überraschungsbesuch Nannens und unseres Verlegers Gerd Bucerius abends in meiner Wohnung vorausgegangen. Ich wußte, daß meine spektakuläre offene Corvette dem Nannen ein Dorn im Auge war - er selbst fuhr einen Silberpfeil, den 300er Mercedes-Sport mit den Flügeltüren.

(»Weißt du noch«, sagte neulich erst Vera Tschechowa zu mir, »wie er uns eines Abends auf dem Hof des alten Pressehauses vormachen wollte, daß er sich mit seinem Silberpfeil auf der Stelle drehen könnte? Es lag leichter Schnee auf dem Kopfsteinpflaster, und Henri knallte mit dem Kotflügel gegen die Hauswand! War der sauer auf dich!«).
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Nannen & Bucerius war mein Luxus ein Dorn im Auge

Dem Faß die Krone aus schlug dann aber ein Telefonapparat von TNT, den ich Ada Bierich abgeschwatzt hatte, weil er ganz in cremefarbenes Leder gebunden war: Nannen & Bucerius konnten sich nicht genug entrüsten über soviel Luxus.

»Dafür also braucht er solche Vorschüsse!« erregte sich Buci. Dann mußte er auch noch mal für kleine Jungs und schrie plötzlich aus dem Badezimmer: »Nannen! Nannen!« Wir dachten, er sei in etwas hineingefallen, so entsetzt klang seine Stimme, rannten ihm nach, und da stand der Verleger von »Zeit« und »Stern« und deutete mit offenem Mund auf meine Klo-Brille: Sie war rosa und ebenfalls aus feinstem Leder. Ich muß den Herren trotzdem etwas bedeutet haben damals, denn sie schnitten mich anstandslos vom Steuerstrick.
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Ja, das waren lustige Zeiten in Hamburg .....

..... mit hinreißenden Mädchen, schnellen Autos und äußerst romantischen Nächten in der »Insel« am Harvestehuder Weg.

Eines Abends rief Wolfgang Menge an, der nach Holmseppensen in die Heide verzogen und frisch mit Marlies verheiratet war. »Ich erwarte den Besuch von zwei Freundinnen. Du mußt mir beistehen - Marlies ist bei ihren Eltern in Oldenburg!«

Ich fahre also hinaus, parke meine Corvette aus irgendeinem Instinkt heraus unter der Laterne am Bahnhof und benutze die Abkürzung durch den finsteren Kiefernwald zu Wolfgangs Haus, das merkwürdigerweise im Dunkeln liegt.
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Die beiden schicken langbeinigen Blondinen in Kaschmir-Twinsets

»Wir haben einen Kurzschluß« sagt Wolfgang und zwinkert mir zu, »aber das Kaminfeuer reicht ja!« In der intimen Beleuchtung erkenne ich zwei äußerst schicke, langbeinige Blondinen in Kaschmir-Twinsets und echten Perlenketten, wie die Damen von Welt damals angezogen waren.

Ich geselle mich zu der, die Karin Isenburg heißt und in New York für das TIME-Magazin arbeitet. Wolfgang ist mit der anderen Blondine in der Küche beim Kochen - eine leidige Angewohnheit von ihm: So, wie andere ihre Briefmarkenalben zeigen, führt er seine Kochkünste vor.
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Ganz plötzlich - Marlies Menges VW war weithin zu hören

Auf einmal, ich habe Karin gerade eingeladen, ihren wohlriechenden Kopf an meine Schulter zu lehnen, ertönt das häßliche Blubbern des abgebrochenen Auspuffs von Marlies Menges altem VW, und Wolfgang kommt aus der Küche geschossen: »Meine Frau ist zurück! - Verschwindet, sonst denkt sie sich sonst noch was!«.

Ich ergreife Karins Hand und zerre sie über die Terrasse in den finsteren Wald, verliere sie schon an der ersten Kiefer, gegen die wir knallen, renne weiter und rufe unterdrückt: »Wo bist du?« - »Hier!« - »Wo?« Also, ich habe das schöne Mädchen nicht wiedergefunden, obwohl ich noch 'ne Stunde am Bahnhof wartete, und bin dann wütend nach Hause gefahren. Wenn der Menge schon was arrangiert!
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Mit dem nächsten Zufall geht es weiter - die falsche Karin

Am nächsten Mittag hacke ich auf der nächsten »Stern«-Folge herum, und Wolfgang ruft schon wieder an: »Bin bei Karin, zwei Häuser neben dir, und wir kochen gerde etwas Himmlisches! Komm doch rüber!« Verflucht, das schaffe ich nicht, Niklas von Fritzen schickt schon dauernd Boten, einzelne Seiten abholen.

»Aber warum bringt ihr nicht nach dem Essen einen Nachtisch vorbei?« schlage ich vor, und dann reitet mich der Teufel, und ich rufe noch: »Frag doch diese Karin mal, ob sie mich heiraten will!«

Ein Scherzchen sollte das sein, nichts weiter, obwohl ich mir eine Theorie übers Heiraten zurechtgezimmert hatte: Zweimal aus schierer Leidenschaft zum Standesamt gegangen, und zweimal war sie verpufft wie das bekannte Strohfeuer - das nächste Mal, so ging es mir im Kopf herum, heiratest du nach Vorvätersitte, nämlich ganz cool und überlegt, nach der einzigen Prämisse: »Willst du von dieser Frau Kinder haben?«

Die sogenannte Liebe, pflegte mein Vater zu sagen, stellt sich dann schon ganz von allein ein.
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Der Scherz wurde beantwortet - »Jaa-a!«

Ich höre Wolfgang die Frage laut wiederholen, und aus dem Hintergrund antwortet, wie aus der Pistole geschossen, eine lachende weibliche Stimme: »Jaa-a!« Zwei Stunden später klingelt's, ich bin gerade mit der Arbeit fertig geworden, öffne die Tür - und da steht Wolfgang mit einer ganz anderen Blonden.

»Das ist Karin Erler«, sagt er, »sie hat dir einen tollen Pudding gekocht!« Ich, völlig verdattert: »Ich dachte, du wärest bei Karin ... Karin ...«

Wolfgang hilft: »Karin Isenburg? Mit der bist du doch gestern abend so schnell verschwunden!« Was soll ich sagen, diese Karin gefiel mir noch besser als die andere Karin.

Ich identifizierte sie als die Blonde, die ich bisher nur aus der Ferne bewundert hatte, wenn sie in Blue Jeans - was im Frühjahr 1959 noch gar nicht en vogue war in Deutschland - zwei Häuser weiter ihren Abfall in die Müllkästen kippte.
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Heiraten Sie lieber mich, ich hab's bisher erst zweimal getan!

Es stellte sich heraus, daß sie weder Journalistin noch Schauspielerin war, wie meine beiden ersten Ehefrauen, sondern eine ehemalige Ground-Hosteß von der Swiss Air am Frankfurter Flughafen, der ein Hamburger Gönner gerade eine Wohnung in meiner Straße einrichtete.
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Lieber ich als Axel Springer

»Wer is'n der Knülch?« habe ich Karin, ihren Pudding löffelnd, gefragt. Zuerst zierte sie sich ein bißchen, dann rückte sie mit dem Namen heraus, und ich konnte nur lachen: »Axel Springer? Der hat doch gerade seinem Portlandzement-Nachbar Horst Herbert Alsen zum zweiten Mal die Frau ausgespannt, die Mausi, und das ist schon seine vierte! Der wird sich so schnell nicht scheiden lassen! Heiraten Sie lieber mich, ich hab's bisher erst zweimal getan!«
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Karin hat vor meinen Augen Axel Springer angerufen

Wolfgang bekam den Auftrag, für denselben Abend noch eine Verlobungsfeier zu arrangieren, und als er weg war, haben wir mein neues Riesenbett ausprobiert, und Karin hat vor meinen Augen Axel Springer angerufen und ihm mitgeteilt, daß der Wohnungsschlüssel im Briefkasten liege, sie sei soeben bei Tremper eingezogen und abends finde eine Verlobungsparty statt.

Damals habe ich Axel Springer zum erstenmal bewundert, denn er zögerte nur eine Sekunde, bevor er gratulierte und versprach, abends vorbeizukommea Und »vorbei«-kommen tat er - auf der anderen Straßenseite, Arm in Arm mit Alsens Mausi.

Hinter ihrem Rücken winkte er uns zu, die wir aus den Fenstern hingen und »'n Abend, Herr Springer!« in die stille Magdalenenstraße hinabgrölten.

Bei Einbruch der Dunkelheit hatten sich etwa fünfzig Freunde Karins und zwanzig von mir zur »Verlobung« eingefunden, es gab Blumen und Geschenke, und ich ließ den Champagner fließen. Immerhin war es meine erste »Verlobung« - nach zwei Ehen, die ohne diese Förmlichkeit auskommen mußten.
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Springer erwies sich auch weiterhin als »good sportsman

Springer erwies sich auch weiterhin als »good sportsman«, besuchte uns regelmäßig, als wir im Jahr darauf nach Berlin zurückzogen - Karin war geborene Berlinerin -, und vermutete in mir wohl, neben dem Journalisten, einen Vertrauten des amerikanischen Geheimdienstes.

Seine erste Frage lautete stets: »Wie ist die Lage? Bleiben die Amerikaner? Was hören Sie? Was wird so geredet?« Und ich versicherte, auf nichts als mein Gefühl hin, dem großen Verleger jedesmal, daß er unbesorgt in Berlin investieren könnte, ich wüßte aus »todsicherer Quelle«, daß die Amis lieber einen dritten Weltkrieg riskieren als vor Chruschtschows Ultimatum zurückweichen würden.
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Erst 1961 eine erste Serie für die »Bild«-Zeitung

Ich hatte mit Springers Verlagshaus damals noch nichts zu tun, schrieb erst 1961, auf Einladung Peter Boenischs, eine erste Serie für die »Bild«-Zeitung über den deutschen Film.

Aber ich identifizierte mich leicht mit Springers Politik:

Berlin und die Einheit Deutschlands lagen auch mir am Herzen. Springer war noch nicht der Buhmann der deutschen Linken, auf Hamburger Empfängen sah ich ihn öfter mit Augstein auf einem Sofa sitzen und sich gegenseitig vor Lachen auf die Schenkel schlagen.

Ja, und als ich in den 1970er Jahren mit Wolf Schneider ein Dummy der »Berliner Illustrirten« machte, schickte mir Springer kommentarlos einen Brief Augsteins, in dem sich der »Spiegel«-Herausgeber fälschlich darüber beschwerte, ich recherchierte in seinem Privatleben herum, und der mit den Worten begann: »Lieber Axel...«
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Die Karl Mays vom ältesten Sohn Axel Springers

Über Axel Springer ließe sich viel Widersprüchliches schreiben, über seine verlegerische Leistung nicht. Eines Tages stand Axel Junior vor meiner Hamburger Tür, einen Kartoffelsack über der Schulter, in dem sich alle seine 65 Karl-May-Bände befanden. Die wollte er mir für hundert Mark verkaufen. Der unglückliche älteste Sohn Axel Springers hungerte damals auf einem englischen Internat, Abbotsholme in Rochester, Staffordshire, und bekam nur zehn Deutsche Mark Taschengeld, so behauptete er.

Alle seine Mitschüler hatten mehr. Karin griff wütend zum Telefon, um den Milliardär - na, damals war er vielleicht noch nicht tausendfacher Millionär - zu beschimpfen. Ich habe es ihr ausgeredet: »Was wissen wir, was im Kopf eines Milliardärs vorgeht?« Die Karl Mays habe ich heute noch.
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Die Story meiner 3. Hochzeit

Geheiratet haben wir in Berlin, auf dem bekannten Standesamt in Schmargendorf, auf dem mich der Beamte wie einen lieben alten Bekannten begrüßte, und gefeiert im Hotel am Steinplatz meines Freundes Heinz Zellermayer.

Woran niemand gedacht hatte: Mit dem 1.-Juli-Termin gerieten wir mitten in die damals noch Ende Juni beginnenden Filmfestspiele, und statt der hundert Gäste stürzten sich etwa vierhundert auf das Büfett. Am Ende mußte ich mir von Trauzeuge Wolfgang Menge etwas leihen, um die Rechnung bezahlen zu können.
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Louis Trenker schmarotzte auch auf meiner Hochzeitsfeier

Louis Trenker, aber auch jede Menge anderer Damen und Herren vom Film, die ich höchstens vom Sehen kannte, besetzten die besten Tische und küßten die Braut. Trenker okkupierte sogar den Platz neben mir, umarmte mich, sagte »Du« zu mir und verlangte nach dem besten Champagner. Ich war schwer beeindruckt, bis ich ihn wieder und immer wieder auf Festivitäten antraf, zu denen er nicht eingeladen war, ein Tiroler Schnorrerkönig, der sein eigenes Geld zu Hause ließ, wenn er zu einem Besuch des »Altreichs« aufbrach, und darauf war er auch noch stolz.
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Es gab noch einen »Schnorrerkönig« Namens Poldi Waraschitz

Auch der offizielle »Schnorrerkönig« Poldi Waraschitz war aus Wien eingetroffen und arbeitete an seiner Popularität, indem er von einer Festival-Party zur anderen eilte und Bekannte wie Unbekannte wissen ließ: »Der Tremper heiratet!«

Ein Zwischenspiel mit dem finnischen Filmsternchen Ann Savo

So wurde es eine Hochzeit, die sich von den vorangegangenen schon im Vorfeld unterschied, da die Braut mit ein paar Freunden nach Capri verschwunden war, um sich standesgemäß vom Junggesellinnendasein zu verabschieden, während mir, mit einem Bein schon in Berlin, das finnische Filmsternchen Ann Savo noch über den Weg lief und sich in meiner Hamburger Wohnung einquartierte.

In der Hochzeitsnacht hatte ich Mühe, meiner neuen Frau die Kratzer auf meinem Rücken zu erklären, erzählte Karin etwas von den Dornen im Gebüsch des Toplitzsees in Österreich, denn dort war ich vor der Hochzeit auch noch gewesen, um die Serie »Geld wie Heu« zu schreiben.
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Die Story mit den von den Deutschen gefälschten Pfundnoten

Eine der phantastischen Geschichten, wie sie beim »Stern« nur unter Henri Nannen möglich waren, hatte sich, ohne mein Zutun, in der Redaktion abgespielt:

Wolfgang Löhde, der Chef der Dokumentation, war zwei Jahre lang um die Welt gereist und hatte endlich den Fall der gefälschten Pfundnoten geknackt, der eines der größten Geheimnisse des Zweiten Weltkrieges darstellte.

Himmler hatte auf erbeutetem Originalpapier der Bank von England durch Spezialisten der Geldfälscherzunft, die massenweise in seinen Konzentrationslagern saßen, »echte« britische Fünfpfund-Noten drucken lassen, mit denen die deutsche Führung das ganze Währungssystem Großbritanniens und seiner Kolonien paralysieren wollte.

Durch das Kriegsende kam es nicht mehr dazu, und die SS hatte Hunderte von Kisten mit vielen, vielen Millionen Fünfpfund-Noten - jede einzelne auch 1959 noch fünfzig Mark wert - in den entlegenen, schwer zugänglichen und ungemein tiefen Toplitzsee im Salzkammergut versenkt.
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Nannen drehte vollkommen durch und schiß die Redaktion zusammen

Wolfgang Löhde hatte auf seine akribische Art sämtliche noch lebenden Akteure der SS auf der ganzen Welt aufgetrieben und zu Aktenbergen verarbeitet, vor denen der Kollege, Michael Horbach, der die Geschichte schreiben sollte, ebenso kapitulierte wie ich im Fall der Inge Marchlowitz.

Und da er keinen Gerd Heidemann zur Hand hatte, machte Horbach einen Roman aus der hart recherchierten Tatsachensammlung - Nannen muß einen seiner größten Wutanfälle bekommen haben, als er das - bereits gedruckte - Ergebnis sah.

Ich erinnere mich, auf einem der abgedruckten Fotos der »Helden« dieser Geldfälscheraffäre meinen Ressortleiter Niklas von Fritzen in der schmucken Uniform eines deutschen Luftwaffenoffiziers wiedererkannt zu haben.

Jedenfalls, Nannen drehte vollkommen durch und schiß die Redaktion zusammen: »Wozu ist Löhde für Hunderttausende von Mark mehrmals um die ganze Welt gereist? Seid ihr noch zu retten?? Einen Roman hätte der Autor auch ohne Löhde schreiben können!« Das war also schon damals beim »Stern« möglich.
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Ich wurde wieder beauftragt, zu retten was zu retten war

Ich wurde in Marsch gesetzt und hatte die undankbare Aufgabe, aus den erfundenen Figuren des Romans von einer zur anderen Woche wieder reale Menschen zu machen, und das auch noch unter dem Namen eines anderen Autors.

Aber ich war ehrgeizig, vielleicht nicht mehr ganz so hungrig wie am Anfang meiner »Stern«-Zeit, doch eifrig genug noch, um neben »Deutschland, deine Sternchen« und dem Roman »Komm mit nach Berlin« eine dritte Serie jede Woche zu liefern, beginnend ab 1. August 1959.

Beinahe vergessen, mein "Berlin-Roman"

Von dem Berlin-Roman habe ich überhaupt noch nichts erzählt, glaube ich; auch diese Arbeit begann im Mai 1959 als kleiner Lückenfüller: »Der Autor wird nicht rechtzeitig fertig«, sagte Reinhart Stalmann, »Könnten Sie mir schnell einen Kurzroman zur Überbrückung schreiben?«

Flucht nach Berlin - die Story

Da die Zeitungen gerade voll vom großen Bauernlegen in der »Zone« waren, wie wir die "DDR" noch immer nannten, schrieb ich »Flucht nach Berlin«, die Geschichte eines jungen FDJ-Funktionärs namens Claus Baade, der an der Spitze einer Horde von SED-Agitatoren in ein Dorf einbricht, um den Bauern beizubringen, daß sie ihren kargen Besitz, der ihnen bei der Enteignung der Großgrundbesitzer 1945 von den Russen zugeteilt worden war, wieder abgeben müßten, in die LPG oder Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, die »Kolchose«.

Darüber gerät Baade in eine handfeste Auseinandersetzung mit dem führenden Bauern, der nach West-Berlin flüchtet, doch auch Baade hat dem Unternehmen geschadet und muß sich vor der Partei verantworten - auch er flieht, aber zum großen Vorsitzenden Ulbricht nach Ost-Berlin.

An der Havel treffen der Bauer und der jugendliche Funktionär zum großen Showdown zusammen...
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neu : "Komm mit nach Berlin - Der Roman einer Flucht"

Henri Nannen gefiel das, er veränderte nur den Titel ein wenig, nannte den Roman nach dem vor dem Krieg populären Schlager »Komm mit nach Madeira« : »Komm mit nach Berlin - Der Roman einer Flucht«, und ich legte los.

Als ich die fünfte Folge abgeliefert hatte, waren meine Romanhelden entweder tot, im Gefängnis oder glücklich in West-Berlin angelangt, und ich konnte »Ende« drunterschreiben.

Doch am späten Abend ruft Nannen an und sagt: »Hören Sie, Tremper, der Vertrieb meldet, daß der Roman ganz groß angekommen ist ... «

Verwöhnt sage ich: »Was haben Sie denn erwartet?« Nannen lacht und sagt: »Was machen Sie gerade?« Ich sage: »Das kann ich Ihnen kaum beschreiben, ich bin... äh... nicht allein...!«

Er sagt: »Oh, Verzeihung, ich wollte Ihnen auch nur sagen, daß ich Fortsetzung folgt< daruntergeschrieben habe. Sie müssen den Roman weiterschreiben!« Und legt auf.

Wie stellte er sich das vor, nachdem alle tot oder im Gefängnis waren? Ich rief Stalmann an, der wie ich reagierte: »Quatsch! Der neue Roman liegt fertig zum Andruck! Machen Sie sich keine Sorgen - ich rede mit Nannen!«
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Doch bereits gedruckt - mit "Fortsetzung folgt"

Doch bevor er Nannen erreichen konnte, druckte die fünfte Folge bereits mit »Fortsetzung folgt«. Mir blieb nichts anderes übrig, als eine sechste und siebente und achte und neunte Fortsetzung zu schreiben - bei der Nr. 13 erst, im Oktober 1959, hatte Henri Nannen genug.

Mit der Romanfigur Uschi Hintz voll ins Fettnäpfchen getreten, es war aber eher eine richtige Tret-Mine

Da war er auch ernsthaft wütend auf mich geworden, und das hatte mit Uschi zu tun, der kleinen Telefonistin im alten Pressehaus. Das war eine knackige Süße, mit der ich mich ein wenig angefreundet hatte, und als ich so in dem Dilemma zappelte, wie der Roman weitergehen könnte, fiel mir nichts Besseres ein, als aus Uschi Hintz ein Vopo-Flittchen zu machen, das an der Berliner Havelgrenze Gänse hütet und mit ihrem hübschen Busen die ostzonalen Grenzwächter verwirrt.

Dem Chefredakteur erging es wie bei »Geld wie Heu« - als ich diese Fortsetzung lieferte, war er wieder einmal nicht da und las das Ergebnis erst gedruckt. Er bekam einen unnatürlich großen Wutanfall und beschimpfte mich, als ob ich dem »Stern« einen ungeheuerlichen Skandal beschert hätte:

»Wie können Sie einen lebenden Menschen als Romanfigur verwenden!? Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen, Mensch? Bin ich denn von lauter Idioten umgeben?« Ich mußte mir die schlimmsten Verbalinjurien anhören und lachte nur, begriff überhaupt nicht, was Nannen wollte.

»Hören Sie«, warf ich schließlich ein, »das ist doch alles kein Beinbruch! Die Uschi ist 'ne Freundin von mir! Die macht sich doch überhaupt nichts daraus, daß sie in meinem Roman vorkommt...« Henri Nannen tobte nur noch, schmiß schließlich den Hörer hin.
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Und dann kam raus, sie war seine Wochend-Geliebte

Gleich darauf rief Niklas von Fritzen an: »Leben Sie noch? Seien Sie froh, daß Sie nicht in die Redaktionskonferenz gekommen sind! Der Alte hätte Sie glatt erwürgt!«

Ich begriff Nannen immer noch nicht, bis man mich aufklärte:

»Die Uschi versüßt dem Nannen doch die Wochenenden!« Da mußte er sich natürlich als Tugendbold aufführen, als Ritter in schimmernder Rüstung. Uschi Hintz lachte sehr, als ich ihr Nannens Reaktion erzählte. »Was schreibst du denn in der nächsten Fortsetzung?« wollte sie nur wissen.
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Und dann die Kernfrage : »Kriege ich meine große Liebe?«

Den Teufel würde ich tun. Uschi Hintz verschwand sofort wieder aus meinem Roman, wie auch aus der Telefonzentrale des »Stern«, um in neuer Schönheit im Impressum des Blattes aufzutauchen, als Vorzimmerdame Henri Nannens. Noch heute steht das tüchtige Persönchen im Impressum und ist verantwortlich für »Koordination und Planung« der Super-Illustrierten.

Die ganze Geschichte ist doch überhaupt nur der Rede wert, weil ich aus »Komm mit nach Berlin - Der Roman einer Flucht« den Film »Flucht nach Berlin« gemacht habe, noch bevor der Roman im »Stern« zu Ende gedruckt war.

Aber nun kommt der Verleger und ringt die Hände: »Wir wollen doch unter einem Ladenpreis von 50 Mark bleiben! Hör auf, hör auf und heb dir die Geschichte, wie Henri Nannen dich zum Sterben von Gary Cooper nach Hollywood geschickt hat, für eine Fortsetzung auf! Dann kannst du auch von allen deinen Filmen erzählen, die du in den sechziger Jahren gedreht hast - ich habe schon den Titel:

GROSSE KLAPPE!

Wie findest du das?« Nächstes Jahr also, in diesem Theater.
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