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Will Tremper war 16 Jahre alt, als der 2. Weltkrieg zuende ging.

In seiner Biografie von 1993 beschreibt Will Tremper, wie er als überzeugter Hitlerjunge die Zeit ab 1939 erlebt hatte und was davon bei ihm unauslösch- lich im Kopf hängen geblieben war. Und er erzählt von seinen Erlebnissen in Berlin unter den Bomben. Lesenswert ist dazu auch "Als Berlin brannte" (Hans-Georg von Studnitz). Der Zusammenhang schließt sich über die Curt Riess'sche Biografie "BERLIN 1945-1953" und dessen beide dicken Film-Bücher, in der der Name Tremper aber nicht genannt wird. Will Tremper hingegen schreibt daher sehr genüsslich über "die anderen Seiten" bekannter Personen aus Politik und Film - natürlich auch über Curt Riess. Die einführende Seite steht hier.

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Bills Hot Five

Die Kapitulationsverhandlungen in Reims und in Berlin-Karlshorst waren noch in vollem Gange, als ich am Montag, dem 7. Mai 1945, endlich wieder in Braubach am Rhein eintraf.

Die letzten sieben Kilometer von Dachsenhausen ins Rheintal hinab waren die schlimmsten. Die im Krieg stets gegenwärtige Befürchtung, daß der Familie etwas passiert sein könnte, hatte ich auf dem langen Weg von Berlin »auf später« verschoben, nach dem Motto jenes jüdischen Handelsreisenden, der in einem kleinen Landgasthof in Polen schon im Bett liegt, als das Telegramm eintrifft, daß seine Frau gestorben ist.

»Gott, werde ich mich morgen aufregen!« sagt er und dreht sich auf die Seite. Olle Krüger hatte den Witz dauernd erzählt, und während der Luftangriffe lebten wir »nach dem Polnischen«, wie wir sagten:

Gott, werde ich mich aufregen, wenn ich um die Ecke biege und das Haus, in dem ich wohne, steht nicht mehr. Aber doch nicht vorher!
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Die Ahnungen meiner Muter ....

Jetzt war es soweit, und ich konnte nicht anders, ich fing an zu rennen, als die Marksburg über Braubach, offenbar unbeschädigt, hinter einer Straßenbiegung auftauchte.

Seitdem glaube ich an Telepathie, denn als ich an der Blei- und Silberhütte angelangt war, sah ich meine Mutter mir entgegenkommen, die Schürze noch um. Sie war beim Mittagessenkochen gewesen und war, ohne greifbaren Grund, von innerer Unruhe getrieben, auf die Straße hinausgegangen und wie in Trance die Dachsenhäuser Straße hinaufgewandert, immer weiter, immer weiter, fast einen Kilometer, die Schürze noch um.

Und da sieht sie ihren Ältesten gerannt kommen! Solche Wiedersehen müssen sich in diesen Maitagen überall in Deutschland abgespielt haben, es gab nicht nur Spannungen, auch Erlösungen.
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Von meinem Vater hatten sie noch nichts gehört, es hieß, er sei bei Frankfurt in amerikanische Gefangenschaft geraten, aber wir vier Kinder waren wenigstens wieder beisammen, und das Haus stand unversehrt.

Während ins Haus unserer Nachbarn, der Gebrüder Vogt, tatsächlich in den letzten Kriegstagen noch eine verirrte Bombe gefallen war.

Von der Bösartigkeit der Franzosen - der "Sieger"

Mir kommt's heute ein bißchen lächerlich vor, von der Bösartigkeit der Franzosen zu erzählen, die mich natürlich gleich am Kragen nahmen, als ich nach Braubach zurückkehrte. Irgendwer auf dem Bürgermeisteramt muß der Ortskommandantur der französischen Besatzungstruppen gesteckt haben, daß »Trempersch Willi« ein hohes Tier bei der Reichsjugendführung in Berlin gewesen sei, denn schon am zweiten Tag, ich lag noch selig in den Federn, holten sie mich mit vorgehaltenen Schießgewehren.

Ich lachte mich kaputt darüber, nahm die Franzosen ohnehin nicht so ernst wie die Amerikaner und bekam gleich Prügel. Die machten mir jedoch überhaupt nichts. Ich fühlte mich nach Rußland, nach dem zerbombten Berlin und meinem Werwolf-Abenteuer so stark, daß ich grinsend meine blutige Nase am Handrücken abwischte und den elsässischen Dolmetscher fragte: »Was hättet ihr bloß ohne die Amis gemacht?«

Patsch! hatte ich schon wieder eine im Genick Ich muß sie bis aufs Blut gereizt haben, diese »Sieger«. Einer wollte mir von deutschen Greueltaten in Paris erzählen, vom brutalen Vorgehen der deutschen Wehrmacht gegen die Zivilbevölkerung - ich grinste nur und sagte: »Ihr hättet uns nicht den Krieg erklären sollen!« Da schlugen sie wieder zu mit ihren kleinen weißen Knüppeln.
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Die Groteske im Rhein-Ufer-Hotel

Aber sie mußten mich dann auch wieder laufen lassen. Ein hinzukommender Offizier schnauzte sie an. Und dann passierte die Groteske, daß ich im Rhein-Ufer-Hotel, dem damals vornehmsten unseres Städtchens, vor denselben Typen, die mich verhaftet und verhauen hatten, abends Klavier spielen mußte!

Ein Nachbarmädchen meines Alters, Paula hieß es, brachte einen netten Jungen mit, Wolfgang hieß er und Kürschner war er, aus Köln. Der konnte wunderbar auf der Gitarre spielen - leider nur F-Dur - und kam abends mit Paula, und ich setzte mich an das Klavier in der Wirtsstube und spielte nach Gehör, was der erste AFN-Sender »American Forces Network Luxembourg« an amerikanischen Schlagern verbreitete: »Open the Door, Richard!« oder »Don't Fence Me In!« und wie die Dinger alle hießen.
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Und plötzlich hatten wir eine Band - »Bill's Hot Five«

Aber am liebsten spielte ich die letzten Peter-Kreuder-Melodien und Werner Eisbrenner und Peter Igelhoff und Franz Grothe und Willi Kollo mit all den hübschen Berliner Liedern.

Nach und nach gesellte sich eine Baßgeige dazu, ein Schlagzeuger und - war das Kristoffersens Hermann? Ich habe die Namen vergessen - eine Klarinette oder Trompete. Meine glückliche Mutter holte Bier aus geheimen Vorräten, bestrich Brote, und wir jazzten los - was wir so »Jazz« nannten.

Jedenfalls sprach sich die Musike herum, und schon wieder tauchten die Franzosen auf und luden uns, sehr höflich, ein, in ihrem Rhein-Ufer-Hotel-Club zu spielen: »Bill's Hot Five« nannten wir uns.
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Die Pointe der Geschichte

Die Pointe der Geschichte aber ist eine andere: Ich hatte mich mit einem munteren Mädchen aus Düsseldorf-Oberkassel angefreundet, der lieben Thea Wingerath, die mir heute noch ab und zu eine Karte schreibt.

Thea war, wie auch der Kürschner Wolfgang, Bombenflüchtling, und als die Wochen so ins Land gingen, juckte es das Düsseldorfer Kind, per Anhalter mal zurückzufahren und ein paar Klamotten aus den Trümmern ihres Hauses zu retten.

Was, wiederum wegen der strengen Franzosen, gar nicht so einfach war, denn am Bahnhof Rolandseck, da, wo später die Russen ihre Bonner Botschaft bauten, war die Demarkationslinie zwischen der britischen und der französischen Besatzungszone, und die Franzosen benahmen sich wie die Schweine, öffneten die Koffer aller Reisenden und beschlagnahmten den Inhalt, wenn er ihnen nicht gefiel.

Sie handelten irrational rachsüchtig, wie bei der Ruhrbesetzung im Ersten Weltkrieg. Meiner Freundin gelang es, diese Demarkationslinie unbeschadet zu passieren, aus Düsseldorf einen dicken alten Koffer voll Kleider bis nach Oberspay zu schleppen, etwas oberhalb von Braubach, auf der anderen Rheinseite.
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Nachts im Paddelboot auf dem Rhein

Ich hatte mir ein Paddelboot geliehen und erwartete sie, wie verabredet, um 23.00 Uhr im Ufergebüsch. Leider war es ein Einerboot von Klepper, und bis meine Freundin sich zwischen meine über Bord hängenden Beine gezwängt und den dicken Koffer vor sich plaziert hatte, rutschten unsere Chancen, heil zurückzukommen, unter Null.

Aber irgendwie schaffte ich es, gegen die Strömung kämpfend, mit dem Boot genau an der Braubacher Anlegestelle der Köln-Düsseldorfer- Dampfschiffahrt anzukommen - da brach der Mond hinter den Wolken hervor und beleuchtete die ganze französische Besatzung von Braubach, ungefähr zwanzig Mann, die uns grimmig am Ufer erwarteten.

Wir hatten gegen zwei Befehle der Besatzungsmacht verstoßen: verbotenerweise den Rhein überquert und uns, nach Einbruch der Dunkelheit, außerhalb unserer Wohnhäuser aufgehalten; wir landeten im Spritzenhaus der Feuerwehr.

Aber nun hatten die Franzosen ein Problem, denn ich spielte mit meiner Band ja jeden Abend von 20 bis 22 Uhr im Rhein-Ufer-Hotel. Schadenfroh saß ich abends am vergitterten Fensterchen des Spritzenhauses, als meine Wächter hereinkamen, mir eine Kette um den linken Fuß legten und mich zum Musikmachen abführten.

Ja, ich habe, mit dem linken Fuß an den Konzertflügel gekettet, einen ganzen Abend lang die Franzosen tanzen lassen - und dann nie wieder ein Klavier angerührt. Als Gefangener Musik für seine Bewacher machen zu müssen hört sich vielleicht lustig an, ist es aber nicht.
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Ich war satt und wollte wieder nach Berlin - jedenfalls vielleicht

Ich habe sie damals gehaßt, die Franzosen, und bin nach meiner Entlassung gleich zu meiner Mutter gegangen, um ihr schonend beizubringen, daß ich auf der Stelle aus der französischen Besatzungszone verschwinden müßte.

Sie hat geweint, die Arme, mich mit Geld und Fressalien vollgepackt und ist noch eine Weile neben dem Bauernfuhrwerk hergelaufen, das mich wieder ins Dachsenhäusertal mitnahm, von wo ich gekommen war.

Aber ich dachte noch nicht daran, mich wieder nach Berlin durchzuschlagen, ich wollte erst mal nach München, wo die ganze Redaktion der »Berliner Illustrirten« sich hingeflüchtet hatte.
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Wochenschau in Geiselgasteig - Zeitungen auf dem Gänsemarkt

Um von Frankfurt nach München zu gelangen, brauchte es nichts als starke Nerven. Die gleich nach dem Zusammenbruch wieder funktionierende Reichsbahn hatte zu wenig rollendes Material, um alle aufzunehmen, die nach Hause wollten oder, wie ich, auf Existenzsuche gingen.

Zudem gab es noch so gut wie keinen Autoverkehr, die Autobahnen waren leer im Sommer 1945, wurden fast ausschließlich von alliierten Militärfahrzeugen benutzt, die gar nicht daran dachten, einen Deutschen mitzunehmen; das kam erst später.

Ich zwängte mich nach dem Motto: »Der Stärkere siegt!« in das Abteil eines nach Süden fahrenden Zuges und kam bis Aschaffenburg.

Richtige Fahrpläne gab es noch nicht, man hangelte sich von Bahnhof zu Bahnhof, wurde aber bereits von Militärpolizisten mit Gewalt vom Dach geholt, auf dem das Mitfahren jetzt verboten war, jedenfalls in der amerikanischen Zone. Übernachtet wurde da, wo so ein Zug gerade endete, also meistens in überfüllten Bahnhofswartesälen.
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Die Kohlendiebe von Aschaffenburg

In Aschaffenburg nächtigte ich auf dem Fußboden und hörte einer Gruppe entlassener Kriegsgefangener zu, die von einem »Kohlenzug«
redeten, der in der Nacht ohne anzuhalten durch den Bahnhof donnern würde. Sie hatten vor, ihn hinter dem Bahnhof an einer Steigung zu entern. Ich schloß mich ihnen an und geriet in eine Mordshauerei mit einheimischen Kohlendieben.

Das waren richtige Banden, die an bestimmten Bahnstrecken, an denen die Züge langsam fahren mußten, aufsprangen und den Koks mit bloßen Händen zentnerweise neben die Gleise warfen, wo er von Frauen und Kindern aufgesammelt wurde. Die Amis begannen schon, bewaffnete Soldaten mitfahren zu lassen.

Als wir drei Kilometer hinter Aschaffenburg auf den heranrollenden Güterzug aufspringen wollten, wurden wir vom Zug aus mit dicken Kohlenbrocken beworfen. Wir schafften es dennoch, aber einer der armen Teufel von entlassenen Kriegsgefangenen bekam eine Kohle so unglücklich auf den Kopf, daß er herunterfiel und im nächsten Augenblick von einem auf dem Nachbargleis daherkommenden US-Militärzug überfahren wurde. Das gab der sich anbahnenden Schlägerei erst die richtige Schärfe.

Ich half zweimal mit, einen der Kohlendiebe vom Zug zu werfen, und hatte hinterher alle Hände voll damit zu tun, einem verblutenden Mann die Wunden zu stillen. »Haste gesehen«, röchelte er, »der hat 'n Messer gehabt...« Ich hatte es gesehen und konnte ihm nicht helfen; irgendwann schloß er die Augen und wurde unter dem kohlenschwarzen Gesicht kreidebleich. Seine Kameraden haben ihn später vom fahrenden Zug gerollt. Da war immer noch Krieg, als längst nicht mehr geschossen wurde, und er spielte sich unter deutschen Exsoldaten ab.
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Von München dann doch nach Hamburg

Ich hatte wieder einmal Glück und erwischte in Nürnberg einen Anschlußzug nach München, obwohl ich den halben folgenden Nachmittag auf dem Trittbrett stehen mußte. In München war es wieder der Wartesaal, der die meisten Schwarzfahrer aufnahm, und am nächsten Morgen rannte ich einer Straßenbahn hinterher - einer »Tram«, wie die Bayern sagen -, die nach Geiselgasteig hinausfuhr.

Im Bavaria-Kopierwerk wurde die Wochenschau »Welt im Film« vorbereitet, und als ich die Frage, ob ich Kopierwerkserfahrung hätte, mit einem strahlenden Ja beantwortete, wurde ich sofort zur Probe angestellt und bekam von den Amis eine Bescheinigung, die das Ernährungsamt Harlaching verpflichtete, mir eine Lebensmittelkarte I - für »Schwerarbeiter«! - auszustellen.

In einem heruntergekommenen Gasthaus auf der anderen Straßenseite bekam ich sogar ein Zimmer zugewiesen. Weil alles so glatt ging und weil ich ganz sicher war, daß ich bei der Bavaria Karriere machen könnte, wurde ich leichtsinnig: In einer Woche hatte ich meine Lebensmittelkarte leergefressen, und das frühe Aufstehen und ewige Chemikalienansetzen behagte mir ganz und gar nicht. Ohne mich zu verabschieden, verschwand ich wieder. In Hamburg, hatte mir einer erzählt, brächten die Engländer demnächst eine deutsche Zeitung heraus.
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Vom Nordwestdeutschen Rundfunk zum Abendblatt

Hamburg ist in diesen Tagen im Juli 1945 zu meiner Lieblingsstadt geworden, nach Berlin natürlich. Ich fand zwar die Mutter des Mannes aus der Reichsjugendführung nicht mehr, der ich geholfen hatte, in den Trümmern ihres Hauses nach Wertsachen zu suchen, aber ein Nachbar in Wellingsbüttel, den ich nach der deutschen Zeitung fragte, die angeblich in Hamburg erscheinen sollte, schickte mich zum Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) auf der Rothenbaumchaussee.

Dort trug ich dem Pförtner meinen Wunsch nach Zeitungsarbeit vor, was ein deutschsprechender Brite in Uniform mitbekommen haben muß, denn er fragte mich, was ich könne, schüttelte aber den Kopf, als er hörte: »Fotos machen!« Ich lief ihm hinterher und rief: »I need a job, Sir!«

Er blieb noch einmal stehen, musterte mich von oben bis unten, fragte »Hitlerjugend?«, und als ich nickte, nickte er auch, suchte nach einem Stück Papier und schrieb mir eine Adresse auf: »Gänsemarkt drei«, kann auch vier oder sieben gewesen sein; es ist das Haus, in dem sich heute noch eine Anzeigenannahme des »Abendblatts« befindet.

Dort sollte ich den Zettel Mr. Gore zeigen und ihn grüßen von Mr. Dancer, es klang wie »Tänzer«.

Seitdem glaube ich nicht mehr an Leute, die nie eine Arbeit finden, sondern bin überzeugt, daß der mit der nötigen Dringlichkeit vorgetragene Wunsch nach Arbeit - irgendeiner Arbeit - zum Erfolg führt - irgendeinem Erfolg.

Ich käme »wie gerufen«

In meinem Fall hörte ich von einem in dicker britischer Uniform schwitzenden Sergeant Gore, daß ich »wie gerufen« käme. Er drückte mir einen neuen Zettel in die Hand und schickte mich zur Druckerei von Broschek & Co. am Neuen Wall, glaube ich, wo ich bis 14 Uhr warten mußte, um dann ein riesiges Paket von 5.000 Exemplaren eines vierseitigen britischen Nachrichtenblattes für die deutsche Bevölkerung in die Arme gedrückt zu bekommen, die ich am Gänsemarkt verkaufen sollte.

Ich war noch gar nicht richtig dort angelangt, als schon zwei Männer auf mich zusprangen und mir tragen halfen - am Gänsemarkt wartete eine Schlange von gut tausend Käufern, die mir die vier Seiten geradezu aus der Hand rissen.

Um halb drei war alles verkauft, und Sergeant Gore, der zum Abrechnen vor die Tür kam - 20 Pfennige kostete jedes Exemplar -, klopfte mir auf die Schulter und sagte, er werde für eine Lebensmittelkarte sorgen, wenn ich jeden Tag so zügig verkaufe und korrekt abrechne. Ich bedankte mich und fragte: »Was jetzt?« Er schob mich zur Tür hinaus: »Jetzt hast du frei. Komm morgen um zwei wieder...!«
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Und genauso plötzlich war Hamburg wieder "out"

Ich war um eins schon bei Broschek & Co., um in Ruhe die Zeitung zu lesen, die ich verkaufen sollte. Die Schlagzeile dieses Tages werde ich nie vergessen: »U.S., British Take Over in Berlin!«

Von da an verlor ich mein gerade entflammtes Interesse an Hamburg wieder, blieb gerade noch so lange, bis ich eine neue Lebensmittelkarte I verfressen hatte, und erzählte meinem netten Sergeant Gore, daß ich »aus familiären Gründen« dringend nach Berlin müßte.

Er hat das sehr bedauert, mir ein paar Zeilen auf englisch an einen Kollegen bei der »Information Control« in Berlin mitgegeben und mich eingeladen, jederzeit wieder in Hamburg zu arbeiten.

»Wir bringen eine große Zeitung in deutscher Sprache heraus, da gibt's für entschlossene Jungs bestimmt eine Menge zu tun!« Er sprach von der »Welt«.
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Kirsten und Evchen

Zwischen Ostsee und Elbe sah es eng aus auf meiner Karte. Zu flach auch das Land, zu wenig Wälder. Wo verlief eigentlich die Demarkationslinie zwischen Ost und West?

Das britische Mitteilungsblatt gab regelmäßig bekannt, daß »Reisende in die Sowjetische Besatzungszone« nur eine Erlaubnis zum Übertreten der Grenze erhalten würden, wenn sie eine Berechtigung nachweisen könnten. »Ich habe in Berlin gewohnt und bin auch polizeilich dort gemeldet«, erklärte ich auf der Passierscheinstelle des Hamburger Rathauses, vergaß jedoch zu erwähnen, daß Lothringer Straße 1 die Adresse von Hitlers Reichsjugendführung gewesen war - und daß das alles jetzt im Sowjetsektor von Berlin lag.

Hinter mir stand eine recht ansehnliche junge Mutter mit einem quengelnden Kind. Während sie nach ihrem Antrag fragte, nahm ich ihr das Kind ab, wohl wissend, daß Kleinkinder, wenn ich sie auf den Arm nahm, sich sofort für meine Brille interessierten.

Auch diesmal wurde das höchstens zwei Jahre alte Mädchen sofort still, ja, es lächelte mich sogar an, während es mit seinen Patschhändchen meine Brille beschmierte. Die Mutter war so erstaunt über ihre Tochter, daß sie anfing zu weinen.

Sie war 19 Jahre alt und die Witwe eines Waffen-SS-Angehörigen der Panzerdivision »Nordland«, die aus lauter dänischen und norwegischen Freiwilligen bestanden hatte, blutjungen, muß man dazu sagen, wie ich einer gewesen war.

Sie hatten sich angesichts der spektakulären Erfolge der deutschen Wehrmacht zur SS-Elitetruppe gemeldet und saßen jetzt in der Tinte, wurden für KZ-Schergen gehalten. Die junge Mutter hieß Kirsten, das Töchterchen Eva.
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Drei Tage später war er tot, gefallen in Holland

Zu Sylvester hatte sie ihren Mann zum letzten Mal gesehen, in einem Bahnhofshotel in Bremerhaven, drei Tage später war er »irgendwo in Holland« gefallen. In der Nähe des dänischen Hafens Odense war Kirsten, die aus Bitterfeld stammte und als 15jährige nach Dänemark »kinderlandverschickt« worden war, bei einer Familie untergebracht gewesen und hatte nie mehr von dort weg wollen, denn da herrschte »reiner Frieden«, es gab zu essen und zu trinken, soviel sie wollte.
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Doch der Luxus musste auch bezahlt werden

Was wahrscheinlich damit zu tun hatte, daß sie bald nach ihrer Ankunft die Geliebte des Familienoberhauptes geworden war, eines dänischen Eisenbahners. Der hatte seinen damals 16jährigen Sohn ebenfalls in Kirstens Bett gebeten, mit Genehmigung der Mutter, die kränkelte und sich aus Sex nichts machte.

So hatten sie fröhlich zu dritt geturtelt, und als der junge »Seff« 1943 zur SS nach Deutschland mußte, hatte der »alte Seff« - beide hießen Josef - den Sohn mit Kirsten verheiratet, denn sie war in anderen Umständen.

Ob vom Vater oder vom Sohn, das wußte sie nicht so genau. Und im Mai, als der Krieg vorüber war, hatte Kirsten Dänemark fluchtartig verlassen müssen und lebte nun in Altona bei einer Schaustellerfamilie, wo es »zuging«:

Die hatten eine polnische Flagge an der Tür und nahmen sich »das SS-Weib« reihum vor, Vater, Sohn, Schwager, einfach jeder, der gerade mal vorbeischaute.

Irgendwie nach Berlin, egal wie ....

Als Kirsten mir dies und einiges mehr so peu a peu erzählte, saßen wir schon in Harburg auf dem Bahnhof, wohin sie in den letzten Tagen heimlich ihr Gepäck geschafft hatte, und warteten auf den Zug nach Goslar.

Noch im Hamburger Rathaus waren wir uns einig geworden, daß wir versuchen wollten, durch den Harz über die »grüne Grenze« zu gehen, anstatt wochenlang auf den sogenannten Interzonenpaß zu warten, den die Engländer recht willkürlich zu genehmigen schienen - und die Russen, wie man hörte, gelegentlich nicht anerkannten.

"Warte bis wir im Zug sitzen ..."

Kirsten hieß Katrin, bevor sie den Dänen in die Hände gefallen war, und hatte sich auf der Stelle in mich verliebt, wie alle jungen Mütter, deren Babys mit meiner Brille spielen durften.

Und ich muß sagen, auch ich war, spätestens bei der Schilderung ihrer dänischen Dreierbeziehung, ungeheuer entflammt, wühlte meine Nase in ihre lange blonde Mähne und knetete ihren strammen Busen, wenn gerade mal niemand herguckte. Was schwierig war, denn diese junge Mutter war ein Anblick! »Warte«, raunte sie mir ins Ohr, »bis wir im Zug sitzen...«

Bequem im "Mutter-und-Kind-Abteil"

Es wurde wieder mal Nacht, bis der losfuhr, aber wir mußten weder auf dem Dach noch auf dem Trittbrett Platz nehmen, es gab schon mehrere Mutter-und-Kind-Abteile.

Das hatte Vor- und Nachteile: Einerseits schrie ständig irgendein Kleinkind los, und die anderen plärrten solidarisch mit - andererseits konnten wir Klein-Evchen beruhigt der Nachbarin überlassen, wenn wir wieder mal »auf Toilette« mußten.

Diese Katrin-Kirsten war, was man so eine Nymphomanin nennt, und wenn es dazu etwas zu sagen gibt, dann dies: Bei einer Frau, die immer geil ist, wird auch ein Mann zum »Nymphomanen«. Oder war es nur mein jugendliches Alter?

In Goslar war der Teufel los

In Goslar, das ich für ein stilles Harzstädtchen gehalten hatte, war der Teufel los, als wir am frühen Morgen ankamen. Aus allen Himmelsrichtungen tauchten Hunderte schwerbepackter Familien auf, meist nur Frauen mit Kindern, die sich überall in und vor dem kleinen Bahnhof niederließen und auffällig unauffällig nach einer Fahrgelegenheit zur nahen Zonengrenze erkundigten. »Fahren Sie weiter nach Harzburg«, sagte ein Eisenbahner, »und versuchen Sie durchs Eckertal zu kommen. Das sind dann nur noch 'n paar Kilometer!«

Ich habe mich mit Kirstens vollgepackten Koffern und meinem Rucksack abgeschleppt, entkräftet wie ich war, während sie Klein-Evchen und noch eine schwere Tasche trug, aber rosig und blühend aussah.

Auf der Straße von Bad Harzburg zur Grenze hatte ich auf einmal gleich ein Dutzend Frauen mit Kindern am Hals. Wenn ich stehenblieb, setzten auch sie ihre Kinder ab, wenn ich weiterging, folgten sie mir, als gehörten sie zu uns.

»Du bist eben der einzige Mann weit und breit«, sagte Kirsten. Zum Glück tauchten ein paar ältere Männer auf, als wir an die Ecker kamen: geflohene oder auch bereits entlassene Kriegsgefangene, die sich wild mit einigen Frauen um Zivilklamotten stritten.
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Kirsten hatte immer Lust

Für Kirsten war es an der Zeit, sich wieder mit mir in die Büsche zu schlagen. Da blieb ich dann liegen und schlief, bis es dunkel wurde. Es war eine Unruhe im Wald und auf der gegenüberliegenden Seite des Flüßchens, daß ich auf einmal mutlos wurde. Wenn die Russen die Zonengrenze bewachten, mußten sie uns ja einkassieren! Und was würden sie dann mit uns machen?

Am Abend waren es Heerscharen von Familien

Aus den Grüppchen, in denen wir uns der Grenze genähert hatten, waren bei einbrechender Dunkelheit ganze Heerscharen geworden, die wie Hammelherden irgend jemandem folgten, der durch den Fluß voran watete. »Laß uns noch ein bißchen warten!« sagte ich ein übers andere mal und kuschelte mich neben Evchen an die junge Mutterbrust.

Was mich am meisten störte, waren die Weiber, die mit ihren Kindern im Halbkreis um uns lagerten. »Wir gehen mit Ihnen!« hatten sie mich belehrt. Dann strahlten auf dem Berg gegenüber plötzlich Leuchtkugeln, es wurde geschossen, russische Rufe ertönten, Frauen und Kinder schrien, und durch die Furt kamen Dutzende Grenzgänger zurückgewatet.

Danach wurde es wieder ruhig und Kirsten drängte zum Aufbruch. Ich wollte nicht. Noch nicht. Kirsten nannte mich einen »Feigling!« und bekam prompt Streit mit anderen Frauen, die mir recht gaben.

Die Geschichte mit Kirsten ging nicht gut aus

Irgendwann nach Mitternacht packte sie Evchen und ihre Tasche und marschierte einfach los. »Und die Koffer?« rief ich ihr nach. »Bleib drauf sitzen oder bring sie hinterher!« rief sie. Das war das letzte, was ich von der jungen Witwe aus Dänemark hörte. Ich fand einfach nicht den Mut oder die Kraft, ihr mit den Koffern zu folgen.

Zwei Tage später erst ging ich am nahen Stausee, unbelästigt von den Russen, am hellen Tag über die Zonengrenze. Bei mir war ein Mann aus Blankenburg, den ich beim Baden kennengelernt hatte, ein professioneller Fluchthelfer.

»Für wie alt hältst du mich?« fragte er, in schlapprigen Unterhosen aus dem Stausee steigend. »Fünfzig?« riet ich, denn er kam mir uralt vor. »Achtzig«, sagte er.

Und dann klärte er mich auf: »Die Russen machen die Grenze immer mehr zu. Sie lassen dich rein, aber nicht mehr raus. Ich bringe jede Nacht fünfzig Leute in den Westen, jeder zahlt mir einen Hunderter. Aber es wird zu riskant. Letzte Nacht haben sie auf uns geschossen und eine Frau getroffen. Ich hatte sie gewarnt: Wenn die Leuchtkugeln hochgehen, hinwerfen und still liegenbleiben, nicht rühren! Die dumme Kuh ist mit ihrem Baby losgerannt...«

Das Baby, sagte er, hätten sie mitgenommen und auf der westlichen Seite einer alten Frau in die Hand gedrückt, die »dumme Kuh« mußten sie liegenlassen.
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Weiter ging es nach Wernigerode und Aschersleben

Der Alte kannte sich aus und nahm mich mit bis nach Wernigerode. Das dauerte den ganzen Tag und die Nacht und den halben nächsten Tag noch. Wir sahen nicht einen einzigen Russen.

Am Bahnhof in Wernigerode standen sie dann und kontrollierten: Russische Soldaten und deutsche Hilfspolizisten in gefärbten schwarzen Uniformen. »Laß dich nicht mit den Deutschen ein!« sagte mir mein achtzigjähriger Helfer. »Geh gleich zu einem Russen und zeige ihm deine Papiere!«

Was ich tat und was mir ein Fehler zu sein schien, denn der sowjetische Unterleutnant nahm sich viel Zeit, meinen behelfsmäßigen Personalausweis aus Braubach, mein Arbeitsbuch aus Berlin - Gott sei Dank ohne Eintragung der Reichsjugendführung! - und meine diversen Lebensmittelkarten zu studieren.

An der Art, wie er sie hielt, erkannte ich, daß er die lateinische Schrift nicht entziffern konnte - und die in Sütterlin schon gar nicht. Doch dann entfaltete er meine giftgrüne, mit unmäßig vielen Stempeln versehene Eierkarte aus Bayern und stutzte. So etwas hatte er wohl noch nie gesehen. Er betrachtete den DIN-A4-Bogen von allen Seiten, strahlte plötzlich, salutierte und rief: »Dokument guuut! Sääährrr guuut!« Ich war drin, durfte den Zug nach Aschersleben besteigen.
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Mein Tagesspiegel

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Der Generalsekretär

Mir kamen, heute würde man sagen: »echt«, die Tränen, als ich von Potsdam her, in einer total überfüllten S-Bahn nach »Babelsberg/ UFA-Stadt« hineinbrauste - die UFA also gab es noch!

Vielleicht sogar Peter Kreuder und Zarah Leander? Erst ein paar Tage später erfuhr ich, daß die Russen die Filmstadt besetzt hielten und fürchterliche Verwüstungen angerichtet hatten. - Von einer DEFA war noch lange keine Rede, unbeschadet aller später verfaßten Hymnen auf die sowjetische Kulturankurbelung.

Es war an einem der letzten Julitage 1945, wunderschönes Wetter, und ich brannte darauf, meine Bille in der Nürnberger Straße wiederzusehen -und die arme Frau Spudich, die jetzt wohl Witwe war, denn ihren Mann mit dem braunen Parteihemd, den braunen Reithosen und braunen Stiefeln, den hatten die Russen bestimmt am nächsten Laternenpfahl aufgeknüpft. Und Heinz Krüger mußte ich finden!
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Frau Spudich strahlte mich an und umarmte mich

Das Haus in der Nürnberger Straße stand noch, auch das Hinterhaus, und es sah sogar so aus, als ob »Mampe« wieder geöffnet hätte. Aber an der Tür von Bille hing ein anderes Namensschild, und auf Klopfen und Klingeln öffnete niemand. Zurück zum Bahnhof Zoo und weiter zum Alexanderplatz. Unterwegs überlegte ich, wie ich die arme Frau Spudich trösten könnte, die so viel für mich getan hatte, aber es fiel mir wenig ein.

Vielleicht war sie noch gar nicht vom Land zurückgekommen? Vielleicht hatte sich Hanns Spudich irgendwo im Umland von Berlin verstecken können?

Auch das Haus in der Winsstraße stand noch, das Messingschild trug noch den Namen Spudich und glänzte frischgeputzt wie immer, nur das zweite Schild »Sportbildverlag« war verschwunden. Als ich klingelte, war Frau Spudich gleich an der Tür, strahlte mich an, umarmte mich, zog mich herein und fragte sofort:

»Haben Sie was gegessen? Sie müssen bestimmt Hunger haben! Seit wann sind Sie wieder in Berlin?« Ich traute mich kaum zu fragen, stotterte: »Und... und Ihr Mann?« Vor mir her durch den langen Gang in die Küche eilend, drehte sie sich nicht einmal um: »Oooch, dem geht's gut! Der ist richtig glücklich, daß die Nazis weg sind! Der kommt kaum noch nach Hause!« Ich traute meinen Ohren nicht. Spudich war nichts passiert?
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Herr Spudich auf dem Höhenflug als Bürgermeister

Bei richtigem Bohnenkaffee und einem tollen Kuchen - den Spudichs schien es an nichts zu mangeln - erzählte sie: »Mein Mann ist doch ein alter Kommunist, müssen Sie wissen! Die Naziuniform und so, das war doch alles Tarnung! Hanns hat von Anfang an für den kommunistischen Untergrund gearbeitet, was glauben Sie, was wir die zwölf Jahre gezittert haben! Aber das soll er Ihnen selbst mal erzählen - wenn er überhaupt noch die Zeit dazu findet!«

»Ja, aber, wo ist er denn? Kann ich ihn sehen?« »Ach, das wissen Sie ja noch gar nicht - mein Mann ist Generalsekretär von Dr. Arthur Werner, dem Oberbürgermeister! Kennen Sie auch nicht? Na, wenn Sie gerade erst angekommen sind...

Das ist ein Parteiloser, den haben die Russen ins Rathaus gesetzt, aber«, sie beugte sich vor, drückte meine Hand und kicherte wie ein junges Mädchen, »im Vorzimmer haben sie meinen Mann plaziert, Sie verstehen doch! Mein Mann ist der eigentliche Oberbürgermeister von Berlin! Alles läuft über den Generalsekretär, ohne den geschieht gar nichts!«
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Ich war völlig weg.

Genau so hat meine liebe alte Frau Spudich mir's erzählt. Wir haben dann im Neuen Stadthaus in der Parochialstraße angerufen - das zerbombte Rote Rathaus nebenan war noch nicht wiederaufgebaut -, und Hanns Spudich ließ durch die Sekretärin fragen, um was es sich handele, er sei beschäftigt.

Als er hörte, ich sei bei seiner Frau, hatte er einen Moment Zeit: »Ach, sind Sie auch wieder da?« Im Gegensatz zu seiner Frau klang er eher unfreundlich, distanziert, sagte auf einmal wieder »Sie« zu mir: »Der geliebte Führer hat's nicht ganz geschafft, was? Gucken Sie doch morgen mal rein, so um zwölf oder eins, wenn hier Mittag gemacht wird - oder nein, kommen Sie früh um Punkt acht! Seien Sie pünktlich!«
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Also die Kommunisten sind hier am Werk

Auf der Greifswalder Straße habe ich anschließend aus der fahrenden Straßenbahn zum erstenmal die großen Schilder gesehen, die von den Russen in ihrem Sektor überall aufgestellt worden waren, schwarze Schrift auf weißem Grund:

»Die Erfahrungen der Geschichte besagen, daß die Hitler kommen und gehen, aber das deutsche Volk, der deutsche Staat bleibt - Josef W. Stalin«

Ich begann zu ahnen, was für ein Spiel die Russen in ihrem Sektor zu spielen beabsichtigten, noch bevor ich mit Spudich, dem Generalsekretär, gesprochen hatte. Offenbar wollten sie in ihrer Zone in Mitteldeutschland nicht nur Besatzer sein, sondern ein kommunistisches Regime errichten, gestützt auf zuverlässige Genossen wie Hanns Spudich.

Ostdeutschland war schon unter polnische Verwaltung gestellt worden, wobei mich deprimierte, daß ich nun nie die Masurischen Seen erleben würde, die seit frühester Jugend meine Phantasie beschäftigten.

Auch mein Breslau war ja nun für immer verloren. Aus mir sprach nicht nur der enttäuschte Hitlerjunge, der von antikommunistischer Propaganda vollgestopft war. Ich hatte schon in Braubach zu viele Bücher über die Greuel der Oktoberrevolution gelesen - nicht nur Dwinger, auch Samjatins »Wir«, Istratis »Nacktes Rußland«, Schriften von Rosa Luxemburg und Karl Radek.

Mein Vater hatte sogar das »Kommunistische Manifest« in seinem Bücherschrank stehen. Ich glaubte zu wissen, wie die Kommunisten vorgingen, hatte als Vierzehnjähriger schon meine Lehrer verblüfft, als ich ihnen erzählte, nicht die Bolschewiken hätten die Revolution in Rußland gemacht, sondern die Menschewiken, die Sozialdemokraten.
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