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Breitfilmtechnik in den USA - aus europäischer Sicht

aus KINO-TECHNIK Nr. 10/1961
von W.J.M. JANSEN, Philips, Eindhoven

Einleitung

Der 70mm breite Film hat sich in den letzten Jahren einen festen Platz im Lichtspieltheater gesichert, so daß eine normenmäßige Festlegung der wesentlichen Daten geboten ist. Glücklicherweise stellen die unter verschiedenen Systembezeiehnungen angebotenen Spielfilme praktisch gleiche Anforderungen an die konstruktive Gestaltung der Vorführanlagen.

Eine Besuchsfahrt nach den USA hatte den Zweck, den dort heute erreichten Stand und etwaige Änderungswünsche für die weitere Entwicklung der Vorführanlagen kennenzulernen. Darüber wird im folgenden berichtet. Im Hinblick auf die Normung enthält der Bericht einiges Zahlenmaterial.
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Oktober 1955 - Weltpremiere des Todd AO-Films

Seit der Weltpremiere des Todd AO-Films „Oklahoma" im Oktober 1955 in New York, für die Philips einen Universal-Projektor baute, mit dem sowohl 70mm als auch 35mm Filme vorgeführt werden können, ist das Interesse an dieser neuen Art von Filmprojektion auch außerhalb Amerikas ständig gestiegen.

Ein Besuch von europäischen Fachleuten in den USA im November 1960 galt daher der Information, welche Wünsche in der Breitfilmtechnik hinsichtlich der Weiterentwicklung von Projektoren und Tonanlagen inzwischen aufgetreten waren.

In den Vereinigten Staaten und Kanada waren derzeit mindestens 110 Filmtheater für diese Breitfilmwiedergabe ausgerüstet, in etwa 30 anderen Ländern weitere 130 Filmtheater. Die dort gewonnenen Erfahrungen waren außerordentlich befriedigend, und die Projektoren erwiesen sich als allen Anforderungen gewachsen.
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Riesige Filmtheater in den USA

Am auffälligsten für den Europäer ist in den USA, daß die dortigen Filmtheater durchweg wesentlich größer sind als in Europa.

Was man in den USA ein kleineres Kino nennt, hat im Mittel immer noch 800 Plätze, entspricht also dem, was in Europa bereits als ein größeres Haus bezeichnet wird.

Die mittlere Platzzahl in amerikanischen Filmtheatern liegt bei etwa 1200. So ist es verständlich, daß man 50A-Bogenlampen kaum noch findet und schon gar nicht mehr herstellt. Vereinzelt sieht man noch Bogenlampen für 70A, wie die Peerless „Magnarc". Aber auch diese scheinen langsam auszusterben. Durchweg arbeitet man mit 130 A, auch in den kleineren Kinos. Häufig findet man die Ashcraft-Lampe mit 100 bis 130 A, die „Super-Cinex" mit 120 ... 135 A oder 150 ... 180 A und ähnliche Typen.
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Die amerikanischen Projektoren sind heller als bei uns

Der hohe Lichtbedarf ist zum Teil auch dadurch bedingt, daß die amerikanische Leuchtdichtenorm mit 16 "ft.l" entsprechend 173 asb weit höher liegt als etwa die deutsche Norm mit 100 asb, die auch bei neuen Norm-Entwürfen höchstens auf 120 asb heraufgesetzt werden soll.

Selbst wenn man die Toleranzen der amerikanischen Norm berücksichtigt, die einen Bereich von 107 bis 217 asb vorsehen, bewegt sich die geplante Erhöhung der deutschen Norm immer noch im untersten Grenzbereich der amerikanischen Norm.

Diese Zahlen stehen nicht nur auf dem Papier, sondern die amerikanischen Filmtheater arbeiten tatsächlich mit außerordentlich hohen Leuchtdichten. Freilich gilt das nur für Innenraum-Filmtheater - ganz anders sieht es bei den Drive-ins (Autokinos) aus. Bei den außerordentlich großen Bildwänden dieser Autokinos, die etwa bei 23 ... 30m Breite liegen, bereitet der erforderliche hohe Lichtstrom doch erhebliche Schwierigkeiten, und man muß sich mit dem zufriedengeben, was man an Licht äußerstenfalls erreichen kann.

Dementsprechend sind die Leuchtdichten auf den Bildwänden der Drive-ins erheblich niedriger. Man hilft sich mit sonst sehr verpönten Maßnahmen. Hier ist in erster Linie eine ganz starke Verkleinerung des Blendenflügels zu erwähnen. Blendenflügel von 65° an Stelle der theoretisch notwendigen und in Innenraum-Theatern tatsächlich verwendeten 90° sind in Drive-ins normal.

Selbst bei Verwendung beschleunigt arbeitender Malteserkreuzgetriebe, die bereits einen günstigeren Lichtwirkungsgrad haben, nutzt man auch diese Möglichkeit der Blendenflügelverkleinerung noch aus und verwendet an Stelle der theoretisch notwendigen 67° sogar nur 45° breite Blendenflügel.

Das geschieht nicht, um etwa mit kleineren Lampen auszukommpn, sondern erfordert noch Bogenlampen höchster Leistungsfähigkeit, wie „Jetarc" oder „Ventarc", die mit der von Gretener entwickelten Stabilisierung durch starken Luftstrom arbeiten. Diese Bogenlampen haben Stromstärken bis zu 200 A.
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Mehr über das 65mm Filmmaterial

Durchweg ist der 65mm breite Negativfilm auch heute noch das anerkannte Aufnahmematerial. Es zeigen sich keine Anzeichen dafür, daß man in den USA beim Negativ auf eine Filmbreite von 70 mm übergeht.

Die Filmdicke konnte am allerersten Todd AO-Film mit 0,225mm gemessen werden, einschließlich Dicke der Magnetschicht. Ob dieser Wert damals ein Zufall in der Toleranzausnutzung, eine Toleranzüberschreitung oder aber Absicht war, ist ungewiß. Für alle späteren Filme muß man mit einer Dicke von 0,18mm rechnen. Auch dieses Maß gilt einschließlich Dicke der Magnetschicht, die man zu etwa 0,015mm ansetzen kann.

Kodak verwendet grundsätzlich das gleiche Filmmaterial für Normal- und Breitfilme und schneidet nach Bedarf die jeweils erforderliche Filmbreite aus. Die Filmdicke stimmt mit der Norm DIN 15 505 überein, in der als Filmdicke 0,175mm als Größtmaß (ohne Magnetbeschichtung) festgelegt ist.

Daß allerdings auch irgendwo Filme mit einer wesentlich geringeren Dicke - gelegentlich wird die Zahl 0,14mm genannt - gefertigt werden, wäre durchaus denkbar.
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Die 70mm Filme laufen auf 56cm Spulen

Das Fassungsvermögen der bisher üblichen Spulen für 70mm-Film mit 560mm Außendurchmesser und 203mm Innendurchmesser wird von keiner Seite zu ändern gewünscht. Das Fassungsvermögen beträgt übrigens 1100m, wenn man mit 0,195mm Dicke je Filmwindung rechnet.

Ebensowenig gibt es Beanstandungen über den Durchmesser der Spulenachse, der 12,7mm oder 1/2" beträgt. Er ist weder unbequem noch zu schwach, und ein Übergang auf 1", der gelegentlich von anderer Seite vorgeschlagen wurde, ist absolut nicht notwendig. Eine solche Umstellung würde übrigens eine erhebliche Störung für alle bereits vorhandenen Anlagen bedeuten.

In Amerika sind alle Spulenachsen mit einem Verschluß versehen, damit bei geöffneter Feuerschutztrommel die Spule nicht herunterfallen kann. Das ist im Grunde überflüssig, da in den USA die Vorschrift besteht, daß der ganze Filmlauf mit Türen abgeschlossen sein muß und die Fenster der Trommeln nicht nur mit feinmaschiger Gaze, sondern mit Glimmer oder Drahtglas versehen sein müssen.

Diese Vorschrift ist aber nur sinnvoll, wenn der Projektor bei geöffneten Trommeln gar nicht betrieben werden kann. In der Praxis findet man jedoch in jedem Vorführraum während des Betriebes alle Türen geöffnet und sogar mit Schnüren an der Vorderwand befestigt, weil die Spulen doch nicht herausfallen können. Das sind die Folgen von vollkommen veralteten Sicherheitsvorschriften, die aber besonders in Amerika nur sehr langsam geändert werden.
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Die Transport- und Schaltrollen bei 70mm

Auch in Amerika versucht man, die Transport- und Schaltrollen der 70mm- Projektoren zu normen, aber ein definitiver ASA-Standard ist noch nicht festgelegt worden. Die von Philips verwendeten Durchmesser (Tab. I) haben sich so gut bewährt, daß sie als Grundlage für eine Normung dienen können. Entsprechend der amerikanischen Praxis wurde von Anfang an auch für 70mm-Projektoren der Durchmesser der Nachwickelrolle etwas kleiner gewählt als der Durchmesser der Vorwickelrolle.

Rohfilmkerne und Bildfenstermaße

Auch Rohfilmkerne sind noch nicht genormt. Man verwendet bei der Filmbearbeitung in manchen Fällen zwei aneinandergeklebte Kodak 2"-Kerne für 35mm-Film und für die Aufwicklung Holzkerne mit 7 3/4" Durchmesser.

Bildfenstermaße sind ebenfalls noch nicht genormt, aber folgende Maße werden allgemein verwendet: Todd AO-Kamerafenster 2.072" x 0.906", also 52,63 mm x 23,01 mm.

Die tatsächlichen Maße des Filmbildes in der Kopie sind nahezu ebenso groß (etwa 52,5mm breit), so daß die Magnetbescbichtungen die Seitenränder des kopierten Bildes überdecken. Die nutzbare Bildbreite wird daher gleich dem freien Zwischenraum zwischen den Beschichtungsstreifen.

Nach Motion Picture Research Council Practice RCIP Nr. 35-58,876 vom 27. April 1959 ergibt das eine effektive Breite von 1.953" oder 49,41mm Breite.

In der Praxis wurde diese Breite gelegentlich - möglicherweise nur in der ersten Zeit der Todd AO-Filme - unterschritten, da die Breite der Magnetbeschichtung zuweilen schwankt. Die Bildhöhe im Positiv ist praktisch gleich der im Negativ. Eine besondere Vorschrift besteht nicht. Zum Vergleich sei noch die Breite des Films zwischen den Perforationen hinzugefügt. Sie beträgt nach ASA-Standard 2.104" ± 0.003" oder 53,44mm ± 0,076 mm.
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Für die Bildgröße bei der Projektion - früher als „Projektor-Fenster" bezeichnet - besteht bereits ein ASA-Normvorschlag, der mit den bislang überall genannten Maßen übereinstimmt: maximale Bildbreite 1.913" oder 48,59mm, Bildhöhe 0.868" ±0.002" oder 22,05mm ±0,05mm.
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Zusammengefassung

Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß sich das 70mm-System in Amerika stabilisiert hat, wobei von den ursprünglichen Grundmaßen, die während der Entwicklung des Todd AO-Systems und des dafür konstruierten Projektors festgelegt wurden, nicht mehr abgewichen worden ist.
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