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Die Zeiss Ikon Zeitschrift "Bild und Ton" ab 1952

In den Anfängen nach 1945 galt es, den Vorführern und auch den Kinobesitzern möglichst viel Wissen zu vermitteln. Das reduzierte die Problemfälle und Serviece-Einsätze. Vor allem mußte es leicht verständlich sein, denn die allermeisten der angesprochenen Kunden waren keine oder nur angelernte Fachleute. Auch die Chefs hatten anfänglich wenig Ahnung. Wir haben diese Zeitschrift bis Ausgabe 65 vorliegen. Die dann folgenden Ausgaben (ab 1962 und folgende) suchen wir noch.

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Heft 27 - 1952 / Mitteilungen der Schriftleitung

Das Erscheinen des ersten Nachkriegsheftes unserer "Kinotechnischen Mitteilungen BILD UND TON" brachte uns so viele begeisterte Zuschriften und Anerkennungen, daß wir darin eine Bestätigung unserer Überlegungen und einen Ansporn für die zukünftige Arbeit erhielten. Allen Einsendern sei an dieser Stelle für ihre herzlichen Wünsche gedankt.
Titelbild: Waldbühne, Berlin (siehe Seite 22) Schriftleitung: Dipl.-Ing. H. Tümmel, Kiel-Wik
Nachdruck mit folgender Quellenangabe gestattet: Aus den Kinotechnischen Mitteilungen "ZEISS IKON BILD UND TON" (Stuttgart)
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Der Raumfilm "System ZEISS IKON"

Ein geschichtlicher Überblick

1891 -Als J. Anderton im Jahre 1891 ein Patent auf sein Verfahren zur Projektion von Raumbildern mit Hilfe des polarisierten Lichtes nahm, da ahnte er wohl kaum, daß Darbietungen nach seiner Erfindung noch um die Mitte des nachfolgenden Jahrhunderts als bahnbrechende Neuheit bestaunt würden.

1937 -Als wir von seiten der ZEISS IKON AG. im Jahre 1937 nach der Anderton- Methode den ersten wohl überhaupt gezeigten Stereo-Farben-Tonfilm in Berlin vorführten und darüber berichteten, da ahnten wir ebensowenig, daß es möglich sein würde, die Einmaligkeit dieses Ereignisses um das Jahr 1950 zu wiederholen.

1950 - Zwischen damals und heute liegt eine schwere und ereignisreiche Zeit, die so manches in Vergessenheit geraten ließ, so auch bei vielen die von ZEISS IKON schon vor mehr als 15 Jahren begonnenen Arbeiten am Raumfilm. Wir wissen, daß die überwiegende Mehrzahl der Berichterstatter, die heute über inzwischen neu hervorgetretene Verfahren des Raumfilms schreiben, die Erwähnung unserer umfangreichen Arbeiten nicht vorsätzlich unterläßt.

Die Kenntnis von den Dingen ist einfach für viele aus den verschiedenartigsten Gründen verlorengegangen. Anderen konnte sie nicht erst zuteil werden. Sie in großen Zügen wieder oder neu zu vermitteln, ist Sinn, Zweck und - wie wir hoffen - dankbare Aufgabe der nachstehenden, dem Inhalt nach schon früher veröffentlichten Ausführungen. Technische Einzelheiten können dabei leider nicht berücksichtigt werden. Ihre Erörterung muß einer besonderen Niederschrift vorbehalten bleiben.
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Die 1930er Jahre brachten der technischen Optik mit der Schaffung neuartiger, künstlicher Lichtpolarisatoren in Form großer Flächen von geringer Dicke die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches. Es war naheliegend, mit dem Erscheinen dieser neuen technischen Mittel nun auch Arbeiten in Angriff zu nehmen, deren Aufgabenstellung längst bekannt war, deren Lösung aber das Vorhandensein eben dieser Hilfsmittel voraussetzte, wenn für die Praxis brauchbare Lösungsformen entstehen sollten.

So begann damals die ZEISS IKON AG., die fast bis zum Kriegsende selbst Polarisationsfolien und -filter verschiedener Typen nach verschiedenen Verfahren herstellte, und heute zum Teil wieder herstellt, sofort einschlägige Arbeiten u. a. auch die an der Raumbild- und Raumfilm-Projektion.

1935 - Schon das Jahr 1935 ließ in Zusammenarbeit mit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt ein für die Olympischen Spiele 1936 Berlin bestimmtes stereoskopisches Zeitlupengerät entstehen, mit dessen Hilfe dann auch die Zieldurchgänge bei den leichtathletischen Kämpfen kinematographisch festgehalten und ausgewertet wurden.
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Das Zwei-band-Verfahren

ZEISS IKON benutzte dazu im Prinzip für die Aufnahme zwei gekuppelte und dadurch synchronlaufende 16 mm-Schmalfilmkameras, für die Wiedergabe in gleicher Weise zwei synchronisierte Schmalfilm-Projektoren, die mit Polarisationsfiltern unterschiedlicher Einstellung versehen waren. Dadurch wurde eine Schirmbildbeobachtung mit Hilfe von Polarisationsbrillen möglich. Es handelte sich also um ein Zwei-band-Verfahren mit Anordnung der Teilbilder auf getrennten Filmbändern sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Wiedergabe.

Ein derartiges Verfahren kann zwar gegenüber anderen den Vorteil einer größeren Wiedergabehelligkeit geltend machen, ist aber sonst mit erheblichen Nachteilen belastet. Insbesondere im Hinblick auf eine Einführung des Raumfilms in das Kinotheater - und sei es auch nur für Sonderveranstaltungen - dürften ihm daher kaum besondere Zukunftsaussichten zuerkannt werden.

Aus diesen und aus anderen Gründen wurden deshalb bei ZEISS IKON schon parallel zu den erwähnten Arbeiten an der Spezial-Einrichtung für die Olympiade Aufgaben zur Entwicklung des Fach- und Amateur-Raumfilms bearbeitet, die sich auf Einband-Verfahren erstreckten und die eine Wiedergabe der Raumfilme mit Hilfe eines einzigen Projektors ermöglichten.

Juni 1936 - Vorläufige Ergebnisse dieser Entwicklungsarbeiten wurden den Teilnehmern an der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für photographische Forschung am 6. Juni 1936 in Berlin vorgestellt.

Zur Vorführung gelangten Raumfilme auf 35 mm-Normalfilm, die mit einer gewöhnlichen Flachfilm-Kamera (ZEISS IKON-KINAMO N 25) unter Vorschaltung eines Prismen-Vorsatzes vor das Aufnahme-Objektiv hergestellt waren, und die auf einer normalen Theatermaschine (ERNEMANN VII B) durch eine mit Ablenkkeilen und Polarisationsfiltern versehene normale Projektions-Optik wiedergegeben wurden.

Die stereoskopischen Teilbilder waren auf einem Filmstreifen
innerhalb des normalen Bildformates untergebracht (Abbildung 1) und besaßen durch dessen Teilung in Filmlaufrichtung zunächst die Form eines Hochformates. Außerdem wurden 16 mm-Schmalfilme auf Linsenraster-Material gezeigt, die ebenfalls unter Verwendung entsprechender Vorsatz-Elemente durch normale Aufnahme- und Wiedergabegeräte liefen. Es handelte sich vorerst durchweg um Schwarzweiß-Stummfilme
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1937 - Der erste Stereo-Farben-Tonfilm

Als Ergebnis der nächsten Entwicklungsstufe konnte ZEISS IKON am 27. Mai 1937 ebenfalls in Berlin vor der Deutschen Gesellschaft für Stereoskopie und der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft den ersten Stereo-Farben-Tonfilm vorstellen. Die Entwicklung war inzwischen so weit fortgeschritten, daß die Projektionsbilder im Querformat mit dem beim Flachbild üblichen Seitenverhältnis erschienen (Abb. 2). Das Einband- Verfahren und die bereits erwähnte Formatteilung waren beibehalten worden.

Die optischen Hilfsmittel für Aufnahme und Wiedergabe waren schon so weit vervollkommnet, daß durch bilddrehende Aggregate trotz des auf dem Filmstreifen vorliegenden Hochformatfeldes für jedes Teilbild letzten Endes Querformatbilder auf dem Projektionsschirm erschienen. Die Drehung der Teilbilder erfolgte gegenläufig. Da dieses Verfahren wiedergabeseitig noch nicht als völlig "narrensicher" gelten konnte, erfuhr das im Grundaufbau beibehaltene System im Laufe der nächsten Zeit noch eine Abwandlung dahingehend, daß anstelle der gegenläufigen Bilddrehung nunmehr eine gleichsinnige angewandt wurde (Abbildung 3).

Neue optische Mittel für die Bilddrehung bei der Aufnahme und Wiedergabe mußten gefunden, auf einfachste Ausführungsformen gebracht und hauptsächlich für die Wiedergabe in Form einfacher und einfach zu handhabender Zusatzgeräte für vorhandene Projektoren, insbesondere für Theatermaschinen, gebracht werden.
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Der Stereo-Projektions-Vorsatz

So entstand über verschiedene Zwischenstufen ein Stereo-Projektions-Vorsatz für Theatermaschinen (z. B. ERNEMANN VII B) und Koffer-Kinogeräte (PHONOBOX BK 1000), der sich rein äußerlich von einem normalen Projektions-Objektiv eigentlich nur im Umfang und in der Länge unterschied, der aber tatsächlich ein Projektions-Objektiv, bilddrehende und strahlenablenkende Mittel, sowie die erforderlichen Polarisationsfilter enthielt (Abbildung 4). Er konnte bequem gegen das beim Flachfilm verwendete Projektions-Objektiv ausgetauscht werden.

Für die Aufnahmeseite entstanden zur gleichen Zeit Spezial-Kameras
mit bereits umfangreichen Einsatzmöglichkeiten sowohl für den Normal- als auch für den Nahaufnahme-Bereich, über die Vorstufen einer Raumfilm-Aufnahme- Kamera mit horizontalem Filmlauf auf einer schon hoch entwickelten Spezial-Raumnlm-Aufnahme-Kamera (Abbildung 5) mit vertikalem Filmlauf, Mitteln zur Bilddrehung und Basis-Variation sowie Vorschaltelementen für Nahaufnahmen konnte schließlich ein "Kamerakopf" erarbeitet werden, der alle vorgenannten Einrichtungen enthielt und der im Austausch gegen den normalen Kopf einer der gebräuchlichsten Flachfilm-Aufnahme-Kameras eingesetzt werden konnte.

Dadurch wurde die Verwendung des Laufwerks eben dieser normalen Kamera möglich gemacht. Da für die Bearbeitung des ZEISS IKON-Raumfilms spezielle Einrichtungen nicht erforderlich waren, war damit ein komplettes Geräte-System für Aufnahme und Wiedergabe, das Raumfilm-System ZEISS IKON, soweit fertiggestellt, daß an eine Erprobung in größerem Umfang herangegangen werden konnte.
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1937 - ein erster Raumfilm "Zum Greifen nah"

Das Verfahren kam nun erstmalig in die Hand des Filmproduzenten, des Kameramannes, und damit ins Atelier. 1937 wurde ein erster Raumfilm, System ZEISS IKON, mit Spielhandlung "Zum Greifen nah" gedreht und in Form eines Großversuchs vor einigen Tausend mit Polarisationsbrillen ausgestatteten Zuschauern in den damals größten Ufa-Theatern, dem Ufa-Palast am Zoo, Berlin, am 5. 12. 1937 und dem Hamburger Ufa-Palast am 27. 2. 1938 zur Aufführung gebracht. Fach- und Tagespresse würdigten diese Veranstaltungen als Ereignis ersten Ranges.

Noch kurz vor Ausbruch des (zweiten Welt-) Krieges (1939) entstand als letztes ziviles Produkt ein kleiner Spielfilm "Sechs Mädels rollen ins Wochenend", der - obwohl für interne Zwecke der ZEISS IKON gedacht - doch am 20. 3. 1941 aus Anlaß einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Stereoskopie im Tobis-Haus, Berlin, öffentlich gezeigt wurde.

Alle weiteren Dreharbeiten, die praktisch bis zum Kriegsende fortgeführt wurden, blieben militärischen Zwecken vorbehalten. Soweit wir unterrichtet sind, wurden in den Kriegsjahren nach unserem Verfahren an die Hunderttausend Meter Lehrfilme insbesondere für die Luftwaffe und die Marine über das Entfernungsmessen und über benachbarte Gebiete hergestellt und zum Einsatz gebracht. Bei diesen Arbeiten wurden schon weitgehend von stereoskopischen Trickverfahren Gebrauch gemacht.

Die Vorkriegsentwicklung war indessen nicht auf das in dieser Niederschrift ausführlich behandelte Raumfilm-Verfahren für 35 mm-Normalfilm beschränkt. Sie erstreckte sich vielmehr auch auf den 16 mm-Schmalfilm und auf ein System für unbewegte Raumbilder, das CONTAX -Stereo-System.

1939 - Aufnahme-Vorsätze mit Doppel-Objektiven und vorgeschalteten Prismen lagen 1939 noch vor Kriegsausbruch vertriebsfertig für die MOVIKON 16 und für die CONTAX-Modelle I, II und III vor. Das gleiche gilt für die entsprechenden Wiedergabe-Apparate und zahlreiche Sondergeräte, deren allgemeiner Vertrieb jedoch infolge des Kriegsausbruchs nicht mehr einsetzen konnte.

Durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse
sind fast alle Geräte, aber auch wertvolle Entwicklungsunterlagen, verlorengegangen. Die Entwicklungsarbeiten selbst mußten langjährige Unterbrechungen erfahren. Sie sind aber seit einiger Zeit wieder aufgenommen worden und werden im Umfang der gegebenen Möglichkeiten weitergeführt.

Vierling 1952
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