Ein (Ost-) Buch mit ca. 130 Seiten und einem Bildanhang
von Gert Redlich im Mai 2025 - (Ein umfangreiches Buch aus 1949/1950) Das Buch "Das Lichtspieltheater" wurde 1949 in der damaligen SBZ bzw. der "Ostzone" erstellt und gedruckt und herausgegeben. Der Autor hat sich sehr bemüht, sowohl den modernen technischen Gegebenheiten als auch den Vorgaben des sozialistischen Sprachgebrauchs der sowjetischen Besatzer gerecht zu werden. Sonst wäre das Werk nie eschienen.
Also ist der ostzonale sozialistische Gedanke und die Aufgabe des Films und der Kinos im Sozialismus nicht zu kurz gekommen. Das alles müssen wir berücksichtigen, wenn der Fachmann in 1949 und 1950 die duchaus plausiblen Planungsthemen akribisch aufzählt und ausführt ud die sozialistschen Vorgaben mit einbaut. In 1949 war es durchaus noch machbar, auch westdeutsche Produkte und Firmen mit einzubeziehen. Doch das Hauptgewicht liegt auf den VEB Firmen und deren Produkten. Die weltbekannte Ernemann 7B Kinomaschine wurde übrigens noch bis Anfang / Mitte 1950 nach Westdeutschland "exportiert" - mit gewissen Schwierigkeiten.
Der Kinotechniker Gerhard Redlich erzählt es.
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Vorwort vom W. Gabler
Das vorliegende Werk wendet sich an alle Kreise, die mit dem Bau, der Einrichtung und dem Betrieb von Lichtspieltheatern beschäftigt sind, also in erster Linie an die Leiter und Besitzer der Theater, an Architekten, Vorführer und Kinotechniker.
Es will weniger architektonisch-künstlerische Anregungen bieten als den umfangreichen Wissensstoff klarstellen, der als Voraussetzung für einwandfreie Sicht, klare und naturgetreue Tonwiedergabe und eine volle Leistungsfähigkeit der wertvollen und komplizierten technischen Anlagen notwendig ist.
Alle technischen Einzelfragen müssen, wenn der geplante Bau schließlich „aus einem Guß" sein soll, einmal vom Bauherrn und seinen Architekten insgesamt erfaßt und in der endgültigen Gestalt verwirklicht werden. Allen für die technische Mitarbeit Verantwortlichen ein Werkzeug zu dieser geistigen Leistung zu bieten, in knapper Form möglichst in Übersichten, schematischen Tafeln und Skizzen die verschiedenen Wissensgebiete anschaulich zu machen, wird die Aufgabe des Buches sein.
Vor aller Technik aber ist es nötig, daß die wesenhaften Züge des Lichtspiels und die daraus entstandenen neuen Formen des Publikums untersucht werden. Das Filmtheater ist nicht mehr ein technisch vereinfachtes, verbilligtes Bühnenspiel, es ist längst eine selbständige Form theatralischer Darstellung und sachlicher Bildberichterstattung von hohem Wert geworden.
Damit die technisch-sachlichen Untersuchungen die künstlerische Freiheit und die Entwicklung neuer, lebendiger Formen nicht hemmen, werden aus der Fülle der Möglichkeiten typische allgemeine Lösungen oder Grenzfälle herausgearbeitet. Auch die zahlreichen in den Abbildungen gebotenen Beispiele sind nur in diesem Sinne, nicht als Muster, zu werten.
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Die Aufbereitung des Wissens im Text
In der äußeren Form versucht der Text, die knappe Form von Leitsätzen zu gewinnen; wissenschaftlich und theoretisch wichtige Tatsachen blieben unberücksichtigt oder wurden auf ein Mindestmaß beschränkt, das zur Erklärung einer umstrittenen Frage nötig war.
Durch sehr enge Zerlegung in Abschnitte mit hervorgehobenen Stichworten kann das Buch als Handbuch und Nachschlagewerk benutzt werden. Die Gesamtanlage ordnet den Stoff jedoch so, daß es zunächst einmal im Zusammenhang gelesen werden kann. Die Skizzen fassen oft ganze Gedankenreihen zusammen, sie können aber immer nur den Text ergänzen und für das Gedächtnis eine Stütze sein, sie machen den Text nicht überflüssig.
Das letzte Ziel der Arbeit ist die Gestalt und Form des Theaters, in der die technischen Einzelheiten nicht mehr in ihrem Eigenwert herausgelöst werden können. Zum Beispiel lassen sich bestimmte Grundrißformen des Zuschauerraumes sowohl aus optischen als auch akustischen Gesichtspunkten erklären, die Frage nach dem Rauminhalt des Saales ist für den Lüftungstechniker gerade so wichtig wie für die Nachhallberechnung.
Zuweilen ergänzen sich die Forderungen der einzelnen Fachgebiete, oft auch widersprechen sie sich. Gerade weil diese Zusammenhänge dargestellt werden sollten, sind Wiederholungen im Text und gegenseitige Hinweise von einem Abschnitt auf den anderen unvermeidlich geworden. Auch die Inhaltseinteilung wurde aus gleichem Grund nicht streng nach den Fächern Optik, Raumakustik, Sicherheitsvorschriften usw. getrennt, sondern sie treten nur als Unterabschnitte in der „Gestaltung des Zuschauerraumes" auf.
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Rücksicht auf die Masse der kleinen und mittleren Häuser
Zu einer lebensnahen und praktischen Einstellung zum Thema gehört es schließlich, daß nicht nur an die repräsentative und technisch umfangreichste Aufgabe des großen städtischen Theaters gedacht wurde, sondern an die Masse der kleinen und mittleren Häuser, die mit einfachsten Mitteln arbeiten müssen.
Diese kleinen Theater, die oft nur an einigen Tagen der Woche spielen und in ehemaligen Tanzsälen ländlicher Gaststätten untergebracht sind, nehmen auch heute noch einen beträchtlichen Teil des Filmpublikums auf. Ihre Bedeutung ist sogar in den letzten Jahren wieder gewachsen, weil mit der sozialen und räumlichen Umschichtung der Bevölkerung sich die Einwohnerzahlen der ländlichen und kleinstädtischen Gemeinden nahezu verdoppelt haben.
Solange noch nicht abzusehen ist, ob die innere Wanderung der Bevölkerung zur Ruhe kommt (Anmerkung: bereits 1949 setzte die sogenannte republik-Flucht in ungeahnte Ausmaßen ein), bis die Wohnstätten und die Arbeitsplätze, die Berufstätigen und ihre Familien wieder vereinigt sind, wird es schwer sein, zu beurteilen, wo neue Theater auf die Dauer notwendig und lebensfähig sein werden. Deshalb wird am Schluß der Vorschlag des „wachsenden" Theaters gebracht, um einen Weg zur Planung neuer Theater mit geringerem Wagnis zu zeigen.
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Hilfen und Verweise:
Für freundliches Überlassen von Bildunterlagen ist vielen Helfern zu danken, besonders müssen genannt werden: Herr Stindt für die Genehmigung, Bilder aus dem Werk von Zucker und Stindt : „Theater und Lichtspielhäuser" (Berlin 1926) zu entnehmen, Herr Dipl.-Ing. Walther Unruh, Berlin, Herr Obering. Rudolph, Afifa, Berlin, das Archiv des Sovexport, Berlin.
Abbildungshinweise mit zweistelligen Ziffern beziehen sich nur auf Textabbildungen, die sämtlich vom Verfasser gezeichnet wurden.
Alle Ziffern von 101 aufwärts verweisen auf die Bilder im Tafelanhang. Er kann während des Textstudiums aus dem Buch herausgeklappt werden, damit das jeweils im Text behandelte Bild ohne lästiges Umschlagen der Seiten daneben liegt.
Zuschriften, Diskussionsbeiträge und Anfragen können an den Verfasser gerichtet werden (Areh. Dr.-Ing. W. Gabler, Berlin-Zehlendorf, Straße 510, Nr. 9).
Werner Gabler >>>>> (Anfragen sollten Sie vermeiden, es ist dort keiner mehr da)
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I. Wesen des Lichtspieltheaters
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Daß der Zuschauer auf jedem Platz gut sieht und hört, daß während der ganzen Spieldauer für Gesundheit und Wohlbehagen der Zuschauer zuträgliche Bedingungen herrschen müssen, daß selbst im Fall von Panik und Katastrophen alle Gefahren „an Leib und Leben" der Besucher ausgeschlossen sein müssen, das sind alles Voraussetzungen nicht nur für das Gebäude des Lichtspieltheaters, sondern auch aller anderen Versammlungsräume und Theater der verschiedensten Art.
Mindestforderungen in dieser Hinsicht werden heute in allen Kulturstaaten von den Sicherheitsbehörden im Interesse der Öffentlichkeit wahrgenommen. Mit welchen technischen Mitteln diese Grundbedingungen erfüllt werden können, wird ein wesentlicher Teil des Inhalts der folgenden Abschnitte sein.
Das Lichtspieltheater hat aber von vornherein einige besondere Eigenschaften, die tiefer im Wesen der Filmkunst und ihrer Technik begründet sind. Sie sollen einleitend so weit betrachtet werden, wie sie sichtbar zu besonderen Merkmalen in der Erscheinung und Gestaltung des Theaterbaues führen.
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1. Flächiges Bild - Räumliche Wirkung
Das Filmbild ist flächig, es bedürfte daher für sich baulich keiner Tiefendimension, nicht einmal ein einfaches Podium wäre nötig. Die Wirkung auf den Zuschauer ist aber mit seltenen Ausnahmen immer räumlich. Ursache des räumlichen Eindruckes ist nicht allein die perspektivische Bildaufnahme, sondern mehr noch die Bewegung der Personen und Dinge im Bildraum, die sich dem Beschauer zu nähern scheinen oder sich von ihm entfernen, ganz wie beim Einblick in eine räumliche Bühne.
Gesteigert wird diese Wirkung durch das aktive räumliche Mitdenken des Beschauers, das durch die Bewegungen der Kamera erzwungen wird. Der Zuschauer muß sich ja immer klar bleiben können, welche Bewegungen die Kamera in bezug auf die vorhergehenden Einstellungen und Blickrichtungen ausgeführt hat, denn diese Veränderungen führt ja schließlich das Auge des Beschauers selbst aus.
Bei Aufnahmen aus schwankenden Fahrzeugen, aus rasch fallenden oder Loopings drehenden Flugzeugen ist bekannt, daß sogar eine vollkommene Täuschung beim Zuschauer möglich ist, so daß er sich unwillkürlich am Stuhl fest hält, weil er glaubt, tatsächlich selbst körperlich in Bewegung zu sein.
Aber wenn auch das dargebotene Bild auf räumliche Darstellungen und Bewegungen im Raum verzichtet, wie beispielsweise bei Zeichenfilmen und wissenschaftlichen Darstellungen, scheint das Bild kaum einmal auf der weißen Projektionsfläche zu liegen. Meist schwebt es frei im Raum, und zwar entsteht im allgemeinen der Eindruck, das Lichtbild liege näher als die Bildfläche (siehe Anhang S. 110).
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Was folgt praktisch aus diesen zunächst rein ästhetischen Bemerkungen?
Für die Aufnahme sind aus ihnen ganz bestimmte Forderungen an die Klarheit und Übersichtlichkeit der Kamerabewegungen und an den Schnitt des Films abzuleiten, damit der Zuschauer später immer in der Lage bleibt, die Bewegungen am Bild abzulesen und nachzuempfinden. Das interessiert in diesem Zusammenhang nicht weiter.
Aber für die Filmwiedergabe im Theater ist damit bewiesen, daß die Anordnung eines Bühnenrahmens und eines Vorhangs nicht ein mehr oder weniger sinnloses Festhalten an einer aus der Schaubühne gewohnten und übernommenen Form ist.
Der Vorhang und der schwarze Rahmen, der zwar auch zur Abblendung unscharfer Randstrahlen praktisch nötig ist, unterstreichen die räumlich plastische Erscheinung des zweidimensionalen Bildes, weil der Bühnenrahmen mit dem Vorhang einen sich dahinter entwickelnden Raum vortäuschen und der schwarze Abdeckrahmen jeden Zusammenhang mit der Fläche löst.
Es ist mehrfach von „sachlichen" Architekten versucht worden, das Filmbild gerade in seiner zweidimensionalen Wirklichkeit zu betonen. Diese Versuche haben nie überzeugen können, weil sie eben einem charakteristischen Zug des Film-„Bildes" nicht entsprechen. Man kann hier an die Malerei erinnern, die auch nur dann auf den Rahmen verzichten kann, wenn sie gleichzeitig abstrakt auf jede wirklichkeitsnahe räumliche Darstellung verzichtet.
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2. Der mechanische Ablauf des Spiels
Einzigartig gegenüber allen anderen theatralischen Darstellungsformen ist aber der mechanische Ablauf der Vorstellung ohne Anwesenheit von Darstellern. Die daraus entstehenden technisch-wirtschaftlichen Vorteile sind bekannt.
Nicht ganz bewußt ist man sich aber, wie durch die Mechanik der Filmwiedergabe die Stellung und Haltung des Publikums verändert worden ist. Die Zuschauerschaft ist bei jeder anderen Darstellungsform in der Lage, während des Spiels durch Beifall und Aufmerksamkeit, durch Unruhe oder Mißfallen auf die Darsteller zurückzuwirken.
Das geschieht meist ganz unbewußt für die Zuschauer, dagegen hat die Bühne sehr feine Nerven für die unsichtbare Strahlung aus dem Zuschauerraum - auch für die blamabelste Art des künstlerischen Mißerfolgs, wenn die Strahlung ausbleibt und die Gleichgültigkeit und Langeweile gähnt.
Der Filmkünstler arbeitet im Atelier ohne Publikum und neigt deshalb leicht zur Anspannung im Tempo und zur Übertreibung, weil er ja über Zeit und Raum hinweg das ferne, unbekannte Publikum in seinen Bann ziehen will.
Aber es soll hier nicht das Filmschaffen ästhetisch untersucht werden. Diese allgemeinen Bemerkungen waren nur nötig, um die Frage stellen zu können:
Wie wandelten sich die in einigen Jahrhunderten ausgebildeten Formen des Theaterbaues vor dieser neuen Technik, die den ganzen Apparat der Bühne mit allen technischen und künstlerischen Mitarbeitern plötzlich vom Zuschauer trennt?
Es fehlt dem Filmtheater jener Grad von Festlichkeit und die Bedeutung eines einmaligen Ereignisses, den die Bühne auch bei der 50. Wiederholung eines Repertoirestücks behält.
Der Filmbesucher enthält sich des Beifalls, er findet Unpünktlichkeit weniger verwerflich und störend, ja, er hält es für zwecklos, sich zum Filmbesuch besonders zu kleiden oder auch nur die Überkleidung in der Garderobe abzulegen.
Die Filmbesucher fühlen sich untereinander nicht verbunden, das Gesellschaftliche, das im Theater alten Stils oft eine ebenso wichtige Rolle wie die Vorstellung spielt und das sich im Festspiel bis zur „Theatergemeinde" steigern kann, stellt sich nicht ein.
Das Publikum hat deshalb die längere Pause in der Filmvorstellung als lästige Unterbrechung ebenso heftig abgelehnt, wie sie im Bühnentheater gewünscht wird. Der Filmbesucher will eben nichts anderes als Zuschauer sein, er will selber nicht gesehen werden und will auch nicht wissen, wer mit ihm das Erlebnis der Vorstellung teilt.
Diese Feststellungen klingen zunächst etwas herabsetzend und kritisch. Andererseits war aber der beispiellose wirtschaftliche Aufstieg des Filmwesens nur möglich, weil der Filmbesuch so zwanglos ist. Das Lichtspielhaus wird täglich von Tausenden besucht, die durch die geringste Unbequemlichkeit abgehalten würden, und wäre es auch nur, daß sie sich an einen bestimmten Tag und an eine feste Anfangszeit binden müßte
3. Beliebig wiederholbare Vorstellung
Eng mit dem mechanischen Ablauf hängt die beliebige Wiederholbarkeit der Vorstellung zusammen. Wenn sich der Filmbesucher nicht als Teil einer Gesellschaft fühlt, wenn er das Ereignis einer Vorstellung nicht als außergewöhnlich und festlich empfindet, dann liegt auch kein Grund vor, daß große Massen von Zuschauern zu einer einzigen Vorstellung versammelt werden.
Die mechanisch ablaufende Filmvorführung kann so oft wiederholt werden, daß auch in einem kleineren Theater jeder Interessent erfaßt und befriedigt werden kann.
Mit wachsendem Fassungsvermögen an Sitzplätzen steigern sich die baulichen Aufwendungen von einer bestimmten Grenze an ganz erheblich. Auch die Nachteile beim Sehen und Hören werden dann immer empfindlicher und für einen immer größeren Anteil der Zuschauer ungünstig.
Der technische und finanzielle Aufwand für eine einzelne Filmvorstellung ist denkbar gering, es ist deshalb unnötig, die Theatergröße über ein bestimmtes Maß hinaus zu steigern. Man wird dagegen einen sehr viel größeren Kreis von Zuschauern mit mehreren mittleren Theatern in örtlich verstreuter Lage erfassen, als wenn dieselbe Anzahl von Sitzplätzen in einem einzigen Großtheater vereinigt ist.
An dieser Stelle sollen noch nicht die Vor- und Nachteile verschiedener Theatergrößen miteinander verglichen werden, unbestreitbar ist aber die Tatsache, daß es ein besonderes Merkmal und ein Vorteil der Filmtechnik ist, daß auch in Sälen mit begrenzten Abmessungen bereits zahlreiche Zuschauer in wiederholten Vorstellungen befriedigt werden können.
Dieser Möglichkeit verdankt die Filmkunst zu einem wesentlichen Teil, daß sie so rasch eingeführt und verbreitet werden konnte. Der Filmpalast mit Tausenden von Plätzen ist nicht die wesensgemäße Form des Lichtspielhauses.
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Mehrere Vorstellungen hintereinander
Die Wiederholungen der Vorstellungen werden im allgemeinen ziemlieh rasch aufeinander folgen müssen, weil die für den Filmbesuch günstigen Stunden begrenzt sind. Selbst das nicht täglich spielende kleine Theater gibt mindestens an den Hauptspieltagen Sonnabend und Sonntag zwei bis drei Vorstellungen hintereinander.
Deshalb sollten auch bei dem einfachsten und kleinsten Theater die Ein- und Ausgänge getrennt vorgesehen werden, damit die den Saal verlassenden Besucher nicht auf die schon für die folgende Vorstellung wartenden stoßen. Das ist eine der wenigen Bedingungen, die das Filmtheater, das sonst in allen Einzelheiten weniger aufwendig ist, schwieriger als andere Theaterbauten macht.
4. Der Stil des Filmtheaters
Das flächige Bild vorne auf der Bildwand mit seinen räumlichen Wirkungen, der mechanisierte Spielablauf, seine Technik und Wiederholbarkeit sind Merkmale der formalen Erscheinung der Filmkunst, Merkmale, die alle irgendwie sichtbar werden in der Gestaltung des Theaters.
Nicht so eindeutig fällt die Antwort auf die Frage nach Sinn und Inhalt dieser Form aus. Schon im Rahmen einer einzigen Lichtspielvorstellung hat sich die Gewohnheit herausgebildet, neben dem Hauptfilm, der meist einer Gattung dramatischer Spiele angehört, auch Filme sachlicher Belehrungen und Vermittlung von Tagesereignissen und sogar reiner Geschäftsanzeigen und Produkte zu zeigen.
Ein so vielseitiges Programm zielt mehr auf Unterhaltung und leichte Belehrung etwa im Sinne der illustrierten Zeitschriften und Magazine. Andererseits haben sich die Spielfilme wenigstens in Einzelleistungen zum Vermittler wahrer Kunst erhoben, die eigentlich dieses bunte Nebeneinander nicht mehr recht erträgt.
Für die feinen Unterschiede zwischen einem Saal für große Sinfoniekonzerte oder für Kammermusik, zwischen Vortragräumen und Hörsälen oder für die Abstufungen im Charakter eines Opernhauses und dem eines Operetten- und Revuetheaters haben sich sinnentsprechende Ausdrucksformen für das Lichtspielhaus nicht finden lassen.
Bei der Buntheit des Filmprogramms ist es auch wirklich kaum möglich zu sagen, welches Wesen das Lichtspielhaus widerspiegeln sollte.
Dieses Buch will ein praktisches sein, in das weder breite ästhetische Erörterungen noch Rückblicke in die Vergangenheit passen. Da aber die eindeutige Antwort auf die Frage nach einem nur dem Lichtspieltheater eigenem Stil offen bleiben muß, mag in aller Kürze untersucht werden, welches Gesicht die bisher errichteten Filmtheater erhalten haben.
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- Anmerkung : Ein Teil des obigen Textes paßt überhaupt nicht zu Thema, denn Verleihkonzerne gab es in der ostzonalen VEB-Welt nicht mehr. Und bei den Filmproduzenten gab es drüben in der Ostzone nur noch die DEFA unter der Kontrolle der SED und bei den Geräte-Herstellern gab es nur noch zwei oder 3 VEB Werke. Auch in den anderen Ostblockstaaten war das ganze Film-Umfeld unter der Kontrolle der jeweiligen Partei und natürlich der Russen als Oberaufsicht zentralisiert. Es hatte sich im Vergleich zu den Nationalsozialisten und Josef Goebbels Propaganda- Ambitionen eigentlich nichts verändert. Die Zielsetzung war nahezu identisch.
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5. Entwicklung der wesentlichen Merkmale im geschichtlichen Rückblick
Als kurz vor der Jahrhundertwende 1899 die ersten „Bioskop-Theater" eingerichtet wurden, konnte noch niemand an besondere für diesen Zweck eingerichtete Gebäude denken. Das lebende Bild war eine technische Sensation und wurde jahrelang in der Art einer billigen Schaustellung dargeboten, auch als die erste Stufe, die fliegende Schaubude auf Märkten, schon überwunden war.
Die stehenden Lichtspiel-"Theater" wurden in Ladenräumlichkeiten eingerichtet, das waren meist langgestreckte schmale Räume, an deren einem Ende ein kleiner Bildwerferraum auf erhöhtem Boden abgetrennt, am anderen Ende die Bildwand aufgestellt wurde. Dazwischen wurden Bank- und Stuhlreihen — oft nur auf waagerechtem Boden — aufgebaut.
Vor dem Bild stand ein Klavier, etwas später wurde oft schon ein kleiner Orchesterraum mit einer niedrigen Brüstungswand gegen die Platzreihen abgeschirmt. Wenige Jahre gehörte auch noch ein Lesepult für den Sprecher oder Erklärer des stummen Bildablaufs zur Einrichtung des Lichtspieltheaters. Die Ladenschaufenster wurden mit einer schreienden Reklame versehen, die nur allzusehr noch an die vorhergehende Entwicklungsstufe der Schaubude erinnerte (Abb. 101).
Diese älteste Erscheinung des Lichtspieltheaters bestätigt, mit welch geringen äußeren Mitteln die neue Theaterform nicht nur lebens-sondern auch rasch entwicklungsfähig war. Diese Erfahrung könnte auch für Notzeiten eine Lehre und Hoffnung enthalten.
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Es dauerte nur ein einziges Jahrzehnt
In einem einzigen Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts kam dann ein überraschender Aufschwung in den meisten Kulturstaaten gleichzeitig. Zuerst haben einige unternehmende Theaterbesitzer den geschäftlichen Erfolg vorgeahnt und entsprechende Mittel für den Ausbau vollkommenerer Theaterräume bereitgestellt.
Sehr bald flber haben auch die Filmhersteller selbst sich an der Einrichtung leistungsfähiger und werbender Theater beteiligt. Je kostspieliger die Herstellung eines Films wurde, desto mehr waren die Filmhersteller auch daran interessiert, den Absatz der Filme, Zeitpunkt des Anlaufs und der Werbung ihrer Filme sich selbst zu sichern.
So traten in das neu entstehende Theatergewerbe schon sehr bald kapitalkräftige Bauherren ein, und es entstanden im Laufe der folgenden Jahre die ansehnlichen Theaterparks der großen Hersteller- und Verleihkonzerne.
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Neue Regeln nach den Brandkatastrophen
Für die Baugeschichte dieses jüngsten Theatertyps war es wesentlich, daß unmittelbar vorher gerade die grundlegenden Reformen im Theaterbau auf Grund zahlreicher Brandkatastrophen, unter denen der Ringtheaterbrand in Wien und des Iroquois-Theaters in Chicago am bekanntesten geworden sind, ausgearbeitet worden waren.
So konnten die ersten selbständigen Lichtspielhäuser von vornherein unter den neuesten Gesichtspunkten und teilweise sehr einschneidenden neu erarbeiteten polizeilichen Bestimmungen begonnen werden.
Und so ist beispielsweise allein aus dem Sicherheitsbedürfnis und durch behördliche Vorschrift die stark verminderte Höhenentwicklung des Lichtspieltheaters gegenüber dem alten Bühnenhaus zum Typ des Einrangtheaters zu erklären.
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Große einheitliche Theatersäle ??? - nicht bei uns im Westen
Zugleich wurde allerdings auch der Gedanke des Volks- und Massentheaters lebendig, und man versuchte seinen Charakter zu verwirklichen mit großen einheitlichen Theatersälen, in denen die Plätze in großen Parkettanlagen oder amphitheatralisch aufsteigenden Reihen möglichst gleichwertig wurden.
Anmerkung : Das mit der Gleichmacherei war typisch für das ostzonale bzw. sogenannte "sozialistische" Denken der Einheitsparteien im Ostblock sowie auch einigen weltanschaulichen Fanatikern im Westen.
Für England gilt diese Feststellung weniger, es hat immer an Formen festgehalten, die dem alten Rangtheater (mit mehreren Rängen und Emporen) näher stehen. Das geschah wohl nicht aus der für England charakteristischen konservativen Einstellung gegenüber künstlerischen Fragen, sondern mehr aus der Raumenge der englischen Städte, die zu einer sehr weitgehenden Ausnutzung der wertvollen Grundstücke zwingen. Man findet deshalb in England auffallend zahlreiche Theater mit mehr als einem Rang oder mit einem einzigen Rang, der aber sehr tief gestaffelt ist und sehr weit über das Parkett hervorragt.
Die Form des reinen Parterretheaters (Abb. 179-181) ist nur zeitweise gepflegt worden, weil es angeblich dem Charakter des Massentheaters am nächsten kommt. Von einer bestimmten Größe an, schon etwa bei 1.000 Plätzen, werden aber die Säle sehr lang und breit, so daß ein größerer Anteil benachteiligter Plätze unvermeidlich wird als bei Anlage eines Ranges.
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Die Indoktrination des Volkes an sich - im Sozialismus
Neben dem Bestreben, die große Masse des Publikums zu erfassen, läßt sich schon sehr früh feststellen, daß dem auf alter Tradition begründeten Ruf des Bühnentheaters etwas Gleichwertiges oder sogar Besseres entgegengesetzt werden sollte. Mit diesem Ziel entwickelte sich das Luxustheater und der Filmpalast mit betont reicher Ausstattung, mit der Anlage von Logen und Vorräumen, also genau im Gegensatz zum Volkstheater.
- Anmerkung : In Westeuropa und dem Rest der westlichen Welt war es nicht das Ziel, "die große Masse des Publikums zu erfassen", sondern denen das Geld aus der Tasche zu locken - also Gewinn für den nächsten noch größeren Film zu erwirtschaften.
Eigentlich viel eher verdient eine andere Art des Filmtheaters den Namen des wahren Volkstheaters: es ist das mittlere und kleine Haus, das dem Publikum räumlich entgegenkommt und in die Wohngegenden zieht oder in Kleinstädten tfnd sogar auf Dörfern eingerichtet wird.
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Das Filmtheater und der Zuschauerraum
Unter ihnen gibt es eine große Anzahl von Theatern, die bei aller Einfachheit familiär und intim ausgestattet sind und sich ganz ihrer Stammkundschaft anpassen und oft auch baulich und künstlerisch würdige und ansprechende Formen gefunden haben (Abb. 103).
Als ob sich das Filmtheater seiner dekorationslosen Bühne geschämt hätte, hat es versucht, den Zuschauerraum selbst zum Bühnenbild werden zu lassen. Das Theatergebäude täuscht irgendeinen historischen Bau mit nahezu musealer Ausstattung vor.
In anderen Fällen maskiert sich der Zuschauerraum als ein offener Platz unter freiem Himmel oder als Gartentheater (Abb. 189). Die Wände sind mit entsprechenden plastischen Dekorationen, oft bis zu einer Tiefe von 3 bis 4m, verstellt, und ein Kuppelhimmel wird darüber täuschend ausgeleuchtet.
Selbst ziehende Wolken fehlen nicht, und beim Verdunkeln des Saals erscheinen Mond und Sterne. Das Theater will also durch seine eigene Erscheinung theatralisch wirken. Diese Form des „atmosphärischen" Theaters ist besonders weit verbreitet in Amerika, in Deutschland hat es sich nicht durchsetzen können.
Aber die sensationelle Aufmachung der Innendekoration und das Spiel der Raumbeleuchtung als „Lichtorgel" ist in dem Jahrzehnt nach dem ersten Weltkrieg auch in Deutschland versucht worden.
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Die Wirkung auf das Publikum
Anhaltend ist die Wirkung derartiger Mittel auf das Publikum nicht, auch wenn an Phantasie und Geld nicht gespart wurde und oft rein technisch reizvolle Lösungen gefunden wurden. Man hat im Filmgeschäft sehr oft den Geschmack des breiten Publikums unterschätzt. Das haben auch die Erfolge künstlerisch wertvoller und anspruchsvoller Filme, die ursprünglich nicht für kassenwirksam gehalten wurden, mehrfach bewiesen.
Die verschiedenen hiermit kurz skizzierten Formen des Lichtspieltheaters entwickelten sich zeitlich sehr rasch, aber nicht etwa nacheinander, sondern gleichzeitig und ohne bestimmte historische Folge.
In Europa unterbrach der erste Weltkrieg die Bautätigkeit, während Amerika einen großen Vorsprung herstellen konnte. Bereits im Jahre 1919 konnte in New York das erste Theater mit mehr als 5.000 Plätzen eröffnet werden, und es folgten bald weitere derartige Großtheater in anderen Städten, zunächst in Hollywood.
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Rückblick bis 1914 - in Deutschland
Überschaut man rückblickend die bis 1914 in Deutschland entstandenen Theater, so drängt sich charakteristischerweise ein kleineres Theater mit nur 640 Plätzen als klassisches Beispiel auf, das in seiner ganzen Haltung dem Wesen des Filmtheaters gut entsprach: der nunmehr auch zerstörte Ufa-Pavillon am Nollendorfplatz in Berlin, bereits 1910 vom Architekten Oscar Kaufmann errichtet (Abb. 102, 196).
Aus den fast unübersehbar zahlreichen Bauten der Nachkriegszeit sind in den Abbildungen nur solche Beispiele ausgewählt, die für die späteren grundsätzlichen Überlegungen wichtig sind, und möglichst auch einige weniger bekannte Beispiele.
Es war nicht beabsichtigt, eine zusammenhängende Baugeschichte des Lichtspielhauses zu bieten und die oft geistreichen und künstlerisch wertvollen Leistungen der Architekten zu würdigen. Nur einige für den Gesamtablauf bedeutsamen geschichtlichen Ereignisse seien hier noch verzeichnet.
Als dann der Tonfilm kam
Es fällt auf, daß die Gestaltung des Theaterbaues schon einen gewissen Abschluß und Höhepunkt erreicht hatte, als die Filmkunst erst die entscheidende technische Vollendung mit der Tonwiedergabe erhielt.
Gewiß erscheint es heute fast unmöglich, noch Filmhandlungen ohne Ton oder irgendeine akustische Umrahmung zu bieten. Andererseits lag in der technischen Unvollkommenheit der ersten Jahrzehnte der Zwang zu einer bestimmten Beschränkung auf das rein Optische, so daß der Film zu einem eigenen künstlerischen Stil gelangt war, der zunächst nach Einführung des Tones wieder verloren ging.
Der wahrhaft würdige Ausdruck, den viele Theater aus den letzten Jahren vor Einführung des Tonfilms in ihrer baulichen Gestaltung gefunden haben, spiegelt die künstlerischen Ziele und Ansprüche des vorwärtsstrebenden Filmschaffens wider, ja, er ist eigentlich im Urteil über die kulturelle Bedeutung des Filmwesens um einige Jahre voraus gewesen.
Für das Ansehen des Lichtspielhauses hat der künstlerische Wert seiner Architektur mehr und entscheidender gewirkt als aller Ausstattungsluxus. Praktisch hat es nach dem Zusammenbruch 1945 eine nachträgliche Anerkennung erfahren, wenn in diesen Theatern ein vollwertiger Ersatz für zerstörte Konzert- und Theatersäle gefunden wurde.
Tonfilmtheater benötigen eine akustische Eignung
Die Theater der Stummfilmzeit sind fast ausnahmslos ohne Rücksicht auf ihre akustische Eignung erbaut worden oder zumindest unter ganz anderen Voraussetzungen, weil im Raum erzeugter Schall andere Ansprüche an die Hörsamkeit stellt als die Tonwiedergabe.
Nur wenige Theater konnten in den Jahren nach Einführung des Tonfilms in allen Einzelheiten unverändert bleiben. Einfache Verbesserungen waren bei den meisten nötig, einige mußten in Ausstattung und Form sogar von Grund auf verändert werden.
Es war nur natürlich, daß nach diesen Erfahrungen versucht wurde, neue Pläne ganz unter den Gesetzen der Hörsamkeit aufzustellen, und es entstanden die sich von der Bildwand aus trichterförmig nach hinten erweiternden Theaterräume mit Decken, die nach konstruierten Parabelkurven so über den Zuschauerraum gespannt sind, daß die Schallrückwürfe in bestimmte Richtungen gelenkt werden (Abb. 119,126 u. a.).
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Die Gestaltung des Zuschauerraums
Für mittlere Theatergrößen mit Sitzplatzentfernungen bis etwa 30m ist es durchaus nicht zwingend, daß der Architekt seine künstlerische Freiheit so sehr der Konstruktion und dem technischen Zweck unterordnet.
Diese Theater haben aber eine vollkommen neuartige Raumform in das schon so bunte Bild des Theaterbaues gebracht, eine Form, die bei sehr großen Abmessungen allerdings auch technisch berechtigt ist.
Die bauliche Entwicklung des letzten Jahrzehntes läßt sich in vielen Ländern noch nicht recht überblicken, weil die Länder während des Krieges und auch jetzt noch zu abgeschlossen voneinander leben. Es scheint sich aber überall auf der Welt eine Besinnung auf das eigentliche Wesen des Filmtheaters angebahnt zu haben, und man hat eingesehen, daß der große Filmpalast mit 4.000 - 6.000 Plätzen längst die zweckmäßige Größe überschritten hat und daß die Entwicklung des Filmtheaters nicht in einer weiteren Steigerung der Theatergröße gesehen werden muß.
Das erstrebenswerte Ziel ist nicht mehr, die notwendige Zahl der Sitzplätze auf möglichst wenige große und mit aller Pracht ausgestattete Räume zu vereinigen, sondern einen Theaterpark zu errichten, dessen Einzelhäuser über alle Wohngebiete möglichst gut ver teilt sind, mit der besten technischen Ausstattung und mit einem möglichst geringen Anteil ungünstiger Platze.
- Anmerkung : Warum hier nur ganz dezent auf die Schwächen der ostzonalen Billig-Bauweise verwiesen wurde - das kam im Weste nur noch selten vor und wurde nach 1954 schnelsten beseitig, ist unklar. Bei den viereckigen Kästen hatte man in den ersten Reihen immer die sogenannten "ungünstigen Platze" und dazu noch besonders unbequeme harte Holzstühle. Das war eben billig.
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6. Arten des Lichtspieltheaters
Wurde zuerst am Wesen der filmischen Darstellung untersucht, wie der Theaterbau grundsätzlich sein sollte, so hat der Überblick über die wenigen Jahrzehnte seiner baulichen Entwicklung gezeigt, wie er ist.
Die Abweichungen widersprechen den ursprünglichen Gedanken nicht, sie fügen aber einige neue Merkmale hinzu, so daß nicht eine einzige fest umrissene Form des Theaters erscheint, sondern mehrere Unterarten.
Vielseitig und bunt wie die Möglichkeiten der Filmtechnik selbst ist die Gliederung nicht in einem einfachen System darzustellen. Rein nach der Platzzahl wären grob große, mittlere und kleine Theater zu unterscheiden. Nach der Reihe der Filmausleihe gibt es:
- Uraufführungstheater,
- Nachspieltheater und diese ersten und höheren Grades;
nach der Programmgestaltung: - täglich spielende, reine Lichtspieltheater und solche,
- die nur an einigen Tagen in der Woche Filme geben neben anderen Darbietungen an den übrigen Tagen;
nach Lage und Publikum: - die im Mittelpunkt der Städte und Vergnügungszentren liegenden Häuser mit vorwiegend Laufkundschaft,
- dagegen die intimeren Theater der Wohngegenden mit ihrer Stammkundschaft.
Zwischen den genannten Typen gibt es Abstufungen und Kreuzungen.
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Nochmal : die einzelnen Typen
Trotzdem ist es nicht überflüssig, die einzelnen Typen zu nennen, weil jede dieser Erscheinungs- und Betriebsformen bestimmte Forderungen an das Bauprogramm und die Gestaltung stellt. Beispielsweise gelten für das Uraufführungstheater nicht die Einschränkungen über Garderoben und Foyers. Das Premierenpublikum unterscheidet sich nicht mehr von dem eines Bühnenhauses.
Das große Theater
Das große Theater wird stets ein Bühnenpodium vorsehen, auch wenn es als reines Lichtspieltheater betrieben werden soll. Im Gesamtaufwand spielt die Anlage des Podiums keine Rolle, und vor einem sehr breiten Bild muß ohnedies ein großer, sonst nicht nutzbarer Abstand bis zur ersten Sitzreihe bleiben.
Andererseits ist das kleine, intime Haus durchaus nicht nur die gegebene Form für das Vorstadttheater, mit reicher Ausstattung kann es sich als Luxustheater neben dem großen Palast behaupten.
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Die Funktion des Filmtheaters in der Kleinstadt
In der Kleinstadt wird das Filmtheater sehr oft zu dem allgemeinen kulturellen Mittelpunkt. Wenn die Gemeinde ein Bühnentheater und einen Konzertsaal wirtschaftlich nicht tragen kann, wird die Verbindung mit dem Lichtspiel ein entsprechend würdiges und ansehnliches Gebäude ermöglichen.
Gerade diese Form des Theaters der Klein- und Mittelstadt wird in der Zukunft noch wachsende Bedeutung haben und widerlegt am besten die früher oft geäußerten Befürchtungen, daß der Film mit der Zeit die älteren Formen des Theaterwesens niederringen würde.
Je mehr sich der Film auf die ihm eigenen künstlerischen Wesenszüge besinnt, um so wichtiger wird die gemeinsame Existenz aller Kunstformen nebeneinander werden. Daß die Art der seit langem eingebürgerten Programmgestaltung alle Unterscheidungen des Filmtheaters nach dem Charakter der Darbietungen, wie sie das Bühnentheater vielfältig herausgebildet hat mit den Begriffen „Lustspielhaus", „Komische Oper" u. a., verhindert hat, ist weiter oben schon erwähnt worden.
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Das AKI, das Aktualitäten-Kino
In Deutschland hat sich bisher eine im Ausland nicht seltene und beliebte Form des Lichtspielhauses noch nicht durchgesetzt: Das Journaltheater - "News theatre" oder "Cineac" sind die im Ausland geläufigen Bezeichnungen -, das meist als „Tageskino" schon ab Vormittag in einem meist nur einstündigen Programm mehrere Wochenschauen und daneben nur kurze aktuelle, bildende und propagandistische Filme bringt.
Der Spielfilm wird nur auf Kurzfilme beschränkt. Derartige Theater werden gern in der Nähe oder gar in Bahnhofsgebäuden selbst untergebracht. In einigen Fällen sind sie mit Restaurationsbetrieb verbunden, so daß ein ganz besonderer Typ entsteht. Manche Theater werden tagsüber als Journaltheater betrieben und geben abends eine oder mehrere normale Vorstellungen.
Damit sind die grundsätzlichen Überlegungen über das Filmtheater als technische Aufgabe schon überschritten. Bei den technischen Einzeldarstellungen wird aber mehrfach an die Typengliederung erinnert werden müssen.
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II Soziale und städtebauliche Einordnung
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Die allgemeine Lage, die Lage und nochmals die Lage
Die allgemeine Lage und der Bauplatz entscheiden mindestens für lange Zeit über die wirtschaftliche Existenz und die mögliche Größe, meist auch über den Charakter des Unternehmens. Die Interessen der Öffentlichkeit werden - abgesehen von den allgemeinen Bauvorschriften - in umfangreichen Sonderbestimmungen gewahrt. Vor jeder selbständigen privaten Planung müssen zunächst die Grenzen bekannt sein, die durch diese beiden Faktoren gezogen sind.
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1. Standortwahl und Dichte der Lage
Um einen festen Maßstab zu bekommen, wie dicht die Theater liegen dürfen, ist versucht worden, die Zahl der Sitzplätze zur Einwohnerziffer der betreffenden Gemeinden oder Wohnbezirke in Beziehung zu setzen.
Die so gewonnenen Zahlen in ausführlichen Statistiken lassen jedoch kaum ein sicheres Urteil über die praktisch brennende Frage zu, ob an einem bestimmten Platz noch Bedarf für einen neuen Betrieb ist oder nicht.
Im Reichsdurchschnitt war bis 1930 für je 33 Einwohner ein Platz in Filmtheatern vorhanden. In den folgenden Jahren hat sich diese Ziffer nur unwesentlich geändert. Werden entsprechende Ziffern einzelner Städte miteinander verglichen, so liegen sie zwar fast durchweg unter dem Durchschnitt, weil zahlreiche Landgemeinden ganz ohne Theater sind.
Überraschend ist jedoch zunächst, daß kleinere Städte sehr häufig mehr Plätze haben als Großstädte, nicht selten nur 10-15 Einwohner je Platz. Diese Tatsache und die starken Schwankungen der Platzdichte von Stadt zu Stadt zwischen 10 und 40 Einwohnern je Platz sind eine Warnung, den Wert der statistischen Zahlen zu überschätzen.
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Einzugsgebiete und Bevölkerungsdichte
Die Einzugsgebiete um die in der Statistik erfaßten Gemeindegrenzen können starken Einfluß haben, die soziale Struktur der Bevölkerung ist wesentlich, und die Film- und Theaterfreudigkeit hängt nicht nur von Stand und wirtschaftlicher Lage ab.
Orte mit starkem Verkehr, mit Besuchern von Märkten beispielsweise, werden natürlich wesentlich günstigere Voraussetzungen für ein Filmtheater bieten, als nach der zahlenmäßigen Rechnung zu erwarten wäre.
Umgekehrt konnte beobachtet werden, wie ein stark bevölkerter Vorort einer Großstadt das einzige Theater nicht mehr trug, weil der in der Stadt berufstätige Teil der Bevölkerung ohne wesentlichen Zeitverlust und ohne Mehrkosten (Monatskarte) mit der neu eingerichteten Schnellbahn lieber das Vergnügungszentrum in 10km Entfernung aufsuchte.
- Anmerkung : Oben liest man bereits 1950 im Ossiland die Gründe für den Niedergang des Kinofilms
Dies nur als Beispiel eines Einzelfalles! Aber schließlich hat jeder Standort besondere Verhältnisse, die vorsichtig abgeschätzt werden müssen und zuverlässigere Ergebnisse liefern werden als die statistische Zahl.
Man wird auch nicht wagen können, die von 1930 bis Kriegsausbruch ziemlich unveränderte Ziffer als einen Beweis anzusehen, daß mit dem Zustand etwa ein Sättigungsgrad erreicht wäre.
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Eine andere Zukunft der Kraft der ÖPNV Mobilität in Ostdeutschland
Der Theaterpark ist laufend verbessert worden, die Einführung des Tonfilms erforderte erhebliche wirtschaftliche Aufwendungen, die Unruhe der politischen und wirtschaftlichen Lage lähmte zeitweise die Unternehmungslust.
Alle diese Umstände reichen durchaus schon hin, um das Festhalten an einer einmal erreichten Platzzahl zu erklären. Neuerdings hat die örtliche und soziale Umschichtung großer Bevölkerungsmassen nicht nur in Deutschland neue Verhältnisse geschaffen, auf die alle früher gesammelten Erfahrungen nicht mehr passen wollen.
Immerhin kann mit aller Vorsicht das Ergebnis festgehalten werden, daß in geschlossenen Ansiedlungen mit städtischer Bevölkerung etwa 5.00 - 10.000 Einwohner ein ständig spielendes Lichtspieltheater lebensfähig erhalten können bei einer wirtschaftlichen Mindestzahl von etwa 300 Plätzen.
In der Landstadt kann zur Einwohnerschaft der Teil der Bevölkerung der Umgebung zugezählt werden, der beruflich mit der Stadt verbunden oder durch besonders günstige Verkehrsverbindungen rasch herangeführt werden kann. Das nicht täglich spielende Theater wird den Theatersaal auch für andere Zwecke ausnützen müssen, die dann für Anlage und Fassungsvermögen ausschlaggebend sein werden.
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- Anmerkung : Diese Voraussage hat sich in Westdeutschland nach 1956 ganz schnell als total überholt erwiesen. Die hier begrüßten Dorfkinos sind in extrem kurzer Zeit nahzu vollständig gestorben, weil die neue Mobilität im aufstrebenden Wohlstand ganz neue Perspektiven gezeigt hatte.
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2. Fassungsvermögen im Einzelfall
Jede Theateranlage, auch die kleinste, braucht zunächst einen bestimmten Mindestaufwand für bauliche, apparatetechnische Einrichtung, dazu mindestens drei Personen: je eine am Bildwerfer, an der Kasse und im Zuschauerraum.
Soll die Platzzahl über die angenommene Zahl allmählich ansteigen, so wachsen zunächst nur die Baukosten für den vergrößerten Zuschauerraum. Die Baukosten werden rascher ansteigen, sobald auch die Nebenanlagen dem Saal entsprechend ebenfalls erweitert werden müssen.
Schließlich wird eine Größe erreicht, bei der auch die zuerst angenommene einfache Gesamtordnung eines einfachen Saaltheaters nicht mehr genügt:
Der Saal muß überhöhte Sitzreihen oder gar einen Rang erhalten, dadurch wird der vorher einfache Vorraum zu einem ganzen System von Zu- und Abgängen mit Treppenanlagen erweitert. Der Zuschauerraum selbst wird so breit, daß er besondere Deckenkonstruktionen erfordert, und mit allen umfangreichen baulichen Anlagen steigen die Betriebskosten für Aufsicht, Wartung, Beleuchtung und Heizung mit Lüftung.
Schließlich werden Abmessungen erreicht, bei denen für einen großen Teil der Zuschauer durch zu große Abstände vom Bild optische Nachteile und akustische Schwierigkeiten entstehen, die in den folgenden Abschnitten noch gesondert und eingehend behandelt werden müssen.
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Die wirtschaftlichste Theatergröße
Die Frage nach der wirtschaftlichsten Theatergröße läßt sich schwer eindeutig beantworten, deshalb ist im vorstehenden Absatz das Beispiel eines sich allmählich vergrößernden Theaters gegeben.
- Anmerkung : Mir ist in den 55 Jahren meiner Beobachtung hier in Westdeutschland nicht ein einziges Kino untergekommen, welches die Anzahl der Platze erhöht hatte.
Eine Mindestzahl von Plätzen muß zunächst vorhanden sein, wenn die kleinste und sparsamste Anlage wirtschaftlich ausgenützt werden soll, sie kann etwa mit 200 Plätzen angenommen werden.
Der wirtschaftliche Nutzen steigt dann mit wachsender Platzzahl an, und nach zahlreichen Erfahrungen scheint bei 600 - 800 Plätzen eine besonders günstige Betriebsgröße erreicht zu sein.
Ein fester, zahlenmäßig belegter Beweis wäre nur möglich, wenn von möglichst zahlreichen Theatern Wirtschaftszahlen zu sammeln und zu vergleichen wären. Bei weiterer Vergrößerung des Fassungsvermögens steigen die Kosten dann rascher, bis mit 1.000 -1.200 Plätzen die volle Gesamtanlage des mittleren Großtheaters vorhanden ist.
Innerhalb des Bereichs zwischen 1000 und 2000 Plätzen scheint wieder eine Spanne zu liegen mit besonders günstigen Bedingungen für die Wirtschaftlichkeit. Hierüber genaue, zuverlässige Beweise zu geben, ist noch schwieriger als für die Theater mit weniger als 1000 Plätzen.
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Die obere Grenze für die Größe eines Film-Theaters .....
Wo die obere Grenze für die Größe eines Theaters überhaupt liegt, ist eine müßige Frage, denn die großen Filmpaläste werden meist aus repräsentativen Gründen errichtet bei vollem Bewußtsein der Tatsache, daß sie wirtschaftlich mindestens gewagt oder sogar sicher unrentabel sind.
In Deutschland gab es Theater mit über 2.000 Plätzen niemals viel mehr als ein Dutzend, Theater mit mehr als 3.000 Plätzen überhaupt nur in Düsseldorf und Nürnberg.
- Anmerkung : Der Blick des Autors aus dem Ossiland (Halle) von 1949 war natürlich nicht so umschweifend wie der Blick der Planer und Verkäufer bei der UFA Handel (Zeiss Ikon) bzw. bei Kinofilm-BAUER oder bei Philips. In Westdeutschland wuchsen nach 1950 noch einige Film-Paläste aus dem Boden.
Weil mit der Ansammlung größerer Zuschauermassen die Gefahren im Panikfall wachsen, sind die sicherheitspolizeilichen Vorschriften für die einzelnen Größenklassen gestaffelt. Sie unterscheiden Theatersäle mit weniger als 200 Plätzen, solche bis zu 600, bis 1200 und über 2000 Platze. Um die verschiedenen Anforderungen oder Erleichterungen besser übersehen zu können, seien hier die verschiedenen Paragraphen kurz aufgezählt, ohne den vollen Wortlaut nachzudrucken.
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Ein Blick auf die Kinos ab etwa 200 Plätzen und mehr
Für das Kleinsttheater mit weniger als 200 Plätzen gibt es erleichternde Ausnahmen in den §§ 7, 9,1 u. 20 der letzten noch heute gültigen Fassung vom 18. März 1937 der „Polizeiverordnung über Anlage und Einrichtung von Lichtspieltheatern und über die Sicherheitsvorschriften bei Lichtspielvorführungen", im folgenden immer mit „Li" hinter der Ziffer des angezogenen Paragraphen abgekürzt.
Eine wichtige Abgrenzung liegt bei 6.00 Plätzen (in Westdeutschland sind es vorher noch 300 Plätze), weil von dieser Größenklasse an zahlreiche Erleichterungen über die Lage zur Straße, für die Höhe zur Straße und dem umgebenden Gelände und für die Notbeleuchtung fortfallen (vgl. dazu die §§ 11,1, 12,8, 16,1, 17,1 und 27,5).
Von 1.200 Plätzen an kommen nur besondere Bestimmungen für die Mindestbreite der Höfe in § 6,3 hinzu. Für die größten Theater mit mehr als 2.000 Plätzen werden schließlich im § 5 besondere Voraussetzungen für die Lage des Bauplatzes verlangt.
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3. Wahrung öffentlicher Belange - Sicherheitsvorschriften (1937)
Alle das Lichtspieltheater betreffenden Polizeivorschriften, gleichgültig, ob auf den Bau, die apparative Einrichtung, den Betrieb oder die verantwortlichen Personen erlassen, sind unter dem 18. März 1937 für das deutsche Reichsgebiet einheitlich und übersichtlich zusammengefaßt in der „Polizeiverordnung über die Anlage und Einrichtung von Lichtspieltheatern und über die Sicherheitsvorschriften bei Lichtspielvorführungen" (Li.).
Jede Menge an "Polizeiverordnungen"
In ihr wird nur noch an zwei Stellen (§§ 24 u. 42) auf die besondere „Polizeiverordnung über Errichtung und Betrieb elektrischer Anlagen" verwiesen. Die erstgenannte Vorschrift bezieht sich aber nur auf reine Saaltheater ohne Bühne, aber auch ohne Podium und Ranganlage.
Bei der Planung von Neu- und Umbauten wird man deshalb meist die alte, immer wieder ergänzte „Polizeiverordnung über die bauliche Anlage, die innere Einrichtung und den Betrieb von Theatern, öffentlichen Versammlungsräumen und Zirkusanlagen" hinzuziehen müssen. (Abgekürzt mit „Th".)
Bauherren und Architekten sehen auch bei zuerst nur flüchtiger Bekanntschaft in diesen Paragraphen (in beiden Verordnungen zusammen sind es ziemlich genau 200) nur den Engpaß, durch den ihr Unternehmungsgeist und ihre Phantasie hindurchgezwängt werden soll.
In der Tat haben die Verordnungen auch mit einigen kurzen Sätzen bestimmte bauliche Formen unmöglich gemacht, wie beispielsweise das durch jahrhundertelangen Gebrauch entwickelte Logenhaus und das Theater mit mehr als einem Rang für Lichtspieltheater ganz verboten, für Bühnenhäuser stark eingeschränkt.
Die allgemeine Entwicklung wäre vielleicht den gleichen Weg gegangen in diesem einen Fall. Aber beispielsweise ist ein beliebter Baugedanke, der gerade bei der Gestaltung des „Volkstheaters" sinnvoll und schön ist: die im Zuschauerraum liegende dekorative Freitreppe zwischen Rang und Parkett, ebenfalls verboten (Tafel XXJI).
- Anmerkung : Mit der Einführung und Umstellung von Nitrfilm auf den Sicherheitsfilm sind viele dieser Verordnungen aufgehoben bzw. relativiert worden.
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Verordnungen : Die Erfahrungen aus Panik / Theaterbränden
Aber wenn man auch daran zweifelt, wie stark die Entwicklung von Bauformen durch Polizeiverordnungen gelenkt werden darf, so muß zunächst einmal die Summe an Erfahrungen und technischem Wissen in ihnen gesehen werden.
In der knappen Formulierung der Verbote und Bestimmungen ist zwar ihre Begründung nicht immer sofort ersichtlich. Man wende auch nicht ein, daß in einem Filmtheater außer dem höchst feuergefährlichen Filmmaterial keine wesentlichen Gefahrenquellen mehr vorhanden sind.
Die Erfahrungen bei Theaterbränden haben gezeigt, daß die Opfer an Toten und Verletzten großenteils im Gedränge der Fliehenden, nicht durch das Feuer selbst verursacht werden, und daß zweitens keine großen Mengen brennbaren Materials dazu gehören, um die Panik auszulösen und um Hitzegrade und Gasmengen im Zuschauerraum zu erzeugen, die bereits in den ersten Minuten nach voll entfachtem Feuer die Opfer niederstrecken.
Die Polsterungen des Gestühls, Wandbekleidungen aus Holz oder Stoffen, besonders aber die sich an unzugänglichen Stellen ansammelnden Staubmengen genügen, um mit Stichflammen, denen vielleicht kaum ein entsprechender Großbrand folgt, die Panik auszulösen.
Aus akustischen Gründen, abgesehen von den dekorativen Vorzügen, kann das Lichtspielhaus auf brennbare Baustoffe in der Innenausstattung nicht immer verzichten. Imprägnierungen wirken nur begrenzte Zeit und werden trotz polizeilicher Vorschrift oft nicht rechtzeitig erneuert.
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Bedingungen auch als „Kann - Bestimmung"
Es gibt also Gründe genug, in den Polizeiverordnungen nicht nur den lästigen Zwang, sondern die Hilfe zu sehen, den öffentlichen Belangen und der eigenen Haftpflicht zu genügen.
Bei näherem Studium wird man überdies sehen, daß mit großer Umsicht an die meisten Sonderfälle bereits gedacht ist und Ausnahmen, Erleichterungen entweder als „Kann - Bestimmung" oder unter Bedingungen vorgesehen sind.
Ist der Sinn der ganzen Verordnung erfüllt, wird es im Einzelfall leicht sein, eine Abweichung vom Wortlaut durchzusetzen (vgl. das besonders auffallende Beispiel eines 1.200 Platz- Theaters ohne jeden Hofausgang, aber mit sehr großzügiger und geistreich gelöster Treppenanlage mit acht Ausgängen unmittelbar zur Straße, Abb. 133 - 135).
Die polizeilichen Bestimmungen müssen also im praktischen Fall schon bei der Wahl des Bauplatzes oder des bereits vorhandenen Gebäudes, in dem der Theatersaal nachträglich eingerichtet werden soll, herangezogen werden, weil dann sofort unter den zahlreichen Möglichkeiten, die jede Bauaufgabe zuerst bietet, einige ausscheiden.
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Vorausarbeiten für die Planung eines Hauses
Bevor das Bauprogramm aufgestellt wird, bestimmt man zweckmäßig das Fassungsvermögen des Saales, das möglichst erreicht werden soll. Stellt sich schon bei den ersten Vorentwürfen heraus, daß Ausnahmebewilligungen von wichtigen Bestimmungen nötig sein werden, so sollte man die zuständige Behörde frühzeitig einschalten, nicht erst nach der Bearbeitung der vorgeschriebenen Einreichpläne.
Abgesehen von vielleicht nützlichen Ratschlägen der Sachbearbeiter ist es psychologisch verständlich, daß die Bereitschaft, Ausnahmen zu gestatten, wächst, wenn der verantwortliche Beamte schon im Verlauf der vorbereitenden Arbeit die Schwierigkeiten kennt.
Der Inhalt der Verordnungen wird, soweit er für die bauliche Anlage wichtig ist, in den folgenden Abschnitten jeweils im Zusammenhang mit dem entsprechenden Sachgebiet behandelt.
Schon hier die Bestimmungen im ganzen zu überblicken, würde zu zahlreichen Wiederholungen führen (siehe besonders S. 61 f., 80 f., 82 u. 85 ff).
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Rauchen in allen Räumen und Fluren des Kinos verboten
Von allgemeinem Interesse ist aber noch § 32 Li, weil er im Gegensatz zu einigen fremden Ländern das Rauchen in allen Räumen und Fluren, die zu einem Lichtspieltheater gehören, grundsätzlich verbietet.
Absatz 3 desselben Paragraphen nimmt den Zuschauerraum ausdrücklich von jeder Ausnahmebewilligung aus, die für die Nebenräume unter gewissen Bedingungen etwa ermöglicht werden könnten.
Ob ein Theater durch Aufheben des Rauchverbots Besucher gewinnen oder verlieren kann, soll hier nicht erörtert werden. Daß es bei bestimmten Beschränkungen in der Innenausstattung möglich ist, die zusätzliche Feuersgefahr fast auszuschließen, soll ohne weiteres zugegeben werden.
Vergessen wird aber bei der Behandlung dieser Fragen meist, daß im Rauchtheater das Bild sehr leidet. Es wird durch den Rauch nicht nur vernebelt und verdunkelt, sondern unangenehmer ist bei bereits ganz geringen Rauchmengen in der Luft das starke Aufleuchten des Lichtkegels, der dadurch nach allen Seiten zu strahlen beginnt und den Raum erhellt. Der Kontrastreichtum des Bildes wird damit herabgesetzt.
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So weit die Vorschläge und Empfehlungen aus 1949
Ganz viele dieser Gedanken sind in den 30 Jahren nach 1950 - auch durch den Niedergang der kinos beschleunigt - ganz anders geworden. Die Entwicklung ist nicht stehen geblieben.
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