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Die kleine Geschichte des Films (verfasst im Jahr 1959)

1959 war es für Taschenbuchverlage noch sehr aufwendig, die Texte ausführlich und komfortabel lesefreundlich zu bebildern. Jedes Bild musste aufwendig positioniert werden und der Text hätte dann nicht mehr verändert werden können. Darum waren die raren Bilder oft in der Mitte auf 10 oder 20 Seiten am Stück gebündelt - so auch hier. Weiterhin wurden bei der Überarbeitung mißverständliche Formulierungen und sonstige Fehler verbessert sowie Kommentare ergänzt.

Kapitel VII
UNTER DER VORHERRSCHAFT HOLLYWOODS


Die weltweiten Erfolge Griffiths und Chaplins sind das Zeichen für das Übergewicht, welches die amerikanische Filmwirtschaft nach dem ersten Weltkrieg den europäischen Produktionsländern gegenüber erreicht hatte.

Ausbau der Machtposition

Und Hollywood zögerte nicht, seine neue Machtposition auszubauen. Diese Filmstadt in Kalifornien entwickelte sich zu einer einzigen Fabrik zwecks Herstellung von Träumen für den Bedarf der ganzen Welt.

Viel Kitsch, viel Mittelmäßiges und wenig Kunst kam aus ihren Ateliers, aber so, wie die „Ware" herauskam und auf den Leinwänden aller Kontinente erschien, so verwandelte sie auch diese Welt. Hollywood änderte, wenn nicht die Moralgesetze, so doch das moralische Verhalten der Welt, ihre Sitten und Gebräuche und ihre Lebensgewohnheiten.

Die „Amerikanisierung" begann, und sie machte weder vor den Kolonialländern halt noch vor einem Staat wie der Sowjetunion. Gegen den Bubikopf, den „Charleston" und gegen solche Schlager wie „Yes, we have no bananas" wußte die Menschheit von 1922 kein anderes Mittel, als sich zu ergeben.

Hollywood rechnete kühl und gnadenlos

Je schlechter es den europäischen Staaten nach der Ausblutung des ersten Weltkriegs materiell erging, desto kühler rechnete Hollywood. Seine Filmmagnaten begaben sich auf den Markt des europäischen Ausverkaufs und heimsten ein, was dort an künstlerischen Kräften so willig wie billig zu haben war.

Europas fähigste Regisseure und seine berühmtesten Darsteller schlossen Verträge mit Hollywood ab. Die Künstler durften sich sagen, daß sie recht taten. Neben der Verlockung einer hohen Gage spielte die Überlegung mit, daß ihre Talente ihrem jeweiligen Ursprungsland ja erhalten blieben.
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Die Welt verband eine Sprache - das Schweigen

Noch war der Film stumm - sein Schweigen war die einzige Sprache, die international verstanden wurde. So kehrten die großen Regisseure und Darsteller, die Hollywood importiert hatte, als internationale Exportartikel zurück. Oft geglättet und über den Einheitsleisten der „Traumfabrik" geschlagen, oft aber auch für ihre wahren Wirkungen und Möglichkeiten zurecht-geschnitten, um nicht zu sagen: geradezu neu entdeckt.

Hollywood hatte vom "Edison-Trust" gelernt

Überblickt man das Jahrzehnt der absoluten Vorherrschaft Hollywoods, so läßt sich sagen, daß die amerikanische Filmindustrie zwar ein Standardprodukt der Marke Hollywood herzustellen bemüht war, daß sie aber das Beispiel des Edison-Trusts nicht wiederholte. Sie hatte zu eindringlich gelernt, wie verhängnisvoll es ausschlug, den Film als Ware, wie einen x-beliebigen Konsumartikel betrachtet zu haben. Deshalb gab Hollywood immer wieder die Zustimmung und immer wieder das Geld für filmische Wagnisse, für Außenseiter und für Drehbücher, deren Ideen den herrschenden Tagesmoden ins Gesicht schlugen.

Hollywood wußte - jeder war käuflich

Hollywood wußte, daß es mit seinen Wochenschecks und Jahresverträgen hochqualifizierte Fachleute „einkaufen" konnte, doch auch, daß es damit nicht genug war. Je stärker die Künstlerpersönlichkeit, desto mehr individuelle Entfaltungsmöglichkeit mußte man ihr geben, wollte man gewinnen.

Und gewinnen wollte man. Aus den geschäftlichen Mißerfolgen von Filmen so eigenwillig-künstlerischen Zuschnitts wie Grifflths „Intolerance" oder Erich von Stroheims „Greed" zogen die Produzenten ihre Lehre. Enttäuscht von den Kassenrapporten verließen sie sich jetzt nicht mehr auf die kostspieligen Einfälle der Regisseure allein, und sie weigerten sich, deren optische Expeditionen ins unbekannte Filmkunstland ohne gewisse Sicherungen zu finanzieren. Und solche Sicherungen boten sich jetzt in der Zugkraft der Darstellernamen, der Stars an.

Hollywood und der Starkult

Hollywood baute - mit allen Mitteln raffinierter amerikanischer Werbemethoden - den Starkult aus. Auf diese Weise wendeten die Geschäftsleute das Blatt: suchte sich vorher der Regisseur für seinen Stoff die Darsteller aus, die ihm dafür geeignet erschienen, so brachte nun der Filmhersteller gleich den Star mit (den er meist mit hohen Gagen der Konkurrenz abgewonnen hatte), und häufig genug brachte er auch gleich den Filmstoff mit, der ja den Vorstellungen zu entsprechen hat, welche das Publikum von seinen Lieblingen hegt.

Dem Regisseur blieb nichts anderes übrig, als anzunehmen oder abzulehnen. Damit war aber der Regisseur alten Stils abgeschafft, der Mann, der als oberste künstlerische Instanz bei der Herstellung eines Films fungiert hatte; er sank zum Handwerker herab - das Gesamtkunstwerk „Film" entsprang nicht mehr seinem Kopf.

Es wurde von Starmanagern in Vorschlag gebracht, von Marktbeobachtern geprüft und erst nach der Abschätzung seiner finanziellen Erträgnisse dem Regisseur zur „Realisation" übergeben. Dies war die gewöhnliche Praxis, Ausnahmen bestätigen auch hier nur die Regel.

Gegenwehr war zwecklos

Weder Griffith noch etwa sein Schüler und Mitarbeiter Stroheim konnten sich mit dieser Einschränkung und Beschneidung ihrer künstlerischen Funktionen zufrieden geben - Hollywood ließ beide erbarmungslos fallen.

Die Zeit für Experimente war vorbei, die Epoche der Arbeitsteilung brach an, für das Geschäft zeichnete künftig der Produzent allein verantwortlich, und die Kunst hatte sich nach ihm zu richten. Im Zeitalter des laufenden Bandes ist diese Entwicklung nur zu begreiflich, und sie in ihrer Nacktheit festzustellen heißt noch nicht, sie zu beklagen.

Zwar wurden mancher Phantasie die Flügel gestutzt, andererseits machte aber der freie Wettbewerb eine Menge von künstlerischen Energien frei, die sonst verborgen geblieben wären, und die Filmeinöde der Diktaturländer beweist im übrigen ja wohl, daß dort, wo das Geld - also die Filmindustrie - keine Rolle spielt, weit weniger oft filmische Kunstwerke entstehen als hier, wo ihnen immer die Chance geboten ist, sich aus den Zufällen von Angebot und Nachfrage herauszukristallisieren.
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Hollywood wurde zur „Traumfabrik"

Hollywood hieß die „Phantasiemaschine" oder auch die „Traumfabrik". Von deren Fließbändern erwartete man jetzt keine künstlerischen Offenbarungen mehr, sondern Filme, deren Ansprüche wie Markenartikel genormt und auf drei oder vier Stufen des geistigen Bedarfs eingestellt waren. In einer Art freiwilliger Selbstkontrolle hatten sich die Produzenten auch auf das äußerst Zumutbare des moralischen Inhalts der Hollywood-Filme geeinigt, so daß ihrer Verbreitung in aller Welt nichts mehr im Wege stand. Als Gegengabe für diese Beglückung hatte die nichtamerikanische Welt lediglich ihre besten Darsteller und Regisseure auf längere oder kürzere Dauer nach Hollywood abzustellen.

Die Beteiligung war international

Auf die Beteiligung Deutschlands wollen wir etwas ausführlicher zu sprechen kommen, aus den übrigen Filmländern seien Namen der wichtigsten Regisseure, die für Hollywood arbeiteten, genannt:
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  • Aus Schweden: Maurice Stiller (1883-1928), der zugleich seine Entdeckung, die spätere Weltattraktion Greta Garbo, mitgebracht hatte, und Victor Sjöström (geb. 1879);
  • aus Dänemark: Benjamin Christensen (geb. 1879);
  • aus Ungarn: Paul Fejos (geb. 1897);
  • aus Österreich: Alexander Korda (1893-1955) und Fred Zinnemann (geb. 1907);
  • aus Frankreich: Claude Autant-Lara (geb. 1903) und Jacques Feyder (1888-1948); und schließlich
  • aus Rußland: Serge Eisenstein (1898-1948).

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Kein Reggisseur durfte an Hollywood vorbei gehen

Die Österreicher Erich von Stroheim (1885-1958) und Josef von Sternberg (geb. 1894) waren bereits vor dem ersten Weltkrieg nach Amerika gekommen und hatten sich als Regisseure durchgesetzt. Nach 1930 ist es die Regel, daß europäische Regisseure, die in ihrem Heimatland Erfolg haben, die Einladung bekommen, in Hollywood zu arbeiten. Im Zeitalter des Tonfilms (und des Flugzeugs, das die Entfernungen überwindet) bleibt es meistens bei speziellen Aufträgen, sozusagen bei Gastspielverpflichtungen.

Damals ging es um jahrelangen Aufenthalt der Künstler in Hollywood. Die Liste aller nichtamerikanischen Regisseure, die in Hollywood drehten, aufzuführen, erübrigt sich, denn man kann als Faustregel aufstellen, daß es keinen namhaften Regisseur gegeben hat, der sich nicht die Mutprobe Hollywood auferlegt hätte. Die Ausnahme macht Carl Dreyer (geb. 1889 in Dänemark), der Schöpfer einer unvergessenen Verfilmung von „Jeanne d'Arc" (1928).
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80% der Filme kamen aus Hollywood - weltweit

Während der Epoche seiner absoluten Vorherrschaft auf dem Filmweltmarkt produzierte Hollywood rund achthundert Filme jährlich (von neunhundert bis eintausend Filmen, die in der gesamten Welt hergestellt wurden) - das erforderte einen Kapitalaufwand von rund zweihundert Millionen Dollars, und das bedeutete, daß damals siebzig bis neunzig Prozent aller Kinoprogramme der Welt von Hollywood-Filmen bestritten wurden.

Europa spielte überhaupt keine Rolle

Demgegenüber eine Zahl aus Europa: England hat im Jahre 1927 nur sechsundzwanzig Spielfilme hergestellt. Für Frankreich und Italien lagen die Verhältnisse etwas günstiger, dagegen fielen die skandinavischen Länder beinahe ganz aus. Österreich behauptete sich mit seinem Wiener-Walzer- Operetten-Exportartikel, Rußland überraschte mit künstlerischen Sensationen (die aber filmwirtschaftlich nicht ins Gewicht fielen), und am günstigsten schnitt Deutschland ab - die besiegte Nation.

Eine einzige gefährliche Konkurrenz - die UFA

In Berlin, genauer gesagt mit der Ufa, erstand tatsächlich die einzig gefährliche Konkurrenz für Hollywood. Das war ein Sieg Ludendorffs, wenn auch einer, an den er zuletzt gedacht haben wird.

Doch es hatten in der Tat die paar Jahre der von dem Propagandisten des totalen Krieges erzwungenen filmwirtschaftlichen Konzentration genügt, um die technischen und finanziellen Vorbedingungen für eine Reihe von deutschen Filmen zu schaffen, die Schule machten. Das bedeutete noch nicht unbedingt, daß sie sich auch den internationalen Markt eroberten, den deutschen und den kontinentaleuropäischen beherrschten sie - und auch dies nur dank eines Verleihernetzes, das während der Ab- und Aussperrung der Mittelmächte in den Jahren zwischen 1914 und 1918 notgedrungen aufgebaut worden war.
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Auf gewöhnlichem Wege war der UFA nicht beizukommen

Diese deutsche Situation bot Grund genug, von dem von seiner Ausschließlichkeit träumenden Hollywood als Pfahl im Fleisch empfunden zu werden. Ihre finanzielle Überlegenheit auszuspielen, hätte den Amerikanern jetzt wenig genutzt, denn die deutschen Filme zeigten soviel künstlerische Originalität und soviel technischen Witz, daß ihnen auf so gewöhnlichem Wege nicht beizukommen war. Natürlich darf man dies Verdienst nicht auch Ludendorff zuschreiben.

Die Vorbedingungen dazu hatte Max Reinhardt geschaffen. Dank diesem fanatischen Theatermann war Berlin seit Beginn des neuen Jahrhunderts zur führenden Theaterstadt der Welt emporgerückt. Wer von den Darstellern und Regisseuren aus der reichen Theaterprovinz Deutschlands etwas gelten wollte, der mußte bei Reinhardt gespielt oder für ihn inszeniert haben.

Max Reinhardt

Reinhardt hieß der mächtige Magnet, der auch die theaterbesessene Jugend nach Berlin zog: Aus Reinhardts Schauspielschule, aus Reinhardts Dramaturgenbüro, aus Reinhardts Regielehre zu kommen, bedeutete schon die halbe Karriere. Und so wenig glücklich Max Reinhardt als Filmregisseur auch war, so übte er über seine Schüler doch den größten Einfluß auf das gesamte künstlerische Filmschaffen aus. Zu diesem meßbaren Einfluß kommt noch der unmeßbare hinzu, der sich aus den tausend Anregungen ergibt, den sich die Filmschauspieler und -regisseure bewußt oder unbewußt aus den Reinhardtschen Inszenierungen holten.

Ernst Lubitsch

Als der bedeutendste der aus der Reinhardtschule direkt hervorgegangenen Filmregisseure ist Ernst Lubitsch (1892-1947) zu nennen. Er hatte bei Reinhardt spielen und inszenieren gelernt; zum Film - und zwar zur „Union" Paul Davidsons - war Lubitsch mit seiner eigenen Drehbuchidee gekommen (einem Einakter „Fräulein Seifenschaum"), die er als Regisseur ausführen durfte. Nach einigen Filmlustspielen wie „Kohlhiesels Töchter" (1920, mit Henny Porten und Emil Jannings) schuf er Kostümfilme, von denen „Sumurun" (1920, mit Pola Negri und Paul Wegener) die Abhängigkeit von Reinhardt am deutlichsten verrät.

Lubitschs Stärke war aber das Kammerspiel (wie Strindbergs „Rausch", 1919, mit Asta Nielsen) und die Filmkomödie im Kammerspielton. Mit dieser Spezialität sollte Lubitsch dann seit 1922 in Hollywood Karriere machen, wo er als Schöpfer eines geistreichen, anmutig-frivolen Genres den Gipfel internationalen Ansehens erklomm. „Lady Windermeres Fächer" (1925), „Liebesparade" (1930, mit Maurice Chevalier und Jeanette MacDonald) und „Ninotschka" (1939, mit Greta Garbo) gehören zu seinen Meisterwerken.

Friedrich Wilhelm Murnau

Aus Reinhardts Regieschule kam auch der nächste der großen Filmregisseure der Stummfilmzeit: Friedrich Wilhelm Murnau (1889-1931). Er war im Gegensatz zu Ernst Lubitsch kein gelernter Schauspieler; er hatte Philosophie und Kunstgeschichte studiert - seinen Filmen fehlte das Komödiantische, nicht aber die optische Phantasie, mit der er Lubitsch weit überflügelte. Jedes seiner Werke schien ein Neuland der Schwarz weiß Wirkungen zu entdecken; 1919 „Der Knabe in Blau", 1920 „Gang in die Nacht" (mit Erna Morena und Conrad Veidt), 1921 „Schloß Vogelöd", 1922 „Der brennende Acker" (mit Lya de Putti und Alfred Abel) - Filme, in denen das Licht immer bewußter und folgerichtiger dazu benutzt wurde, „Stimmung" auszudrücken. In seinem expressionistischen Stück „Nosferatu" hatte Murnau die Kamera dann so weit gebracht, daß sie eine „Symphonie des Grauens" ausdrücken konnte.

Murnaus Kameramann Karl Freund

Aber nicht genug damit: um das „intime Theater", das Murnau bei Reinhardt geübt hatte, auf den Film zu übertragen, mußte die Kamera selbst aus der Starrheit und Unbeweglichkeit ihrer festen Position gelöst werden. Es genügt Murnau nicht, daß man sie auf einen Wagen montierte, um bestimmte Aufnahmen zu erleichtern - sie sollte nicht weniger beweglich sein als Personen des Films selbst.

Diese Überlegung, von Murnaus Kameramann Karl Freund in die Praxis umgesetzt, führte zum epochemachenden Werk der „schwenkenden Kamera": zum besten Kammerspiel des Stummfilms überhaupt, zum „Letzten Mann", 1924. Nach einem Drehbuch von Carl Mayer spielte Emil Jannings die Rolle eines Hotelangestellten, der von seiner stolzen Höhe als goldbetreßter Portier zum Toilettenwärter degradiert wird. Eine Rolle, die ebenso Emil Jannings wie der „schwenkenden Kamera" auf den Leib geschnitten war.

Im Drehbuch Carl Mayers sind schon alle Schwenkungen vorgesehen, welche die Kamera auszuführen hatte, damit sie auch den kleinsten Nuancen der Kunst dieses großen Schauspielers so nahe wie möglich komme. Jedes Näherkommen der Kamera ersparte gleichsam einen Zwischentitel. So war es gewollt.

Das war neu: Mit der Kamera vor dem Bauch

Jedoch nicht nur den Darstellern, auch den Objekten der Kulisse folgte die Kamera. Bewegung hieß in diesem Film alles, und Freund erzählt, daß er, die Kamera um den Leib geschnallt, mit tanzartigen Gebärden dem Tanz der Hotelgäste folgte, um ihn aufzunehmen.

1926 - Die Ufa-Produktion des „Faust"

Diese technische Sensation war es vor allem, die in Amerika Aufsehen erregte; für Murnau und Jannings folgten Einladungen nach Hollywood auf dem Fuße. Vorher drehte Murnau mit Jannings noch einen Film, der ebenso wie „Der letzte Mann" für die Ufa-Produktion dieser Zeit berühmt wurde: „Faust" - mit einem Aufgebot erster Darsteller und nach einem geschickten Drehbuch, heute noch sehenswert, weil Murnau diszipliniert vorging und sich nicht von der Fülle der Gesichte verführen ließ. Soziologisch gesehen war mit dem Faustfilm 1926 so etwas wie eine Osterhoffhung des Glaubens der Deutschen an die Deutschen nach der Nacht der Niederlage wach geworden. Und die Ufa war es, die dieses Auferstehungsgefühl erweckt hatte: „unsere Ufa".

1930 - Murnaus letzte Filme

In Hollywood drehte Murnau „Sunrise" (1927, nach Sudermanns „Reise nach Tilsit"), „Die vier Teufel" (1928, nach der Novelle von Hermann Bang), um dann 1929/30 gemeinsam mit Robert J. Flaherty den unvergeßlichen Südseefilm „Tabu" zu drehen. Murnaus weitere Pläne machte ein tödlicher Autounfall allzufrüh zunichte.

Fritz Lang

Fritz Lang bei den Aufnahmen "Frau im Mond" mit Cutr Courrant

Der Weg des dritten der deutschen Meisterregisseure der Ufa-Stummfilmzeit, der Weg Fritz Langs, ging nicht von Berlin und nicht von Max Reinhardt aus. Lang (geb. 1890) stammt aus Wien; er kam über die Schriftstellerei zum Film, genauer gesagt als Verfasser von Drehbüchern.

Seiner Phantasie, die er, ein Architekt und Maler von Beruf, zu nutzen gedachte, setzte der Film, wie er bald merkte, keine Schranken. So schrieb er für Joe May, der die italienische Spezialität der Monstre-Fortsetzungsfilme in Deutschland pflegte (meist mit seiner Gattin Mia May in der Hauptrolle), 1920 den Film „Das indische Grabmal". Gleich in den ersten Filmen, die er inszenierte, verriet Fritz Lang seine Vorliebe für exzentrische Stoffe - ein Hang, der, wie wir sahen, in der Unterhaltungsliteratur jener Zeit kräftig ausgebildet war.

Das Drehbuch zum „Indischen Grabmal" war nach einem Roman der Schriftstellerin Thea von Harbou (1888-1954) entstanden; Lang spürte diese spezifische Filmbegabung auf und ließ sich von ihr die Drehbücher all seiner nächsten Filme schreiben; diese gingen teils auf Originalstoffe der Harbou zurück, teils auf fremde Vorlagen. Lang filmte bei der Decla-Bioscop (Produktionschef: Erich Pommer), die erst im Jahre 1921 von der Ufa übernommen wurde.
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1921 - Die „Uco-Filme" der erfolgreichsten Ullstein-Romane

Noch als Decla-Filme erschienen: „Der müde Tod" (1921, mit Lil Dagover und Rudolf Klein-Rogge) und „Dr. Mabuse, der Spieler" (1922, mit Rudolf Klein-Rogge, dem Ehemann der Harbou, in der Titelrolle). Der Film nach einem Roman von Norbert Jacques, der als Vorabdruck in der dem Ullstein-Verlag gehörenden „Berliner Illustrirten" erschienen war und zu einem der größten Kassenerfolge der Stummfilmzeit wurde, gehörte in die Reihe der sogenannten „Uco-Filme".

Ullstein hatte 1920 mit der Decla-Bioscop einen Vertrag gemacht, nach welchem diese Firma das Recht hatte, die erfolgreichsten Ullstein-Romane zu verfilmen. Einen ähnlichen Vertrag machte Ullstein später mit der „Terra"-Filmgesellschaft, einer Firma, an welcher Ullstein auch finanzielle Interessen hatte.

1923 - UFA Monstrefilm mit Niveau - „Siegfrieds Tod"

Die Ehre des nächsten Projekts der Zusammenarbeit Lang/Harbou, eine Verfilmung der Nibelungensage, fiel dann der Ufa zu. Eine kleinere Firma hätte es wohl auch nicht verwirklichen können. Der Film erschien in zwei Teilen: „Siegfrieds Tod", 1923, und „Kriemhilds Rache", 1924. Was die Drehzeit und die Aufnahmekosten, was das Aufgebot an Menschen und an Material betrifft, so darf er als ein Monstrefilm gelten, aber es ist der erste, dem es gelang, Niveau zu halten. Die „Nibelungen" sind künstlerisch ebenso beeindruckend wie Fritz Längs kleinere Spielfilme, etwa wie „Der müde Tod" - und das ist gewiß eine Leistung. Seine größere Wirkung verdankte aber dieser Film weniger seiner Kunst als seinem Thema.

Die Psyche der Deutschen und das neue Nationalbewußtseins

Er löste eine erste Welle des deutschen Nationalbewußtseins aus, das sich nach den Schreckwirkungen der Niederlage von 1918 verflüchtigt zu haben schien. Am Beispiel dieses Films - dessen Besuch zum Pflichtfach aller Schulen gehörte - konnte es sich endlich neu entfachen, und dies um so ungehemmter, als es über den NibelungenstofF keinen kleinlichen Parteienstreit gab. Wenn sich die halbexpressionistischen Dekorationen der Königsburg zu Worms oder des Etzelpalastes bald im Anstrich noch des kleinsten Provinzcafes wiederholten, so ist das nur der Beweis dafür, wie tief die entsprechenden Gefühlsschichten berührt wurden.

Und von der modischen Ausstattung der edlen Kriemhilde führt eine direkte Linie zur Gewandung der Hitlerschen Frauenorganisationen, die Runennadel inbegriffen. Vom Ideal des blonden Siegfried ganz zu schweigen, sind dies Wirkungen, von denen sich Fritz Lang nichts träumen ließ, und ebenso abwegig wäre es, die Ufa damit belasten zu wollen - wurde sie doch damals von Männern geleitet, deren Namen man zehn Jahre später nur noch in Verbindung mit dem Prädikat „Untermensch" nennen durfte -, und dennoch trugen nicht einmal die späteren „Fridericus-Rex"-Filme soviel wie die „Nibelungen" dazu bei, die UFA zu einem Hort nationaler Hochstimmung zu machen, zu eben „unserer UFA".
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Es kam heraus, daß die UFA weit über ihre finanziellen Kräfte lebte . . .

In Hollywood brauchte man nicht lange, um herauszufinden, daß die Ufa weit über ihre finanziellen Kräfte lebte. Solche kostspieligen Experimente wie Fritz Langs Schilderung einer zukünftigen Gesellschaftsordnung „Metropolis" (1926, mit Brigitte Helm und Gustav Fröhlich) machten sich auf dem europäischen Binnenmarkt nicht bezahlt, und in ihrer geistigen Haltung zu eigenbrötlerisch deutsch, eroberten sie den internationalen Markt nicht, der allein sie zu einem Geschäft hätte machen können.

Zu Ende des Jahres 1925 war die Ufa mit achtundzwanzig Millionen Mark verschuldet. Die Nation leistete sich aber diesen ihren lieben Luxus auch weiterhin, gleichsam zum Trotz dafür, daß man sie aus der militärischen Aufrüstung ausgeschaltet hatte. Die Rolle, welche unter Wilhelm II. die „schimmernde Wehr" gespielt hatte, die Einrichtung eines immerwährenden Vorrats an nationalem Stolz - diese Rolle übernahm jetzt der deutsche Film im allgemeinen und der Ufa-Film als dessen markanteste Ausprägung im besonderen.

Die Existenz der UFA wurde zu einem Politikum 1. Ranges

Nicht die Tatsache, daß ihr Inhalt nationalistisch war - wie in den pathetisch überhöhten „Nibelungen" -, machte die Ufa-Filme so gefährlich, sondern der Umstand, daß man nicht an ihr rühren durfte. Die Nation hatte ihre ganze Empfindlichkeit auf diesen Punkt konzentriert, und das war ein nur zu verständliches Ergebnis für ein Volk, das inmitten einer beispiellosen Niederlage schon wieder zu „Weltleistungen" fähig war.

„Unser Schiller", „unsere schimmernde Wehr" - diese Begeisterungsvorräte für Schule und Haus, für Verein und Stammtisch, für Zeitung und Aussprache hatten sich allmählich und notgedrungen aufgezehrt; jetzt wurden sie durch „unsere Ufa" auf das Wünschenswerteste ergänzt.

Nur vor diesem Hintergrund ist der Schrei der Empörung zu verstehen, der durch das Land ging, als sich die Ufa wohl oder übel zu einem Vertrag mit einer zu diesem Zweck gegründeten Interessengemeinschaft zweier Hollywoodfirmen, der Paramount und der Metro-Goldwyn-Mayer, entschließen mußte. Hollywood als der stärkere Partner hatte hart zugepackt, nüchtern gesehen jedoch nur die üblichen geschäftlichen Praktiken ausgeführt. Wer wollte und konnte aber nüchtern sehen, da es um den nationalen Belang „unserer Ufa" ging?

Hollywood "kauft" die UFA (ein bißchen)

Der Vertrag, nach welchem 1926 die Ufa als dem rettenden Strohhalm griff, zeigt, auf welche Weise sich die Hollywooder Filmwirtschaft in den deutschen Markt, den letzten europäischen, den es noch zu erobern galt, einzumischen gedachte.

Es wurde folgendes vereinbart:

  • Paramount und Metro-Goldwyn-Mayer gewähren der Ufa ein Darlehen in Höhe von 16,8 Millionen Mark (gleich vier Millionen Dollars). Dafür verpflichtet sich die Ufa, einer neuzugründenden Firma, der „Parufamet" (Paramount-Ufa-Metro) beizutreten und dieser Firma fünfundsiebzig Prozent ihrer Uraufführungstermine zur Verfügung zu stellen. (Das bedeutete praktisch, daß künftig jeder zweite Film, der in einem der vielen hundert deutschen Ufa-Kinos gespielt wurde, aus Hollywood kam.) Demgegenüber übernahmen die Amerikaner die Verpflichtung, aus dem jährlichen Ufa-Programm mindestens zehn Filme in ihren Verleih aufzunehmen, vorausgesetzt, daß diese Filme „geschmacklich zusagen". Doch wie die Dinge lagen, bestand für Ufa-Filme wenig Aussicht, dem Hollywooder Allerweltsgeschmack zu entsprechen.

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Doch die bei der UFA konnten nicht wirtschaften

Die Ufa hatte auch das neue Geld bald verwirtschaftet. Ohne Zweifel hatte sie recht kostspielige Filme hergestellt: Fritz Langs „Metropolis" kostete mindestens fünf Millionen, Murnaus „Faust" mindestens zwei Millionen, Summen, die sie auf dem engen deutschen Markt bei weitem nicht einspielten.

Doch auch billigere Filme wie „Der letzte Mann" brachten, trotz des Aufsehens, das sie erregten, ihre Gestehungskosten nicht ein. Jedoch erklärten diese Umstände allein noch nicht die Tatsache, daß bereits ein Jahr nach dem Abschluß des Parufamet-Vertrages, im März 1927, die Schuldenlast der Ufa auf ungefähr sechzig Millionen ansteigen konnte.

Diese Summe galt sozusagen als Ehrenschuld der Nation, rühret nicht daran, wie sie zustande kamen, auch am Wehretat gab es ja nichts zu rütteln und zu deuteln, und solange man nicht einmal Panzerkreuzer bauen durfte, wollte man wenigstens Ufa-Filme herstellen.
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Und jetzt wurde die Situation bedrohlich.

Hollywood brauchte nur noch energischer zuzupacken, und die „Überfremdung" (so nannte man damals das Einströmen ausländischen Kapitals in deutsche Firmen) würde auch auf „unsere UFA" übergreifen.

Sie stand vor dem Ruin. Ihr Aufsichtsratsvorsitzender, Herr von Stauss von der Deutschen Bank (man erinnert sich seiner Vermittlerrolle bei der Gründung des Konzerns), verfehlte auch nicht, einige Ursachen dafür anzugeben: Die Produktion hatte ihre Kostenvoranschläge allein im letzten Jahr um fünfzehn Millionen überschritten, der Verleih hatte fünfundzwanzig Millionen weniger eingebracht, als man erwartet hatte.

Sowenig solche Eröffnungen nun geeignet waren, einem Käufer Lust zu machen: verkauft mußte werden. Allein die Forderungen der Deutschen Bank betrugen vierzig Millionen. Aber man mußte auch Hollywood zuvorkommen, stand doch nichts Geringeres auf dem Spiel als „unsere Ufa", das nationale Hätschelkind.
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Doch die UFA blieb "im Land"

Nun, es wurde dafür gesorgt, daß die Ufa „unser" blieb. Der neue Herr der Ufa hieß Hugenberg; man machte diesem Gewaltigen des Scherl-Konzerns („Berliner Lokalanzeiger", „Die Woche") den Erwerb nicht allzu schwer: er hatte nur fünfzehn Millionen selber aufbringen müssen, und dafür durfte er schalten und walten, denn das Nationale verstand sich bei ihm von selbst.

Hugenberg beauftragte mit der Leitung des geretteten Unternehmens den Mann seines Vertrauens, Ludwig Klitzsch, denselben, der schon zehn Jahre vorher die Idee hatte, den deutschen Film als nationale Propagandawaffe einzusetzen; er war bei der ersten Gründung der Ufa übergangen worden.

Nichts bei der UFA hat sich richtig geändert - doch jetzt wurde gewirtschaftet

Mit der alten Ufa verschwand dann auch einer der verdienstvollsten Pioniere der deutschen Filmwirtschaft, Paul Davidson, der Schöpfer der Union-Lichtspieltheater und der Projektions AG-Union, der die Verträge mit Asta Nielsen, Pola Negri, Ernst Lubitsch und Emil Jannings in die Ufa eingebracht hatte. (Paul Davidson starb, kurz nachdem Ludwig Klitzsch seine Herrschaft angetreten hatte.) Nach all dem ist es verständlich, daß die neue Ufa nicht eigens einen „neuen Kurs" einzuschlagen brauchte.
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Die UFA - ein politisches Instrument einer Partei

Das Instrument konnte so gestimmt bleiben, wie es war: innerhalb des Orchesters eines ausgesprochen rechtsgerichteten Zeitungsverlages, dessen Organe sich über das ganze Reich und bis tief in die entlegenste Provinz verästelten, spielte die UFA jetzt eine weitaus bedeutungsvollere Rolle als vorher in den Händen von Direktoren, die alles Mögliche damit versucht hatten, bloß das eine nicht: Politik zu machen.

Nur etwas wandelte sich allmählich: das Gefühl „unsere UFA" bewegte nicht mehr die gesamte Nation, es wanderte langsam, aber sicher zum rechtsorientierten Teil der deutschen Öffentlichkeit über, bis es dieser schließlich für sich allein in Anspruch nahm.
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Die UFA - nun wirtschaftlich gesund, aber leicht rechtslastig

Fünf Jahre nach dem Antritt der Herrschaft Hugenbergs war die Ufa - von Ludwig Klitzsch wirtschaftlich gesund gemacht - die brauchbarste politische Beeinflussungsmaschine im Dienst der bürgerlichen Rechten geworden. Und dies immer noch, ohne daß sie ausgesprochen nationalistische Filme hergestellt hätte.

Gewiß, die Ufa machte in „Fridericus"- und in „Königin-Luise" - Verherrlichung, und diese Sorte von Filmen gewann ihrerseits wieder von der von den Rechtsradikalen aufgewühlten chauvinistischen Welle - jedoch verdient es festgehalten zu werden, daß bis zur offiziellen Erklärung des nächsten Idols „unser Hitler" die Ufa in diesem Punkt Zurückhaltung übte.

Hugenberg genügte eigentlich schon die UFA Wochenschau

Währenddessen stellten andere Firmen, die Konjunktur witternd, künstlerisch miserable und politisch einschläfernde und verdummende Militärschwänke aus dem Kasernenhof- und Manövermilieu her - törichterweise gelegentlich mit jüdischen Komikern (wie Felix Bressart) in der Hauptrolle. Mit so groben Mitteln brauchte die vornehme Ufa gar nicht zu arbeiten. Hugenberg genügte es zum Beispiel schon, über die Ufa-Wochenschau seinen Einfluß geltend zu machen und die Massen dorthin zu bringen, wohin er sie haben wollte: etwa zur Wiederwahl des Reichspräsidenten von Hindenburg, dessen erste Wahl, 1925, bereits ein publizistisches Werk des Hugenberg-Konzerns darstellte.

Die UFA setzte auf Zukunft und kaufte Tonfilmpatente

Ludwig Klitzsch hat neben der Alltagsware künstlerisch wertvolle Filme produziert, er hat auch für Experimente Geld ausgegeben - besonders für die 1918 von Dr. Ernst Krieger gegründete Kultur(film)abteilung, die sich auf ihrem speziellen Gebiet internationale Anerkennung und Erfolge holte -, und er hat auch frühzeitig schon Tonfilmpatente gekauft, allerdings, um sie ungenutzt wieder aus der Hand zu geben.

Für die Entwicklung, die eine ganze Anzahl der besten Regisseure und Darsteller der alten Ufa, Lubitsch, Murnau, Jannings, nach Hollywood gewiesen hatte, dafür war er nicht verantwortlich zu machen. Doch war ihm trotz dieser Blutentnahme noch genug geblieben, und er verstand es, mit dem Pfund zu wuchern. Fritz Lang war ihm ebenso geblieben wie Henny Porten, und Erich Pommer, der Produzent des Caligari-Films, war sogar aus Hollywood zurückgekommen, um in die Ufa einzutreten.

Die Pommer-Filme „Der blaue Engel" (Marlene Dietrich/Emil Jannings), „Der Kongreß tanzt" (Lilian Harvey/Willy Fritsch) sollten schließlich der zweiten Ufa-Epoche die glanzvollsten Lichter aufsetzen.
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Es gab noch einige kleinere Filmfirmen

Hollywood hatte nicht nur Ufa-Stars aus Berlin geholt. Es gab noch andere, von der Ufa unabhängige Produktionsfirmen wie zum Beispiel die recht ansehnliche „Emelka" (Münchner Lichtspielkunst, von dem Ganghofer-Film-Spezialisten Peter Ostermayr 1919 ins Leben gerufen), welche die Ateliers in Geiselgasteig bei München errichtete. Die M.L.K. ging aus einer Fusion der Ostermayr-Gesellschaft mit der Münchner „Bavaria"-Produktion und der Bayerischen Verleihgesellschaft Fett & Wiesel hervor.

Neben den kleineren, doch nicht unbedeutenden Produktionsfirmen „Phoebus" und „Terra" sind die selbständigen Produzenten nicht zu vergessen, die jährlich nur zwei oder drei Filme herstellten und diese über eine Verleihorganisation, zum Beispiel über die „Deulig", oder auch über die Ufa auf den Markt brachten. Die namhaftesten dieser Produzenten waren die Regisseure Friedrich Zelnik, Joe May, Richard Oswald und Richard Eichberg.

Der deutsche Filmmarkt war jedoch viel größer

Die Ufa war mächtig, wie man sieht, aber nicht übermächtig. Weder sie allein noch die Kapazität der gesamten deutschen Filmproduktion wäre in der Lage gewesen, den vollen Bedarf des deutschen Marktes an abendfüllenden Spielfilmen zu decken.

Über das Kräftespiel der deutschen Produktion und über den Machtanteil der Amerikaner gibt die folgende Aufstellung Auskunft:

Jahr - Gesamt-  deut. amerikan. andere
       angebot    Filme   Filme    ausl. Filme
1925    518    212    216    90
1926    515    202    229    84
1927    526    242    190    94
1928    520    221    205    94
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Der Einfluß der Russenfilme

Den größten Einfluß unter den „anderen ausländischen Filmen" übten die Russenfilme aus. Ihre Welle wurde durch „Panzerkreuzer Potemkin" ausgelöst, ein Werk des Regisseurs Sergej Mikailowitsch Eisenstein (1898-1948), das 1925 entstand. Der Film behandelt eine Meuterei kaiserlich-russischer Matrosen in der Hafenstadt Odessa, die sich im Jahre 1905 ereignet hat. Der Aufstand wurde niedergeknüppelt, bei welcher Schießerei aber die Sympathie der Bevölkerung den Matrosen gehörte.
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Dieser karge Vorwurf genügte Eisenstein, einem Schüler des großen russischen Theaterregisseurs Meyerhold, um daraus eine atemberaubende kommunistische Anklage gegen das zaristische System zu machen. Es war der dynamischste Film, den man bis dahin gesehen hatte. Aus der „schwenkenden Kamera" des „Letzten Mannes" war eine wahrhaft „entfesselte Kamera" geworden. Außerdem wurde für die Wiedergabe des revolutionären Vorgangs eine andere filmtechnische Errungenschaft (die die Russen ebensowenig wie die bewegliche Kamera „erfunden" hatten) bis in ihre letztmögliche Steigerung angewendet: die Montage.
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Die Wirkungen aus Filmschnitt und Großaufnahme

Schon Griffith hatte ein Jahrzehnt vorher gezeigt, welche Wirkungen aus dem simplen Mittel des Filmschnitts in Verbindung mit der Großaufnahme herauszuholen waren. Eisenstein ging diesen Weg bis zur radikalen Konsequenz. Er vollendete ihn mit der Einführung der sogenannten „symbolischen Montage".

Er streute Aufnahmen von Objekten in die Filmhandlung ein, die mit ihrem Ablauf direkt nichts zu tun haben, doch eine überraschende Symbolbeziehung herstellten. Die nächste Radikalität seines Films bestand darin, daß er die Individualität aufhob. Hier traten nicht mehr die Spieler und die Gegenspieler des bürgerlichen Dramas auf, bei ihm stand sich eine Masse der anderen Masse gegenüber.

Statt geschminkter und zurechtgemachter Schauspieler brachte Eisenstein die Dutzendgesichter von Darstellern auf die Leinwand, die von der nächsten Straßenecke hergeholt schienen.

Die Lobeshymnen der westlichen Kritik öffneten ihnen die Augen

So gewiß „Panzerkreuzer Potemkin" das Ergebnis jahrelanger, staatlich geförderter Experimente und Analysen ist, so gewiß er auf das gründlichste Studium des amerikanischen, des schwedischen und des deutschen Filmkönnens zurückgeht - ebenso gewiß ist es, daß er als ein ursprüngliches, eigenständiges Kunstwerk von höchstem Rang gewertet werden muß. Mit seinen bestürzenden Offenbarungen hatte dieser Film eine neue Dimension künstlerischer Verwirklichung erobert und zugleich gezeigt, welche scharfe, geistige Waffe diese neue Kunst sein kann.

Dabei war den Russen in ihrem experimentellen Eifer zunächst gar nicht bewußt geworden, welche Tat sie vollbracht hatten. Erst die Lobeshymnen der westlichen Kritik öffneten ihnen die Augen.

ein halbes Jahr lang bei vier ausverkauften Vorstellungen täglich

In Berlin lief der Film über ein halbes Jahr lang bei vier ausverkauften Vorstellungen täglich - hier hatte der Kritiker Alfred Kerr im „Berliner Tageblatt" den Ton angegeben -, und in den übrigen Hauptstädten der westlichen Welt war der Erfolg nicht minder groß.

Im Gefolge von „Panzerkreuzer Potemkin" erschien während der nächsten Jahre noch eine ganze Reihe von Musterfilmen aus der Sowjetunion: „Die Mutter" (Regie W. Pudowkin, 1926), „Zehn Tage, die die Welt erschütterten" (Regie Eisenstein, 1927), „Sturm über Asien" (Regie Pudowkin, 1928) - um nur die wichtigsten zu nennen. Natürlich blieb es nicht bei der künstlerischen Wirkung der Russenfilme.

Ihrem Wollen und ihrem Wesen nach stellten sie Serge M. Eisenstein mit Jesse L. Lasky, dem Produktionschef der Paramount, ja Propagandawerke dar. Als dafür am anfälligsten erwiesen sich die großstädtischen Intellektuellen. Sie schlossen von der Höhe dieser künstlerischen Leistungen auf die Höhe des allgemeinen Kulturzustandes in der Sowjetunion; ein Irrtum, der den Kommunismus zu einer geistigen Mode werden ließ.

Die Zeit des stummen Films war abgelaufen.

In Rußland selbst wurden Filme dieses Ranges später nicht mehr hergestellt, weder von Pudowkin, der 1953 in Riga starb, nachdem er bis zuletzt als Regisseur tätig war, noch von Eisenstein, der 1930 einen unfruchtbaren Abstecher nach Hollywood machte und von 1932 bis 1948 als Professor an der Filmhochschule in Moskau lehrte.

Die Zeit des stummen Films war endgültig abgelaufen. Der Ton-Film kam mit sanfter "Gewalt".
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