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Will Tremper - "Große Klappe" - Meine Filmjahre (aus 1997/98)

Wie damals in Deutschland die Filme "gemacht" wurden und was nicht in den Filmheftchen und auf den Filmplakaten geschrieben stand. Auch vom Weg von der Ideenfindung über das Drehbuch bis zum ersten Drehtag wird viel aus der Schule geplaudert. Und sebstverständlich kommen bei Will Tremper auch die Filmsternchen - auch dei männlichen - nicht zu kurz. Die erste Seite beginnt hier .....

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Eine kesse weibliche Stimme sagte: Evelyn ist hier!

Bei Wally und Christina Pieroczek auf der anderen Straßenseite war wieder mal eine Cocktailparty im Gange, die kein Ende nehmen wollte. Die ganze amerikanische Kolonie gab sich ihrer Lieblingsbeschäftigung hin : saufen. Gegen elf Uhr nachts trat ich, nach Luft schnappend, auf den Gadebuscher Weg hinaus und hörte das Telefon in meinem Haus klingeln.

Ich wußte, wenn ich rennen würde, legte der Anrufer bestimmt in der Sekunde auf, in der ich nach dem Telefon griff. Also ging ich langsam, ganz langsam über die Straße und durch den Garten in mein Arbeitszimmer. Das Telefon klingelte und klingelte und klingelte.

Ich nahm den Hörer ab, und eine kesse weibliche Stimme sagte: »Du weißt bestimmt nicht, wer hier dran ist!«
»Nee.«
»Na, macht nichts. Ich wollte mich nur von dir verabschieden, denn ich verlasse morgen Berlin .«
»Aha.«
» . und gehe an den Broadway. Ich habe genug von dieser dämlichen Stadt. Die geht doch sowieso den Bach runter. Ich habe jetzt die Nase voll von Berlin .«
»Na, toll«, sagte ich. »Und wenn du dich jetzt nicht identifizierst, lege ich auf. Alles Gute am Broadway!«
»Warte mal. So redet man doch nicht mit einer >großen Liebe<! Erkennst du mich wirklich nicht wieder - ?«
»Adieu!«
»Evelyn ist hier! Evelyn Renziehausen, Mensch!«
»Ach ..... Eine >kleine Liebe< zumindest ..... Und was willst du am Broadway?«
»Na, Karriere machen! Was denn sonst?«
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Ich sah auf die Uhr. Es war genau 23 Uhr.

Ich sagte:
»Komm doch noch vorbei. Ich bin ganz allein. Meine Frau ist auf einer Party, bei den Amis. Komm und laß dich anschauen. Für'n Abschiedskuß wird deine Zeit noch reichen! Nimm ein Taxi!«

Eine Viertelstunde später bremste ein Taxi vor der Tür, und Evelyn kam hereingestürzt: »Hast du mal fünf Mark?«
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Nichts hatte sich geändert.

Oder doch: Diese Renziehausen sah besser aus denn je, hatte den restlichen Babyspeck verloren, war jetzt 21 oder 22 und blühte aus allen Poren.
Ich sagte: »Broadway, ja? Du spinnst, wie immer. Ich schlage dir was Besseres vor: Wir drehen einen Film zusammen .....«
»Ja? ..... Was denn? ..... Und wann?«
»Morgen früh«, sagte ich. »Die Geschichte eines Mädchens, das nach Berlin kommt, der Rest fällt mir von selbst ein!«
Ich blätterte in meinem Adreßbuch unter G wie Geyer und rief den Geschäftsführer der Kopieranstalt zu Hause an: »Habe ich noch Kredit bei Ihnen? Ja? Morgen abend kommen die ersten Muster! Vielen Dank und schlafen Sie gut!«
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Ich brauche eine Arriflex-Handkamera und einen Kameramann

Ich rief bei Felix Hock an: »Beschaff uns eine Arriflex-Handkamera. Und einen Kameramann. Und Ton. Wir treffen uns morgen früh um zehn bei mir. Finde mir einen freien Schauspieler, der Auto fahren kann!«
»Sonst noch was?« fragte Felix Hock. »Soll ich auch ein Drehbuch mitbringen? Hast du Geld für Kodak, den Rohfilm?«

Zwischendurch klingelte das Telefon, Benno Beilenbaum war dran, der Kerl mit den langen Koteletten, der in der "Endlosen Nacht" zeitweise den Ton gemacht hatte, oder sagen wir: den Tongalgen gehalten, ein kräftiger Bursche.

»Du suchst'n Kameramann? Ich bin Kameramann!«
»Seit wann denn das?«
»Ich hab 'ne Arri und 'n paar hundert Meter Film und 'n weißen Opel Kapitän, ich stehe dir mit allem zur Verfügung, Wolfgang Lührse macht meinen Assistenten und kann auch den Ton übernehmen!«
»Morgen früh, Punkt zehn, bei mir im Gadebuscher Weg!«
Narciss Sokatscheff rief an: »Was soll ich spielen?«
»Was hast du für 'ne Hutgröße, Soka?« Ich hätte da noch ein schickes Ding von Harry herumliegen.
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Schlaraffia an der Spree!

Felix Hock rief an: »Naftali Schönberg kann Aufnahmeleitung und Ton machen, wir kriegen die Ausrüstung von Onasch«.
»Und wie heißt 'n der Film? Alle fragen mich nach dem Titel! Neuss hat 'n schönen: Schlaraffia an der Spree! Kommt das hin?«
»Klar«, sagte ich, »den schreiben wir drauf, paßt immer!«

Ich rief Harald Leipnitz in München an, der unterdessen einen Film nach dem anderen drehte, auch in einem Edgar Wallace von Wendlandt schon dabei war: »Hast du Zeit, Keule?« Ich nannte ihn nach dem Berliner Jargon-Wort für »Bruder«.

»Scheiße!« sagte er. »Ich drehe gerade bei der Bavaria und abends spiele ich hier Theater .«
»Was machst du sonntags, Keule?«
»Sonntagmorgen könnte ich da sein!«

Dabei hatte ich noch keinen Schimmer, was er spielen sollte.
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Oh Gott, er plant schon wieder 'n Film

Es war eine halbe Stunde nach Mitternacht, als die Produktion stand.
Karin kam nach Hause und brachte Christine Viertel mit, der ich gleich wieder den Job der Kostümberaterin anbot: »Hast du 'n paar Klamotten für die Renziehausen hier?« Karin schrie auf: »Oh Gott, er plant schon wieder 'n Film - gute Nacht allerseits!«

Ich rief ihr nach: »Wir behalten die Evelyn hier heute nacht! Wir drehen morgen früh! Hast du 'n bißchen Geld im Haus?« Ich hatte noch knapp 1.000 Mark in der Tasche, aber wieder eine Bonner Prämie, und außerdem gab es ja noch Scheuermann.
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Damals war Evelyn hochschwanger

Evelyn Renziehausen protestierte: »Ich muß nach Hause, hab' ja schließliech 'n Kind!« Das hatte ich ganz vergessen. Nach dem Arger mit dem »Ärgernis« lebte sie noch ein paar Wochen bei uns, bis ich sie eines Morgens mit Tempo ins Albrecht-Achilles-Krankenhaus schaffen mußte. Die Geburt ihrer Tochter Anouschka kostete mich über siebenhundert Mark, aber das kleine Mädchen war süß. Die Renziehausen verschwand mit ihr damals.
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Deine Anouschka ist aber deine Angelegenheit

»Hör mal«, sagte ich, »deine Anouschka ist aber deine Angelegenheit, du siehst ja, wie hier alles auf die Schnelle zusammengestoppelt wird! Geld für'n Babysitter Tag und Nacht haben wir nicht!«

»Oh«, rief die Renziehausen, »mach dir mal darüber keine Sorgen, ich habe da schon jemand, der auf meine Kleine aufpaßt!«
Ich gab meinem Star einen Hunderter Vorschuß auf die Gage und warf sie raus: »Punkt zehn morgen früh!«

Den Rest der Nacht verbrachte ich damit, den Anfang des Films zu skizzieren, stieß mich erstmal gleich am Namen meiner Hauptdarstellerin und entwarf einen neuen: EVA RENZI. Das klang doch schon mal besser.
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Also Künstlername EVA RENZI und der Filmname ?

»Hör mal«, sagte ich, »deine Anouschka ist aber deine Angelegenheit, du siehst ja, wie hier alles auf die Schnelle zusammengestoppelt wird! Geld für'n Babysitter Tag und Nacht haben wir nicht!«

»Oh«, rief die Renziehausen, »mach dir mal darüber keine Sorgen, ich habe da schon jemand, der auf meine Kleine aufpaßt!«
Ich gab meinem Star einen Hunderter Vorschuß auf die Gage und warf sie raus: »Punkt zehn morgen früh!«

Den Rest der Nacht verbrachte ich damit, den Anfang des Films zu skizzieren, stieß mich erstmal gleich am Namen meiner Hauptdarstellerin und entwarf einen neuen: EVA RENZI. Das klang doch schon mal besser.
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Und ihr Filmname? - Alexandra Borowski

Ich dachte an ihr Aussehen und daß sie natürlich ein international gefragtes Fotomodell sein müßte, aber eine, die in Berlin geboren war, als Kleinkind schon, nach einer Scheidung der Eltern, irgendwohin nach Westdeutschland gebracht worden war und nur »Alexandra Borowski« heißen konnte.

Eine mit der latenten Sehnsucht nach ihrer Geburtsstadt im Herzen, die auf einer Party in .... wo denn? ..... in Düsseldorf einen Typ kennenlernt, der sich verabschiedet, weil er in der Nacht noch mit dem Wagen nach Berlin fahren will. »Oh«, sagt die Borowski, »kann ich mitkommen?« Und nun fahren sie in einem weißen Opel Kapitän über die Avus, und diese Alexandra flippt aus, wenn sie den Funkturm näherkommen sieht.

Als ich soweit war, blieben mir noch vier Stunden Schlaf, aber vier Stunden haben mir immer genügt, wenn ich in einem Film war.
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Da ist ja schon Berlin! Und da ist der Funkturm!

Pünktlich um zehn standen sie alle vor der Tür, sogar die Renzi war pünktlich, und ich setzte mich in meinem Mercedes an die Spitze und rief wieder einmal: »Mir nach!«

Am Beginn der Avus, in Nikolassee, setzte ich Soka den Hut von Harry Meyen auf den Kopf - er paßte nicht ganz, weshalb er ihn ziemlich hinten, im Genick, tragen mußte, aber das sah sogar noch besser aus. Der Renzi befahl ich, ihren Pullover auszuziehen, so daß sie nur in ihrem weißen Büstenhalter neben Soka saß - wie eine Alexandra Borowski sich eben bequem gelagert hätte für eine lange, nächtliche Fahrt von Düsseldorf nach Berlin.

Daß Soka begehrliche Blicke auf ihre Beine werfen sollte, brauchte ich ihm nicht erst zu sagen. Wir begannen mit einer Großaufnahme ihres tollen Gesichtes, zeigten, wie sie die Augen aufschlägt, sich umguckt und plötzlich erkennt: Da ist ja schon Berlin! Und da ist der Funkturm!

»Eva Renzi« fand sie gar nicht gut - jedenfalls im Moment

Sie machte das sehr gut, obwohl ihr Verschiedenes schon nicht paßte, wie etwa der Bulgare Sokatscheff am Steuer, das ganze Auto, das ihr nicht elegant genug vorkam - am schlimmsten aber fand sie ihren neuen Namen »Eva Renzi«. Sie drohte glatt, mich zu verklagen, bevor sie auch nur einen Meter Film gedreht hatte. So eine ist diese Eva Renzi.

Ein wunderbarer Schlägertyp mit einer Berliner Schnauze

Drei Vormittage lang drehten wir in verschiedenen Variationen die Ankunft Alexandra Borowskis in Berlin, dann war ich mir über den Anschluß im klaren, hatte vor allem die Schauspieler gefunden, die die Geschichte weitertragen würden. Endlich konnte ich Jochen Ketzlin beschäftigen, den ich zehn Jahre zuvor, bei den Halbstarken, schon zu Probeaufnahmen herbeigeschleppt hatte, ein wunderbarer Schlägertyp mit einer grandiosen Berliner Schnauze, den ich »007« nannte, nach den gerade in Mode kommenden James-Bond-Filmen.

Er spielte Sokatscheffs Statthalter in Berlin, und aus Soka machte ich einen Balkanesen mit mehreren Currywurst- und Frittenbuden, der bereits ein baufälliges Hotel am Stuttgarter Platz besitzen sollte, in dem abzusteigen eine Alexandra Borowski allerdings verschmähte.

Paul Hubschmid rief über die Mauer »Bin wieder daaa!«

Am Nachmittag des dritten Tages, als wir gerade wieder im Gadebuscher Weg eingelaufen waren, rief Paul Hubschmid über die Mauer: »Bin wieder daaa!« Ich nahm Eva Renzi mit hinüber. Er stand am Swimmingpool in jener lässigen Haltung, die er sich als schöner Mann angewöhnt hatte, und brachte es fertig, auf die auch nicht gerade kleingewachsene Renzi herabzublicken, was ihr Blut offenbar zum Kochen brachte.

Schon auf dem Weg über die Wiese zur Begrenzungsmauer hatte sie streiken wollen: »Ach, Quatsch, was soll ich denn bei dem Schönling Hubschmid - geh du allein rüber!«

Hubschmid, ja, ist mir bekannt!

Jetzt sagte sie so arrogant wie möglich: »Hubschmid, ja, ist mir bekannt!« und reichte ihm die Fingerspitzen. Der arme Paul, ich kannte inzwischen seine Verlegenheit aus Menschenscheu, sagte irgendwas zu ihr, was hochnäsig klang, und anstatt seine Begrüßungs-Hand, wenn auch mit den Fingerspitzen nur, zu ergreifen, stieß sie sie zurück, und das Unglaubliche geschah: Hubschmid, der große kräftige Mann, stand offenbar auf dem falschen Bein, verlor durch den überraschenden Stoß das Gleichgewicht und setzte sich in seiner ganzen Länge auf den Hintern, fiel einfach um.

Wir konnten nicht anders, wir mußten lachen, und Eva war die erste, die hinzusprang und ihm mit tausend Worten der Entschuldigung wieder auf die Beine half. Ich sah das neue Interesse in seinem Blick, als er wieder hochkam, und als er uns gleichermaßen nervös und beflissen an seinen Gartentisch lud und ein Gläschen Schampus anbot, hellte sich für mich eine neue Seite seines Wesens auf: Der Mann war ein Masochist, war einer, der sich jeder starken Frau sofort mit Vergnügen unterwarf, so wie er das mit seiner Ursula ein Leben lang getan hatte.
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Später beschreibt Paul Hubschmid die Story ganz anders

In seinen Memoiren mit dem treffenden Titel Schöner Mann, was nun? schildert er die Bekanntschaft mit seiner späteren Frau Eva Renzi ungleich zurückhaltender. Mit Genehmigung von Bertelsmann:

»Auch meinem Berliner Nachbarn, dem Journalisten Will Tremper, begegnete ich in Romys >open house<. Flugs schrieb er eine Geschichte über meine Dreharbeiten, in der er mir eine romantische Liaison mit meiner englischen Filmpartnerin Fiona Lewis andichtete.

Das stimmte nun aber überhaupt nicht. Daraufhin zur Rede gestellt, meinte er, ich dürfe das nicht so eng sehen, so etwas läsen die Leute gern.
Kaum wieder in Berlin, stieg er über die Mauer, die unsere Grundstücke trennte, sprang in meinen Pool und rief mir beim Auftauchen zu: >Paul, du drehst morgen bei mir<
Das stimmte nun wirklich. Er erläuterte mir sein Projekt, das schon lange im Gang war.
>Es ist eine tolle Rolle. Du spielst einen zynischen Zeitungstycoon.< - Seinem Uberredungstalent konnte man nicht widerstehen.
>Jetzt stelle ich dir auch gleich deine Partnerin vor.<

Er winkte einem brünetten, langbeinigen Mädchen. Auch sie kletterte über die Mauer und stand vor mir.

>Sie sind also meine Partnerin ?< soll ich herablassend gesagt haben. Ich lud beide zum Abendessen ein. Ich mixte die Martinis, und Tremper beobachtete mich.

>Genau so beginnen wir im Film eure erste Szene. Du machst dich gut, wie du so am Bartisch stehst und Eva dich anhimmelt.<
>Ich himmle ihn überhaupt nicht an!< erwiderte sie trotzig und gab schon eine Kostprobe ihrer angeborenen Neigung zum Widerspruch.
>Ich bin schließlich kein Objekt, über das man beliebig verfügen kann.<

>Du hältst besser deine große Klappe<, herrschte Tremper sie an. >Die Regie führe ich! Du kannst froh sein, für deinen ersten Film mit Paul einen so erfahrenen Partner zu haben. Es ist eine große Chance für dich, mit der du dich erst einmal bewähren mußt.<

Hubschmid weiter :

Wie ihr Entdecker mit ihr umging, erinnerte mich an Higgins und Eliza. Aber auch der Hubschmid-Higgins war angetan von diesem attraktiven, temperamentvollen, kratzbürstigen Geschöpf - und vollends, als sich am nächsten Tag beim Drehen ihr schauspielerisches Talent zeigte. Wir verliebten uns.

Tremper, ein großer Improvisator - nachts schrieb er die jeweiligen Szenen für den nächsten Tag-, schien das mit gemischten Gefühlen zu registrieren.

Er ließ es sein Playgirl (so hieß der Film) spüren, was mich oft in die Rolle des Beschwichtigers drängte. Eine merkwürdige, aber kreative Spannung legte sich über die Entstehung dieses Films, der die Erlebnisse eines Mädchens aus der Provinz in der Großstadt Berlin schilderte.

Die Dialoge waren von ungewöhnlicher Brillanz. Seine Einfälle und die ganze Machart lassen ihn aus heutiger Sicht als erste Abkehr von Opas Kino in Richtung >Neuer Deutscher Film< erscheinen.«
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Gut und schön. Aber ein Teil davon war seine pure Erfindung

Gut und schön. Aber was Paul Hubschmid da über Fiona Lewis in Saint-Tropez schreibt, ist die pure Erfindung, eine Verwechslung vielleicht.

Ich habe über ihn und seinen Michele-Morgan-Film nicht eine Zeile zu Papier gebracht. Und in den Pool gesprungen, während ich ihm die Offerte machte, bin ich auch nicht.

Die Idee, ihn sowas wie Axel Springer spielen zu lassen, kam mir erst beim Schampus, und dann hatte ich es auf einmal eilig, den mächtigen Verleger erstmal zu fragen.
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Paul Hubschmid sollte Axel Springer spielen

Ich kletterte also zurück über die Mauer und rief bei Springers an: »Haben Sie in dem Flachbau, in den die Druckereien rein sollen, schon ein Büro, Herr Springer? Das Hochhaus ist ja noch nicht fertig!«
»Aber ja, doch«, sagte der Verleger. »Warum?«
»Ich möchte eine Szene in Ihrem Büro drehen, mit Paul Hubschmid hinter Ihrem Schreibtisch!«
»Sehr gern«, sagte er, ohne zu zögern. »Drehen Sie nur die Fotos um, die auf dem Schreibtisch stehen. Und wann soll das sein? Möglichst natürlich, wenn ich in Hamburg bin .« Sonst müßte er seine Geschäfte aus dem Vorzimmer erledigen, haha.
»Am Sonntag«, sagte ich. »Meine Schauspieler können nur am Sonntag.« »Na, bestens. Sagen Sie bloß dem Hausinspektor Bescheid, dem . dem . na, wie heißt er noch? Dem U-Bootkommandant!«
»Fritz Wenzel, Herr Springer! Aber könnten Sie dem nicht direkt Bescheid sagen, daß Sie mir die Erlaubnis gegeben haben?«
»Ach, Quatsch«, sagte Axel Springer. »Ich bin hier in einer Sitzung - Sie machen das schon, Wieder .!«
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Viel zu neugierig auf das Leben außerhalb seiner Welt

Springer ließ sich jederzeit verbinden, im Gegensatz zu vielen seiner Chefredakteure. Er war viel zu neugierig auf das Leben außerhalb seiner Welt. Und Fritze Wenzel, den kannte ich schon aus Tagesspiegel-Zeiten, der traute mir nichts Schlechtes zu.

 Wer mir am Sonntagmorgen laut auf den Hals kam, das war Springers damaliger Berlin-Repräsentant Peter Tamm, der das Kolossalgebäude in der Kochstraße geplant und gebaut hatte. Da er sich in der Eile nicht vorstellte, sondern gleich losbrüllte: »Was haben Sie im Arbeitszimmer des Verlegers verloren?« - brüllte ich in gleicher Lautstärke zurück. Zwanzig Jahre später, als wir Freunde geworden waren, konnte er sich an nichts mehr erinnern.
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Die Story passte gut

Wir aber drehten, wie Leipnitz in Springers Arbeitszimmer geschossen kommt und von einem Anruf einer Alexandra Borowski berichtet, die der große Verleger in Rom mal kennengelernt hat (»Wenn Sie je in Berlin sind, müssen Sie mich unbedingt .......!«), und wie der große Geschäftsmann das Gesicht verzieht und seinen Adlatus bittet, sich an seiner Stelle der überkandidelten Dame anzunehmen.
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Ein Glück, es gab wieder 5.000 Mark

Da Felix Hock an diesem Sonntagmorgen 5.000 Mark mitgebracht hatte, die ihm der Besitzer des Kaiserhofes in Norderney unter der Bedingung übergab, daß seine Frau in unserem Film mitspielen dürfe, ergab sich wie von selbst eine weitere Einstellung in Springers Vorzimmer, in welchem die blonde Schauspielerin Barbara Rath sich bereits auf ein Wochenende mit Harald freut, jäh aber von der Ankunft einer Alexandra Borowski ernüchtert wird, die den Braten gerochen hat und sich nicht abschieben lassen will - nun muß Leipnitz »aus dienstlichen Gründen« mit ihr weggehen.

»Ruf doch mal bei Harry Meyen an« - mit dem schicken Jaguar

Die Frage war : Und wie kommen sie aus der Kochstraße weg?

»Ruf doch mal bei Harry Meyen an«, hatte ich Felix geraten, »hier ist seine Privatnummer: Bestell ihm schöne Grüße und gute Besserung von mir und frage ihn, ob wir uns seinen schicken Jaguar für eine Filmaufnahme ausleihen dürfen!«

Zähneknirschend hatte Harry sich von seinem grauen Schmuckstück getrennt, und Harald Leipnitz und die Renzi durften standesgemäß abzischen. Doch Harrys Jaguar entwickelte sich zu der gleichen Posse wie der Hut des Grafen Brockdorff in der Endlosen Nacht: Schon am nächsten Sonntag, als Harald Leipnitz wieder in Berlin einschwebte, und der Jaguar noch einmal gebraucht wurde, weigerte Harry Meyen sich, schützte »Eigengebrauch« vor, und wir saßen in der Tinte.
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Der holländische Generalkonsul Piet Schaepman

Wer hatte noch so ein graues Prachtauto in Berlin?

Der holländische Generalkonsul Piet Schaepman, der so eifrig hinter meiner Frau her war! Er protestierte zwar ein bißchen, als wir ihn mit der Forderung, etwas für den deutschen Film zu tun, überrumpelten, aber er gab ihn her, wenngleich auch nur für einen Sonntag.
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Der 3. Jaguar kam vom Immobilienmakler Hans-Peter Plettner

Aber am dritten Sonntag half einer, den ich nur aus dem Ricci kannte: Der Immobilienmakler Hans-Peter Plettner mit seinem grauen Jaguar, und der war großzügig und überließ ihn uns an jedem weiteren Sonntag, so lange wir ihn brauchten. Ich glaube, er hat nicht einmal eine Entschädigung genommen.
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Dann kamen mir ein paar absurde Erinnerungen

Wenn ich so daran zurückdenke, fällt mir etwas auf, das ich als etwas Absurdes betrachten möchte, aber das sind die Tatsachen:
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  1. Wagenhelfer eins (Harry Meyen) brachte sich um. (Selbstmord in 1989)
  2. Wagenhelfer zwei (Piet Schaepman) wurde später als Botschafter abgesetzt und vom holländischen Außenamt zum Generalkonsul in Mailand degradiert.
  3. Wagenhelfer drei (Hans-Peter Plettner) aber ist der erfolgreichste Makler Berlins geworden, der einzige vom Senat bestellte amtliche Gutachter mit dem Gewicht eines Notars.

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Seltsam, nicht?
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Das Geld, das liebe Geld ging zu oft zur Neige

Ich flog, als das Geld wieder zur Neige ging, jede Woche einmal nach München und schrieb Hagen & Prinz schnell eine Geschichte für 1.000.- Mark, die mein Freund Bert Naegele, der Redaktionsverwalter der Quick, mir auf der Stelle auszahlen mußte.
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Und die Eifersucht meiner 3. Frau Karin stieg stetig an

Das reichte wieder für drei Mittagessen mit meiner Crew, aber meine Frau Karin fing an zu meutern, wie bei jedem Film, und verdächtigte mich, mit dieser oder jener weiblichen Gastrolle ein Verhältnis begonnen zu haben.

Ich nahm das nicht ernster als bei den anderen Filmen, mit dem Ergebnis, daß unser gemeinsamer Anwalt Dr. Ernst Reichardt mir am Ende der Dreharbeiten einen Brief schrieb, mit einer von meiner Frau angefertigten Liste von nicht weniger als dreißig weiblichen Namen. Kein einziger stimmte.
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An Sex konnte ich jedenfalls während des Filmdrehs nicht denken

Ich hatte schon bei der Endlosen Nacht ein spezielles Syndrom kennengelernt: Ein Mann, der besessen ist von einer Aufgabe, verdrängt darüber alle anderen Gefühle, sogar die sexuellen.

»Left, right and center«, wie die Amerikaner sagen, wurde bei allen meinen Dreharbeiten gebumst, daß es nur so eine Art hatte, während ich selbst von den Problemen des Drehens so in Anspruch genommen war, daß ich nur noch an den Film und an überhaupt nichts anderes mehr denken konnte.
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Heinz Zellermayer und die bildhübsche Tänzerin Ira

Es gab natürlich Anfechtungen. So hatte Heinz Zellermayer sich vom Kölner Karneval eine bildhübsche Tänzerin aus Wuppertal mitgebracht, Ira Hagen hieß sie. Auf dem Balkon des Excelsior in Köln stehend, hatte er, wie jeder andere auch, Berge von Konfetti auf die Funkenmariechen im Festzug geworfen und versehentlich auch seinen Zimmerschlüssel.

Tja, und als er nachts sein Zimmer betreten wollte und in seinen Taschen nach dem Schlüssel suchte, da schloß sie für ihn auf - gleich von innen.

Mann, die hat mir gefallen, die Ira! Ich schrieb ihr sofort eine Rolle in den Film, in der sie oben ohne auftreten mußte, und zeigte Harald Leipnitz ganz genau, wie er sie ausziehen sollte. Doch dann mußte ich ja wieder hinter die Kamera, und meine »Keule« hatte allein das Vergnügen.
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Don Antonio Espinosa, der spanische Generalkonsul

Unter den Zuschauern befand sich eines Tages auch Don Antonio Espinosa, der ganz reizende spanische Generalkonsul, der während des Krieges schon eine Zeitlang in Berlin stationiert gewesen war. Ich lud ihn ein, vor der Kamera ein Gespräch mit Hubschmid zu führen, und hatte mir dazu einen östlichen Balkon des Zirkus Karajani gewählt - so nennen die Berliner die damals gerade fertiggestellte neue Philharmonie nahe dem Potsdamer Platz, die aussah wie ein Zirkuszelt, aber natürlich aus Stein war.

Der elegante kleine Don Antonio, damals schon beinahe 70 Jahre alt, steht mit dem überaus eleganten Hubschmid an der Brüstung des Balkons und schaut hinüber auf die östliche Seite der Mauer - und auf einen kleinen sanften grünen Hügel. Hinter den beiden Herren sitzt Ira Hagen und schminkt sich die Lippen neu, hört mit einem Ohr mit, was Hubschmid und Don Antonio zu reden haben.

»Unter dem Hügel da liegt der Eingang zum Führerbunker ...... Die Russen haben vergeblich versucht, ihn zu sprengen. Dabei sind die letzten Häuser am Potsdamer Platz umgefallen, aber der Bunkereingang hat sich nicht gerührt«, sagt Hubschmid.

»Da hat er sich umgebracht!« muß Don Antonio sagen. »Mein Gott, wenn ich an all die Toten denke ........ 60 Millionen!«

Und da hebt Ira das hübsche Köpfchen und fragt die Männer: »60 Millionen? ....... Kenn ich den?«

Die Herren drehen sich nur stumm um, schütteln den Kopf und sehen sich an. Ende der Szene.
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Die Trüffelschweine der Zensur - zu blöd zum Denken

Irgendein Hirni, vielleicht sogar mein Verleiher Heinz Preuschoff, hat diesen Dialog überhaupt nicht begriffen und Iras Reaktion einfach abgeschnitten. Dabei hatte ich, um es auch dem begriffsstutzigsten Zuschauer klarzumachen, an nichts anderes gedacht als an den Generationenunterschied der alten Männer und der jungen Ira. Die Toten interessieren das Püppchen Ira überhaupt nicht, aber als sie eine so große Zahl hört, die "Geld" bedeuten könnte, wird sie neugierig.

Oh, wie ich diese selbsternannten Zensoren gehaßt habe, die in jedem meiner Filme zur Schere griffen und hinter meinem Rücken einfach herausschnitten, was ihnen nicht »politically correct« genug erschien!
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Die Nonnen kamen im Gänsemarsch aus der Damentoilette

In Die Endlose Nacht hatte ich einen Zwischenschnitt gedreht, um mir den Übergang zu einer anschließenden Szene zu erleichtern. Da meine Frau mit nicht weniger als sieben blonden Freundinnen gerade zu einem nächtlichen Besuch in die Abflughalle gekommen war und zuguckte, kam ich auf die Idee, sie alle sieben in Nonnentrachten zu stecken und im Gänsemarsch aus der Damentoilette kommen zu lassen.

Mein orthodoxer katholischer Verleiher Hanns Eckelkamp sorgte dafür, daß die Szene schon bei der Uraufführung in der Abflughalle fehlte.
Ich habe nie begriffen, wie ein Mensch die Stirn haben kann, mit der
Schere an einem Werk herumzufummeln, das er lediglich an die Kinos vermieten soll, mit dem er nichts, aber auch gar nichts sonst, zu tun hat.

Da sind mir die Filmvorführer in den Kinos noch lieber, die damals die Angewohnheit hatten, sich ein Bildchen von einem nackten Busen aus dem Film zu schneiden und zu Hause wie einen Schatz zu hüten. Heute gibt's zu viele nackte Brüste, und sie haben mit dem Unfug wohl aufgehört. Damals kamen laufend Beschwerden, weil die Renzi sich in einer Szene, in der sie sich nackt zu Leipnitz im Bett umdreht, nur noch einen Sprung macht - zu viele Vorführer hatten sich schon mit je einem Bildchen bedient.
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Damals "Bundesfilmpreis gegen Streichung der Szene"

Von der Zensur der Schlußsequenz meines ersten Films Flucht nach Berlin habe ich schon berichtet, auch von der Offerte "Bundesfilmpreis gegen Streichung der Szene", aber nie hätte ich es für möglich gehalten, daß das Bundesinnenministerium seinen Einfluß bis in die Fernsehsender hinein geltend machen könnte:

Bis zum heutigen Tag führen sie Flucht nach Berlin ohne meine Schlußsequenz vor. Zur Rede gestellt, behauptet jeder Filmredakteur: »Ich war es nicht, ich führe nur vor, was mir von dem Dr. Leo Kirch geliefert wird!« Was hat der Kirch mit dem Bundesinnenministerium am Hut?
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In Neu Delhi bestimmte das Deutsche Auswärtige Amt

Anfang der neunziger Jahre erst erfuhr ich durch einen Zufall, daß auch Verspätung in Marienborn, zu dem ich ja nur das Drehbuch geliefert habe, auf den Filmfestspielen in Neu Delhi durch das Deutsche Auswärtige Amt - unter Genscher, nehme ich an - zensuriert wurde: Die Russen beschwerten sich und drohten mit Abreise, und daraufhin erlaubte sich die deutsche Botschaft, eigenmächtig eine bestimmte Szene aus dem Film herauszuschneiden.
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Eigentlich macht's schon keinen Spaß mehr ........

Eigentlich macht's schon keinen Spaß mehr, in Deutschland noch Filme zu drehen, fand ich schon 1965, nach der Uraufführung meines dritten Films. Da geriet ich zufällig in eine Vorstellung meines Films und traute meinen Augen nicht: Auf der Leinwand ging es merkwürdig dunkel zu.

Ich rannte zum Vorführer, und der beichtete kleinlaut, daß er den Film nur mit 50, statt mit 70 Lux »fahren« dürfe. (Anmerkung : Ganz bestimmt waren es keine Lux sondern Ampere, die Stromstärke der Kinoprojektionslampen.)

Dem Kinobesitzer sei die monatliche Lichtrechnung zu hoch. Und das geschah nicht in einem billigen Dorfkino, sondern im edelsten Haus eines großstädtischen Erstaufführers. Das geschah bei »Kinokönig« Max Knapp, dem großkotzigsten von Berlin.
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Die Damen und Herren der FSK im Schloß zu Wiesb.-Biebrich

Was die »Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft« anging, hatte ich nie Schwierigkeiten. Die Damen und Herren der FSK im Schloß zu Wiesbaden-Biebrich übertrieben in der ersten Sitzung meist so schamlos, daß der Produzent des Films nur noch den vorzüglichen Fachanwalt Horst von Hartlieb bitten konnte, den Hauptausschuß anzurufen, die zweite Instanz, die dann die Auflagen der ersten gegen Zahlung einer weiteren Gebühr von ein paar tausend Mark regelmäßig wieder zurücknahm.

Eine reine Geldmacherei, die bei der Kalkulation einer Produktion schon berücksichtigt werden mußte. Bei "Playgirl", wie "Berlin ist eine Sünde wert" am Ende hieß, ließ ich einen kleinen Italiener auf einen Stuhl steigen, die Arme ausbreiten und den Satz sagen: »Wenn sie langliegen, passen sie immer!« - auf italienisch: »Quando sono in orrizzontale vanno sempre bene!«

Und den deutschen Satz ließ ich als Untertitel dazu laufen. Prompt verbot ihn die FSK - und das drei Jahre vor der 68er Revolution, nach der dann auf einmal alles erlaubt war.
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Ein Film mit jener »ungewöhnlichen Frische und Spontanität«

Die ganzen Dreharbeiten an diesem dritten Spielfilm dauerten 72 Tage, waren organisatorisch ein einziges Vabanquespiel, künstlerisch hingegen eine wahre Wonne. Ich konnte jeden Einfall auf der Stelle realisieren, ließ mich von jedem Ereignis inspirieren und verschaffte dem Film damit jene »ungewöhnliche Frische und Spontanität«, die nicht nur den Kritikern auffiel, sondern gottlob endlich auch dem Publikum.

Ich ging auf die Trabrennbahn in Mariendorf, wo Paul Hubschmid diese Alexandra Borowski zufällig wiedertrifft, die es inzwischen mit Harald Leipnitz, seinem Assistenten, treibt. Wir sehen zu, wie sein Pferdchen das Rennen verliert, er aber das Rennen um das Mädchen aufnimmt, obwohl es gerade mit Leipnitz in der Dunkelheit verschwindet.
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Kristina Söderbaum, die »Reichswasserleiche«

Nicholas Ray, der bekannte amerikanische Regisseur, wurde, an der Hand von Ulf von Mechow wieder mal, gerade durch die Stadt geführt, und weil mir auch Kristina Söderbaum, die »Reichswasserleiche«, über den Weg lief, schleppte ich sie gemeinsam zum Sechs-Tage-Rennen in die Deutschlandhalle und ließ sie, für einen warmen Händedruck, im Innenraum, zwischen all den Radfahrerlagern, eine Szene spielen.

Und immer ist die Renzi dabei und muß dumme Fragen stellen: »Wer ist die Reichswasserleiche - Kristina Söderbaum, diese alte Dame, wer soll das sein?«

Ich okkupierte mit ihr den legendären Kempi-Grillroom, aus dem die Verantwortlichen in einem Anfall von Schwachsinn nach der Wende, als die Stadt endlich anfing zu blühen und gedeihen, zuerst eine »Hummer-Bar« und dann einen Kinderspielplatz für ihre kleinen Hotelgäste gemacht haben, und ließ sie mit Hubschmid einen geisterhaften Dialog führen:

»Was ich in Berlin will?« muß die Renzi sagen. »Aber hier hat sich doch alles abgespielt, hier war doch der Krieg und die Russen und so!«

Und Hubschmid, an derlei Dialoge überhaupt nicht gewöhnt, sieht zum ersten Mal toll aus, als er antworten muß: »In Berlin nur, glaubst du, war der Krieg?«
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Die Szene mit Paul Hubschmid endet fast schon makaber

Anschließend springt sie nackt in seinen Swimmingpool in Dahlem und schläft mit ihm in seinem Originalschlafzimmer, auf der Fuchsdecke, unter der Ursula Hubschmid wahrscheinlich ihr Leben aushauchte.

Paul war offensichtlich fasziniert von meiner Entdeckung, die Felix bereits dabei ertappte, daß sie von seinem Büro aus Immobilienmakler anrief und sich nach einer standesgemäßen Villa erkundigte, die sie nach der Premiere, als Filmstar, beziehen wollte. Falls die Renzi noch nicht schizophren war, bei diesem Playgirl wurde sie es.

Wie die kleine Anouschka Tag für Tag geparkt wurde

Nach den nächtlichen Dreharbeiten in Hubschmids Millionen-Ambiente wurde sie von unserem »007« oder Beilenbaum nach Hause gebracht und mußte sich erstmal wieder erinnern, wo sie am Abend ihre Tochter geparkt hatte.

»007«-Ketzlin, der sie an einem anderen, gewöhnlichen Drehtag abends nach Hause zu bringen hatte, kam stundenlang nicht wieder, und als er endlich auftauchte, warf er sich erschöpft in einen Sessel und berichtete:

»Die hat da so 'n schäbiges Zimmerchen, eine richtige Bruchbude, in Schöneberg und macht mit uns jeden Morgen, wenn wir sie abholen, das gleiche Theater, erscheint mit dem Kind aufm Arm und läßt uns erstmal in der Nachbarschaft rumfahren, auf der Suche nach einer gutmütigen Frau, die selber Kinder hat, springt mit ihrer Anouschka aus dem Wagen, klingelt und sagt aufgeregt:

>Ach, könnten Sie 'n Moment mal auf meine Kleine aufpassen? Ich muß dringend was erledigen und hole sie gleich wieder ab!< Und so 'ne gutmütige Frau kommt gar nicht dazu zu protestieren - schon hat sie das Kind von der Eva im Arm und sieht nur noch, wie die in meinen Mercedes springt und abhaut!«

»Das macht sie wirklich so?« warf ich ein. »Um Himmels willen, das geht doch nicht! Sie weiß doch gar nicht, was das für Leute sind, denen sie Anouschka anvertraut!«
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Erst hatten wir noch gelacht, dann nicht mehr .....

»Was soll schon sein«, sagte Felix Hock. »Eine Mutter ist eine Mutter, die läßt die Kleine schon nicht verhungern - soll sie der sagen: Ich bin ein Filmstar und brauche jemand, der heute mal auf mein Kind aufpaßt?«

Darüber haben wir noch gelacht, aber dann erzählte Ketzlin weiter, und da verging uns das Lachen: »Heute habe ich eine Stunde oder mehr damit verbracht, ihr Kind zu suchen - sie hatte glatt vergessen, wo sie es heute morgen abgegeben hat! Wir sind in diese und jene Straße gefahren, sie hat überall geklingelt, wo sie schon mal war, und überall ist sie von wütenden Müttern davongejagt worden! Reiner Zufall, daß wir Anouschka wiedergefunden haben!«

Von nun an brachte sie ihr Kind mit. Das süße kleine Mädchen hielt, wann immer ich es sah, einen verschmierten Leibniz-Keks in den Händchen, und jedesmal fand sich ein Stabmitglied, das sich des Kindes erbarmte und mit nach Hause nahm.

Eines Tages war auch Felix Hock dran und nahm Anouschka mit, und die gute »Klementine«, seine Frau Johanna, die nie Mutter gewesen war, holte eine Kinderärztin zu Hilfe.

Sie stellte fest, daß Anouschka an Keksverstopfung litt und sorgte umgehend für Erleichterung - mitten auf dem feinen Teppich Johannas.

Mir blieb das erspart. Meine Frau hatte die Kinder und das Kindermädchen schon wieder mit nach Kampen genommen. »Wenn er 'n Film dreht, ist der Will nicht zu genießen!« hatte sie zu Christine Viertel gesagt.
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»Eva, ich schlag dich tot!«

So war ich auch allein zu Hause, als ich meine Hauptdarstellerin beinahe umgebracht hätte. Es war ein Montag, und wir drehten im Schloß Charlottenburg, das nur montags für den Publikumsverkehr geschlossen ist. »Morgen ist ein wichtiger Tag!« hatte ich allen noch am Sonntagabend verkündet. »Wenn wir nicht fertigwerden, müssen wir eine ganze Woche warten, bis wir das Schloß wieder zur Verfügung haben!« - Doch wer am Montagmorgen unauffindbar blieb, das war Eva.

Wir drehten dies und das um sie herum und gingen sorgenvoll am Nachmittag nach Hause. Es mußte ihr etwas passiert sein, anders war ihr Verschwinden nicht zu erklären. Sie wußte doch, wie wichtig die Szenen im Schloß waren! Felix Hock rief bereits die Krankenhäuser, die Feuerwehr und die Polizei an. »Nein«, bekam er überall zu hören, »heute haben wir noch keine Meldung über eine Leiche im Landwehrkanal! Rufen Sie mal morgen früh wieder an .«
Ich stand gerade am Schreibtisch und hörte mir am Telefon die Meldung unseres Suchtrupps aus Schöneberg an, der die Wohnung der Renzi aufgebrochen und die ganze Nachbarschaft alarmiert hatte - da sah ich meinen Star über die Wiese geschlendert kommen.

»Wo warst du?« schrie ich sie an. »Wir haben heute morgen im Schloß Charlottenburg auf dich gewartet!«

»Ach«, sagte sie leichthin, »heute habe ich doch für das Titelbild der Neuen Revue fotografiert! Ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, daß Mister Bernard aus Hollywood sich für heute verabredet hatte - das war wichtig, weißt du! Er hat doch einen festen Auftrag für Titelfotos! Habe ich das Felix nicht gesagt? Ich bin mir ganz sicher, daß ich Felix Bescheid gesagt habe!«

Ich griff nach dem nächsten Gegenstand, einem der schweren eichenen Stühle im Eßzimmer, holte aus und schlug ihn mit aller Kraft, zu der ich fähig war, der Renzi auf den Kopf, und das war kein Spaß: Ich glaube heute noch, daß ich sie einfach umbringen wollte. Und was tat das Aas?

Sie schüttelte sich nur kurz mal, als der eichene Eßzimmerstuhl auf ihrer Schulter zersplitterte, schrie »He-j! Wa soll denn das?« - und ich schleppte mich mit einem Herzanfall ins Bett, war für den Rest des Tages nicht mehr zu gebrauche.
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Bruno Bernard hatte mal Marilyn Monroe nackt fotografiert

Dieser Bruno Bernard lebte immer noch davon, daß er einst ein Foto der nackten Marilyn Monroe gemacht hatte. Er reiste überall herum, zeigte das Foto mit seinem Namen drauf, und sämtliche Mädchen beeilten sich mit dem Ausziehen, um ebenfalls eine Marilyn Monroe zu werden. Und nun auch »meine« Renzi!
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Die Renzi fühlte sich wie ein Filmstar

Über nicht genügend Publicity hatte unsere Produktion wahrlich nicht zu klagen. Sämtliche Zeitungen, Illustrierte, Radio- und Fernsehsender stürzten sich auf uns. Ich merkte, wie die Renzi überall ankam. Nicht nur die Neue Revue, auch die Quick und der Stern brachten Titelbilder von ihr.

Sie hätte schon ein Übermensch sein müssen, um nicht durchzudrehen: eine vollkommen Unbekannte, auf die plötzlich ein ganzer richtiger Kino-Spielfilm abgestellt ist, die plötzlich von aller Welt bewundert wird!

Sie war nun mal der Star des Films, und sie begann auch, sich wie ein Filmstar zu benehmen, spürte instinktiv, daß ich schon zuviel mit ihr gedreht hatte, um sie noch rausschmeißen und umbesetzen zu können.

Nach der Geschichte mit dem Schloß Charlottenburg sprach ich wochenlang kein Wort mehr mit ihr, wickelte den ganzen notwendigen Regieverkehr über meinen Assistenten Ralf Gregan ab, was bedeutete, daß ich mich sogar an Gregan wandte, wenn sie daneben saß: »Sag der Renzi, wenn sie sich auch morgen wieder nicht an meinen Text hält, werde ich Bodo Kochanowski von der BZ erzählen, daß sie zwar hinreißend aussehen kann, aber leider überhaupt keine Schauspielerin ist!«
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Ich wußte ja, daß sie (nur) eine begabte Amateurin ist ....

Über solche Sachen wurde dann zwar gelacht, aber nicht von Eva Renzi. Sie hatte es in einem längeren Dialog mit Leipnitz, in dem es auf bestimmte Stichworte ankam, zwölfmal fertiggebracht, den Text fehlerhaft aufzusagen - beim dreizehnten Mal sprach sie ihn endlich richtig, und da verpatzte der arme Harald, auf ihren Fehler wartend, seinen Text. Aber so etwas regte mich nicht auf.

Ich wußte ja, daß ich eine begabte Amateurin beschäftigte, ohne jede Ausbildung, und ich empfand ihre Hemmungslosigkeit vor der Kamera, das fehlende Lampenfieber, stets als positiv, ein absolutes Plus, vor dem nur ihre professionellen Kollegen Angst haben mußten.
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Erklärende Worte für Mädchen, die unbedingt zum Film wollten

Noch Jahre nach dem Film, als ich in München den Text der Zeitschrift Jasmin zu verantworten hatte, schrieb ich in einem Artikel für Mädchen, die unbedingt zum Film wollten, lobende Worte über Eva Renzi - oder, sagen wir, erklärende Worte.

Ich schrieb, wie wenig jene Schauspielschülerinnen eine Chance haben, die brav und züchtig einem Regisseur mit den Worten vorsprechen: »Ich weiß, daß ich noch viel lernen muß, aber ich werde mir alle Mühe geben!«

Denn der Regisseur, der einen Film besetzen muß, ist der größte Zweifler, ist die Unsicherheit selbst und befürchtet immer, auf ein Untalent reinzufallen. Wie wirkt dagegen eine wie die Renzi, die noch niemand auffordern mußte, lauter zu sprechen, die nie schüchtern an eine Tür klopfte, sie eher eintrat und mit Schwung verkündete: »Ich bin die Größte!«

Und dem Regisseur nur zu gern die Entscheidung abnahm: »Wenn Sie mir nicht die Rolle geben, sind Sie selber schuld, Sie Würstchen!« So eine gefällt jedem Regisseur, denn sie ermutigt ihn.
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