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Schlager, Lieder, Musik und der Film - die Bedeutung .....

Auf diesen Seiten wird die biografishe Aufarbeitung der Zusammenhänge von Kultur und Politik der Jahre 1918 bis 1945 skizziert. Ab etwa der Hälfte der Seiten wird dem Film die größere Aufmerksamkeit gewidmet als der Musik bzw. den Liedern. Manche Filmlieder wurden zu Gassenhauern - aber erst, nachdem der Tonfilm den Durchbruch hatte. Viele Verweise und Zitate aus den dicken Film-Büchern von Curt Riess und auch von Heinrich Fraenkel kennen unsere Leser bereits. Weitere Bücher sind zum Verständnis der End-Zeit bis April 1945 von großem Informationsgehalt.

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1930

Heinrich Brüning wird Reichskanzler - Hitler schwört im Reichswehrprozeß vor dem Reichs- gericht in Leipzig, die Weimarer Verfassung einzuhalten - Max Schmeling wird Box-Weltmeister - Unverheiratete müssen eine Ledigensteuer zahlen - Grosz >Kaltes Buffet< - Ortega y Gasset >Der Aufstand der Massen< - Papst gestattet Geburtenregelung nur durch Beachtung der empfängnisfreien Tage der Frau - Comic-Strip-Serie »Blondie« beginnt in den USA zu erscheinen - Wöchentlich 250 Millionen Kinobesucher in der Welt (davon 115 Millionen in den USA)

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FRIEDRICH DER GROSSE KLEINE ODER BLA-BLA WIRD WELTHIT

Friedrich Hollaender, der 1919 in Max Reinhardts Kabarett »Schall und Rauch« zusammen mit Werner Richard Heymann und Mischa Spoliansky als Pianist, Komponist und Autor debütiert hatte, ist längst arrivierter Chanson-Experte, ist der Mann für das nervige Flair des >Blauen Engel<. Die Texte schreibt er auch gleich selber. Unbetextet ist nur noch ein langsamer, schmachtend-sinnlicher Walzer mit vielen Zwischentönen.
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Zum Vorspielen hat Hollaender sich einen »Schimmel« gemacht, Bla-Bla-Worte, die ihm gerade eingefallen sind. Hauptsache, es reimt sich. Und nun trägt er den Walzer vor, während Produktionschef Erich Pommer, Sternberg, Jannings, dessen Frau Gussy Holl und Marlene Dietrich zuhören.

Er singt: »Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, denn das ist meine Welt und sonst gar nichts«, spielt weiter, murmelt: »Den richtigen Text habe ich noch nicht.« »Aber das ist doch der richtige Text«, schreit Gussy Holl. »Sie dürfen kein Wort daran ändern. Ich wette, das wird der Schlager der Saison.« Und
darum heißt es bis heute ebenso grammatikalisch unmöglich wie unvergänglich: »Männer um-schwirrn mich wie Motten um das Licht« ...

Zehn Tage nach der Premiere erkennt Hollaender im »Reichsfilmblatt Berlin« sehr gut, welche Bedeutung sein gedankenlos hingeworfener textlicher Genieblitz für den Film hat: »Schon mit dem Schlager "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" war die Charakterrolle von Marlene Dietrich so scharf umrissen, daß durch dieses Chanson eine klare Grundlinie für die Handlung gewonnen war. Dieses Chanson schuf sofort die Atmosphäre, nach der der Stoff gebieterisch verlangte.«
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Ein Blick auf die Speisekarte des Kempinski in Berlin 1930

Lustiger Weise steht dort ganz oben sogar DM drauf. Das ist (war) aber die "Deutsche Mark" von 1930 - vor der Reichsmark - und nicht die (Westdeutsche) DM von 1949.

Anmerkung : Damit die damaligen Verhältnisse klar und verständlich sind, - unser Berliner Opa mußte samt seiner Frau Helene und der Tochter Valeria mit etwa 50 Mark den ganzen Monat auskommen und das einschließlich der Miete in Berlin-Mitte (N4) in die Tieckstrasse Nr. 7.

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Restaurant KEMPINSKI
BERLIN W15 . KÜRFURSTENDAMM 27 . TELEFON 9102 21

Kuller Pfirsich großes Glas ... DM 2.50
und Sektsleuer .... DM 0,90  
Pfirsich-Bowle 0,2 Liter DM 1,50
   
KREBSE  
Hamburger Krebssuppe ................. 1,-
5 Krebssehwänzchen auf Gemüsesalat ........... 1,35
5 Krebsschwänzchen auf Rührei mit Schnittlauch ..... 2,25
Krebsschwanz-Coektail .................. 2,35
10 Krebsscbwänzchen in Dill oder americain mit Reis .... 2,75
Blätterteigpasteteben mit Krebsscbwänzchen und Champignons 2,85  
Krebssehwanzsalat (10 Stück) mit Spargel ......... 3,50
4 Stück Tafelkrebse, Berliner Art ............. 4,50
1 Stück Solo-Edelkrebs .................. 2,50
   
FRISCHER HUMMER  
Hummer-Cocktail Miami (V, frischer Hummer) ...... 5,75
1/2 frischer Hummer, kalt, mit Mayonnaise ......... 6,50
1/2 frischer Hummer, warm, mit geschlagener Butter .... 6,50
Hummer-Salat Kempinski ................ 6,75
1/2 frischer Hummer Vanderbilt .............. 7,25
Frischer Hummer ........... nach Wahl und Größe  
   
KAVIAR  
2/2 Kaviar-Eier auf Kräutertunke ............. 4,35
1 Schlemmer-Schnitte (Tatar und Kaviar)......... 5,35
2 Medaillons mit Kaviar................. 8,75
Prima Malossol-Kaviar (25 g) auf Eis mit Toast und Butter . . 8,75
   
KEMPINSKI SPEZIALPLATTEN  
Geflügelsalat Spezial................... 3,25
Seezungenfilets Kempinski in Blätterteig  
mit Krebsschwänzchen und Champignons...... 3,85
Kempinski Spezial-Silberspieß auf spanischem Reis .... 4,35
Filet-Topf Marquardt................... 4,85
1/2 Masthähnchen mascotte................ 5,-
Souffle Glace Kempinski auf beleuchtetem Eisblock.......für 2 Personen 3,50
Vorjähriger westfälischer Landsehinken, Banernbrot, Radieschen  
und Tafelbutter............ 3.85
dazu 1 Urquell-Steinhäger . 2,5 cl. ... 0,65

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Marlene Dietrich und Friedrich Hollaender verlassen Berlin

Doch die ideale Paarung Autor/Interpretin scheint unwiederbringlich vorbei. Noch am Premierenabend verläßt Marlene Dietrich Berlin in Richtung Hollywood. Die UFA hat ihre Option nicht wahrgenommen (so wie sie 1925 Greta Garbo nach ihrem einzigen deutschen Film >Die freudlose Gasse< ziehen ließ). Doch Jahre später werden die Dietrich und Hollaender - verloren für Deutschland - wieder zusammen sein.

1933 muß Hollaender (den Charles Chaplin »Friedrich der große Kleine« nennt) vor den Nazis flüchten. 1938 gibt's in Hollywood für ihn und Marlene Dietrich in der hinreißenden Westernpersiflage >Der große Bluff< einen fröhlichen Neubeginn.

"The Boys In The Backroom" heißt das Lied - Lola-Lola ist zur Saloon-Circe geworden. Und wie im >Blauen Engel< sitzt Hollaender wieder als Dietrich-Begleiter am Klavier, als Billy Wilder 1947 in der Berliner Trümmerkulisse >A Foreign Affair< (mit den Liedern Black Market und Illusions) dreht.

Der Start in den USA ist übrigens auch für Friedrich Hollaender nicht ohne Schwierigkeiten. Anfang der Zwanziger Jahre hatte im Kabarett »Größenwahn« Rosa Valetti zu Hollaenders hintergründig gefährlicher Musik Kurt Tucholskys Rote Melodie gesungen. Als Hollaender nun um die Staatsbürgerschaft der USA nachsucht, erscheint er den Beamten des FBI wegen eben dieser Roten Melodie politisch höchst verdächtig.
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»VOM >BLAUEN ENGEL< INS FREUDENHAUS«

Da war die Freizügigkeit im Berlin von 1930 noch eine ganz andere. Die saure Moral zum >Blauen Engel< wurde dafür 30 Jahre später nachgeliefert - im »Restaurations-Deutschland unter Adenauer« (Jean Amery).

Als die Dietrich 1960 auf Deutschland-Tournee ging, wurde die große Niedermache der »Vaterlandsverräterin« durch einen erklecklichen Teil der bundesdeutschen Presse von geradezu steinzeitlichen flankierenden Maßnahmen begleitet.
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Aus einem die alte Zeiten stilisierenden Flugblatt in Aachen :

  • »Zur Schande der Dietrichen mußte sie erfahren, daß die Freiwillige Filmselbstkontrolle ihren >Blauen Engel< im Jahre 1957 wieder abgesetzt hatte, und zwar aus Gründen der Sittenverderbnis der Männer- u. Frauenwelt, wie das zahllose Briefe bekundet haben. Denn nach dem Besuch des >Blauen Engels< gings tatsächlich früher schon vom Film ins Freudenhaus.
  • Also war der Kampf der Dietrichen vergeblich gewesen. Sie hatte sich nur eine ungeheure Belastung zugezogen, wie früher schon, als sie als Frau und Mutter in schamlos sexuell aufreizender Kostümierung von der Tonne herabgröhlte: Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Mit Recht wurde ein solches verderbliches Filmschaffen auch von der freiwilligen Selbstkontrolle verworfen und gegeißelt. Auf ihrer Europa-Tournee aber sucht die Dietrichen Hilfe wie bei Willi Brand, dem ehem. Widerstandskämpfer in Schweden, ferner bei den Emigranten, Kz-lern, bei der Halbwelt und bei den Dummen.
  • Zweifellos läßt die Dietrichen diese ihre Freunde mitverdienen. Im >Blauen Engel< aber haben sich Juden, Katholiken, Disidenten wahrhaftig ein unrühmliches Stelldichein gegeben; hier war man in der Behandlung des Sex im Element!«

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  • Anmerkung : Es gab diese Typen von Schreiberlingen bis in die späten 1980er Jahre hier in Deutschland West - und nach der Wende tauchen die jetzt in Deutschland Ost auch wieder auf.

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DER SUPER-SCHLAGER AUF DER SPEISEKARTE

Walter Janssen und Gretl Theimer in >Zwei Herzen im Dreivierteltakt<

Vom Filmkunstwerk >Blauer Engel< sind Hollaenders Lieder und Marlene Dietrichs Gesangs-Interpretation, wiewohl sie sich selbständig machten, nie getrennt worden. Knapp drei Wochen vor dem >Blauen Engel<, am 13. März 1930, war in Berlin die Premiere des ersten von Anfang an als Musikfilm geplanten deutschen Tonfilms: >Zwei Herzen im Dreivierteltakt< (Edmund Nick: »Ein Modellfall für Tonfilmmusik.«)

Der Film selbst ist dem Gedächtnis der Nachwelt abhanden gekommen. Wer erinnert sich schon noch, daß Gretl Theimer am Ende mit der verloren geglaubten Walzer-Melodie ihren auch sie verloren glaubenden Komponisten aus der Patsche rettet. Die Welt, die ganze Welt kennt "Zwei Herzen im Dreivierteltakt" nur noch als Walzer von Robert Stolz.
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"An der schönen blauen Donau" der beliebteste Walzer


Eine Gallup-Umfrage in der »Welt« vom 30.5.1953 ermittelte, daß er nach "An der schönen blauen Donau" der beliebteste Walzer ist. Es gibt Übersetzungen in 25 Sprachen, darunter ins Japanische und Chinesische.

Obwohl nach der Premiere ein Dr. Mühsam in der »B.Z. am Mittag« schrieb: »Leider ist ihm der Titel-Walzer vollkommen mißlungen, und er dürfte daher auch schwerlich populär werden!«

Mühsam war für Robert Stolz nicht einmal die Komposition. Als er von dem Produzenten Julius Haimann in einer ersten Besprechung zum Mitmachen im neuen Tonfilm-Genre aufgefordert wurde, war er so enthusiastisch, daß er der Sage nach anschließend im Kempinski die Skizze seines Superschlagers auf die Rückseite der Speisekarte geworfen haben soll. Wahr oder nicht - der Walzer war wieder einmal auf Pionier-Kurs.
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WALTER JURMANN ODER DER GEFÄHRDETE MUTTERTAG

Walter Jurmann und seine Mutter
Jan Kiepura

Einen anderen Dauer-Ohrwurm von 1930 verdanken wir der verspielten Improvisation von Walter Jurmann. Jurmann - eine internationale Karriere, die sich gewaschen hat. Der Medizinstudent und zeitweilige Barpianist in einem berühmten Ausflugslokal am Semmering wurde dort von Richard Strauss ausdrücklich zum Musikmachen ermutigt, ging nach Berlin, spielte in der Eden-Bar, wo er mit Lehar und Kaiman in Kontakt kam. Und - das Entscheidende - mit dem Erfolgs-Texter Fritz Rotter.

Schon ihr erstes Lied "Was weißt denn du, wie ich verliebt bin" brachte Richard Tauber auf dem Odeon-Label eine seiner meistverkauften Schallplatten, ebenso 1929 das Lied "Deine Mutter bleibt immer bei dir".

Für diese Wehmuts-Schnulze mußte Jurmann nach 1953 büßen. Da hatte er in Los Angeles die bildhübsche Ungarin Yvonne geheiratet, und ihre temperamentvolle Mutter Mady meinte jedesmal, wenn der Muttertag herandräute: »Bitte sag dem Walter, er soll mir nicht dieses Lied spielen, es ruiniert mir den ganzen Tag. Es ist so traurig, und ich will lustig sein.«
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"Ninon und O Madonna" aus >Ein Lied für dich<

Noch in Deutschland schrieb Jurmann "Ninon und O Madonna" für Jan Kiepura in dem Film >Ein Lied für dich<, wurde nach Paris gerufen und 1934 vom legendären MGM-Boß Louis B. Mayer nach Hollywood geholt.

1936 sang Jeanette MacDonald in dem Erdbeben-Film >San Francisco< seinen gleichnamigen Welt-Song zwischen den Ruinen, eine unvergeßliche Vision, der Judy Garland am 23. April 1961 mit einer neu getexteten Vorstrophe in ihrem inzwischen auch schon legendären Carnegie-Hall-Abend huldigte:

»I never will forget mmmh Jeanette Mac Donald, just to think of her, it gives my heart a pain. I never will forget, how that brave Jeanette just stood there in the ruins and sang, and sa-a-a-a-ang«.
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»Das ist eine Melodie, da müssen Sie was draus machen!«

Jurmann war in allen Stilen zu Hause, auch im Blödeln. Und so saßen er und Rotter 1930 in der Ultraphon (eine Plattenfirma, die zum Küchenmeister-Konzern aus Amsterdam gehörte) und warteten auf den Plattenproduzenten Herbert Grenzebach.

Als er kam, intonierte Jurmann: »Wer kommt denn da? Der Grenzebach!« Und Grenzebach (er war ja ein Produzent mit Nase und hatte später ebenfalls große Erfolge bei der Telefunken) reagierte prompt: »Das ist eine Melodie, da müssen Sie was draus machen!« Gesagt, getan.

Jurmann und Rotter, noch immer blödel-lustig, schufen daraus quick "Veronika, der Lenz ist da" mit der pikanten Zeile »Veronika, der Spargel wächst« und freuten sich diebisch. Doch Veronika mitsamt ihrem sanft zotigen Spargel wuchs rasant über einen Autoren-Ulk hinaus.
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"Veronika, der Lenz ist da"

Das Lied schlug so ein, daß die Comedian Harmonists viele ihrer Konzerte damit eröffneten. Die gehörten Anfang der Dreißiger Jahre zu den drei einzigen musikalischen Unternehmen, die garantiert auch die größten Säle füllten - neben den Berliner Philharmonikern und dem Donkosaken-Chor.

Als 1977 ihr zweiteiliges Fernseh-Porträt von Eberhard Fechner lief, schrieb Manfred Sack in der »Zeit«: »Die Vermutung ist sicherlich nicht übertrieben, daß weder die Beatles noch irgendein anderes hervorragendes Gesangs-Ensemble unserer Zeit vorstellbar wäre ohne die Comedian Harmonists, ohne die bis dahin ungehörten musikalischen Finessen des Arrangements und seiner Darbietung, ohne seinen Humor und seine Präzision, ohne den sorgfältigen Umgang mit dem Nebensächlichen.«

1931

Das Jahr der Notverordnungen - Berliner Staatstheater hat ganze siebzehn Abonnenten - Bündnis Hitlers mit national konservativen Gruppen und der Industrie - Hoover-Moratorium für internationale Zahlungen - Beginn der Entwicklung des Elektronen-Übermikroskopes - Empire State Building New York erbaut - Thomas Alva Edison stirbt - Insgesamt 1.000 Tonfilme von 2,5 Millionen Meter Länge (Deutschland: 142 Tonfilme)

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Nico Dostal und Robert Gilbert im Berliner Tiergarten

Es wird in hundert Jahren wieder so ein Frühling sein

1931 muß es schon wieder so einen Jahrhundert-Frühling gegeben haben. Nico Dostal und Robert Gilbert gingen im Berliner Tiergarten spazieren. Auf einer Bank saß ein Liebespärchen, und Dostal (wohl mehr mit dem Wetter als mit der Vorahnung auf das »tausendjährige Reich« beschäftigt) meinte:

»Na, was glaubst du, wer da in ein paar hundert Jahren sitzen wird?« Und Gilbert: »Halt, jetzt habe ich den Text für unseren Tango: Es wird in hundert Jahren wieder so ein Frühling sein. Es wird genau so schön sein wie heut, nur wir werden leider nimmer sein.«

Unglaublich viele Ideen lagen in diesen Jahren in der Berliner Luft. Berlin war kosmopolitisch. Nach dem Italiener Casucci gab der polnische Pianist Jerzy Petersburski dem Wiener Boheme Verlag ebenfalls den Schlager seines Lebens: "O Donna Clara, ich hab dich tanzen gesehn". Daraus machte der Volksmund sofort (Spanien war weit, und der Massentourismus brach erst Jahrzehnte später aus): »O Donna Clara, ich hab drei Wanzen gesehn«.

Petersburski verdanken wir übrigens noch einen anderen »Schlager«. 1923, als er gerade im polnischen Wintersportort Zakopane spielte, wurde er auf die Stimme eines jungen Gastes aufmerksam, dem er zu einer Ausbildung riet: Jan Kiepura.
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Text zum Bild rechts :
Im Februar 1932 zählte man in Deutschland 6.000.000 Arbeitslose. Es gab zwar eine Arbeitslosenversicherung, aber Junge und Alte standen auf den Straßen herum, saßen auf den öffentlichen Bänken, gingen »stempeln« und waren zum Nichtstun verurteilt.
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DAS GIBT'S NUR EINMAL: VON DEN WIENER PHILHARMONIKERN ZUR TITELMELODIE EINER GANZEN ÄRA

Bänke als Evergreen-Banken: Diesmal Werner Richard Heymann

Im November 1918 hatte in Wien für den 22-jährigen Königsberger Werner Richard Heymann die große Stunde geschlagen. Felix Weingartner führte mit den Wiener Philharmonikern seine »Rhapsodische Symphonie« auf. Ein früher E-Erfolg, der sich (zum Glück für die schwere Leichte Muse) nicht wiederholte.

Noch in seinen späten Jahren haderte Heymann: »Es glaubt kein Mensch, wie schwer es ist, Sachen aufgeführt zu bekommen. Die Leute glauben immer, es sei schwer, zu komponieren. Komponieren ist ganz leicht. Aber aufgeführt werden - das ist das Schwerste.«

Erst von 1930 bis 1932 trug Heymann seine Fähigkeit, »leicht« zu komponieren, in so schwindelnde Erfolgshöhen, daß er sich später selber nicht mehr erreichen konnte. Zufall oder Konstellation?

  • »Ich selber wollte nie Schlager schreiben, war dann aber doch stolz und glücklich, daß viele meiner Lieder zu Schlagern wurden. Zu >Ervolks-Liedern<, wie mein Textdichter Robert Gilbert wortwitzig sagte.«

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Heymann und >Die drei von der Tankstelle<

Willy Fritsch, Oskar Karlweis und Heinz Rühmann in >Die drei von der Tankstellen

Heymann beginnt, als ob er nie in den Berliner Kabaretts engagierte Musiken geschrieben hätte, in >Die drei von der Tankstelle< mit den heitersten Melodien: "Ein Freund, ein guter Freund" und "Liebling, mein Herz läßt dich grüßen". Er liefert den musikalischen Ausdruck der Lebensfreude für die Harvey-Fritsch-Filme, die mitten in der Krise zeigen sollen, wie schön und wie lustig das Leben sein kann.

Lilian Harvey und Willy Fritsch werden damit zum Inbegriff des Film-Liebespaares. 1931 entstehen gleich vier der typischsten deutschen Tonfilm-Melodien. Zwei in >Bomben auf Monte Carlo< mit Hans Albers: "Eine Nacht in Monte Carlo" und "Das ist die Liebe der Matrosen" ...
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"Das ist die Liebe der Matrosen"

Heymann ist in Villefranche in Urlaub. In seiner typischen schnoddrigen Art schreibt ihm der UFA-Produktionschef Erich Pommer: »Lassen Sie sich endlich mal was einfallen. Wir brauchen was in Richtung französischer Marinemarsch.«

Heymann kommt der Zufall zu Hilfe. Glücklicherweise ankert vor Villefranche gerade ein französischer Panzerkreuzer. Der französische Präsident hat sich zum Besuch angesagt. Am betreffenden Tag treibt sich Heymann mit einem Boot in der Nähe herum und hört mit gespitzten Ohren alle Märsche, die zu Ehren des hohen Gastes gespielt werden. Die Anregung schlägt sich sofort in einer Melodie nieder. Er läßt sie Gilbert zugehen, und Gilbert textet

  • Marie, wir wollen in den Wald gehn,
  • denn die Bäume sind so jrün,
  • ach, die Bäume sind so jrün.
  • Marie, wir wollen aber bald gehn,
  • weil die allerjrünsten Bäume bald verblühn.


Aus dem französischen Marinemarsch ist ein schmissiges Grunewald-Lied geworden. Robert Gilbert erzählt: »Als ich das gespielt hatte, war ein eisiges Schweigen. Die ganzen Direktoren standen da, kein Mensch hat sich gerührt. Und dann: >Das soll von Matrosen gesungen werden?< Ich sagte: >Ich habe leider das Drehbuch nicht gelesen.< --- >Wie immer<, sagten sie.« Die UFA-Direktoren hatten recht.

Gilberts zweiter Text
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  • Das ist die Liebe der Matrosen!
  • Auf die Dauer, lieber Schatz,
  • ist mein Herz kein Ankerplatz.
  • Es blühn an allen Küsten Rosen
  • und für jede gibt es tausendfach Ersatz!

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wird zur Völker und Militärs verbindenden Parole (wie zehn Jahre später, unter konträren Umständen dann Lili Marien).
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Als wenige Wochen nach der Filmpremiere die deutsche Flotte zu einem Manöver ausläuft, fungiert der Albers-Schlager als der offizielle Marsch, zu dessen Klängen die Anker gelichtet werden. Und unter dem Titel "C'est nous, les gars de la marine" gehört das Lied noch heute zum festen Repertoire der französischen Kriegsflotte.
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>Das gibt's nur einmal.<

Und dann entsteht das Lied, dessen Titelzeile das klassische Motto für die Evergreens des deutschen Films geworden ist: Das gibt's nur einmal.

Heymann: »Wir hatten nur den Auftrag, ein optimistisches Lied zu schreiben. Ich diskutierte mit Gilbert, er machte einige Zeilenvorschläge, und dann plötzlich sagte er: >Das gibt's nur einmal.<

Das gefiel mir so gut, daß ich in ein paar Minuten den ganzen Refrain komponierte. >Hinreißend<, sagte Robert Gilbert, >aber was ist das? Woran klingt das an?< Ich fand auch: Diese großartige Sache kann dir doch nicht eben erst eingefallen sein. Das ist unmöglich. Die mußt du irgendwo gehört haben ...

Wir zermarterten uns vergeblich das Hirn. Am nächsten Vormittag fuhren wir zu allen Berliner Verlegern und spielten ihnen die Melodie vor. Alle fanden sie fabelhaft, und keiner kannte sie. Um drei Uhr nachmittags kamen wir dann bei Pommer in Babelsberg an. Er hörte sich das Lied an - und dann sagte er: >Großartig! Aber was ist das?<«
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Mehr als ein Lied - ein Code!

Großes Schauspielhaus Berlin von Hans Poelzig

Laut »Time-Magazin« wußten die Russen, als sie 1945 Berlin eingenommen hatten, nach den letzten sinnlos verbissenen Straßenkämpfen nicht, wie sie das der Bevölkerung mitteilen sollten. Es fand sich ein Lautsprecherwagen, der mit dem Lied (das ja in der Nazi-Zeit verboten war) durch die Straßen fuhr. Als die Berliner das hörten, wußten sie: Der Krieg ist aus! Und kamen aus ihren Verstecken, Kellern und Höhlen wieder heraus.

Und als Heymann 1955 wieder die deutsche Staatsbürgerschaft beantragte, wurde er ins Münchner Rathaus geladen. Zur Ausfertigung der Urkunde mußte er nachweisen, daß er der deutschen Sprache und des deutschen Volksgutes mächtig sei und wurde ersucht, ein deutsches Volkslied zu singen. Worauf er unter dröhnendem Beifall aller Anwesenden sang: "Das gibt's nur einmal" .......
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IST DAS MUSICAL EINE DEUTSCHE ERFINDUNG?

Musical-Experten haben sich darauf geeinigt, daß der Beginn des Musicals mit Jerome Kerns >Showboat< von 1927 datiert. Wobei dem Laien der Unterschied zur Operette schwerlich klar zu machen wäre. (Schließlich spielte auch Leo Falls >Dollarprinzessin< schon in den USA.) Es gibt auch eine andere Theorie ...
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  • Anmerkung : Von einem ausgewiesenen Musical Experten haben wir alle 4 Bücher übernommen - Günter Bartosch, der 35 Jahre beim ZDF war, als Redakteur und Produzent von Unterhaltungssendungen. Er hat mit Leidenschaft die ganzen Musical Bücher geschrieben.

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Max Reinhardt beauftragt Eric Charell

In Berlin hatte Max Reinhardt den Zirkus Schumann zu einem Theater der Fünftausend umbauen lassen. Es gab keine Guckkastenbühne mehr, die Aufführungen wurden unmittelbar vor die Zuschauer gerückt. Das romantische Gemeinschafts-Erlebnis nach antikem Vorbild, das Reinhardt vorschwebte, wurde vom Publikum nicht genügend honoriert.

Das nunmehrige Deutsche Schauspielhaus war 1924 in den roten Zahlen. Der Tänzer und Ballettleiter Eric Charell schien Reinhardt der geeignete Nachfolger, dieses Problem mit künstlerischem Takt zu lösen.

Nun hatte zwar der geniale Architekt Hans Poelzig mit dem in einer eigentümlichen Traumarchitektur umgebauten Zirkus (einem der wenigen expressionistischen Bauwerke) wie sein Bauherr Max Reinhardt mehr an die griechische Tragödie gedacht als an Charell-Revuen.

Doch Charell gelang nicht nur das Wunder, das Haus aus den roten Zahlen zu bringen. Mit (auch für damalige Verhältnisse) enormem Aufwand bot er den Berlinern eine neue Gattung. »Er steckte die Revue in historische - was bei Charell kulturhistorisch heißt! - Kostüme und verschmolz Revue und Operette, eine innige Verbindung, die Charells Erfindung ist, und der man Jahre später in USA die Bezeichnung Musical gab.
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Charell das Musical >Im Weißen Rössl<

Mit >Casanova< und >Drei Musketiere< und weltumfassend mit dem >Weißen Rössl< wurde lange vor dem Broadway von Charell das Musical kreiert. Diesen theatralischen Fortschritt besiegelte endgültig 1931 Charells Film >Der Kongreß tanzt<!« (Walter Kaul, >Wir tanzen um die Welt<).

Curt Riess schreibt über die Planung dieses Films:

  • »Wer wäre geeigneter, einen Ausstattungsfilm größten Ausmaßes zu inszenieren als Eric Charell. Er steht in seiner Art einzig auf der Welt da. Selbst in Paris und London reißt man sich um ihn. Er ist das, was der berühmte Ziegfeld in New York 20 Jahre vorher war. Er hat Einfälle und Witz, und nichts, was er macht, hat den fatalen Beigeschmack der veralteten Pariser Revue. Freilich, er hat noch nie einen Film gemacht. Als Erich Pommer ihn engagiert, weiß er, daß der Film sehr teuer werden wird.
  • Er ist sich auch klar darüber, daß der Film ein riesiger Erfolg (denn Charell ist ungemein begabt) oder ein riesiger Mißerfolg (denn Charell weiß ja nichts vom Film) werden wird. Also tut Pommer das einzig Mögliche: Er umgibt Charell mit allem, was es an Gutem und Teurem in der UFA gibt.
  • Charell bekommt die besten Manuskript-Autoren, die besten Kameramänner, Heymann macht die Musik, und die Besetzung besteht aus den erprobtesten Publikums-Lieblingen. Die Kostüme und Dekorationen stellen alles in den Schatten, was der deutsche Film je gezeigt hat.«

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>Der Kongreß tanzt< - ein Meisterwerk an Einfallsreichtum

Der neueste Film-Regisseur an der neuesten Kamera: Eric Charell überprüft eine Einstellung zu >Der Kongreß tanzt<

In der Tat ist >Der Kongreß tanzt< auch für heutige Augen ein Meisterwerk an Einfallsreichtum, optischem Witz und unaufhörlicher Bewegung. Die Überblendung vom Stampfen der (bewußt anachronistisch eingesetzten) Polowetzer Tänze in der Hofoper auf den Heurigen-Tanzboden; Paul Hörbigers »Rausschmeißer«- Lied, das in eine zauberhaft verspielte Zivilisten-Parade mündet; die berühmte Kutschenfahrt Lilian Harveys mit dem Lied "Das gibt's nur einmal", die bis vor die Tore Wiens ohne einen einzigen Schnitt auskommt; und die große Ballszene, in der ein Heer von Kameraleuten mit unentwegten Fahrten und Schwenks den Saal am Brodeln hält - eine derartig glückliche Kombination aus Aufwand und Inspiration hat es im deutschen Musikfilm nie wieder gegeben.

Tragisches Ereignis bei der Ballszene: Ein Funke aus einem Scheinwerfer fliegt auf das Cellophankleid einer Statistin, sie steht in Flammen, bevor irgend jemand zur Hilfe kommen kann. Eine Stunde später stirbt sie im Krankenhaus.
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Erst in Berlin erfolgreich uraufgeführt

Kutschenfahrten mit Massenaufgebot durch das Kongreß-Wien: Hier Conrad Veidt (Metternich) und Willy Fritsch (Zar Alexander)

Für die Uraufführung (schließlich spielt das Ganze ja in Wien) hat der sonst so überlegen treffsichere Erich Pommer die unselige Idee, die Premiere an Ort und Stelle stattfinden zu lassen. Sie wird eine Katastrophe. Denn die Wiener sind nicht ganz Aug, sondern ganz Ohr.

Da spricht der Wienerische Bürgermeister von 1814 ein Sächsisch, das er trotz gequälten Ausflügen ins Hochdeutsche nicht unterdrücken kann. Und auch sonst ist außer Paul Hörbiger und Adele Sandrock mit ihrem Burgtheater-Organ die Besetzung rein »preußisch«. Erst mit der rasch angesetzten Berliner Premiere ist die Schlacht gewonnen.
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Lilian Harvey und Willy Fritsch beim Heurigen in >Der Kongreß tanzt<

Charell und Pommer kommen gar nicht auf die Idee, ihre Meisterleistung zu wiederholen. Zu steigern wäre sie ohnehin nicht gewesen. Auch das Liebespaar Willy Fritsch und Lilian Harvey (laut PEM = Paul Markus hieß sie damals in Berlin »das Filigran-Trampel« - so verwöhnt war man noch) hat seinen Kreis abgeschritten.

Beide werden in Zukunft meist allein filmen. Erst im August 1945 knüpft Willy Fritsch an diesen Film an. Im Hamburger Carl-Hagenbeck-Zelt singt er in der Revue >Liebes-Expreß<: »Das gab's nur einmal, das kommt nicht wieder ...«
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1932

Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise: Über sechs Millionen Arbeitslose in Deutschland - Hans Fallada >Kleiner Mann, was nun< - Zwickel-Erlaß verbietet »unmoralische« Badekleidung - Hindenburg wieder Reichspräsident - Papen bildet »Kabinett der nationalen Konzentration« - Hitler erhält deutsche Staatsangehörigkeit - Physik-Nobelpreis an Werner Heisenberg - Entführung des Lindbergh-Babys in USA; wird tot aufgefunden - Deutscher Margarineverbrauch etwa 5.000.000 Tonnen (1913 etwa 2.000.001)

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CHARELLS GROSSER BLUFF ODER DIE ELFEN VERSCHWINDEN ALS KANINCHEN WIEDER IM ZYLINDER

Die duftige Leichtigkeit, mit der Charells Paare über das Parkett schweben - Gott weiß, welche Zaubereien er außer den Kameratricks mit ihnen angestellt hat. Das deutsche Ballett existiert im internationalen Sinn nicht, wird den Anschluß an die großen Compagnien der Welt erst ab Mitte der 19sechziger Jahre finden.

Damals gibt's die Girls nach amerikanischem Parademuster - und ansonsten den Ausdruckstanz aus der Wigman-Schule, Valeska Gerts getanzten Schrei, eine Fülle expressiver Gymnastik, bloß keine Technik. Es fehlt die Tradition, es fehlt offenbar das Nachholbedürfnis.

Es hätten ja nicht gleich die sprunghaften Entwicklungen der amerikanischen Musical-Filme sein müssen, die vom klassischen Formen-Kanon über Folklore, Step, Jazz-Tanz, Akrobatik sich immer tollkühner entwickelten ...
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Und schon sind wir von der Musik beim FIlm gelandet

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Eine Vorschau auf die Olympischen Spiele von 1936

Der Deutsche, wenn er nicht gerade in konvulsivischen Zuckungen sämtliche Abgründe von Welt und Kosmos darzustellen beliebte, bewegte sich lieber treudeutsch. Auch das eine Entwicklung, die lange vor dem Sauberkeitsfimmel der Nazis einsetzt.

Wer heute >Die drei von der Tankstelle< sieht, ist leicht verwundert, warum Willy Fritsch, Heinz Rühmann und Oskar Karlweis bei "Ein Freund, ein guter Freund" einander so ausdauernd, herztausig und relativ überflüssig die Hände aus dem Leib schütteln.

Im >Amphitryon<-Film des »Nicht-Ariers« Reinhold Schünzel macht in dem berühmten Walzer eine Heerschar altgriechischer Jungfrauen mit ihren werfenden Armbewegungen den keulenschwingenden Kraft-durch-Freude-Bataillons der Olympischen Spiele von 1936 bereits Vor-Konkurrenz.
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Wie verschieden die Kameramänner "ticken"

Starre Kamera-Achse und Symmetrie in der Totale: Typisches deutsches Film-Revue-Arrangement aus >Die große Liebe< (in der Mitte unten Zarah Leander)


In >Es leuchten die Sterne< von 1938 tanzen zu dem Lied "Kleine Mama, wie geht es Ihrem Baby?" 60 kinderwagenschiebende Mädchen ins Bild - lange bevor der »Führer« sein Kanonenfutter via Gebärpropaganda bei der deutschen Frau bestellte.
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Hoppla, jetzt komm ich! Hans Albers in >Der Siege<

Auch Charells Leichtigkeit in der Kameraführung war ein Einzelfall. Fast immer wird in den Revue-Szenen der späteren Filme die starre Kamera-Achse, die fixierte Kameraposition beibehalten.

Vergleichen mit dem >Kongreß<-Walzer läßt sich der Walzer der zaristischen Gesellschaft in >Es war eine rauschende Ballnacht< von 1938.

Da schießt die Kamera zwischen den Dialogschnitten immer wieder aus derselben Ecke auf die gottergeben sich drehenden Statisten. Tödlich langweilig.
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1932 - DAS JAHR VOR DEM ABSCHIED - die Pleiten

Nicht die Nazis werden die großen Polit-Theater und die »jüdischen« Amüsier-Theater schließen - die Depression ist ihnen zuvorgekommen.

Piscator, Reinhardt, Charell machen zu, schon 1931 muß Herman Haller, der längst ein kranker Mann ist, seinen Admiralspalast an die Gebrüder Rotter abgeben (nicht zu verwechseln, nicht einmal verwandt mit dem Textdichter Fritz Rotter).

Die übernehmen auch das Große Schauspielhaus und können sich (das Metropol haben sie auch noch) nun an drei Häusern gleichzeitig übernehmen. Was auch bald geschieht, Anfang 1933, als eine Bücherrevision droht, verlieren sie die Nerven und fliehen bei Nacht und Nebel nach Liechtenstein.

Theo Mackebens musikalische Bearbeitung von Molnärs >Liliom<, in der Hans Albers das berühmte "Komm auf die Schaukel, Luise" singt, ist als Serienerfolg die große Ausnahme.

"Hoppla! Jetzt komm ich!" schreiben Heymann und Gilbert für Hans Albers - und dann gehen sie in die Emigration.
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Asta Nielsen macht einen Tonfilm

Nach langer Pause dreht der Stummfilm-Star Asta Nielsen den Tonfilm >Unmögliche Liebe<. Vielleicht braucht eine Künstlerin wie die Nielsen keinen Tonfilm. Schlimm, »daß niemand spürt, was das Gesicht der Nielsen ausdrückt.

Daß die Menschen - und hier beginnt eine Entwicklung, die in den nächsten Jahren unaufhaltsam weitergehen wird - überhaupt das Gefühl dafür verlieren, was bedeutend und groß in der Kunst ist: Daß sie sich lieber amüsieren als erschüttern lassen wollen.« (Curt Riess)
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Jan Kiepura und sein musikalischer Reisepaß

Heute nacht oder nie! Jan Kiepura mit Julius Falkenstein in >Das Lied einer Nacht<

Der Russe Mischa Spoliansky, Chanson- und Kabarett-Komponist von mondän-intellektuellem Stil und Spezialist der Mini-Revue (die Musik zu >Zwei Krawatten<, in der Sternberg die Dietrich sah, ist von ihm) hat einen für ihn gar nicht typischen, aber lebensrettenden musikalischen Einfall.

Für Jan Kiepura schreibt er in dem Film >Das Lied einer Nacht< den Evergreen "Heute nacht oder nie", ein Lied, das er bald seinen »musikalischen Reisepaß« nennt.

Es macht ihn in ganz Europa berühmt, und die Londoner Korda-Film nimmt ihn mit offenen Armen auf.

Deprimierender Kehraus einer Epoche: Das gab's nur einmal...

1955 schreibt Hans Egon Holthusen über .....

  • »..... die melancholische Summe einer längst versunkenen Neunzehnjährigkeit, die alles in sich schließt, was damals >heute< war, die Dostojewskij-Lektüre gleichzeitig mit den abenteuerlichen Lichtarrangements einer Berliner Bar in der Joachimsthaler Straße im Jahre 1932, und die Ironie um den Mund einer Dame, die man als einen nervösmorbiden Bergner-Typ betrachtete und um keinen Preis gewinnen konnte, gleichzeitig mit dem Blut und Staubgeruch kommunistischer Aufmärsche am Alexanderplatz ... Bestimmte Melancholien, die in der Tonart >Unwiederbringlich< geschrieben sind, die Trauer um das verwürfelte Spiel der Jugend, die vergeudete Zukunft, verlorene Liebe und verschwendete Zeit...«

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