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Schlager, Lieder, Musik und der Film - die Bedeutung .....

Auf diesen Seiten wird die biografishe Aufarbeitung der Zusammenhänge von Kultur und Politik der Jahre 1918 bis 1945 skizziert. Ab etwa der Hälfte der Seiten wird dem Film die größere Aufmerksamkeit gewidmet als der Musik bzw. den Liedern. Manche Filmlieder wurden zu Gassenhauern - aber erst, nachdem der Tonfilm den Durchbruch hatte. Viele Verweise und Zitate aus den dicken Film-Büchern von Curt Riess und auch von Heinrich Fraenkel kennen unsere Leser bereits. Weitere Bücher sind zum Verständnis der End-Zeit bis April 1945 von großem Informationsgehalt.

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1937

Peel-Report (Teilung Palästinas zwischen Juden und Arabern) wird abgelehnt (389.000 Juden in Palästina [1919: 60.000], Araber etwa 891.000) - Luftschiff »Hindenburg« explodiert bei der Landung in Lakehurst (Ende der Luftschiff- Personenbeförderung seit 1932) - Orff >Carmina burana< - Gustaf Gründgens Generalintendant der Preußischen Staatstheater in Berlin - Swingstil in Modetänzen - Rekord von 149.547 Zuschauern beim Fußballspiel England-Schottland

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BÖS, BÖS

Auch schön bissig: »Bon mots« nannte Aubrey Beardsley diese Zeichnung

In die Memoiren-Literatur gehören Bissigkeiten oder »Aufrichtigkeiten« wie das Salz in die Suppe. Über ihren ersten UFA-Filmpartner Willy Birgel schreibt Zarah: »Jeder menschliche oder männliche Charme ging ihm völlig ab. Mir ist selten ein Mann begegnet, der etwas so Tötendes hatte wie Willy Birgel. Selbst die Luft um ihn herum war tot.«

Und Peter Kreuder über Zarah Leander: »Sie ist böse, und je älter sie wird, um so böser wird sie und um so unerträglicher. Friede ihrer Masche.«

Und Leander wiederum über Kreuder: »Er gehört gewiß nicht zu den ranken, stolzen Fichten im Wald, sondern ist eher im Unterholz zuhause, wo das Heidekraut dank seiner Zähigkeit und wie aus Trotz überlebt. Doch wie herrlich kann das Heidekraut blühen!«

Zarah Leander - Ein Blick in die Zeit nach 1945

Aber da sind wir schon mitten in der Nachkriegszeit. Dank ihrem unverwechselbaren Timbre und ihrer Persönlichkeit feiert sie als Sängerin ein beispielloses Comeback in Mitteleuropa, wird sie zur fast mythischen Figur aus den Zeiten, an die sich jeder nur noch musikalisch erinnern lassen möchte. Der Legenden sind viele.

Der Titel eines ihrer Nachkriegs-Musicals >Wodka für die Königin< ist durchaus wörtlich zu verstehen. Noch mitten in den 19siebziger Jahren, bei ihren vielen Auftritten im Theater an der Wien, hat sie oft nur wenig Blut im Alkohol. Und reißt doch mit ungeheurer Kraft sich selber zusammen und das Publikum hoch. Und auf der
Bühne ist immer noch ein Hauch von der Aura ihrer früheren Schönheit geblieben. Eine Adele Sandrock des Chansons.

Eine der hübschesten Leander-Anekdoten überliefert uns Marika Rökk: Eines Nachts macht Zarah nach einem Konzert in Hamburg einen Reeperbahn-Bummel. Da kommt ein besoffener Seemann vorbei und lallt:

»Na, Oma, gehst du auch noch auf den Strich?« Die Leander: »Den Strich hätte ich ihm ja noch verziehen. Aber die Oma? Nie!«
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DIE UTOPIE PARADIESISCHER VERANTWORTUNGSLOSIGKEIT

Curt Riess schreibt :
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  • »Je schwieriger die Zeiten werden, um so eifriger, ja krampfhafter werden die Bemühungen der deutschen Filmproduzenten, Filme zu machen, über die die Menschen lachen konnten oder zumindest lächeln. Es ist kein Zufall, daß Marika Rökk Mitte der 19-Dreißiger Jahre groß wird. Es ist kein Zufall, daß neben ihr eine ganze Reihe junger Schauspieler nach vorn kommen, die wie sie zu singen und zu tanzen verstehen.
  • Da ist vor allen Dingen der Holländer Johannes Heesters. Bei der UFA begreift man: Endlich wieder einmal ein junger frischer Kerl, einer der wohl in die Fußstapfen von Willy Fritsch treten könnte.«

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Vor dem Preis stand allerdings der Schweiß.

Und Klaus Theweleit stellt fest: »Im Revue-Film manifestiert sich letzten Endes die >Utopie paradiesischer Verantwortungslosigkeit.« Eine Entwicklung, die genauso für die USA gilt.

Johannes Heesters schwärmte später über die damaligen Film-Premieren: »Wir fuhren in Frack und Zylinder und in Abendkleidern in offenen Autos vor. Der Platz vor dem Kino war gerammelt voll. Das war noch echtes Publikum, erwachsene Menschen, keine Kinder, wie man sie heute bei Premieren findet.«

Vor dem Preis stand allerdings der Schweiß. Heesters war und ist ein Künstler, der sich die Leichtigkeit eisern erarbeitet.

  • »Bei der UFA war mein Anfang sehr schwer, weil ich mich sprachlich unsicher fühlte. Das kann wahnsinnig peinlich sein. Die Kamera läuft, das Licht brennt, das Spiel hat begonnen - und plötzlich hört man mitten in der Szene: >Aus!< Der Regieassistent kommt zu mir: >Herr Heesters, es heißt nicht dem, es heißt der, gell? Wir müssen das noch einmal drehen.<«

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Marika Rökk hatte zuerst nur einen Zweijahres-Vertrag

Marika Rökk als Primaballerina Nastasja in >Es war eine rauschende Ballnacht<

Am verbissensten von allen aber arbeitet Marika Rökk. Ende 1934 hat ihr die UFA einen Zweijahres-Vertrag gegeben. Ihre ersten drei Filme haben nur geringen Erfolg. Anfang 1937 soll sie nur noch von Film zu Film weiterbeschäftigt werden.

Sie hat es nicht leicht, und der Film hat es nicht leicht mit ihr. Sie hat ein ansprechendes Gesicht, aber sie ist pummelig. Der Kameramann Konstantin Irmen-Tschet buddelt sich Löcher in den Studioboden, um ihre Beine aus der Froschperspektive aufzunehmen und sie damit länger zu machen.
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Millöckers Operette >Gasparone<

Johannes Heesters als staatlich lizensierter Bandit Gasparone

Und dann kommt >Gasparone<, Millöckers Operette (mit neuer Musik von Peter Kreuder und Friedrich Schröder) als Revue interpretiert, zeitgemäß. Gasparone als staatlich lizensierter Räuber.

Johannes Heesters, ein Traum von Bandit, singt mit unverschämtem Charme "Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen".

Marika Rökk träumt während der Dreharbeiten von etwas ganz anderem. Sie hat Eleanor Powell in einem Berliner Kino in >Broadway-Melodie 1936< gesehen:

  • »Von Powell's berühmten Step-Serien war ich fasziniert. Das machst du auch, dachte ich - ein für mich bekanntlich sehr typischer Gedankengang. Ich lernte schnell. Tagsüber trainierte ich, nachts hüpfte ich im Traum ebenfalls klappernd einher. In zwei Wochen war ich fit.«


In >Gasparone< steppt Marika Rökk zum ersten Mal. Auch das größte Tanzgenie der Welt könnte den Step-Tanz nicht nach zwei Wochen beherrschen. Aber die Rökk hat, unterstützt von ihrem Ehemann und Regisseur Georg Jacoby, ihren eigenen Stil entwickelt - Marika total!

Marika Rökk war mit dem Regisseur Georg Jacoby verheiratet

Keine Spur von der überlegenen Step-Eleganz, wie sie Fred Astaire mit Eleanor Powell und später mit Ginger Rogers kultiviert, die sich aus lässiger Ruhe heraus fast unmerklich zu einem Schritte-Feuerwerk steigert - Marika rattert immer gleich los, als ob's um ihr Leben ginge. Sie ist im Tanz so drastisch wie in ihrer Mimik: Weit aufgerissene Augen mit dem typischen Zwinkern, Hochziehen der Brauen und Augenrollen werden ihre Markenzeichen.

Gewiß verfügt sie als einzige in Deutschland über Tanztechnik. Oder, wie ihre damalige Choreographin Sabine Ress heute etwas von oben herab resümiert: »Für die damaligen Verhältnisse - sehr anständig.« Wie sehr sich die Ansprüche inzwischen gewandelt haben, ist an ihrem Walzer auf Spitze in >Es war eine rauschende Ballnacht< zu überprüfen. Das rasante Tempo mogelt alle kleinen Schlampereien weg. Eine Gruppentänzerin in einer der heutigen großen Ballett-Compagnien würde für so etwas vom Ballettmeister geschlachtet.

Die französischen Filmhistoriker Francis Courtade und Pierre Cadards über eine Revue-Szene in >Kora Terry<: »Inmitten von Sarkophagen zeigt Marika Rökk einen Bauchtanz, dessen entfesselter Rhythmus auch den besten amerikanischen Musicals gut anstehen würde. Dennoch bleibt alles ein wenig schwer, so ein bißchen mehr Berlin denn Hollywood.« Französische Galanterie ...

Daß Marika Rökk ihre Einzelschwächen mit der Todesverachtung eines weiblichen Harry Piel hinter Sensations-Akten tarnte, lohnte sich auch sonst. Für einige ihrer Filme bekam sie Extragage in Form einer Gefahrenzulage ...
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ZWEI SCHLAGER IN REKORDZEIT

Bruno Balz

Ralph Benatzky, der den ersten Leander-Film komponierte, ist in Paris und hat einen Vertrag mit der MGM. Auf dem Schiff nach Amerika wird er vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erfahren. Nun gibt es für ihn kein Zurück mehr.

Der Mittelpunkt des neuen Leander-Films >La Habanera< soll wieder ein großes Lied werden. Zarah Leander hat sich Entwürfe mehrerer Komponisten angehört, ihre Wahl ist auf Lothar Brühne gefallen. Der Regisseur Detlef Sierck (später in Hollywood als Douglas Sirk) hat den unglücklichen Ehrgeiz, den Text selber zu schreiben. In letzter Stunde wird dann doch der Profi Bruno Balz gerufen. Um drei Uhr nachmittags. Bis sieben Uhr muß der Text stehen, sonst kommt der Produktionsplan durcheinander.

Balz: »Um sechs Uhr standen drei Refrains auf dem Papier, und einer war, wie mir schien, schlechter als der andere. Der Regisseur las sie und ging wortlos hinaus, um sie Frau Leander zu zeigen. Dann kam der ganze Stab wieder zu mir herein. Man hatte beraten - keine Fassung hatte Begeisterung ausgelöst, bis Zarah entschieden hatte. Für diesen Refrain schrieb ich dann noch recht mutlos drei Verse. Der Produktionsplan war gerettet. Ich fuhr traurig nach Hause. Eine große Chance war verpaßt.«
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Zarah Leanders größter Schallplatten-Erfolg ......

Das Lied heißt "Der Wind hat mir ein Lied erzählt" und wurde Zarah Leanders größter Schallplatten-Erfolg. Wobei sie mit den Plattenverkäufen überhaupt mehr als verwöhnt war:

»Verkaufte sich in den Dreißiger Jahren eine Platte gut, dann handelte es sich um Millionen-Auflagen. Die damaligen Platten hatten die (vom Verkaufsstandpunkt aus betrachtet) ausgezeichnete Eigenschaft, leicht zu zerbrechen und verhältnismäßig schnell abgespielt zu sein. Man mußte sie also bald durch neue ersetzen.

Ich lese so viel von >Goldenen< Schallplatten, die man Künstlern heutzutage nach dem Verkauf von 100.000 Exemplaren einer Platte verehrt. Hätte ich damals >Goldene< für alle meine Aufnahmen bekommen, könnte ich auf meinem Gut Lönö damit den ganzen Speisesaal tapezieren.«

(Ein Erfolg, der den eben noch traurigen Bruno Balz so stolz machen konnte, daß ihm der Text für das berühmte Lied "Ich brech die Herzen der stolzesten Frau'n" - wieder mit Lothar Brühne als Komponist - gewiß nicht schwergefallen ist. Heinz Rühmann sagt es mit unvergleichlich komischem Charme in dem Film >Fünf Millionen suchen einen Erben<.)
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Friedrich Schröder
Peter Kreuder

Friedrich Schöder und Peter Kreuder

Noch eiliger als Bruno Balz hatte es ein Jahr vorher Friedrich Schöder gehabt. Er war Arrangeur bei Peter Kreuder. Für den Film >Sieben Ohrfeigen< (in dem Harvey/Fritsch wieder mal zusammen spielten), wollte Kreuder nicht komponieren: »Das ist nur Untermalungsmusik. Das ist nichts für mich. Vielleicht hat der Friedrich Lust.« Der Friedrich hatte.

Ein paar Tage vor Drehbeginn fehlt nur noch die Musik für eine kurze Tanzszene. Die Stars wünschen sich einen langsamen Walzer. »Morgen um vier könnt Ihr bei mir vorbeikommen«, sagt Friedrich Schröder keck.

Am nächsten Nachmittag sitzt er in seiner kleinen Hinterhof-Wohnung - vier Stock hoch - mit leerem Hirn vor leerem Papier. Als seine Frau Lilo, die vom Fenster aus den Hof beobachtet, aufgeregt schreit: »Sie kommen, sie kommen wirklich«, muß Schröder einen Schock bekommen haben. Während die umschwärmten Idole die Treppen hinaufklettern, fliegt seine rechte Hand wie von Furien gehetzt über das Notenpapier. Die Türklingel schrillt, Schröder kommt seinen Gästen in den Flur entgegen und schwenkt triumphierend das Blatt.

Nach der Filmpremiere tanzt alles den namenlosen English Waltz. Hans Fritz Beckmann bekommt den Textauftrag und findet die Worte, die bis zum heutigen Tag millionenfach auf Platte gepreßt, gedruckt und von Millionen gesungen wurden : "Ich tanze mit dir in den Himmel hinein".
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1938

»Anschluß« Österreichs an Deutschland - Münchner Abkommen (Vereinnahmung der Tschechen)- »Reichskristallnacht« - Erste Urankernspaltung (Otto Hahn) - Disney-Film >Schneewittchen< - Hörspielsendung >Der Krieg der Welten< von Orson Welles ruft eine Massenpanik in den USA hervor - Wilder >Unsere kleine Stadt< - Kleinradio »Volksempfänger» kostet 35 RM - Erfindung der Kunststoffe »Nylon« und »Perlon«

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»WIR BRAUCHEN KEINE KANONEN, UNS FEHLT KEIN WELTKRIEG ZUM GLÜCK«

1937 wurde in München die Ausstellung »Entartete Kunst« eröffnet, die später auch in anderen Städten gezeigt wurde...
.... die Bildhauer des Dritten Reichs (hier die Werkstatt Josef Thoraks) kamen ohne Feuerleitern nicht mehr aus

Der Erfolg der Musikfilme und der Schlager, die durch sie entstehen, ist enorm, wird sich bis in die letzten Kriegsjahre noch steigern, wobei das Lied auch den Film zum Erfolg machen kann.

>Eine Nacht im Mai<, kein großer Erfolg am Anfang, wird durch eine Verbeugungs-Tournee »angehoben«. Marika Rökk: »Wir mußten nach dem Film auf die Bühne und Männchen machen. Da trat ich dann im silbernen Frack auf und trällerte "In einer Nacht im Mai" - gerade mit diesem Lied hatte ich einen tollen Erfolg.« Und der Film läuft plötzlich.

Das Team ist alles. »Ich war eine Tänzerin«, bekennt Marika, »die die Frechheit hatte zu singen. Dabei habe ich mich jedoch stets in meinen Grenzen gehalten. Nie habe ich mich an Sachen gewagt, für die man eine ausgebildete Stimme braucht.

Meine Liedchen und Schlager zur UFA-Zeit wurden ja von Komponisten für mich geschrieben, die meine Mittel und Grenzen genau kannten.« Für >Eine Nacht im Mai< haben Peter Kreuder und Hans Fritz Beckmann ihr Musik und Text maßgeschneidert.
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Wenn aus einem Erfolgslied eine Persiflage wird

Sie setzen den Erfolgskurs in >Hallo, Janine< fort. Die Lieder aus diesem Film werden so populär, daß sie schon in den ersten Kriegsjahren »Underground«-Texte erhalten.

Auf "Ich brauche keine Millionen" wird gesungen: »Wir brauchen keine Kanonen, uns fehlt kein Weltkrieg zum Glück, wir wollen weiter nichts, als nur zurück, zurück, zurück.«

Und aus "Auf dem Dach der Welt, da steht ein Storchennest" wird »Auf dem Dach der Welt, da steht ein Flakgeschütz«.
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Marika Rökk in ihrer berühmten Doppelrolle (hier allerdings gedoubelt) in >Kora Terry<

Zu einem Lied für >Kora Terry< 1940 riskiert Beckmann dann eine Lippe zuviel. Er dichtet: »Ich wundere mich über gar nichts mehr und tu, was mir gefällt!« Er wird aus der Produktion gezogen, zum Wacheschieben verdonnert.

Günther Schwenn schreibt den Text, wie wir ihn kennen: "Für eine Nacht voller Seligkeit, da geb ich alles hin". Peter Kreuder, bekannt für offene Worte, geht auf Tournee (berühmt schon damals mit dem persönlichen Kreuder-Stil, dem unnachahmlich eleganten Anschlag am Flügel) und zieht es vor, eine Zeitlang im neutralen Schweden zu bleiben. Die nächsten Rökk-Filme komponiert Franz Grothe, textet Willy Dehmel.

Auch Grothe/Dehmel sind (wie Michael Jary und Bruno Balz) ein Autoren-Gespann auf Dauer. Grothe hat seinen Vetter, der Pianist in Tanzkapellen und Stummfilmkinos war, 1931 als Schlagertexter entdeckt. Die Zusammenarbeit mit anderen Autoren bleibt Ausnahme.
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DIKTATUR UND MARKTWIRTSCHAFT


Ausnahme bleibt auch der »Fall« Beckmann. Die Popularität von Musikfilm und Schlager läßt sich nicht restlos mit von oben verordneter Einschläferungs-Taktik erklären und nicht mit dem Bedürfnis des Publikums, sich einschläfern zu lassen.

Courtade/Cadars weisen nach, daß das deutsche Filmwesen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs marktwirtschaftlichen Gesetzen folgte:

»Reichlich subventioniert, wie sie war, verzichtete die deutsche Filmwirtschaft dennoch nicht darauf, ihre Ausgaben durch Einspiel-Ergebnisse, Investitionen durch gemachte Gewinne zu decken. Es wäre ein Fehlschluß, sie mit dem Filmwesen unter Stalin zu vergleichen.

In der UdSSR wurden die Herstellungskosten vom Staat aufgebracht, wobei die Entscheidung darüber, ob ein Film gedreht wurde oder nicht, rein politischer Natur war. Im ganzen gesehen, blieb die Produktion im Hitler-Deutschland kapitalistisch, was die Verantwortlichen wiederum bestimmte, dem Zuschauergeschmack Rechnung zu tragen.

Wenn der Zuschauer ein Billett oder auch nur ein Filmprogramm kaufte, übte er damit ein Votum aus, zu dem das russische Publikum keine Möglichkeit hatte. Schließlich spielte dieser Faktor auch eine große Rolle für die Beibehaltung der Vielfalt innerhalb der deutschen Filmkunst.

Wenn es Babelsberg, trotz politischer Pressionen, gelang, seinen Ruf als >europäisches Hollywood< zu wahren, dann verdankte es dies den wirtschaftlichen Bedingungen. Wie in den USA hat auch hier die Notwendigkeit, Geld einzuspielen, das heißt, zu gefallen, dafür gesorgt, daß allzu krasse Ideologie abgemildert wurde.«
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Die Internationalität der Unterhaltungs-Stars

Rosita Serrano

Nur so ist auch die Internationalität der Unterhaltungs-Stars zu erklären: Eine schwedische Diva, eine ungarische Tanzsoubrette, ein holländischer Tenor-Charmeur.

Und nun kam auch noch eine chilenische Nachtigall dazu: Rosita Serrano (bereits damals so exzentrisch, wie wir sie Mitte der 19siebziger Jahre in einer reichlich schrillen WDR-Talk-Show erleben konnten).

Ihr erstes Lied Roter Mohn (von Michael Jary und Bruno Balz) lernte sie wie ein Papagei auswendig, weil sie kein Wort Deutsch konnte. Laut Peter Kreuder kleidete sie sich mit Vorliebe in den schreiendsten Farben.

Zur vielfarbig gemusterten Hose gelber Schal, grüner Mantel, lila Hut, blaue Handschuhe. Kreuder: »Ich erinnere mich, wie wir einmal durch Chemnitz gingen, verfolgt von einer Rotte kleiner Jungs, die unentwegt brüllten: >Gugge mal, 'n Babbagei! 'n richtiger Babbagei!<«
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FLOTTER SOUND CONTRA DAUMENSCHRAUBEN

Eine noch »dezente« Pressestimme zum Jazz- Verbot für den deutschen Rundfunk


Natürlich versuchten die Tausendprozentigen - mit den »erbgesunden« Ohren - auch die U-Musik immer mehr zu reglementieren. Die zunächst noch regionalen Verbote des Swing wurden nach dem Mai 1938 bald allgemein.

Neben dem Swing fielen dabei auch das sogenannte Hot-Spielen und (wie es in einem Erlaß des Landes Sachsen hieß) das »übermäßige Ziehen und Jaulen der Instrumente« unter das Verbot.

Kein Einzelfall in deutschen Landen. Oder: Wie sich die Töne gleichen. Was Hitler im Rassenwahn ebenfalls den Juden andichtete, nannte Walter Ulbricht später dann »Gejohle amerikanischer Wallstreet-Gangster«.

Und auch in der Bundesrepublik benutzte noch 1958 ein Schmierfink (um der Chronistenpflicht zu genügen: ein Mensch namens Josef Leicht) in seinem Pamphlet >Geschluchzte Songs - zur Psychologie der Überschnulze< ein ähnliches Vokabular.

Da ist vom »Gröhlen versoffener Straßendirnen« die Rede, die Rockkrawalle sind für ihn Krönung einer »Reeducation, die nur den untermenschlichen(!) Schrei, das tierische Schluchzen« will.

Und als Brückenschläger zwischen Ost und West hält er die amerikanische Seuche zugleich für »kommunistisches Gift«, dem »der deutsche Geist des Idealismus, getragen von einer kämpferischen(!) Mannschaft, entgegengehalten« werden müsse.
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