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Will Tremper - "Große Klappe" - Meine Filmjahre (aus 1997/98)

Wie damals in Deutschland die Filme "gemacht" wurden und was nicht in den Filmheftchen und auf den Filmplakaten geschrieben stand. Auch vom Weg von der Ideenfindung über das Drehbuch bis zum ersten Drehtag wird viel aus der Schule geplaudert. Und sebstverständlich kommen bei Will Tremper auch die Filmsternchen - auch dei männlichen - nicht zu kurz. Die erste Seite beginnt hier .....

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Wie es zu meinen fünften Spielfilm kam

Die Vorstellung, daß ich diesen, meinen fünften Spielfilm, nie gemacht hätte, wenn ich auf dem Weg von der Jasmin-Redaktion in der Münchner Neherstraße zum alten Flughafen Riem brav an der roten Ampel Prinzregentenstraße Ecke Grillparzer gewartet hätte, anstatt todesmutig weiterzufahren, hat etwas Tragisch-Erheiterndes.

Aber ich wollte die letzte Maschine nach Berlin noch erreichen, eine Caravelle der Air France. Und es war kurz vor Weihnachten 1968, meine Sekretärin saß neben mir und hielt sich die Augen zu; wir hatten bis zur letzten Minute an einem längeren Stück gearbeitet - war es Inge Conrad oder Petra Schnitt, aus der später eine Stern-Reporterin wurde?

Egal, in Riem übergab ich ihr meinen neuen 6,3-Liter-Mercedes, ergriff meinen Aktenkoffer und rannte, als letzter wieder mal, in die Maschine.
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In der Reihe vor mir saß Horst Wendlandt - auch 1.Klasse

Hinter mir fiel die Tür der 1. Klasse-Kabine zu, und vor mir saß Horst Wendlandt und blätterte bereits in einem umfangreichen Drehbuch.

»Wo kommst'n jetzt noch her, Dicker?« lautete die Begrüßung. »Aber reden können wir nich', ich muß lesen!«

»Ich auch, ich auch!« japste ich und setzte mich auf die gegenüberliegende Seite in der ersten Reihe ans Fenster. Wir waren die einzigen Passagiere in der 1. Klasse.

Denn nun nahm das Schicksal seinen Lauf.

Wenn ich mir vorstelle, die Fahnenabzüge eines neuen Romans aus dem Schweizer Scherz-Verlag wären mir nicht schon entgegengefallen, als ich meinen Aktenkoffer öffnete!

Der Roman hieß: "Mir hat es immer Spaß gemacht" und stammte von einer amerikanischen Autorin namens Lynn Keefe.

Seit ich als Textchef der neuen Zeitschrift Jasmin, einem 14-Tage-Periodikum des Springer-Verlags, im Impressum stand, schickten mir die Verlage ihre Erzeugnisse gleich zentnerweise zu, und Inge oder Petra schienen mir die Papierflut komplett in den Koffer gepackt zu haben.

Ich begann "Mir hat es immer Spaß gemacht" zu lesen, was im Amerikanischen den zuckrigen Titel "How did a nice girl like you get into this business?" trug und mußte auf der ersten Seite schon lachen.

Wendlandt grunzte nur unwillig. Und ich mußte schon wieder kichern. Es handelte sich um die Memoiren einer jungen Prostituierten aus anständiger Familie in Los Angeles, die durch einen unglücklichen Zufall ins Geschäft geraten ist.

Am Ende heiratet sie in Rom ihre große Liebe, die sich indes ebenfalls als Hurensohn - Callboy, besser gesagt - entpuppt. Eine eher harmlose Variante des alten Themas, aber äußerst witzig geschrieben.
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Horst Wendlandt saß längst neben mir .....

Als wir zur Landung in Berlin-Tegel ansetzten, saß mein Freund Horst, angeregt von meiner Heiterkeit, längst neben mir, riß mir die Fahnen aus der Hand und beschwor mich: »Gib mir den Rest mit, das muß ich zu Ende lesen, ich schick's dir morgen früh ins Hotel. Wo wohnst'n?«

Ich wohnte im Palace Hotel Karl-Heinz Peppers in der Budapester Straße, am Europa-Center, und da ich genug zu lesen dabeihatte, überließ ich Horst die Fahnen.

Am nächsten Morgen rief er an und schrie: »Den Film machen wir!«
»Welchen Film?«
»Na, den mit der Lynn Keefe! Ich hab' das Ding in einem Rutsch zu Ende gelesen - phantastisch!«

Produzenten, die Bücher - und sogar bis zum Wort »Ende« - lesen, soll man nicht entmutigen. Dennoch fragte ich: »In Amerika? Das glaubst du doch selber nicht! Und eine Hide-away-Production mach' ich nicht mit!«
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Keine "Hide-away"-Produktion

Hide-away wird eine sogenannte wilde Produktion genannt, die an Straßenecken ohne Genehmigung dreht, Gewerkschaftsmitglieder nicht beschäftigt und, wenn die Polizei kommt, fluchtartig das Weite sucht.

Unser Freund Michael Pfleghar hatte so den Curt-Goetz-Roman "Die Tote von Beverly Hills" gedreht und seine Erfahrungen gemacht.
»Quatsch!« schrie Wendlandt. »Das machen wir ganz korrekt - mit den Gewerkschaften, Dicker!«
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Ab gehts nach USA. Wir fliegen zusammen, Dicker!

Er war nicht zu halten. Als ich ein paar Tage später wieder in meiner Münchner Redaktion saß, kam ein 1. Klasse-Ticket der Lufthansa für den 2. Januar über Paris nach New York, und Wendlandt sagte am Telefon: »Der Scherz-Verlag hat die Rechte für die Verfilmung nicht, die müssen wir uns bei dem Original-Verlag in New York beschaffen! Wir fliegen zusammen, Dicker! Kommst du da weg in München? Und dann mußt du sofort das Drehbuch schreiben!«

Ich hielt es nicht für möglich, daß Wendlandt wirklich in Hollywood drehen wollte. Hingegen hielt ich es für möglich, mich für ein halbes Jahr bei Hagen und Prinz beurlauben zu lassen.
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Unsere Zeitschrift hatte alles Bisherige in den Schatten gestellt

Unsere Zeitschrift, die nach längerer Vorbereitung im März 1968 mit überwältigendem Erfolg in München erschienen war, hatte alle ähnlichen Neugründungen in den Schatten gestellt, obwohl wir alle zusammengezuckt waren, als Axel Springer unter den 50 Titelvorschlägen, die Hagen und Prinz ihm in Kampen machten, mit nachtwandlerischer Sicherheit auf den Titel Nr. 48 gedeutet hatte: »Hm ..... Jasmin! ...... Das kann ich schon riechen!«

Springers Generalbevollmächtigter Christian Kracht wollte »ganz groß« rangehen, mit einer Auflage von 600.000 Exemplaren am ersten Tag, doch die Reaktionen auf das Probeheft waren so großartig bei den Werbeagenturen, die Anzeigen schalten mußten, daß Kracht durchdrehte und im letzten Moment »eine Million!« in der Druckerei des gerade erworbenen Kindler & Schiermeyer-Verlages in Auftrag gab.

Er behielt recht: Jasmin verkaufte sich in den ersten beiden Tagen eine Million mal, allein in der Bahnhofsbuchhandlung Ludwig in Köln gingen am ersten Verkaufstag bereits 30.000 Exemplare über den Ladentisch.

Wir hätten wahrscheinlich auch noch mehr verkaufen können - Heft zwei druckte schon 1,2 Millionen, Heft drei gleich 1,4 und so ging das kontinuierlich bis kurz vor zwei Millionen bei der sechsten Ausgabe weiter. Wir forschten in der Geschichte der Druckkunst und stellten fest, daß es in der Branche Gutenbergs nichts Vergleichbares je gegeben hatte. Selbst Life, der andere große Sensationserfolg in den dreißiger Jahren, war am Erstverkaufstag 1935 nur mit der Hälfte unserer Erstausgabe erschienen. Wir durften stolz sein.
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Diana Rigg und ihr Liebesleben ...

Aber der Textchef von Jasmin saß erstmal in der Bredouille. Die Druckerei brauchte einen Tag länger für die Millionen-Auflage als für 600.000, und diesen Tag mußte ich von meiner Produktionszeit hergeben.

Ich hing Tag und Nacht am Schreibtisch und war ständig in Gefahr, im Stehen einzuschlafen. Dazu hatte ich mir auch noch Texte eingehandelt, die nur ich selbst recherchieren und schreiben konnte.

Für die erste Nummer allein war ich dreimal nach London gejagt und hatte meiner Freundin Diana Rigg abgeschwatzt, was sie selbst den schärfsten Reportern der Fleet Street nicht verraten wollte: ihr Liebesleben (das die Kollegen der englischen Schmutzpresse dann zähneknirschend uns abkaufen mußten).

Diana alias Emma Peel mußte schließlich nach München flüchten, und ich hatte die ebenso dank- wie undankbare Aufgabe, die Nächte mit ihr in Schwabing durchzutanzen, anstatt eine Mütze Schlaf zu nehmen.
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Wir brauchten immer mehr Autoren für die "Jasmin" ...

Dabei hätte ich für eine neue Ausgabe längst am Place Vendome in Paris der Ira von Fürstenberg zu Füßen sitzen müssen! Karl-Heinz Hagen, und selbst der ewig mißtrauische Günter Prinz, erkannten dann sehr bald, daß ich bereit war, länger als drei Wochen an Bord zu bleiben, mich geradezu totzurackern, und beeilten sich, jeden, der eine Feder halten konnte - darunter Heinz van Nouhuys und Horst Fust und zuletzt auch noch Bert Eberle und Franz-Josef Wagner - in die Redaktion zu holen, in der ich schon ein paar begnadete Neulinge aus Berlin wie Marianne Schmidt und Raimund LeViseur und die Erfolgsautorin Jo Lederer um mich versammelt hatte.

Sogar abgebrühte Reporterinnen wie Felicitas Watzlawik und Corry Norden hatte ich innerhalb des ersten Jahres wieder auf Trab gebracht.
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Günter und Karl-Heinz waren natürlich neugierig

Meine Karten waren also nicht schlecht, als ich vor Hagen und Prinz hintrat und meinte, ich müßte die »einmalige Gelegenheit« ergreifen, einen richtigen Kinofilm in der Höhle der Löwen selbst, in Hollywood, zu inszenieren.

Günter hatte das seit einem Jahr kommen sehen, behauptete er, aber mein Freund Karl-Heinz interessierte sich sofort für das Wesentliche: »Was für ein Film?« Und da antwortete ich nun, was ich bis heute antworte, wenn ich mit der Frage konfrontiert werde: »Wie konntest du nur .?«

Ich sagte abwehrend: »Ist doch ganz gleichgültig, was ich da drehe -Hauptsache: mit allen Schikanen, in einer seriösen Produktion! Wo wird mir das je wieder geboten?«

Die Herren mußten mir schließlich recht geben, zumal ich versprach, in einer Woche wieder zurückzusein und im Sommer erst mit den Dreharbeiten zu beginnen.
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Ich mußte unbedingt Austern probieren bzw. verschlingen

Wendlandt und ich hatten die gleiche dumme Idee, nachdem wir in Paris angekommen und im stinkvornehmen Lancaster abgestiegen waren: »Heut' geh'n wir ins Maxim!« Aber nur ich stopfte mich mit Austern voll und ließ mir von einem alten Kellner erzählen, wie mein Freund Heinz Zellermayer im Krieg hier, als Obergefreiter und ganze 23 Jahre alt, regiert hatte. Nach dem Essen wurde mir schon so übel, daß ich an die frische Luft strömte und zu Fuß in die Tuilerien hinüberlief, wo ich mit Slawomir Mro-zek, einem meiner Lieblingsautoren, in Sachen Jasmin noch eine Verabredung getroffen hatte, während Wendlandt ins Hotel zurückfuhr.

Wir hatten uns gerade umarmt und auf einer Parkbank niedergelassen, als mir endgültig schlecht wurde. Ich kippte um, und der arme Slawomir mußte mich zu einem Taxi schleppen. Erst im Hotel Lancaster kam ich wieder zu mir, als sich ein alter portugiesischer Kellner auf mich kniete, mir mit Gewalt ein weißes Pulver einflößte und mich dann ins Bad schleppte: »Austern im Maxim - am zweiten Januar? Die sind auch dort noch von vor Weihnachten!«
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Warum Horst Wendlandt immer nur lachte und lachte

Meinen Produzenten sah ich erst wieder, als ich schlapp am nächsten Morgen zu ihm in die Hotellimousine zum Flughafen kroch, um nach New York weiterzufliegen. Ich weiß bis heute nicht, warum Horst Wendlandt immer nur lachte über meine Austernvergiftung.

Nahm er meine gräßlichen Schmerzen nicht ernst? Freute er sich nur darüber, daß er keine Austern gegessen hatte? Es wurde an diesem 3. Januar einer der komischsten Atlantikflüge, die ich je erlebt habe.

Wendlandt sprühte vor Unternehmungslust und machte dauernd Pläne, wie wir uns vor dem amerikanischen Verleger verhalten sollten: Die dummen deutschen Jungens vom Land spielen? Oder die gerissenen Filmproduzenten?

Ein American-Express-Scheck über 6.000 Dollar

Jedenfalls wurden wir sofort empfangen und zu diesem Verleger geführt, mit größter Neugier und Zuvorkommenheit behandelt, und nachdem Wendlandts Englisch seine Wirkung getan hatte, auch als »country boys« angesehen.

Wendlandt zog einen American-Express-Scheck über 6.000 Dollar aus der Tasche und behauptete, mehr habe er nicht. Unser Gesprächspartner mit randloser Brille und Dutzendgesicht hatte sich gründlich vorbereitet auf den Besuch, legte Verkaufszahlen und Umsatzkurven vor, doch Wendlandt tat so, als ob er nichts verstünde.

Was den Chef dieser »Paperback Library« so zu irritieren schien, daß er uns höflich bat, den Scheck selbst zu cashen und ihm Bares zu bringen. Daraufhin verabschiedeten wir uns wieder und marschierten immer noch lachend zu einer American-Express-Filiale.
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Dann haben wir American Express verflucht - ein Scheissladen

Nur um dort unser Waterloo zu erleben: Bei Ansicht des Ausgabeortes Berlin sträubten sich den Clerks die Haare und sie weigerten sich, ihren eigenen Scheck, beglaubigt von American Express in Berlin, einzulösen.

Wir wurden für den nächsten Tag an die Zentrale von American Express verwiesen, und dort begann eine stundenlange Hin-und Her-Fernschreiberei mit Berlin, während der wir wie ertappte Ganoven behandelt wurden, bis endlich das erlösende Wort durchkam: »Okay.«

American Express verfluchend, tauchten wir dann wieder bei der Paperback Library auf und bezahlten 6.000 Dollar in bar. Niemand war mehr überrascht, uns noch einmal wiederzusehen, als der Direktor.

Dann kam der Hammer : Eine Sekretärin flüsterte mir beim Weggehen zu, daß »Lynn Keefe« niemand anderer sei als der Chef persönlich.
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Guter Dinge ab nach Los Angeles

Nachdem alles doch einigermaßen glatt und schnell über die Bühne gegangen war, kam Wendlandt auf die Idee, daß ich eigentlich gleich mal weiterfliegen könnte, nach Hollywood, um die Hauptdarstellerin zu suchen, vielleicht auch gleich den amerikanischen Production Manager, denn einen amerikanischen Stab würden wir brauchen, englisch sollte der Film ja gedreht werden. Also kaufte ich mir schon mal ein paar bunte Badehosen und hüpfte in die nächste United Airlines nach Los Angeles.
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Die Sintflut in L.A. - soetwas hatte ich noch nicht erlebt

Wieder in meinem geliebten Beverly Hills Hotel den Room-Service in Atem haltend, mußte ich Wendlandt in New York täglich das gleiche berichten: Es regnet in L. A., ganz Kalifornien ist dabei, in den schaurigsten Wasserfluten zu ertrinken.

Ich hing nur am Telefon, traf Verabredungen mit Agenten und Schauspielerinnen, doch niemand kam. »Ich bin eigens aus San Diego herbeigeflogen«, jammerte ein Starlet, das ich im Playboy gefunden hatte, »aber wir konnten in Burbank nicht landen und sind wieder zurückgeflogen!«

Eine andere weinte: »Mein Agent wollte mich begleiten, aber er ist nicht gekommen!« - Wieder eine andere: »Meinem Freund ist heute nacht das Dach weggeflogen, ich muß ihm helfen, es notdürftig abzudichten!« - Und noch eine andere: »Ich stehe hier in einer Telefonzelle. Gerade ist die Freeway-Brücke vor mir weggeschwemmt worden. Oh, Gott, jetzt reißt es auch die Telefonzelle weg!«
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Morgen müßte die Sonne herauskommen!

Von 20 Verabredungen, die ich in den drei Tagen machte, traf nicht eine im Beverly Hills Hotel ein. Die Direktion informierte mich täglich: Morgen müßte die Sonne herauskommen! Doch sie kam drei Wochen lang nicht. So lange hockte ich im Berverly Hills Hotel herum und betrachtete meine New Yorker Badehosen.

Bis mir eines Tages Hugh Hefner, der Playboy-Verleger, einen geschlossenen Geländewagen schickte, der angeblich schwimmfähig war, und mich zum Tee in sein neues Domizil am Sunset Boulevard einlud.
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Ein »berühmter deutscher Regisseur«

Er hatte von seinem Starlet gehört, im Beverly Hills Hotel säße ein »berühmter deutscher Regisseur«, der auf sie warte, und ich möge doch um Himmels willen nicht wegfahren, ohne sie gesehen zu haben.

So kam ich eines Mittags zu einem überraschenden Interview mit Hefner in seinem neuen Bürohaus am Sunset Boulevard und konnte Jasmin mit einem unvorhergesehenen Beitrag überraschen.

Mehr beeindruckte mich der Zustand des Sunset Boulevards, der mich an meine fruchtlosen Gary-Cooper-Sterbewochen vor neun Jahren erinnerte. Unser Geländewagen, ein Super-Jeep, nicht unähnlich der späteren Golfkrieg-Konstruktion, wühlte sich durch unheimliche Schlammbäche, die von den Hollywood Hills herabkamen.

Die Geschäfte waren fast alle geschlossen und mit Holzverkleidungen verbarrikadiert. Ein Feuerwehrmann sagte mir: »Ein solcher Regen wirkt in Kalifornien jedesmal wie ein Weltuntergang! Zum Glück passiert das nur alle zwanzig Jahre einmal!« Nur dann, offenbar, wenn ich am Ort war und Badehosen ausprobieren wollte.
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Im Februar 1969 wieder in München

Es war schon bald Februar 1969, als ich zurückkehrte. Horst Wendlandt war schon lange wieder zu Hause und erwartete jetzt ein Drehbuch. Das diktierte ich dann, anhand des Buches von Lynn Keefe, in der Redaktion nachts herunter und gab es meinem neuen Freund Tonio Cameron-Palastanga, oder auch »Mr. Knef« genannt, zum Übersetzen (ins Englische).

Als Hildchen fast gestorben wäre

Natürlich hatte ich nur unseren geplanten Film im Kopf, aber das Leben ging, wie es so schön heißt, einfach weiter. So stand eines Tages Hildegard Knef mit ihrem Tonio vor der Tür, über die ich eine unserer sensationellen Exklusivgeschichten in Jasmin gemacht hatte, als sie mit einer Tochter niedergekommen und beinahe daran gestorben war.

Marlene Dietrich hatte ihr den schwesterlichen Rat gegeben: »Da wir beide keine Stimme haben, aber als Sängerinnen tingeln, solltest du Cortisontabletten schlucken, die vollbringen wahre Wunder an den Stimmbändern!«

Was die Knef getan hatte, ohne auf die bekannten Nebenwirkungen zu achten, mit dem Ergebnis, daß ihr Blut seine Gerinnungsfähigkeit verloren hatte, als sie schwanger wurde und die Fruchtblase eines Nachts platzte. Die Münchner Polizei mußte mit ihren Streifenwagen Stafette nach dem Starnberger See hinaus fahren, weil den umliegenden Krankenhäusern bald die Blutkonserven ausgingen. Um ein Haar wäre Hildchen einfach verblutet.
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Hildegard Knef mit dem Orchester Kurt Edelhagen

Doch nun war sie wieder auf den Beinen, war Produzentin ihrer eigenen Big-Band-Tournee mit dem Orchester Kurt Edelhagen, trat in München auf und besuchte mich in der Redaktion. Und sie nieste ein paarmal fürchterlich und schimpfte auf ihren eleganten BMW-Zweisitzer, in dem es »schrecklich zieht«. In der Tiefgarage stand mein neuer Mercedes 6,3-Liter, mit dem ich täglich nur von Grünwald in die Stadt fuhr und abends wieder zurück.

»Nehmt doch meinen Mercedes«, schlug ich Cameron vor, »in dem zieht es nie. Für das bißchen Hin- und Herfahren nach Grünwald reicht mir euer BMW!« So geschah es, das Ehepaar brauste mit meinem Mercedes los, und ich versuchte mit ihrem komplizierten BMW zurechtzukommen. Am Ende der Tournee wollten wir uns in Göttingen treffen und die Wagen wieder tauschen.

Der letzte Tourneeabend in Göttingen kam, ich fuhr in Hildes BMW, von meinem Freund Emil Perauer begleitet, hinauf und traf mich mit der Künstlerin nach der Vorstellung im Göttinger Ratskeller. Jubel, Trubel, Heiterkeit herrschte, die Tournee war ein Erfolg gewesen, die Sängerin schwebte im siebten Himmel.

Am Dienstag zwölf neue Texte für die nächste LP ???

»Jetzt wird eine Woche lang nur geschlafen!« stöhnte sie befreit. Doch da erinnerte Tonio seine Frau daran, daß sie »am Dienstag zwölf neue Texte für die nächste LP bei der Teldec abliefern muß!«

Wumm! Das war wie ein Granateneinschlag. Die Knef schrie auf: »Was? Am Dienstag??«

Dann brach sie am Tisch zusammen, und den Rest der Nacht hatten wir alle nur noch damit zu tun, die Künstlerin wieder aufzurichten und mit billigen Worten zu trösten: »Wird schon nicht so schlimm werden, Mutter!« Doch nun erklärte sie uns, daß gewöhnliche Schreiberlinge mit ihren Problemen gar nicht mithalten könnten. »Der Unterschied zwischen Lyrik und Prosa, hat schon Ludwig Marcuse gesagt.«
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Die Geburt eines Bestsellers

Irgendwann in der Nacht, als die Debatte immer hitziger wurde, warf ich dann ein: »Schreib doch deine Memoiren, Hilde! Du hast mir vor Jahren doch schon mal 20 Seiten über deinen Großvater gezeigt, die mit den Worten beginnen: Meiner hieß Karl .«

Hildegard Knef starrte mich an und rief plötzlich: »Hast du das gehört, Tonio? Ich muß das wie den Drehbeginn zu einem Film sehen! Am Dienstag, Tonio, ist Drehbeginn für meine Memoiren!«
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Meine weiße IBM mit Kugelkopf

Mit diesem beiläufigen Rat hatte ich zwar das Problem mit den zwölf neuen Teldec-Texten nicht aus der Welt geschafft, die Knef aber zu etwas animiert, was man Prosa nennen durfte, »mit Lyrik nicht zu vergleichen!« Etwas, das ihr auf der Stelle Spaß zu machen begann.

Am Dienstag stand das Ehepaar schon wieder in der Jasmin-Redaktion und verkündete die Zeugung der Memoiren: »Wir kommen gerade aus den Vereinigten Werkstätten und haben einen Schreibtisch für Hilde gekauft«, begann Tonio Cameron-Palastanga, »und jetzt brauchen wir nur noch eine weiße IBM (Schreibmaschine) mit Kugelkopf, wie du sie hier hast! Wir haben in der ganzen Stadt herumgesucht und nirgendwo eine perlweiße gefunden!« verkündete Hilde.
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  • Anmerkung von GR : Die IBM Kugelkopf Schreibmaschine war damals 1968 ziemlich neu, sehr teuer, und von der Technik her außergewöhnlich. Damit konnte man in Proportionalschrift schreiben. Ich hatte später in 1978 eine gebrauchte IBM in rot für 3.000 DM erworben, um meine Prospekte zu entwerfen. Ganz nebenbei, die weißen Schreibmaschinenen wurden viel zu schnell unansehnlich schmutzig.

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Was blieb mir übrig, als ihnen meine weiße IBM mit Kugelkopf mitzugeben, die dem Kindler & Schiermeyer-Verlag gehörte. Aber ich wußte, daß Hagen und Prinz nebenan den Atem anhielten, ob mein Coup, der Knef die Memoiren herauszuleiern, gelingen würde - was war schon eine Schreibmaschine dagegen! Ich drückte Tonio dann auch noch 10.000 Blatt Papier in die Hand und bot Hilde an, in den Werkstätten des Verlages ein paar große Pinnwände schreinern zu lassen. »Brauch' ich nicht!« sagte sie, aber als ich sie besuchte, wimmelte es von Notiz-Zettelchen, die sie daraufgepinnt hatte.
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Eine Sekretärin für Hildegard Knef gesucht

Das Anspruchsvollste kam zuletzt: »Wo krieg ich jetzt noch eine Sekretärin her, wie du sie hast?« drängte die Knef. Also gab ich ihr auch noch mein bestes Stück, die niederbayerische Frances Schönberger mit, die mir aus einem Aupair-Job in London zugeflogen war. Von Frances hörte ich als nächstes, daß es zwischen dem Ehepaar pausenlos krachte.

Ich rief Tonio an: »Kannst du nicht in das kleine Häuschen ziehen, das neben eurem großen in Kempfenhausen steht? Dann hätte die Mutter das große für sich allein!«

Und auch das geschah, und die Mutter hatte im Handumdrehen 200 Probeseiten zu Papier gebracht, von Frances sorgfältig abgeschrieben. »Weißt du einen Verleger?« fragte Tonio. »Aber der muß zu uns nach Hause kommen, das Manuskript vor unseren Augen lesen, sonst gibt die Mutter es nicht her!«
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Fritz Molden kam zum Manuskriptlesen aus Wien

Ich fuhr zu Fritz Molden nach Wien, der damals zu einer großen Nummer geworden war, weil er die Memoiren von Svetlana Stalin gegen die Konkurrenz der gesamten Verlagswelt herausgebracht hatte.

Molden lachte mich aus: »Warum soll ich einer Knef nachrennen? Ich habe gerade die Memoiren von Charlie Chaplin abgelehnt .«
Ich sagte ihm, warum: »Wir drucken das Ding in Jasmin und zahlen jede Summe dafür!«

Also bequemte sich der Verleger, nach Kempfenhausen am Starnberger See zu fahren und sich mit einem Packen beschriebenen Papiers in einem großen Ohrensessel niederzulassen.

Der Karpfen blau, den Hilde gekocht hatte, zerfiel, aber eine Leberwurststulle reichte Molden auch. Und wieder rief Tonio an: »Die Mutter fragt, wieviel Vorschuß sie verlangen kann, wenn es dem Molden gefällt?«
Kühn sagte ich: »Verlange hunderttausend Mark!«
»Du bist verrückt!« antwortete Tonio.

Aber Stunden später kam der dritte Anruf: »Stell dir vor, er hat gar nicht gefragt! Er ist ins Zimmer gekommen, hat das Manuskript auf den Tisch geworfen und: >Das mach ich!< gerufen. Und: >Genügen zweihundertfünfzig-tausend als Vorschuß?<«
»Er meinte Schilling!« rief ich.
»Nein, Deutsche Mark!« triumphierte Tonio.

..... und verliebte sich in seine Autorin - ein Fehler

Molden war das Schlimmste passiert, was einem Verleger zustoßen kann: Er hatte sich in seine Autorin verliebt.

Verliebt in Hildegard Knef waren wir alle, aber ihn kostete es bares Geld. Er gab ihr neben dem Vorschuß von einer Viertelmillion auch noch 17,5 Prozent vom Ladenverkaufspreis, und als er 800.000 Hardcover vom Geschenkten Gaul verkaufte, da kostete ihn das am Ende seinen ganzen Verlag. So ist das mit der Ehre des Männer.

Meine Ehre mußte ich ganz in die Waagschale werfen, als Hagen und Prinz eines Tages aus dem Nebenzimmer kamen und erbittert höhnten: »Wir dachten, du bist befreundet mit der Dame, hast sie auf die Idee gebracht?«
»Und -?«
»Und jetzt läßt ihr Agent uns wissen, daß der Stern ihr für den Vorabdruck 200.000 bietet!«

Es wurde für die Jasmin noch viel teurer - ich bekam nichts ab

Wir mußten auf 300.000 gehen, dann auf 350.000, bis Henri Nannen aufgab und mir die Memoiren der Knef für 380.000 Mark überließ. Wir hatten bei Jasmin einen wundervollen Titel gefunden, wie wir glaubten: "Menschenskind" sollte in seinem schönen Doppelsinn der Vorabdruck heißen. Die Knef fand das auch vielversprechend. Aber dann rief Molden an: »Das Buch heißt endgültig "Der geschenkte Gaul", sie will es so, will einen literarischen Titel!«

Na, wir sind bei "Menschenskind" geblieben und hatten gar keinen spürbaren Erfolg damit. Der "Geschenkte Gaul" allerdings wurde ein echter Welterfolg.

Als Fritz Molden mit dem ersten Exemplar des Buches nach Nizza jettete, befand ich mich gerade bei Hilde und Tonio in Saint-Tropez. Ich fuhr zum Flughafen und holte Molden ab. Auf der Fahrt zur Knef fragte mich der Ehrenmann, wieviel Prozente ich für die Vermittlung haben wollte.

»Keine!« sagte ich. »Das war Freundschaft!« Auch ich ein Ehrenmann. Aber wenn, dachte ich bei mir, hätte sie mich schon selber fragen müssen. Doch sie fragte nie.
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Drehbeginn in Hollywood im Producers Studio

Endlich war es soweit. Ich verabschiedete mich von meiner Redaktion und flog zu einer letzten Besprechung mit Horst Wendlandt nach Berlin. Das Drehbuch war geschrieben und Tonio Cameron-Palastanga hatte es so brillant übersetzt wie er den "Geschenkten Gaul" ins Englische übertragen hatte.

Horst wog es in der Hand: »Ganz schöner Schinken, den du da verbrochen hast! Aber bevor es losgeht, habe ich uns zwei Kinokarten gekauft, wir gehen mal in ein paar neue Sexfilme, um zu sehen, wie weit wir es selber treiben können. Das Wichtigste ist: Wir müssen eine Darstellerin finden, die alles mitmacht, was dir so einfällt.«

Gesucht : Eine 18jährige, die wie eine 15jährige wirkte

In Hollywood hatte ich, nicht nur wegen der Flutkatastrophe, keine gefunden, die jung genug aussah - sie spielte im Film eine, na, sagen wir, 15jährige. Und Mädchen in diesem Alter fielen unter die strengen Jugendschutzgesetze von Los Angeles, durften nur drei Stunden täglich vor der Kamera arbeiten und mußten auch noch von einem Jugendschutzbeauftragten begleitet werden - auf Kosten der Filmgesellschaft. Überdies hatte ich die schreckliche Erfahrung gemacht, daß 18jährige, kaum in Hollywood eingetroffen, in kürzester Zeit schon verlebt, ja verwüstet aussahen. Wo war eine 18jährige, die wie eine 15jährige wirkte?

Ich hatte eine junge Schwedin nach Berlin kommen lassen, deren Kopf auf dem ersten Titelbild von Jasmin Aufsehen erregte. Wir fotografierten und filmten sie an Ort und Stelle auf dem langen, rückwärtigen Balkon der RIALTO-Film Wendlandts.

Ich war ein Wochenende lang in Wien auf der Suche gewesen, hatte mit meinem Freund Heinz Lazek mindestens 30 talentierte Osterreicherinnen getestet, eine Szene spielen lassen. Doch was dabei herauskam, entsprach letzten Endes nicht den Erfordernissen.

Also, bei uns keine nackten Titten!

Das Schlimmste stand uns aber noch bevor, als wir ins Kino gingen und am Kurfürstendamm hintereinander drei sogenannte Sexfilme, darunter auch Oswalt Kolles Aufklärer, anschauten. Nie werde ich vergessen, wie ich mit Horst zuletzt aus dem »Kiki« (Kino im Kindl) kam, wie wir uns entsetzt schüttelten und gemeinsam den Schwurfinger hoben: »Also, bei uns keine nackte Titte!«

Die Begutachtung an den berühmten Swimmingpool

Und dann flog ich mit Heinz Lazek nach Los Angeles, und wir begaben uns gleich wieder ins Beverly Hills Hotel, über dem endlich die Sonne schien, und ließen ein Mädchen nach dem anderen zur Begutachtung an den berühmten Swimmingpool kommen. Heinz fing schon an, einen 16mm-Film über die Dreharbeiten unseres Nice Girl zu filmen - auf Verdacht. Vielleicht gelingt dem Will wieder etwas Außergewöhnliches? Selten hat sich ein Kameramann so geirrt.
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Kilian Rebentrost und Jack Cash

Kilian Rebentrost traf als Vertreter der RIALTO-Film ein und engagierte den amerikanischen Production-Manager, der mir seinerseits täglich neue Mitarbeiter vorstellte.

Jack Cash war ein nervöser, doch umgänglicher Typ, der seine Arbeit durchaus ernstnahm und auch keine schlechten Leute mitbrachte. Er verhandelte mit den Unions, wie die Gewerkschaften drüben genannt werden, und erzielte erfreuliche Ergebnisse, jedenfalls auf dem Papier.

Wir konnten danach unsere drei amerikanischen Kameraleute an die Ostküste mitnehmen, brauchten zur Fortsetzung der Dreharbeiten in Miami, Philadelphia, Boston und New York nicht jedesmal neue Kameraleute zu engagieren, so hieß es.

Der Zirkus mit den amerikanischen Gewerkschaften

Doch als es ernst wurde, erlebten wir, was von den einzelnen »Locals«, den lokalen Gewerkschaftsorganisationen, zu halten war: Die in Miami, wie auch in allen anderen Ostküstenstaaten herrschenden Locals, interessierte es gar nicht, was die Kollegen von der kalifornischen Westküste uns versprochen hatten.

Sie zwangen uns in jedem Staat von neuem, ihre Kameraleute zu engagieren, so daß wir, als wir endlich in New York ankamen, nicht weniger als acht (!) Kameramänner auf der Payroll hatten, darunter einen vier Zentner schweren Invaliden, den drei Männer in den Wagen heben mußten. Die Gewerkschaften ließen ihre Mitglieder nicht verkommen, eher die arbeitgebenden Filmgesellschaften.
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Mein Schnippchen funktionierte, dafür mein Kameramann nicht

In New York sollten wir noch vier Kameraleute dazubekommen, aber da schlug ich der New York City Local ein Schnippchen und dirigierte meine Truppe nach Hoboken um, auf die New Jersey-Seite; die Skyline von Manhattan mußte genügen.

Dann geschah etwas Erstaunliches: Als wir noch bei Probeaufnahmen in Los Angeles, im alten Producers-Studio in der Bronson Street, gegenüber von Paramount, waren, ließ mein Chefkameramann Richard C. Glouner plötzlich die Lichter ausmachen. »Meine Union hat angerufen«, sagte er. »Ich darf nicht mehr weiterdrehen, weil du nicht in der "Directors Guild" bist, Will! Tut mir leid, aber die einzelnen Locals sind verpflichtet, untereinander Solidarität zu üben!«
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Mark Sandrich jr.'s tierisches Gebrüll

Mein Regieassistent Mark Sandrich jr. ließ ein tierisches Gebrüll hören: »Dann können wir einpacken! Seit 20 Jahren versuche ich, Mitglied der Directors Guild zu werden! Schade, das hätte ein lustiger Film werden können .«

Jack Cash rief die Directors Guild an und fluchte: »Ich habe den Schlemihl gefragt, ob er wirklich riskieren will, daß vierzig Stabmitglieder arbeitslos werden.

Aber nein, hat er beteuert, euer deutscher Bastard braucht nur einen Scheck über 2.500 Dollar herüberzubringen, dann wird er auf der Stelle Mitglied der Regisseurs-Gilde und ihr könnt weiterdrehen!«
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Und diesmal hatte ich gnadenlos zugeschlagen ....

Gesagt, getan. - Mein Regieassistent konnte es nicht fassen, als er mich fluchend zum Neubau der Directors Guild am Sunset Boulevard hinüberfuhr: »Mein Vater war einer der berühmtesten Regisseure von Hollywood - aber ich kann nicht Mitglied werden. Doch ein Deutscher, gegen den wir den Krieg gewonnen haben, der darf!«

Was mich auf eine Idee brachte. Als ich dem dicken, häßlichen Typ meinen Scheck über 2500 Dollar überreichte, küßte er ihn und watschelte auf die Tür des Nebenzimmers zu.

»Das ist das zweite Mal«, rief ich ihm nach, »daß ich gezwungen werde, einer Organisation beizutreten!« Überrascht blieb er stehen: »Wer war die erste?« Genüßlich antwortete ich: »Die Hitlerjugend!«

Da stierte er mich einen Moment lang an, kratzte sich am Kopf und kam zurückgewatschelt, um mir den Scheck wiederzugeben. »Sorry«, sagte er. »You can go ahead and shoot, Sir.« - Mark Sandrich jr. konnte es nicht fassen.
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Das Buch ist zu lang! - 426 Seiten

Im übrigen erlebte ich, gleich nach meinem Eintreffen in Hollywood, das gleiche Fiasko mit meinem Drehbuch wie Jean-Paul Sartre in München. Jack Cash kam und sagte: »Alle meine Leute beschweren sich, das Buch ist zu lang!«

Es war, in der Tat, etwas ausführlich geraten, hatte 426 Seiten. Wieder war ein Scheck fällig, ein professioneller Umschreiber aus dem San Fernando Valley dampfte es auf die in Hollywood übliche Länge von 120 Seiten ein.

Plötzlich stand meine Celia hinter mir

Ich saß mit diesem Autor noch am Pool des Beverly Hills Hotels und bewunderte - anders als Sartre bei dem Freud-Film John Hustons - seine Effizienz, als ein Schatten auf die Drehbuchseiten fiel. Ich schaute hoch - und meiner Frau Celia ins lachende Gesicht.

»Ich bin mit Timmy gerade gelandet«, erklärte sie. »Ich habe mir gedacht, bin ich eigentlich verrückt, den Kerl allein nach Hollywood fliegen und Starlets "testen" zu lassen?«
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Timmy hatte so nebenbei den Jumbo aufgemischt

Sie hatte unseren Sohn ergriffen und die nächste Air France über Paris genommen, war unterwegs unangenehm aufgefallen, weil der quirlige Drei-jährige in dem Jumbo herumrannte, schlafenden Passagieren ihre Schuhe klaute und in der Toilette versenkte.

Dann fiel sie fast in Ohnmacht ......

Aber zunächst fiel meine Celia erstmal in Ohnmacht, als sie die Hotelrechnung überprüfte: »Tausend Dollar die Woche? Bist du wahnsinnig!? Muß es wirklich das Beverly Hills Hotel sein?«

Und sie tigerte los und fand ein Penthouse im altehrwürdigen Chateau Marmont auf dem Sunset Strip, in dem zuletzt Roman Polanski mit seiner Frau Sharon Tate gewohnt hatte, bis sie ein Haus in den Hills fanden.

Als wir mit unserem Film in Rom eintrafen, erreichte uns die Nachricht, daß Sharon Tate in diesem Haus ermordet worden war, während Roman Polanski in London weilte.

Ach, jammerte Celia, die Polanski kannte, wären sie doch im Chateau Marmont geblieben, das auch nur 1.000 Dollar, aber im ganzen Monat, kostete!
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Die Aussicht von unserem Penthouse-Balkon war grandios

Von unserem Penthouse-Balkon aus konnte ich nun direkt auf das Playboy-Building am Strip gucken, konnte dem verschwundenen Drugstore von »Schwabs« auf der anderen Straßenseite nachtrauern und sehen, wann Paul Kohner, der berühmte Agent, links unter uns sein weißes Haus verließ.

Kohner hatte ich bereits 1961, vor dem Tod Gary Coopers, kennengelernt, und an einem frühen Morgen, noch vor Drehbeginn, wurde Paul Kohner uns eine große Hilfe, als Judy Garland in London verstarb und Mickey Rooney absagen mußte, weil ihn der jähe Tod der Jugendliebe fix und fertig machte.

Für Mickey Rooney verschaffte uns Broderick Crawford

Ich traf mich mit Mickey Rooney im Beverly Wilshire Hotel und erlebte ein Häufchen Elend. Er hätte die Rolle eines texanischen Millionärs spielen sollen, der seinen halbwüchsigen Sohn zu Lynn Keefe nach Miami bringt, damit sie einen Mann aus ihm macht, ihn vor dem Schwulwerden bewahrt.

Paul Kohner verschaffte uns einen würdigen Ersatz in Oscar-Preisträger Broderick Crawford (All the Kings Men).

Überhaupt lernten wir in der Zeit vor Drehbeginn jede Menge Agenten kennen, die uns ihre "Pferdchen" zum Angucken ins Chateau Marmont schickten.

Ein hinreißendes "Pferdchen" war Barbara Hershey

Mit Johnny Hyde jr. von der "William Morris Agency" freundete ich mich richtig an, denn er brachte ein hinreißendes, wenngleich etwas exaltiertes Geschöpf zu uns, das ich unbedingt sofort haben wollte, aber der kleine Johnny hatte etwas Seltenes von seinem legendären Vater geerbt, der nicht nur Marilyn Monroes Agent, sondern auch ihr Liebhaber gewesen war - Stil.

Unglücklich winkte er mich in die Küche, während Barbara Hershey sich lebhaft mit meiner Frau unterhielt, und flüsterte mir zu: »Sie ist auf der Nadel.« Auf Heroin, hieß das, und da ließ man lieber seine Finger von. Eine weitere Schauspielerin, die mir ungemein gefiel, aber bei den Probeaufnahmen schon zu alt wirkte, war Joanna Cassidy.
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Das mit dem Kaffee hatten die Amis nie ím Griff

Was mich maßlos aufregen konnte, war die Tatsache, daß Hollywood oder Beverly Hills als fortschrittlichster Nabel der Welt galt, aber die Kellner im Beverly Hills Hotel mich noch im Sommer 1969 verständnislos anstarrten, wenn ich, statt ihrer heißen Abwaschbrühe, die sie Kaffee nannten, einen Espresso haben wollte.

Espresso - was ist das? Als wir später in Rom landeten, klammerte mein amerikanischer Kameramann sich an mich und sagte erschauernd: »Oh, my god, twothousand years is this old! What're you going to do now, Will, Sir?«

»Was ich als erstes tun werde?« ließ ich ihn wissen. »Ich gehe zu der nächsten Espressobude hier in Fiumicino und trinke drei Espressos hintereinander, um den Spülwassergeschmack Amerikas loszuwerden!«

Dick Glouner folgte mir brav und sah zu, wie ich mit Gusto meinen ersten Espresso seit Monaten hinunterschüttete. Mutig tat er es mir nach und spuckte wie der Teufel, der Weihwasser geschluckt hat.

»Oh, my god .!« Jetzt, sprudelte er spontan hervor, verstehe er, warum alle Italiener immer so aufgeregt seien!
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