Wiesbaden 1965 - Einblick eines 16-jährigen Gymnasiasten
Das Wiesbadenr "UFA im Park"- Kino, einer der ehemaligen UFA Paläste ausserhalb der damaligen wirklichen Großstädte, hatte zu meiner Zeit etwa 700 Plätze (vormals sogar an die 1.100), und es hatte eine feudale Innen-Einrichtung der Zugänge und des Kinosaales, eine fast schon theaterreife Bühne mit Bühnenkeller und mehrere dunkle Notausgänge. Es war ja ursprünglich für den Kaiser Wilhelm gebaut worden (..... sagt die Legende), der aber nie rein ging, sondern der mit seinem Troß auf der Wilhelmstrasse in der goldenen Kutsche zum Kurhaus vorbei klapperte.
Als ich von meinem Vater Mitte 1965 dorthin "lanciert" wurde, war ein Gerhard Steiner der sogenannte Filmvorführer. Gerhard war Junggeselle und eigentlich das Mädchen für alles, der begabte Hausmeister und ein vermeintliches Universalgenie. Daß er quasi "zwischendurch" auch noch die Filme vorgeführt hatte, war nur ein kleiner Teil seiner Aufgaben, die ich dann nach der Schule oft den ganzen Nachmitag und den frühen Abend übernommen hatte.
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Es gab immer viel zu tun, mehr als 8 Stunden am Tag.
Zu solch einem Kino gehörten die diversen Schaukästen und Vitrinen und die großen Plakate über den beiden Eingängen - jeweils mit den vielen Leuchtstofflampen. In dem sehr langen Eingangsbereich von der Wilhelmstraße bis zur Marktkirche, dem mit Marmor verkleideten Edel-Foyer mit den dick gepolsterten halbrunden Sitzecken, gab es noch Glühlampen, die ein anderes wärmeres Licht ausstrahlten, aber auch öfter kaputt gingen, also ersetzt werden mußten.
Unter dem großen Kino-Saal gab (gibt ?) es eine richtg große Belüftungsanlage - mit einem riesigen 2 Meter Ventilator - mit Klima-Funktion, geimeint ist damals eine einfache Luftbefeuchtung mitsamt Staubabsaugung bzw. Filrerung. Auch die mußte periodisch gereinigt = gepflegt werden.
Über dem Saal ganz oben in luftiger Höhe gab (gibt ?) es eine begehbare Deckenkonstruktion, eine hochinteressante Gegend, die mehrere Geheimnisse wahrte. Dort wurden ganz vorne über der Bildwand hoch droben die Bühnenscheinwerfer und die anderen Beleuchtungs-Inseln bei Matinee- Veranstaltungen hergerichtet (repariert bzw. ausgetauscht) und auf ein Rednerpult ausgerichtet.
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Da fällt mir noch ein, die gesamte Schlüsselverwaltung samt Kasse, wenn die Kassierein kam und nicht rein konnte oder einem anderen Mitarbeiter ein Sicherheistsschlüssel abgebrochen war, das gehörte auch zu seinem Job.
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Es gab noch mehr zu tun - nicht nur Filme Vorführen
Das waren die ganz gewöhnlichen Hausmeister-Tätigkeiten, die mir so auf Anhieb einfallen, die nichts mit dem hier in den Heften so hochstilisierten Beruf des Filmvorführers zu tun hatten. Sicher ist mir da in der Erinnerung noch einiges entgangen.
Auf keinen Fall vergessen darf ich dabei, oft zwei mal in der Woche das Schlepen der schwarzen Filmkisten eine recht enge Treppe vom Eingangsbereich 2 Etagen hoch hinauf in den Vorführraum bis zum Umroller und Tage später wieder runter, das war Knochenarbeit.
Und diese Schlepperei galt für alle großen Wiesbadener Kinos, vom Neuen Filmpalast (abgerissen) über das Walhalla (steht leer), das Arkarden am Ring und das Apollo und das Capitol am Kureck (abgerissen) und vor allem das alte Thalia Theater (abgerissen) usw. Bei letzterem mußte man hoch hinaus ganz oben über das Gebäude-Dach in den Vorführraum kraxeln oder klettern, auch bei Eis und Schnee und Regen, eigentlich war das ein Unding.
Nur die drei oder vier kleinen ebenerdigen Pornokinos machten es mit der Schlepperei einfacher. Ich als baumlanger sehr schlanker Schüler hatte mit den schweren 40 Kilo Kisten zu kämpfen und mußte es daher nicht machen.
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Einen einzigen Job mußte der "Filmvorführer" nicht machen, nämlich "putzen".
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"Sooo" beliebt und geschätzt war der Job auch nicht.
Erstens waren die Arbeitszeiten deutlich abweichend vom Tagesrythmus eines normalen Mitmenschen, nämlich von 14.oo am frühen Nachmittag bis oft nach 23.oo Uhr, am Wochenede oft bis Miiternacht oder nach 1.oo Uhr am nächsten Morgen. Es kamen also fast nur hartgesottene Nachtwerker als Vorführer Infrage.
Wichtiger und anstrengender war der terminliche Druck und der Stress, wenn der neue Film noch nicht da war - und das kam öfter vor. Der alte Film war wieder auf die Bobbies umgerollt und verpackt, oft bereits abgeholt und das Kino war "blank" - im wahrsten Sinne des Wortes blank.
Die Mitarbeiter in den Kinos - ofmals sogar auch die Theaterleiter - hatten damals keine Autos, die Jobs waren nicht so berauschend bezahlt. Also gings mit der Taxe zum Rollkontor am Wiesbadener Hauptbahnhof, um dort im Speditionslager die große schwarze Film-Kiste zu suchen.
Wenn die aber bereits im Auslieferungs-LKW geladen war, kamen wir gerade wieder am Kino an, und der Speditions-Fahrer hatte die ganz einfach vor die verschlossene Tür abgestellt. So einfach war das damals.
Jetzt ging der Stress erst richtig los. Die erste Rolle mit dem Vorfilm und der Wochenschau mußte umgerollt und zusammengeklebt werden, während ich die anderen Rollen des Hauptfilms vom Bobby in unsere Metall-Spulen umrollte.
Selbst zu zweit hatten wir oft wenige Minuten vor der ersten Nachmittagsvorstellung unsere Maschinen vorführbereit.
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Lesen Sie mal die einzelnen Artikel - Beweihräucherung war in.
Die Autoren oder der Redakteur wollte aus "dem Filmvorführer" einen Diplomingenieur machen und das ging aus meiner Sicht schief. Denn ab 1957 wurden diese Job teilweise von Voführ-Automaten erledigt und jetzt wußten auch die Filmvorführer, welchen niedrigen Wert sie in der Branche hatten.
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Noch viel schlimmer wurde es nach vielen Jahren, als die ersten professionellen Beamer in den Vorführräumen einzogen und der ganze Filmablauf mit dem PC vom Schreibtisch des Chefs in seinem Büro geplant und organisiert wurde.
Gebraucht wurde der Hausmeister bzw. der Elektriker, aber kein Vorführer mehr.
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