Sie sind hier : Startseite →  Film-Historie 1→  Die kleine Filmgeschichte (1959)→  Filmgeschichte Kapitel IX

Die kleine Geschichte des Films (verfasst im Jahr 1959)

1959 war es für Taschenbuchverlage noch sehr aufwendig, die Texte ausführlich und komfortabel lesefreundlich zu bebildern. Jedes Bild musste aufwendig positioniert werden und der Text hätte dann nicht mehr verändert werden können. Darum waren die raren Bilder oft in der Mitte auf 10 oder 20 Seiten am Stück gebündelt - so auch hier. Weiterhin wurden bei der Überarbeitung mißverständliche Formulierungen und sonstige Fehler verbessert sowie Kommentare ergänzt.

Kapitel IX
DER FILM IM DRITTEN REICH

.

Anmerkung:

Der Verfasser / Autor Erst Johann ist 1909 geboren und war offensichtlich kein so glühender Anhänger des Führers und des 1000 jährigen Reiches. Und im Alter von 24 Jahren bekommt man alleine duch die jugendliche Neugierde die geringsten Feinheiten und Nuancen einer politscihen Veränderung hautnah mit. Selbst wenn man dann 12 Jahre den Mund halten mußte, so etwas prägt sich ein. Darum ist dieses Kapitel eines der wichtigsten von allen zehn Teilen.

.

1932 - Hilter noch ohne Macht beschwört den Film

Im Juni 1932 gab Hitler eine Verfügung heraus - verfügen konnte er damals nur über seine Partei -, in welcher es in seinem unnachahmlich schlechten Deutsch heißt: »Das Aufgabengebiet Film wird seiner Bedeutung gemäß ausgebaut.« Aber man kann leider nicht sagen, daß er sich über die Bedeutung nicht im klaren gewesen wäre. Im Gegenteil. Er war ein leidenschaftlicher Kinogänger, und der Demagoge in ihm hatte längst die ungeheuren Propagandamächte gespürt, die im Film schlummerten.

Die Weimarer Demokratie verscherbelt die UFA Anteile

Die parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik hatte diese überhaupt nicht ausgenutzt. Eine ihrer ersten Taten war, sich der Ufa-Anteile zu entledigen, die ihr aus der Erbschaft des Kaiserreichs zugeflossen waren. Künftig beschränkte sich die Republik darauf, die Polizei zu spielen, also zu zensieren. Diese Rolle konnte ihr kaum Sympathie einbringen.

So kam es, daß das größte Geschenk, das sie brachte, die Freiheit und Unabhängigkeit der künstlerischen Aussage, unter dem Eindruck kleinlicher Zensurdebatten nicht deutlich genug in das Bewußtsein der Öffentlichkeit einging.

Die Blütezeit des deutschen Films lag in der Freiheit der Republik

Tatsächlich ist es doch die Freiheit der Republik gewesen, die die Blütezeit des deutschen Films überhaupt ermöglicht hat. Die Republik kam gar nicht oder erst, als es zu spät war, auf den Gedanken, sozusagen für ihre eigene Firma zu werben; sie, die dem Film alle Freiheiten gab, nahm sich selbst die wenigsten; Hitler machte es umgekehrt, er nahm sich selbst alle Freiheiten und gab dem Film die wenigsten.

Die Reichsmarine kauft eine Filmfirma . . . . .

Wie stümperhaft war zum Beispiel einer der wenigen Versuche der Republik angelegt, auf dem Umweg über den Film eine bestimmte politische Beeinflussung zu erzielen. Im Zusammenhang mit der »schwarzen« Aufrüstung der Reichswehr (welche die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages hinterging) war die Reichsmarine auf den Gedanken gekommen, sich an einer Filmproduktionsfirma zu interessieren; zu welchen Absichten, dürfte klar sein.

. . . . . und geht damit pleite

Sie schickte also ihre Mittelsperson, den Kapitänleutnant a.D. Lohmann, ins Gefecht, der die ihm anvertrauten »zweckgebundenen« zehn Millionen Goldmark bei der »Phoebus«-Film anlegte. Mehr als eine Quittung hat er von dieser Firma nie bekommen, sie ging in Konkurs, und deshalb kam das Marinegeschäft an die Öffentlichkeit. Um mehr als um die zehn Millionen Goldmark war aber das Reich gebracht - denn sein moralisches Ansehen erlitt die empfindlichste Schädigung seit langem . . . .

1933 - Erstaunlich - Hitler war beim Film lernfähig

Hitler hat aus solchen Zwischenfällen gelernt, er wußte, daß er es auf jeden Fall geschickter anstellen würde ... Am 30. Januar 1933 »ergriff er die Macht«, am 14. März 1933 errichtete er ein eigenes Ministerium »für Volksaufklärung und Propaganda«. Zum Chef dieser Werbefirma (für welche die Summe von zehn Millionen ein lumpiges Geld war) wurde der Journalist Dr. Joseph Goebbels ernannt. Dessen Tüchtigkeit ist bekannt - allerdings eine Tüchtigkeit, die den Selbstmord mit einbezieht.

Goebbels wollte Fritz Lang "kaufen" - eine Legende ?

Unmittelbar nach der »Machtergreifung« ließen sich Hitler und Goebbels den Filmregisseur Fritz Lang kommen. »Goebbels« - so berichtet Fritz Lang selbst über die folgende Unterhaltung - »erzählte mir, daß er und der Führer vor vielen Jahren meinen Film >Metropolis< in einer Kleinstadt gesehen hätten und Hitler ihm damals gesagt habe, er habe mich dazu ausersehen, künftig einmal die Filme des Dritten Reiches in Szene zu setzen.« Fritz Lang dankte (angeblich) für solche Ehre und zog es vor, das Land seiner Welterfolge zu verlassen, die antisemitische Variante der kommenden Diktatur war ihm nicht verborgen geblieben.

Anmerkung: Das mag der Stand des Wissens um 1960 gewesen sein. Inzwischen gibt es mehrere Quellen, die diese Eigenaussage relativieren, denn obwohl er angeblich noch am gleichen Tag nach Wien "ausgereist" war, (weil er vermutlich gesucht würde zwecks Verhaftung",) war er später noch viele Male in Deutschland. Die Stempel in seinem erst viel später wieder aufgetauchten Pass würden das angeblich belegen.

.

Eine sonderbare Faustregel: »Wer Arier ist, bestimme ich«

Daß die Wahl Hitlers auf ihn fiel - damals gab es noch nicht die Nürnberger Gesetze, sondern es galt die Faustregel »Wer Arier ist, bestimme ich« -, bleibt bezeichnend genug: die Phantasie Fritz Langs hatte in »Metropolis« optische Visionen auferstehen lassen, die einen im Begriff des »Herrenmenschen« denkenden Kleinbürger wie Hitler nicht schlafen lassen konnten.

Anmerkung : Auch hier ranken sich mehrere Versionen um diese Wahrheit oder Legende. Einmal soll das Göring gesagt haben, mal aber Göbbels und mal auch Hitler. Mal hieß es : "Wer Jude ist, bestimme ich." Mal hieß es : "Wer Arier ist, bestimme ich." Zur Zeit (2013) kann ich keine dieser Versionen bestätigen.

.

Thea von Harbou, die Ehefrau von Fritz Lang

Der Ureinfall zu »Metropolis« war Thea von Harbou während einer Autofahrt gekommen, sie notierte sich die Stichworte auf die Rückseite eines Theaterbillets, das sie in ihrer Handtasche fand - in diesem Augenblick war zweifellos ein Stück des Dritten Reiches Wirklichkeit geworden. Die Vision der Herrenmenschen im Licht und der versklavten Masse in der dunklen Tiefe, von Fritz Lang später so unheimlich beeindruckend in die Filmwirklichkeit umgesetzt, war in Hitlers Unterbewußtsein gedrungen - seine Taten bewiesen, daß sie ihn nie mehr verließ. Deshalb schien Fritz Lang der Mann nach Hitlers Geschmack.

Wenn Phantasien auf ein (krankes) Gehirn treffen

Um genau zu sein: Hitler war zu einem Teil das Geschöpf des Geschmacks von Thea von Harbou. Natürlich konnte diese Schriftstellerin nicht damit rechnen, daß ihre Phantasien auf ein Gehirn treffen sollten, das diese Phantasien für bare Münze hielt. Andererseits lagen solche Phantasien damals nicht zufällig in der Luft. Welche Witterung auch immer dazu gehören mag, sie herunterzuholen - Thea von Harbou besaß sie, wie denn die Romanmotive der sogenannten Unterhaltungsschriftsteller viel größeren Aufschluß über den Zeitgeist geben als diejenigen der sogenannten ernsten Literatur.

Im richtigen Moment: Einen ewig vorrätigen Stoff aus dem Lager deutscher Heldensagen hervorholen

Dem Dichter geht es um die Kunst, dem Unterhaltungsschriftsteller um das Publikum. Viel mehr als dieser noch, muß sich der Filmautor an das Publikum halten. Erweist er sich nicht als der wirkliche Errater des Massengeschmacks, nicht als der Erfühler der geheimen Massenträume, dann versagt er mit mathematischer Sicherheit. Seine Filme sind die Stimme seines Volkes... Und Thea von Harbou hatte nicht nur »Metropolis« geschrieben, sondern auch »Die Nibelungen«. Das heißt, sie hatte einen ewig vorrätigen Stoff aus dem Lager deutscher Heldensagen und Legenden im einzig richtigen, geschichtlichen Augenblick hervorgeholt.

"Der Deutsche hatte wieder eine Vergangenheit"

Fritz Lang hatte ihn monumentalisiert und zugleich mit den Anklängen an die Götterdämmerungsinszenierungen Richard Wagners und an die Gute-Stuben-Buntdrucke Böcklins der modernen Empfindung nähergebracht. War es nach den »Nibelungen« nicht gerade eine Lust, ein alter Germane zu sein, so rieselten doch gelinde Schauer trotzigen Stolzes den Rücken hinunter: der Deutsche hatte wieder eine Vergangenheit, und das wollte nach einem verlorenen Weltkrieg viel besagen.

Nach dem Nibelungenfilm war deutsch wieder deutsch, Treu' wieder Treu' und Rache wieder Rache. Weder Thea von Harbou in ihrem eleganten Sportauto, noch Fritz Lang, der nicht ohne das mondäne Monokel zu denken ist, haben das Absinken ihrer filmkünstlerischen Ambitionen in die Gosse Ludendorff-völkischer Hetz- und Winkelblätter und in den Bierdunst Hindenburg- patriotischer Stammtische gewollt - der Fluch ihrer Tat ist, daß sie es nicht verhindern konnten. Die Stimme des Volkes zu sein - man sieht es an diesem Beispiel -, ist nicht immer ein Segen.

Noch hatte die UFA keine große Bedeutung

Die Rolle der Ufa bleibt in diesem Zusammenhang zwar erwähnenswert, doch nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die Ufa hat die außerordentlich teuren Filme Fritz Langs hergestellt, aber doch in aller nationalen Unschuld, und sie war damals weder von Hitler noch von der Schwerindustrie bestochen.

Fritz Lang hatte das richtige Gefühl im Bauch und sagte "Nein"

Hitler-Goebbels wußten also genau, was sie kaufen wollten, als sie Fritz Lang ihr Angebot machten. Nur hatten sie vergessen, daß man solche Offenbarungen der Volksseele, als die sie »Die Nibelungen« und »Metropolis« erkannten, nicht vorbedacht organisieren kann. Fritz Lang, Künstler genug, um dies zu fühlen, bedankte sich für die ehrenvolle neue Aufgabe, sagte »Nein« und beschleunigte seine Auswanderung. Noch im Frühjahr 1933 ging er nach Paris (Anmerkung: andere Quellen sprechen von einem Zug nach Wien) , drehte dort einen Film und fand dann in Hollywood sein neues erfolgreiches Arbeitsfeld.

Thea von Harbou ließ sich kaufen

Mit Thea von Harbou hatte es Goebbels etwas leichter; sie ließ sich von Fritz Lang scheiden und genoß als »Filmautorin« bis zu ihrem Tode, 1954, einiges Ansehen. Sie schrieb Drehbücher, zum Beispiel für den Jannings-Film »Der Herrscher«, und führte sogar Regie (in »Hanneles Himmelfahrt«) - aber es war nichts mehr zu verspüren vom alten Glanz; ihre berühmte Witterung dessen, was die Zeit verlangt, hatte sie verloren.

Die Stimme des Volkes besorgten jetzt die Lautsprecher

Kein Wunder, auch die Stimme des Volkes besorgten jetzt die Lautsprecher, und die Hand am Pulsschlag der Nation hielt der Propagandaminister persönlich, das heißt, er bestimmte dessen Rhythmus je nach Bedarf.

Goebbels begann mit einem Traum: Er wollte ein deutsches Gegenstück zu »Panzerkreuzer Potemkin« schaffen. Einen Film, der mit einem Schlage die Welt aufhorchen machen sollte. Dem künstlerischen Kredit - so rechnete er -, den ein solches nationalsozialistisches Meisterwerk einheimsen mußte, würde der politische Kredit auf dem Fuße folgen; die Kosten durften keine Rolle spielen.

Man kann weder den Geist befehlen noch Dummheit verbieten.

Doch der Geist läßt sich nicht befehlen, besonders dann nicht, wenn man ihn gleichzeitig mit den zynischsten Mitteln austreibt. Von allen bedeutenden Regisseuren, die nach 1933 emigrierten, kehrte ein einziger zurück. G. W. Pabst, der ursprünglich nach Frankreich, dann nach den USA und schließlich wieder nach Paris gegangen war, fand sich 1939 wieder in Berlin ein. Er drehte dort »Komödianten«, 1941, und »Paracelsus«, 1943 - in die Diktaturmaschine geraten, konnte er noch froh sein, so billig davongekommen zu sein. Im übrigen, erklärte er später, habe er »alle Hände voll zu tun gehabt, Propagandastoffe abzulehnen«.

Goebbels Vorstellungen klappten nicht

Nachdem der Kranz »Potemkin« offenbar zu hoch hing, begnügte sich Goebbels damit, die Parole auszugeben, Filme mit »scharfen völkischen Konturen« herzustellen. Mit ihrer Hilfe sollte erst einmal Deutschland bekehrt werden, Europa war dann für später vorgesehen.

Aus »Horst Wessel« mußte »Hans Westmar« werden

Die völkische Kontur fiel gleich bei einem der ersten jener Propagandafilme, »Horst Wessel«, so überscharf aus, daß er bescheiden in »Hans Westmar« umgetauft werden mußte, um überhaupt Zuschauer zu finden. Die anderen, »Hitlerjunge Quex« oder »SA-Mann Brandt«, waren künstlerisch schlechter Durchschnitt, an das russische Vorbild durfte man gar nicht denken.

Leni Riefenstahls Werke - künstlerisch hochwertig und dennoch fatal

Etwas mehr Glück hatte Goebbels mit zwei Dokumentarfilmen, die er zu Ehren des Dritten Reiches herstellen ließ: »Triumph des Willens«, über die Nürnberger Parteitage, und »Olympiade«, über die Olympischen Spiele in Berlin 1936.

Für beide Filme zeichnet Leni Riefenstahl als Regisseurin verantwortlich - es ist gut fotografierte und raffiniert geschnittene Herrenmenschen-Propaganda, die über die Schönheit nackter - besonders männlicher - Körper wirken sollte (allein der Schnitt des während der Spiele aufgenommenen Materials für den zwei Abende ausfüllenden Olympiadefilm nahm zwei Jahre in Anspruch).

Diese Pointe hat im Ausland einiges Aufsehen erregt - künstlerisch folgte Leni Riefenstahl den Fußtapfen Ruttmanns, der im Olympiadefilm als Regisseur genannt ist.

Die Wahrheit per Befehl entstellen - jetzt kamen die Hetzfilme

Nach dem Mißlingen der Direktmethode der Propaganda versuchte es Goebbels indirekt: Er gab das Rezept aus, historische Wahrheiten mäßig zu entstellen, und den Nutzen davon sollte das Dritte Reich haben. Auf diese Weise entstand »Ohm Krüger«, für den sich Jannings gut gebrauchen ließ, und es entstand Veit Harlans »Jud Süß« mit Werner Krauß.

»Jud Süß« sollte den Antisemitismus schmackhaft machen, und er hat dieses Ziel bei einer Menge gutgläubiger Zuschauer wohl auch erreicht. Wenn auch sein Regisseur, den man später wegen »Verbrechens gegen die Menschlichkeit« angeklagt hatte, freigesprochen wurde (1949), so bleibt dieser Film ein Schandfleck, sogar noch in der Reihe der Hetzfilme (von denen keine Filmnation freigesprochen sei), in die er gehört.

Ab 1939 waren solche Machwerke "alternativlos"

Das deutsche Publikum ging mehr oder weniger freiwillig in solche Filme - seine wahre Liebe aber galt den unpolitischen Unterhaltungsfilmen mit Tanz und Musik. Aus diesem Genre erreichte »Wunschkonzert« 1941 den absoluten Kassenrekord von allen deutschen Filmen, die jemals gedreht wurden: zwanzig Millionen Zuschauer haben ihn gesehen!

Aus dem Goebbelstraum »Potemkin« war also das »Wunschkonzert« geworden! So sieht die Bilanz aus, die Goebbels hätte ziehen können, nachdem er zwölf Jahre lang die Phantasiemaschine beherrscht hatte, in einer Machtfülle, wie sie kein amerikanischer Geschäftsmann und kein russischer Beauftragter je in Händen hatte.

Ein letztes Armutszeugnis für den Propagandaminister

Und sein letztes Armutszeugnis stellte er sich aus, als es galt, für das fünfundzwanzigjährige Bestehen der Ufa, 1943, einen Jubiläumsfilm zu drehen. Der »Münchhausen«-Stoff war dazu ausersehen. Das von Witz funkelnde Drehbuch durfte ausnahmsweise, weil es kein anderer auch nur annähernd so gut konnte, Erich Kästner verfassen. Zwar hatte dieser Autor »Schreibverbot« und durfte niemals Mitglied der »Reichsschrifttumskammer« werden - aber was macht man nicht alles in der Not der Geistesarmut ? "Erich Kästner" wurde nämlich unter dem Pseudonym "Berthold Bürger" vorgestellt.

1933 wurde die »Reichsfilmkammer« geschaffen

Der Anfang vom Ende der Weltgeltung des deutschen Films begann mit der Errichtung der »Reichsfilmkammer«. Goebbels beeilte sich, diese Organisation wurde bereits im Juni 1933 geschaffen. Wer nicht Mitglied war, durfte weder geistig noch künstlerisch im Film tätig sein, und Mitglied konnte nur werden, wer politisch mindestens »tragbar« war; ein flammendes Bekenntnis zur Diktatur wurde wohl nicht erwartet, doch mußte man »rassisch einwandfrei« sein.

Doch immer noch galt die Faustregel: »Wer Arier ist, bestimme ich.« Auf diese Weise verschwand groteskerweise der Urtyp blonder, deutscher Frauen-Innerlichkeit, Henny Porten, von der Leinwand; sie weigerte sich, sich von ihrem »nichtarischen« Manne, einem Arzt, scheiden zu lassen, und auf diese Weise wurde Pola Negri — hatte sie nicht im ersten Weltkrieg bei antideutschen Hetzfilmen mitgewirkt ? - aus Hollywood zurückgeholt (für »Mazurka«).

Doch das sind nur kleine Beispiele für die Willkür, die an der Tagesordnung war. Nicht das Gesetz galt, nicht einmal das eigene, sondern die jeweilige politische Zweckmäßigkeit. Im Zeichen des Polenpaktes war Pola Negri wieder recht, der gleichen Schauspielerin hätte es passieren können, daß man sie, obwohl »arisch«, zur verachteten Sorte der politischen Untermenschen gezählt hätte.

Ab 1933 mußten Tausende emigrieren oder fliehen

Die Liste der Emigranten, die nach der Errichtung der »Reichsfilmkammer« Deutschland verlassen mußten, weil man ihnen Beruf und Brot genommen hatte, umfaßt Hunderte von prominenten, Tausende von unprominenten Namen. Drehbuchverfasser, Dramaturgen, Regisseure, Darsteller, Sänger, Komponisten, Kameramänner, Ausstatter, Statisten - ein Volksvermögen an Intelligenz und Erfahrung wurde verschleudert, bloß um einen politischen Wahn zu stützen.

Die Quittung kam umgehend aus dem Ausland

Die Quittung dafür durfte Goebbels in dem ständigen Sinken der Exportziffern für deutsche Filme sehen; sie wurden auf dem Weltmarkt zusehends schlechter verkauft. Diese Tatsache ist aber nicht auf einen verabredeten Boykott zurückzuführen, sondern allein auf den Umstand, daß ihre Qualität nicht genügte.

Für Geld hätten die Amerikaner sogar Nazi Filme gezeigt

Die Amerikaner wären die letzten gewesen, die sich ein Geschäft hätten entgehen lassen, wenn sich mit deutschen Filmen - Goebbelsscher Prägung - ein Geschäft hätte machen lassen. In den Jahren zwischen 1933 und 1937 lag das durchschnittliche Defizit der deutschen Filmwirtschaft zwischen zwölf und fünfzehn Millionen Mark jährlich.

1937 - Die UFA und die TERRA werden verstaatlicht

Goebbels las diese Quittung auf seine Weise und nahm sie zum Vorwand, die beiden größten deutschen Filmkonzerne, die Ufa und die Terra, in seine Hand zu bringen. Die Ufa wurde im März, die Terra im August 1937 verstaatlicht.

Die wirtschaftlichen Bilanzen wurden nie veröffentlicht

Das Dritte Reich ging unter die Filmhersteller; seine wirtschaftlichen Bilanzen wurden nie veröffentlicht, seine künstlerischen blieben unterdurchschnittlich, und seine politischen sind bekannt.

 

.

- Werbung Dezent -
Zur Startseite - © 2006 / 2024 - Deutsches Fernsehmuseum Filzbaden - Copyright by Dipl. Ing. Gert Redlich - DSGVO - Privatsphäre - Redaktions-Telefon - zum Flohmarkt
Bitte einfach nur lächeln: Diese Seiten sind garantiert RDE / IPW zertifiziert und für Leser von 5 bis 108 Jahren freigegeben - kostenlos natürlich.