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Wie aus dem Stummfilm der Tonfilm wurde ...

überarbeitet, korrigiert und ergänzt von Gert Redlich im Nov. 2014 - Diese Seite basiert auf einem Vortrag, quasi einer Privatvorlesung, von Mitherausgeber Professor Dr. Schwarze im Nov. 2014 in Stutgart, die wiederum auf den Artikeln in dem dreibändigen Werk "Medienwissenschaft - Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen" Band 2 basiert. Dieses Werk datiert aus 1999 bis 2002 und beleuchtet einen anderen Aspekt als die allgemein verfügbare Literatur.

Hier geht es vornehmlich um den technisch kulturellen Aspekt der Entwicklung dieses Mediums Film.

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1. Wie die Entwicklung angefangen hatte


Thomas Alva Edison gilt als einer der ersten, der es für möglich hielt, Filme sprechend oder tönend herauszubringen. Sein 1877 zum Patent angemeldeter Phonograph bildete eine Grundlage für das spätere Nadeltonverfahren, für das der Ton mit Hilfe von Schallplatten getrennt vom Filmband aufgenommen und wiedergegeben wurde.

1896 - Ein erstes Patent für Bild und Ton

Das erste Patent für seine Synchronisationsvorrichtung von Bildprojektor und Phonograph 1896 erhielt der Franzose Auguste Baron. In der Folgezeit entstand vor allem in Deutschland eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme, die Bild und Ton miteinander verbanden.

1903 - Oskar Messter zeigt eine Tonbildproduktion

Das erste - das 'Biophon' - entwickelte Oskar Messter. Er führte es am 31. August 1903 im Berliner Apollo-Theater vor. In den folgenden Jahren entwickelte sich Deutschland zum führenden Land in der Tonbildproduktion.

1904/1907 - Ernst Ruhmer und das 'Photographon'

Zeitlich parallel zu den Versuchen Messters konstruierte der Physiker Ernst Ruhmer 1904 die sogenannte 'sprechende Bogenlampe' und 1907 das 'Photographon'. Zusammen mit dem Franzosen Eugene Augustin Lauste legte er mit den Experimenten wesentliche Grundlagen für das Lichttonverfahren, bei dem der Ton und das Bild als eine unzertrennbare Einheit auf den Filmstreifen fotografiert werden.

Die Entwickler kannten sich nicht untereinander

Die verschiedenen Versuche, Ton und Bild untrennbar miteinander zu verbinden, wurden in den zwanziger Jahren grundlegend von beiden Verfahren bestimmt. Sie wurden überwiegend von kleinen Entwicklungsunternehmen getragen, die miteinander kaum in Kontakt standen. Die Erfinder präsentierten ihre Zwischenergebnisse in wenigen öffentlichen Veranstaltungen.

1921 - Sven Berglund und der Lichttonfilm

Der Schwede Sven Berglund führte bereits am 17. Februar 1921 mit dem von ihm entwickelten 'Photophon' zum ersten Mal Lichttonfilme öffentlich vor.

1922 - das Triergon Verfahren

Am 17. September 1922 zeigten Hans Vogt, Joseph Massolle und Dr. Josef Engl im Berliner Kino Alhambra die Ergebnisse des von ihnen entwickelten Tri-Ergon-Verfahrens in einer Sonderaufführung. Es bildete in der Folgezeit eine entscheidende Grundlage für die Weiterentwicklung der gesamten Lichttontechnik.

Lange Zeit nicht konkurrenzfähig

Die frühen Aufführungen unterstrichen den filmästhetischen Kontrast zwischen den relativ statischen Tonfilmen und der freibeweglichen Stummfilmkamera. Trotz der Novität des Tons und der im Laufe der Zeit unübersehbaren technischen Fortschritte, konnten deshalb die Filme vor allem in Deutschland mit den Stummfilmen lange Zeit nicht konkurrieren.

Hier entbrannte auch - im Unterschied zu den USA - ein heftiger Streit zwischen Befürwortern und Gegnern des neuen Mediums. Auf Grund des insgesamt geringen Interesses an Tonfilmen, das in Deutschland nicht zuletzt auch der thematischen Beschränkung auf den Kulturfilm geschuldet war, fehlte es im Reich lange am notwendigen Geld für den zielgerichteten Ausbau der Tonfilmtechnik.

2. Ein Blick auf die Entwicklung des Tonfilms in den USA


In den USA förderte vor allem Western Electric die Weiterentwicklung der Tonfilmtechnologie, nachdem sie aus ihrem Versuchsstadium herausgetreten war, bis zur Vorführreife.

1926 - 'Vitaphon' bei Western Electric und Warner Brothers

Nach einem entsprechenden Vertrag mit Warner Brothers fand die Uraufführung der ersten Tonfilme auf der Grundlage des 'Vitaphon'-Systems, die ausschließlich mit Musik unterlegt waren, am 6. August 1926 in New York statt.
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1925 - Eine 43cm Filmtonplatte

Im Unterschied zu allen europäischen Konkurrenten zeigte das Hollywoodunternehmen zur Premiere nicht nur kurze Streifen verschiedener populärer Opernarien, sondern mit 'Don Juan' auch einen 110minütigen Spielfilm, dessen Ton auf 14 Schallplatten gepreßt war. Als Sänger hatte das Unternehmen Broadway-Stars verpflichtet. Der hochgradig besetzte und lange Spielfilm bedingte zusammen mit einer großen PR-Aktion den durchschlagenden Erfolg der Uraufführung.

1927 - Die Fox-Case Corp. und 'Movietone'

Im Januar 1927 stellte die Fox-Case Corp. die ersten 'Movietone'-Filme vor. Da der technische Vorsprung von Warner nicht einzuholen war, spezialisierte sich Fox in der Folgezeit zunächst auf die tönende Wochenschau, die beim Publikum einen vergleichbaren Anklang fand wie Warners Musikfilme.

1927 - 'The Jazz Singer'

Nach zwei weiteren Spielfilmen, die im Juni 1927 in New York uraufgeführt wurden, gelang Warner mit 'The Jazz Singer' im Oktober 1927 der entscheidende Durchbruch auf dem Gebiet des Tonfilms.

Zwei Konkurrenten ERPI (Western Electric) und RCA (RCA, GE und Westinghouse) bekriegen sich

Nach dem Erfolg der ersten Tonfilme brach in den USA zwischen den Elektrizitätskonzernen
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  • "Electrical Research Products Inc." (ERPI),
    einer 100 prozentigen Tochtergesellschaft der
    WE (Western Electric) einerseits,
    und
  • "RCA Photophone Inc.", einer gemeinsamen Untergesellschaft der
    RCA (Radio Corporation of Amerika),
    GE (General Electric) und
    Westinghouse andererseits,

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ein Kampf um Marktanteile an der Tonfilmtechnik aus.
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1928 - 'Vitaphon' und 'Movietone' gehen zusammen

Western Electric entwickelte zusammen mit Warner Brothers das 'Vitaphon'- (Schallplatten-) System und in Verbindung mit "Fox Film Corporation" das 'Movietone'- (Bildton-) System. Dem Elektrokonzern schlossen sich in der Folgezeit u. a. die Firmen

  • Paramount,
  • Metro-Goldwyn-Mayer,
  • Universal,
  • Columbia und
  • United Artists an.


Mit den Verträgen sicherte sich ERPI/"Western Electric" einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber "RCA Photophone Inc.", die die Aktienmehrheit der vergleichsweise kleinen Produktionsfirma "Film Booking Office" übernahm.

Ausgewertet wurden die Filme in den "Keith-Orpheum"-Theatern, die bis Oktober 1928 mit neuen Wiedergabeapparaturen ausgestattet wurden.
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Die "ERPI" beginnt einen System-Krieg

Nach der ersten Marktaufteilung entbrannte ein Kampf um die Apparateausstattung der freien Theater. Um sich Absatzmärkte zu sichern, verhängte "ERPI" ein Aufführungsverbot auf ihren Wiedergabeapparaturen für jene Spielfilme, die nicht auf firmeneigenen Aufnahmegeräten produziert worden waren. Das Unternehmen hoffte so, die Konkurrenz ausschalten zu können.

Infolge der Marktbeschränkung zögerten die verunsicherten Theaterbesitzer mit ihren Bestellungen, so daß die neuen Tonfilme mit den Hollywoodfirmen nicht gewinnbringend abgesetzt werden konnten. Nach Gesprächen zwischen "ERPI" und "RCA Photophon", die auf Druck von Vertretern der Filmindustrie zustande kamen, hob "ERPI" die bestehenden Einschränkungen am 14. Dezember 1928 wieder auf.

1928 - 38 Systeme zur synchronen Tonfilmwiedergabe

Im August 1929 konnten bereits 25 Prozent aller amerikanischen Kinos, die 40 Prozent der Sitzplätze umfaßten, Tonfilme vorführen. 1928 gab es in den USA 38 Systeme zur synchronen Tonfilmwiedergabe und weitere 49 andere Reproduktions-Systeme. Allerdings beherrschten die beiden Elektrogruppen bereits den amerikanischen Markt, so daß Außenseiter keine Chance mehr hatten, ihre Entwicklungen gewinnbringend auszuwerten.

3. Der Blick auf die Entwicklung in Europa


Die zersplitterte Forschung und Entwicklung in Europa bedingte eine Vielzahl von Patent-und Gebrauchsmusteranmeldungen zur Tonfilmtechnologie. Eine interne Studie der Siemens & Halske AG kam im August 1928 zu dem Ergebnis, daß in Europa 18 verschiedene Tonaufzeichnungssysteme mit einer kaum zu übersehenden Patentvielfalt existierten.

1928 - Die Patentvielfalt on Europa

Die zum Teil sehr unterschiedlichen Verfahren, die um 1928 miteinander konkurrierten, lassen sich in sechs Gruppen einteilen :
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  • - "Tri-Ergon"- Verfahren: Lichtbild und Ton werden getrennt aufgenommen und getrennt entwickelt. Sodann werden auf einem verbreiterten Filmstreifen Ton- und Filmaufnahme vereinigt. Die Tonaufzeichnung nach dem sogenannten Intensitäts- bzw. Schwärzungsverfahren erfolgt so, daß der Tonfilmstreifen gleichlange, horizontale Streifchen von verschiedener Breite aufweist.
  • - "Petersen- und Poulseri"-Verfahren: Ton-und Lichtbild-Aufnahmen erfolgen getrennt. Während der Tonaufzeichnung entstehen horizontale Streifen unterschiedlicher Länge; auch Transversalmethode genannt.
  • - "Küchenmeister"-Verfahren: Die Tonaufnahme nach dem Intensitätsverfahren befindet sich auf dem Außenrand des Filmstreifens, das Lichtbild hat eine normale Größe.
  • - "Movietone"-Verfahren: Entspricht dem "Tri-Ergon"-Verfahren. Da jedoch der Film nicht verbreitert wird, muß das Filmband verkleinert werden. Nach dem Lichttonverfahren arbeitete noch eine Reihe weiterer Systeme, wie 'Photophone', 'Cinophone', 'Filmophone' usw. Für die allgemeine Tonfilmentwicklung blieben sie jedoch ohne Bedeutung.
  • - "Lignose Hörfilm", System Breusing: Der Ton wird auf einer Schallplatte, die bei der Filmvorführung gekoppelt mit dem Film läuft, aufgenommen. Nach demselben System arbeiteten 'Vitaphone', 'Firnatone', 'Photophone', 'Elegephon' und andere.
  • - "System Dr. Kurt Stille" : Der Ton wird auf einem magnetisierten Stahldraht festgehalten, der mit dem Film gekoppelt abläuft. (Das Verfahren kam nur kurzzeitig in einem Atelier in der Nähe von London zur Anwendung).

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Im Mai 1928 wurden auf der Dresdener Ausstellung 'Die technische Stadt' die ersten 'Lignose'-Hörfilme uraufgeführt.

1928 - Das TOBIS Syndikat (heute wäre das ein Kartell)

Am 30. August 1928 bildete sich nach dem Vorbild vergleichbarer Kartelle in der Industrie unter der Führung von Dr. Heinrich Brückmann die Tonbildsyndikat AG (Tobis). Sie erwarb die Deutsche Tonbild AG, die im Besitz der deutschen Petersen- und Poulsen-Patente war. Der Tobis gelang es, die Patente von Tri-Ergon, Küchenmeister, British Phototone, French Phototone, einige amerikanische Patente und das Synchronisierungsverfahren von Oskar Messter unter ihrem Dach zu vereinigen und unter Verwendung der verschiedenen Verfahren eigene Aufnahme- und Wiedergabeapparaturen zu entwickeln.

Im September 1928 schloß das Syndikat einen Vertrag mit dem "Deutschen Lichtspielsyndikat" zwecks Belieferung der dem Syndikat angeschlossenen Kinos mit Tobis-Wiedergabegeräten.

1928 - Gründung "Klangfilm GmbH"

Die großen Elektrounternehmen Siemens & Halske und AEG, die ihrerseits über mehrere Abkommen mit General Electric bzw. Westinghouse verbunden waren, beteiligten sich mit je 40 Prozent und das Schallplattenunternehmen Polyphon AG mit 10 Prozent an der am 3. Oktober 1928 gemeinsam gegründeten Klangfilm GmbH. Sie verfügte über alle Telefunken- und wichtige Schallplattenpatente.

Anfang 1929 erwarb die Klangfilm GmbH die Mehrheit der Lignose-Hörfilm-Patente von der British Photophone und schloß mit ihr ein Austauschabkommen.

1928 - Klangfilm und Tobis - erbitterte Konkurrenten

Der Versuch der Klangfilm, auch mit Hilfe amerikanischer Filme die Möglichkeiten der eigenen Apparatur im Berliner Filmpalast Universum zu demonstrieren, scheiterte an der Tobis. Diese hatte eine einstweilige Verfügung erwirkt, weil sie bei den von Fox gelieferten Streifen die Verletzung einiger ihrer Kopierpatente geltend machen konnte.

Zur gleichen Zeit erwarb die amerikanische "Warner Brothers" die Mehrheit der deutschen "National Film AG", um mit Hilfe des Unternehmens den in der gesamten Welt erfolgreich aufgeführten Spielfilm "The singing fool" auch in Deutschland aufführen zu können.

Parallel wies die Western Electric alle Hollywoodfirmen, die ihre Aufnahmeapparaturen nutzten, an, ihre Filme in Deutschland nur auf Wiedergabeapparaten von Western abzuspielen.

1929 - Klangfilm und Tobis, eine Zwangs-Kooperation

Die Erklärung stieß auf den Widerstand von Tobis und Klangfilm, die unter dem amerikanischen Druck ihre Streitigkeiten beendeten und am 12. März 1929 einen gemeinsamen Vertrag unterzeichneten, der die Interessengebiete beider Unternehmen definierte. Die neuen Partner forderten sofort von den amerikanischen Filmfirmen für die Aufführung von Tonfilmen für die Nutzung deutscher Patente Lizenzen, die diese verweigerten.

Klangfilm und die UFA

Einen Monat später unterzeichneten die Klangfilm und die Ufa einen Vertrag über die Lieferung von Aufnahme- und Wiedergabeapparaturen, der dem Filmkonzern erhebliche Wettbewerbsvorteile gegenüber seinen deutschen Konkurrenten einräumte. Gleichzeitig konnte die deutsche Gruppe in Europa erheblich an Einfluß gewinnen.

1929 - Tobis geht nach Holand

Im April 1929 wurde unter Beteiligung des Bankhauses Oyens & Zonen das finanzielle Zentrum der Tobis nach Amsterdam verlagert und in die N. V. Küchemeister's Internationale Maatschappyi voor Accoustiek, die auch über wertvolle Schallplattenpatente verfügte, eingegliedert. In der Folgezeit unterzeichnete das Unternehmen TOBIS Produktionsverträge zur Herstellung von Tonfilmen mit den Firmen Emelka, Aafa und Greenbaum.

1929 - Siemens verklagt Warner Brothers erfolglos

Als Warner Brothers im Mai 1929 begann, 'The singing fool' in einem von der UFA gepachteten Kino aufzuführen, verklagte die Siemens AG (Mutterfirma der Klangfilm) die amerikanische Western erfolglos !! wegen der Verletzung von Verstärkerpatenten.

Daraufhin setzte Telefunken beim Kammergericht am 21. Juli 1929 eine einstweilige Verfügung gegen die amerikanische Apparatur wegen der Verletzung des "von Lieben" Röhren-Patents (von 1907) durch. Nach der Entscheidung durften zunächst keine amerikanischen Tonfilme in Deutschland gezeigt werden.

1929 - Versuch eines transatlantischen Arrangements

Um eine Einigung herbeizuführen, reisten Anfang Juni Vertreter der Küchenmeister- und der Klangfilmgruppe nach New York. Die Verhandlungen scheiterten an der Forderung der Amerikaner nach der Aufhebung der deutschen Filmkontingentbestimmungen und nach einem englischsprachigen Tonfilmmonopol.

Obwohl sich die Patentposition des Küchemeisterkonzerns in den folgenden Monaten in Europa immer mehr festigte und die Aufführung amerikanischer Filme deshalb schwieriger wurde, scheiterten auch die folgenden Verhandlungen, weil es in Europa an Tonspielfilmen fehlte.

Aufnahme- und Wiedergabeapparaturen waren rar

Da weder die Tobis noch die Klangfilm in der Lage waren, Aufnahme- und Wiedergabeapparaturen in für die Filmproduktion ausreichender Qualität und in höheren Stückzahlen herzustellen und zu liefern, verzögerte sich die deutsche Tonspielfilmproduktion erheblich. Vor allem die ERPI hoffte, diese Situation für die eigenen Interessen ausnutzen zu können.

Hollywoodfirmen wollen das Kartell aufbrechen

Ungeachtet des Verbots von ERPI beschlossen fast alle großen Hollywoodfirmen, ihre Filme auf gleichwertigen anderen Apparaturen im Ausland abzuspielen, die europäischerseits wieder mit Forderungen nach Entschädigungen für die widerrechtliche Benutzung von Patenten und einer Aufteilung des Weltmarkts beantwortet wurden.

'Atlantic' und einige andere, zum Teil stumm gedrehte und später nachsynchronisierte Filme kamen ab Oktober 1929 in die deutschen Kinos.

Dezember 1929 - eine aufwendige Mehrsprachigkeit

Ab Dezember 1929 wurden jedoch bereits als Tonfilme gedrehte deutsche Spielfilme regelmäßig in den Lichtspielhäusern aufgeführt, die zum Teil auch in mehreren Sprachversionen hergestellt wurden, d. h. die gleiche Szene wurde von unterschiedlichen Schauspielern in verschiedenen Sprachen gedreht. Auf diese Weise sollte zum einen die Internationalität des Mediums gewahrt und zum zweiten sichergestellt werden, daß die Mundbewegungen der Schauspieler mit dem Text völlig übereinstimmten, eine Grundvoraussetzung für die Akzeptanz des neuen Mediums von Seiten der Zuschauer.

1930 - Das Pariser Tonfilmabkommen - wieder ein Kartell

Nach international großartigen Erfolgen von Filmen, wie 'Liebeswalzer' und 'Der blaue Engel', begannen im Sommer 1930 erneut Tonfilmverhandlungen zwischen den amerikanischen und deutsch / niederländischen Elektrokonzernen. Sie endeten mit dem Pariser Tonfilmabkommen, das am 22. Juli 1930 veröffentlicht wurde.

Große Zugeständnisse sowie „Exklusivgebiete"

Erstens gestand es den Deutschen die Interchangeability zu, also die Möglichkeit, jeden Film auf jeder Apparatur vorzuführen, die sowohl für den europäischen als auch für den amerikanischen Film die internationalen Auswertungsmöglichkeiten sicherstellte. Zweitens wurden die in früheren Verträgen zwischen den deutschen und amerikanischen Elektrokonzernen festgelegten sogenannten „Exklusivgebiete" sowie das „freie Gebiet" auch für den Tonfilm übernommen. Im letzteren konnten die Systeme beider Gruppen miteinander konkurrieren, während in den Exklusivgebieten die gegenseitige Konkurrenz der Elektrofirmen für die Vertragsdauer von 15 Jahren unterbleiben sollte.

(Das deutsche Exklusivgebiet umfaßte die Länder: Deutschland einschließlich Freie Stadt Danzig, das Saarland und das Memelgebiet, Österreich, Ungarn, Schweiz, Tschechoslowakei, Holland, Niederländisch-Indien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien. Zum amerikanischen Exklusivgebiet gehörten: die USA, Canada und Neufundland, Australien, Neuseeland, Straits Settelements, Indien, Rußland. Die Grenzen der jeweiligen Exklusivgebiete sind identisch mit denen der Verträge von AEG und General Electric aus dem Jahr 1922 und denen zwischen Siemens und Westinghouse aus dem Jahr 1924.)

Von nun an ging es nur noch ums Geld

Dieser Punkt schloß auch die Höhe und das Recht zum alleinigen Erheben von Aufnahme- und Importlizenzen ein, deren Höhe gemeinschaftlich festgelegt wurde. Mit diesen beiden grundlegenden Punkten garantierten die Patenthalter, daß analog zum Stummfilm auch das neue Medium international unbeschränkt verbreitet und aufgeführt werden konnte. Das Abkommen wurde bis 1936 mehrfach durch "Continuing Agreements" ergänzt und in Hinblick auf die Linzenzen modifiziert.

Die für die Produktion von Tonfilmen abzuführenden Lizenzen unterschieden sich partiell in den USA und Europa. Western Electric verlangte eine Herstellungs-, Vorführ-, Kopier- und eine Lizenz für Auslandsverkäufe.

Die Tobis erhob dagegen keine Vorführlizenz. Statt dessen erhob sie eine Staffelabgabe auf den Netto-Einspielerlös jedes Films. Darüber hinaus vermietete die Tobis ihre Aufnahmeapparaturen nur einschließlich der sie bedienenden Techniker.

Es gab "Schwarzapparaturen", ähnlich den Schwarzsehern

Modellrechnungen ergaben, daß 1930 je nach den Gesamtkosten und den Einspielergebnissen etwa 30 Prozent bis 50 Prozent an die Elektrounternehmen abgeführt werden mußten. Im Verlauf der folgenden zehn Jahre sank dieser Anteil auf 6 Prozent bis 8 Prozent.

Die erheblichen Mehrkosten für die Tonfilmherstellung führten international zu einer erheblichen Senkung der Filmproduktion. Mit den Pariser Verträgen galten alle von den Vertragspartnern nicht genutzten Systeme als Schwarzapparaturen, gegen die sie zum Teil gerichtlich und auch mit Aufführungsverboten vorgingen.

Einheitlich Abspielgeräte senken endlich die Kosten

Die Verträge beinhalteten auch eine Normierung der Apparaturen und senkten damit das Entscheidungsrisiko der Theaterbesitzer. Die größere Zahl der Bestellungen ermöglichte eine billigere Produktion, die ihrerseits die Umstellung der deutschen und europäischen Lichtspielhäuser auf die neue Technologie forcierte.

1931 hatte fast die Hälfte aller deutschen Kinos, die mehr als 60 Prozent der Sitzplätze umfaßte, Tonfilm-Apparaturen installiert. Im August des folgenden Jahres konnten alle täglich spielenden Lichtspieltheater im 3.Reich Tonfilme vorführen.

1932 - Ende der Stummfilmzeit

Gleichzeitig sank die Zahl der produzierten Stummfilme: 1930 entstanden noch 45, ein Jahr später nur noch zwei und ab 1932 wurde in Deutschland kein Stummfilm mehr produziert.

Der Tonfilm - fast ein Neustart

Mit der Einführung des Tonfilms änderten sich nicht nur die Dramaturgie und die ästhetisch-darstellerischen Erzählstrukturen des Mediums, sondern auch die gesamte Technik und Ausrüstung. Um den Anforderungen des Tonfilms Rechnung zu tragen, mußten neue Ateliers gebaut und die bestehenden von Grund auf verändert werden.

Während im Stummfilmatelier über große Glasdächer das Tageslicht in die Studios fiel, waren die weitgehend schallisolierten Hallen dunkel und stellten daher völlig neue Anforderungen an die Beleuchtung und bisher unbekannte Probleme an die Akustik. In den geschlossenen Räumen traten Echo- oder Schallwirkungen auf, die sich auf die Tonaufnahmen nachteilig auswirkten.

Nachdem alle bei der Konstruktion von Konzertsälen oder beim Rundfunk gesammelten Erfahrungen in den Studios versagt hatten, wurde das Problem nach vielen Experimenten mit Hilfe von wesentlich stabileren Kulissen gelöst.

Große Anfangsschwierigkeiten

Die ersten Kameras waren so unbeweglich, daß sie nicht dem Spiel der Schauspieler folgen konnten, so daß diese gezwungen waren, um die Kamera zu spielen. Außenaufnahmen waren in den ersten Jahren unter diesen Bedingungen nur mit großen Schwierigkeiten zu realisieren. Trotz der ästhetisch-darstellerischen Vorteile des Tonfilms gegenüber dem Stummfilm, die vor allem in einer gesteigerten Erzählökonomie, in einer präziseren und begrifflich faßbareren Erzählweise, im Einführen von Seitensträngen in die Plotlinien und in der Akzentuierung durch Ausschweifungen und Hervorhebungen lagen, stellten die ersten Tonfilme zunächst gegenüber den erreichten Leistungen des Stummfilms einen Rückschritt dar.

Eine neue Methodik der Tonaufnahmen

Die relativ unempfindlichen Mikrophone erforderten die Aufnahme mehrerer Tonspuren, die erst im Kopierwerk mit dem geschnittenen Film auf den Filmstreifen kopiert wurden. Um die Geräusche der Wiedergabeapparaturen zu verdecken, mußten sich Sprech- und Musikpassagen permanent ablösen.

Toningenieure waren jetzt gefragt

Die Schwierigkeiten mit der Tonaufnahme bedingten, daß der Ton auch innerhalb einer Sequenz von unterschiedlichen Mikrophonen stammte, so daß zum Teil erhebliche Ton-Schwankungen auftraten, die bis zur Veränderung der Stimme reichten, wenn Echowirkungen nicht unterbunden werden konnten.

Die Wiedergabeapparaturen waren nicht ausgereift

Die technische Qualität der Wiedergabeapparaturen ließ zunächst noch viele Wünsche offen. Während der Premiere von Atlantic im Berliner Gloria-Palast saß der Regisseur Ewald Andre Dupont noch mit dem Drehbuch in der Vorführkabine, um die Apparatur auszusteuern.

Um die Investitionen gering zu halten, kauften viele Lichtspielbesitzer einfache Zusatzgeräte für die Tonübertragung, die sie mit den existierenden Projektoren koppelten.

Wie der (neue) Ton die Bildqualität beeinflußte

Da die Leinwand in vielen Kinos beschichtet war, um die Lichtdurchlässigkeit zu verringern, mußte sie vielerorts ausgetauscht werden, da die Beschichtung schalldämmend wirkte. Wenn die Lichtquelle in den Projektoren nicht verstärkt werden konnte, minderte sich mit der Einführung des Tonfilms auch die Bildqualität - vor allem in kleineren Kinos.

Jetzt war die Firma Klangfilm mit neuen Geräten an der Reihe

Die Unterschiede wurden erst 1934 beseitigt, als nach entsprechenden Verhandlungen alle deutschen Kinos mit patentreinen Vorführprojektoren ausgerüstet waren und sich die Tonqualität der Lautsprecher langsam verbesserte.

Der Einsatz von unausgereifter Technik zwang die Klangfilm zur permanenten Verbesserung ihrer Geräte, die sie in den ersten Jahren nur vermietete.
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Um 1930 konnten die Erst- und Folgeinvestitionen der Stummfilme völlig abgeschrieben werden. Allein die Ufa tauschte nach der Erstinstallation in den dreißiger Jahren zweimal ihre gesamten Aufnahmegeräte komplett aus. Trotz permanenter Verbesserungen der Apparaturen konnte am Beginn der vierziger Jahre die Tonqualität partiell noch nicht befriedigen.

Die Kosten für die Umstellung auf das neue Medium wurden in Deutschland auf 80 Millionen RM geschätzt - und das war viel Geld.
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