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Das Thema „Fernsehen der Zukunft"

Der Aufmacher in der Landtagszeitung - Anhörung HDTV am 19.9.1989:
Keine Einigkeit bei Wirtschaftsblöcken - Frage nach Teilung der Fernsehwelt


Als erstes parlamentarisches Gremium in der Bundesrepublik hat sich der Hauptausschuß des nordrhein-westlälischen Landtags unter Leitung seines Vorsitzenden Professor Dr. Friedhelm Farthmann (SPD) mit den Zukunftsperspektiven des hochauflösenden Fernsehens (HDTV) befaßt.

Bei einer Anhörung von Fachleuten aus Industrie, Wissenschaft und Sendeanstalten spielte auch die Frage eine Rolle, ob die Welt des Fernsehens in die Wirtschaftsblöcke Europa, USA und Japan geteilt sein wird.

Der SPD-Medienexperte Jürgen Büssow wollte deshalb wissen, wo ein Kompromiß liegen könnte, ob sich ein Block für den anderen entscheiden müsse oder eine dritte Norm möglich sei.

Die Antworten der Experten machten deutlich, daß sich die Europäer mit ihrem EUREKA-Projekt (eigentlich Eureka 95 !!) bei der Frequenz definitiv für 50 Hz entschieden haben.

Auch der weitgehend aufgeholte Vorsprung der Japaner bei HDTV kam zur Sprache. Warum sei EUREKA (95) so spät gekommen, fragte CDU-Obmann Dr. Ottmar Pohl und schloß an: „Haben wir in Europa geschlafen?"

Der Artikel über das HDTV-Hearing
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Hauptausschuß-Hearing zu HDTV und der Rolle Europas
NRW Landtag befaßte sich am 19.9.1989 als erstes Parlament in der Bundesrepublik mit dem Hoch-Auflösungs-Fernsehen


Vorsitzender Professor Farthmann erinnerte zunächst daran, die Thematik sei schon in Berlin andiskutiert worden. Hier und heute könne sie (die Thematik) eine Vertiefung und Fortsetzung erfahren. Die Aussprache bezog sich zum Teil auf sehr komplexe technische Fragen. Die Abgeordneten mußten bei den komplizierten technologischen Ausblicken in eine neue Fernsehära immer wieder nachfragen. Am Ende der fünfstündigen Anhörung lobte der Vorsitzende das hohe Niveau der Diskussion.

Als erste kamen die Vertreter der Hersteller zu Wort.
Dr. Günter Kroll als Sprecher des Fachverbandes Unterhaltungselektronik bezeichnete die angestrebte Kompatibilität bei Fernsehsystemen als einzig vernünftigen Weg. Er regte an, das System PAL weiterzuentwickeln. Auf der anderen Seite sollte früher mit einer direkten HD MAC-Aus-strahlung begonnen werden. Kroll betonte, die Politik müsse für Planungssicherheit sorgen. Gerade die Japaner hätten eine viel größere Planungssicherheit. Mit der Technik brauche man sich hierzulande nicht zu verstecken.

Für die Bosch/Philips-Tochter BTS erklärte Stefan Peitzmann, man habe sich für das EUREKA-Projekt entschieden.

Dieter Höhler von Philips erläuterte mit der Wahl von EUREKA und deren Vorschlägen über Standards würde auch Rücksicht auf die vorhandene Infrastruktur genommen. Es gebe 32 Millionen Fernsehgeräte in der Bundesrepublik, 4,5 Millionen kämen jedes Jahr neu hinzu.

Es sei keine Frage, daß man auch bei den Standards Rücksicht auf den Gerätepark nehmen müsse. Dr. Ron Sommer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Sony Deutschland GmbH, trat, wie er sagte, nicht als Japaner auf. Es gehe nicht um die Frage Japan gegen Europa, sondern im Prinzip um den Wettbewerb von global operierenden Unternehmen mit lokalen Akzenten. Mit der HDTV Basisentwicklung sei schon früh begonnen worden. Heute sei das System in der zweiten Serienfertigung. Sommer fragte, warum EUREKA 95 so viele Anstrengungen gegen eine welteinheitliche Norm unternehme. Heute gelte nicht mehr die Regel, wer die Norm habe, habe den Markt. Heute sei man in der guten Situation, gemeinsam über eine Lösung zu sprechen, die optimal für die Welt, Europa und die Bundesrepublik sei.

Anmerkung: Da hatte sich Herr Sommer damals schon geirrt oder die Interessen seines Arbeitgebers vertreten. Es galt schon immer und auch heute (Herbst 2010) noch: Wer die Norm hat, hat den Markt.

Norm und Standard

Der Präsident der EUREKA-HDTV, (Anmerkung: wir sprechen immer nur über Eureka 95 !!) Pieter Boegels von Philips International B.V. in Eindhoven, meinte dagegen, wenn Japan seriös über Weltstandard sprechen wolle, müsse es vorher nach Europa kommen. Wenn man die HD MAC-Bilder sehe, sei es jetzt schon zu spät. Borgels ging auf ein Grundproblem ein. 50 oder 60 Hz, das sei der Punkt. „Wir beschäftigen uns mit 50 Hz. 75 Prozent aller Länder'hätten 50 Hz. Zu Hause sei die gesamte Infrastruktur rund um das Fernsehen, von der Beleuchtung bis zum Computer auf 50 Hz ausgerichtet. „Ich würde lachen, wenn man hier über 60 Hz spräche", sagte Boegels. Er sah keine Möglichkeit der Kompatibilität zum japanischen 60 Hz-System. Man habe HD MAC in Europa gewählt, weil HDTV später mit den gleichen Signalen empfangen werden könne.

Auf die Frage des SPD-Abgeordneten Jürgen Büssow, ob man denn 60 Hz-Produktionen hier nicht empfangen könne, erklärte Dr. Albrecht Ziemer vom ZDF in Mainz, man könne 60 Hz-Beiträge in 50 Hz ausstrahlen. In Ausstrahlung und Empfang gebe es kein Problem. Das tauche erst bei der Produktion auf.

Professor Dr. Ulrich Messerschmid vom Institut für Rundfunktechnik in München hielt einen Kompromiß zwischen 50 und 60 Hz, etwa bei 55 Hz, für nicht vorstellbar. Er glaube nicht, daß man über eine dritte Ziffer sprechen könne. 50 oder 60 Hz müsse man wählen. Beim Stichwort Normenwandlung schlug Messerschmid auch einen Bogen zu den Filmstudios. Er äußerte, in Hollywood habe HDTV noch denkbar geringe Resonanz. Dort richte man sich mit dem 35mm-Film noch auf Jahre ein.

Der erste Sprecher des WDR, Dr. Leo Deanilenko, bezeichnete HDTV als fulminantes Ereignis für die audiovisuelle Ausstrahlung. Damit würde der Schritt von der Television zur Telepräsenz getan. HDTV sei als Großprodukt schön, aber im Augenblick noch nicht bezahlbar. Er hielt eine Einführung durch die Kinos für möglich.

Ingo Dahrendorf, technischer Direktor beim WDR, erinnerte daran, daß eine Hochauflösung hohe Kosten verlange. Die Programmproduktion werde erheblich teurer. Die öffentlich rechtlichen Anstalten räumten einer welteinheitlichen Norm für Hersteller Priorität ein. Wenn es nicht zu einer einheitlichen Norm komme, halte er es für besser, Entscheidungen zu vertagen, als verschiedene Produktionsnormen einzuführen.

Jean Pütz, diesmal nicht als populärer Moderator, sondern als Vertreter der Programmdirektion, glaubte nicht, daß die Zuschauer eine HDTV-Diskussion führten. Es gebe wohl kaum Zuschauer, die sich „Klavierkästen" zu 8000 bis 10000 Mark zu Hause reinstellten. Wenn ein flacher Bildschirm nicht entwickelt werde, werde HDTV in der Stube keine Rolle spielen, meinte Pütz. Auf der Produktionsseite sollten sich „die Herren von der Industrie" schnell für eine progressive Abtastung oder das Zeilensprungverfahren entscheiden.

Dr. Ziemer vom ZDF berichtete, der Programmarkt mit Filmen, Serien usw. bedeute einen Markt in der Größenordnung von zehn Milliarden Mark. Das beinhalte, daß ein einheitlicher Standard Zugang zum Weitprogrammarkt schaffen müsse wie heute der 35mm-Film. Werde ein welteinheitlicher Produktionsstandard nicht de jure festgelegt, dann de facto durch den Markt. Er halte den De-facto-Weg für extrem gefährlich. Europa würde in etwas anderes investieren und das könnte sich als Fehlinvestition herausstellen. Man verlöre bei den Programmproduktionen noch mehr an Boden.

Vor allem Herr Ziemer vom ZDF hat sich vehement und mit Nachdruck (also dem Gewicht seines Senders) für die D2-MAC Ausstrahlung stark gemacht und saß damit auf einem toten Pferd. Das D2-MAC System war trotz eines enormen Aufwandes ganz schnell wieder verschwunden und die immensen Kosten wurden überall geschickt "versteckelt".


Zu den Normen sagte Ziemer, ein gutes Pfund sei der europäische Vorschlag des progressiven Bildes. Das könne auch in Hollywood einiges bewegen, denn progressiver Bildausbau sei Fortschritt. Im Gegensatz zu Sprechern des WDR vermutete Ziemer, der Weg über D2 MAC zu HD MAC habe viele gute Elemente.

Günter Enders, Bereichsleiter Technik von RTL Plus
befürwortete in Absprache mit Ingo Boothby, Technischer Leiter von SAT1, die einheitliche Einführung einer Produktionsnorm in HDTV in absehbarer Zeit. Ferner verwandte er sich für kompatible HDTV-Standards.

Für die Filmindustrie und die Programmhersteller betonte Johannes Webers von der Bavaria Film in Geiselgasteig, aus Sicht der Filmindustrie sei das elektronische HDTV-Aufzeichnungsverfahren sehr interessant, weil es die Möglichkeit der Sofortübergabe beinhalte. Der Einsatz eines hochauflösenden Systems sei mit 25 Bildern in der Sekunde vorstellbar.

Paul Bielicki von der videothek electronic tv-Produktion in Berlin
berichtete, man habe vor über drei Jahren begonnen, sich mit HDTV zu beschäftigen. Inzwischen seien acht Produktionen durch, demnächst würden vier Musikproduktionen folgen. Er betrachte HDTV nicht als Fernsehsystem, sondern als hochwertigen Bilderzeuger. Man benutze japanische Systeme, weil man in Europa noch nicht so weit sei. Bielicki betrachtete HDTV auch als Ergänzung zum 35mm-Film.

Was Herr Bielicki natürlich gepflegt verschwieg war die Tatsache, daß er über Jahre finanziell recht unerfolgreich mit seinem großen HD-Ü-Wagen durch die Lande gezogen war und der ganze japanische HD Spuk nach ein paar Jahren durch Konkurs sang- und klanglos von der Bildfläche verschwand. Gleiches galt ebenso für das HDO mit dem viel zu frühen analogen 1250 HDTV, bei dem in NRW (Oberhausen) deutlich über 50 Millionen Steuergelder investiert wurden.


Roland Freiberger
, zuständig für die Produktion beim WDR, befürchtete, mit HDTV würden höhere Personal- und Produktionskosten auf den Sender zukommen.

Eckart Haas vom Bundesverband Kabel und Satellit in Bonn, vertrat die Auffassung, die Vorteile des HDTV-Standards würden sich nur verkaufen lassen, wenn Produktionen da seien. Das EUREKA(95)-Programm müsse deutlich ergänzt und es dürfe vor allem nicht gewartet werden. Wenn man vom Produktionsstandard spreche, beschränke sich das nicht auf Europa und Japan. Amerika sei auschlaggebend.

Wohin laufe die Entscheidung bei der Normendiskussion, stellte Ministerialdirigent Klaus Hummel vom Bundespostministerium in Bonn die rhetorische Frage. In seiner Antwort machte er klar, die Ausstrahlungsnorm für Europa sei praktisch entschieden. Gegen die MAC-Norm gebe es in Europa keinen Widerstand. 1992 würden alle Postnetze HD MAC-fähig sein, im Kabel dann zwölf Kanäle. Zur Norm bei der Produktion meinte Hummel: „Wir wollen einen welteinheitlichen Standard". Das habe Priorität. Doch der gewöhnliche Zeitgenosse muß nach den Ausführungen Hummels auf HDTV noch lange warten. Große Schwierigkeiten werde man im Satellitenbereich haben, hieß es. Die jetzt konzipierten Satelliten seien nicht in der Lage, HDTV in die Haushalte zu bringen. Für die normalen Haushalte werde es noch gut eine Generation dauern.

Auch der Münchner Prof. Messerschmid dämpfte zu hohe Erwartungen. Zu Hause mache das neue System erst Sinn, „wenn wir eine neue Großbildtechnik haben". Skeptisch äußerte er sich zum Beginn 1992 (MAC). Im übrigen bezeichnete er es als entscheidend, Zeit zu gewinnen. Nachdem EUREKA 95 gegenüber den Japanern aufgeholt habe, könne man erst mal durchatmen, brauche nichts festzuschreiben und könne weitere vier Jahre Zeitspanne einschieben.

Professor Dr. Gerhard Mahler von Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik in Berlin kleidete eine überholte Regel in ein neues Gewand. Für HDTV gelte, wer die Technologie habe, habe die Märkte. Die Technologie nämlich sei normenunabhängig. Als am wichtigsten und schwierigsten bezeichnete der Wissenschaftler das Display für HDTV, ein Problem, das vernachlässigt worden sei. Entschieden wandte er sich gegen D2 MAC und seine Einführung als Zwischenstadium am Markt. Der Qualitätsunterschied zu PAL sei das Geld nicht wert. HD MAC nannte Mahler hingegen ein hervorragendes System, das man jetzt ohne Zwischenschritt einführen könnte.

D2-MAC wurde ein Flop. Prof. Dr. Hausdörfer von der Fese/BTS in Darmstadt zeigte mir (Autor gr) in 2008 schriftliche Unterlagen, auf denen er immer wieder vor den völlig offensichtlichen Schwächen und Macken der D2-MAC Thematik warnte und stieß damit immer wieder auf taube Ohren, sowohl bei der Fese- Geschäftsleitung wie auch bei den Sendeanstalten und dem damaligen BMFT. Die allermeisten waren den populistischen Argumenten des ZDF Mannes Dr. Ziemer erlegen. Betrachtet man das viele Geld, das zum Fenster hinausgeworfen wurde, so hatte Prof. Hausdörfer auch da wieder Recht gehabt.


Auf die Frage des CDU-Abgeordneten Helmut Elfring, ob nicht für den Kunden die „pädagogisch sauberen Informationen" beim Kauf zu kurz kämen, meinte Ron Sommer von Sony: „Was den Kunden am meisten verunsichert, ist die Kompatibilitätstheorie".

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